Cassier Hwy (BC / Canada / Juli / August 2011)

Nun liegt der Cassier Hwy greifbar nah vor uns. Dieser Streckenabschnitt ist wilder und verlassener als unsere bisherigen, die Berge und Waelder sollen direkt bis an den Hwy heran kommen, so haben wir gehoert. Wieder haben wir unsere Packtaschen mit Essensvorraeten prall gefuellt, denn ueber 800 km liegen vor uns und Moeglichkeiten zum Einkaufen sind duenn gestreut.
An der Kreuzung Alaska / Cassier Hwy tanken wir noch einmal unsere Benzinflasche fuer den Kocher voll. Hardy findet am Wegesrand eine grosse leere Bierdose, daraus will er spaeter einen Schmutzfang fuer sein Hinterrad basteln, damit ich (Alena) nicht mehr bei Regenwetter mit matschigen Spritzern besprenkelt werde.

Der Cassier Hwy ist inzwischen bis auf wenige Abschnitte asphaltiert worden. Wir geniessen diesen Untergrund sehr! Es gibt wenig Verkehr, Strassenbemalungen fehlen komplett. Die Fahrer der grossen und vollbeladenen Holztrucks machen auch hier einen Bogen um uns. Die Strasse schlengelt sich durch den Wald, Huegel folgt auf Huegel. Zum Teil werden die steilen Anstiege ganz schoen anstrengend fuer uns, so dass wir sehr ins Schwitzen kommen. So bezwingen wir zwei Paesse von immerhin 1900 m.

Wir treffen auf kleine Camps und erfahren von einem aelteren Mann, dass dies Schlaf- und Kochplaetze von Pilzsammlern seien. Er verweist uns an Jack, einen Pilz-buyer. Jack finden wir „in action“ an seinem Anhaenger, den er zu einer Pilz-Trocknungs-Maschine umgebaut hat. Er steht auf einer Leiter und schichtet die Pilze im Anhaenger vorsichtig in verschiedenen Sieben uebereinander auf, damit sie danach getrocknet werden koennen. Es handelt sich um Morcheln, die hier in der Region zwei Jahre nach einem Waldbrand zahlreich aus dem Boden schiessen. Hier gibt es die sogenannten seller und buyer. Pro Pfund erhalten die seller 5.50 – 6.50 $. Am Wegesrand sehen wir immer wieder geparkte Autos und einige Menschen erzaehlen uns, dass sie in den vergangenen Wochen viel Geld mit dem Sammeln der Morcheln verdient haben.
Nachdem wir beim zweiten buyer, einem recht jungen Burschen, vieles erklaert, gezeigt und auch ein paar getrocknete Morcheln geschenkt bekommen haben, wollen wir unser Glueck selbst versuchen und so unser Abendessen etwas aufpeppen.
Gesagt, getan, wir radeln ein wenig, parken die Raeder auf einem Waldweg und sammeln innerhalb einer halben Stunde ein ganze Plastiktuete voller Pilze. Wir sind hoch motiviert und denken darueber nach, die Morchelsuche eventuell am folgenden Tag auszubauen, um so unsere Reisekasse aufzupolstern.
Lange muessen wir aber noch in die Pedalen treten, da wir eine Recreation Site am French Creek erreichen wollen. Recreation Sites sind kostenlose Plaetze mit Plumsklo und Tischen mit Baenken, auf denen auch uebernachtet werden darf. Unsere Blicke wandern in die ehemals abgebrannten Gebiete links und rechts des Weges und Hardy vermutet des oefteren einen regelrechten Pilzboom. Er ist Feuer und Flamme und profezeit fuer den folgenden Tag eine klingelnde Kasse. Leider fuehrt uns der Weg raus aus dem Waldbrandgebiet und auch die Frage wohin mit dem Gepaeck steht noch im Raum und ist ungeklaert.

Am French Creek angekommen schwingt Hardy seine Angel ins Wasser – leider, wie immer bisher, ohne Erfolg. Abends bereitet er dafuer die Pilze zu. Diese wabbeligen Morcheln finde ich sehr unappetitlich und auch der Geruch macht die Sache nicht besser. Als Hardy mich dann noch fragt, was ich denn zu weissen kleinen Maden, ca. 9 mm lang und sowieso nur aus Pilzproteinen bestehend, im Essen sage, es seien naehmlich ganz viele davon in den Pilzen und wuerden innerhalb der braunen Wabbermasse appettitlich hervorstechen, dreht sich bei mir der Magen um. Ich esse heute nur Nudeln mit Tomatenmark aus der Dose. Hardy, etwas erbost ueber meine Meinungsaenderung, isst die Pilze samt Maden ganz alleine, so viele, dass sie ihm schwer im Magen liegen. Das Ende der Geschichte ist, das wir das Morchelsammel-Projekt daraufhin gekippt und abgeschlossen haben. Wir sind lieber weiter als zurueck geradelt. Wir konnten einfach keine Morcheln mehr sehen!

Dies war eine kluge Entscheidung, denn am folgenden fruehen Nachmittag treffen wir auf einen schoenen Campingplatz am Boya Lake. Das Wetter ist super, der See ist glasklar und faerbt sich in der Sonne tuerkis. Wir erleben eine wirklich einzigartige Landschaft. Noch unentschlossen, ob wir spaeter etwas weiterradeln wollen leihen wir uns einen Kanadier aus. Wir haben vier Stunden Zeit das Seeengebiet zu Erkunden. Das Wasser ist so klar, dass wir auch weit entfernt vom Ufer bis auf den Grund schauen koennen. Hardy probiert sich wieder im Fischen, doch ist uns beiden klar, dass in diesem See gar keine Fische leben koennen, denn wir sehen keine und koennen es dies doch aufgrund der guten Wassereigenschaften so prima einschaetzen…

Ganz richtig koennen wir nicht liegen, denn auch die Biber haben den See fuer sich entdeckt. Wir paddeln an unzaehligen Biberdaemmen vorbei und koennen sogar einige im Wasser und Unterwasser schwimmen sehen! Tief beeindruckt von diesem Wunder der Natur dehen wir unsere Runden. Natuerlich vergehen vier Stunden zu schnell und die Entscheidung ueber die Weiterfahrt wird bald gefaellt. Hier bleiben und Essen kochen ist die Devise. Wir lernen noch ein deutsches Wohnwagen-Urlauberpaerchen kennen und koennen bei ihnen unser Essen baerensicher unterstellen.

Apropos Baeren: Oft schreiben wir hier ueber diverse Sicherheitsvorkehrungen. Das scheint auch ganz gut zu funktionieren, denn tatsaechlich bekommen wir (leider) fast keine zu Gesicht. Noch schwieriger ist es, gute Fotos der scheuen Kuscheltiere zu erhaschen. Viele Einheimische und auch andere Radler fragen uns, ob wir denn Baeren gesehen haetten. Ja, haben wir, aber wenige. Andere Radler sehen staendig welche, manchmal fragen wir uns was wir zu richtig bzw. falsch machen… Aber, wie gesagt, ab und zu kreuzt dann doch auch mal ein Schwarzbaer unseren Weg. Der erste Baer, noch vor Whitehorse, wurde von uns Primero getauft. Er schnupperte bei einer unserer Mittagspausen am Strassenrand vorbei. Wir machten uns gross, zueckten das Baerenspray und warten ab was passiert. Primero entschied nach einiger Zeit sein Essen an anderer Stelle abzufassen und trotte am augenscheinlich selbstgewaehlten Zeitpunkt von dannen. Wir waren tief beeindruckt und der Schreck von dieser ersten, wirklich sehr nahen Begegnung steckte uns noch lange in den Knochen.
Mittlerweile haben wir schon ein paar mehr Baeren gesehen. Gelegentlich stoppen wir ein Auto um uns eskortieren zu lassen. Aber eher passiert es, dass wir den Baeren oder die Baerin erst im letzten Moment bemerken und schnell an ihm oder ihr vorbei brettern. Dann unterbricht das Tierchen auch mal sein Grasen und springt verschreckt ins Unterholz. Aber diese Begegnungen sind selten.
Grundsaetzlich muessen wir sagen, dass diese Tiere wirklich stattlicher Natur sein koennen. Dick und kraeftig und auch nicht immer schwarz, sind wir jedes Mal aufs Neue beeindruckt.

Bald ist auch mal wieder ein Ruhetag faellig. Am noerdlichen Teil des Dease Lakes verbringen wir ein paar ruhige Stunden. Hardy versucht sich ein weiteres Mal in seiner neuen Lieblingsbeschaeftigung, hat keinen Erfolg und klagt spaeter ueber die Gruende. Er schiebt es unter anderem auf seine Planlosigkeit bezueglich des Fischens. Ich glaube, er hat einfach kein Talent…
Zudem muss er leider sein Fahrrad reparieren. Der neue Reifen am Hinterrad hat auf den letzten 20 km eine Beule bekommen und kann nur noch entsorgt werden. Der alte Vorderradmantel wird nach hinten verlegt und vorne ein neuer Mantel mit einem Profil fuer Schotterstrassen aufgezogen. Ein Glueck haben wir Ersatz dabei! Auch ein paar Naehte unseres Zeltes werden von mir nachsilikoniert.
Es ist schoen, mal wieder nicht den ganzen Tag zu radeln, aber zum Ausruhen kommen wir nicht wirklich, es gibt immer so viel zu erleben bzw. mit den anderen kommunikationsfreudigen Mitmenschen zu besprechen…

An den folgenden zwei Tage ist es sonnig, dann holt uns das fuer den Cassier Hwy bekannte schlechte Wetter ein ein. Kurz nach dem Aufbrechen von Kinaskan Lake, auf dessen angrenzenden Campground wir kostenlos uebernachten konnten (das duerfen dort alle Radler!), faengt es an zu schiffen. Fuer drei Tage kaempfen wir uns durch die Fluten. Fluchen hilft nichts, haben wir gelernt. So wird unsere Regenkleidung bestens erprobt. Ist aussen alles pitsche nass geregnet koennen wir am Ende des Tages unsere Kleidung unter der regendichten Schicht ebenfalls auswringen. Wir versuchen das beste daraus zu machen und stoppen bei jeder Gelegenheit, um bei einem Kaffee wenigstens ein bisschen zu trocknen.
Zu erwaehnen ist hierbei die Station Bell II. Hier wird im Winter Heliskiing praktiziert. Eine Firma mit ausgedehnter Helikopterstaffel bietet auf einen Gebiet der Groesse der Schweiz fuer gut betuchte Urlauber das Skierlebnis der besonderen Art an. Helikopter ersetzen Skilifte und erlauben so sicherlich nicht nur von den Skiern aus berauschende Rundblicke.
Muss denn das alles sein?? Man denke an den oekoligischen Fussabdruck! Doch wie ist unsere Reise diesbezueglich einzuordnen? Wieviele Heliskireisen waeren wohl unsere Transatlantikfluege? Oft reden wir ueber das fuer und wieder. Zumindest sind wir uns sicher, dass das Radfahren fuer uns und sicherlich fuer viele andere die richtig gute Art zu reisen ist.

Auf Regen folgt Sonnenschein, das wissen wir inzwischen und dieser Leitspruch ist unsere Motivitation. Ebenfalls hoch motivierend sind so einige Eintragungen in unserer Karte. So fahren wir ganze 45 km im Supertempo bis zur Meziadin Junction (Junction Steward-Cassier-Hwy) im besten Wissen, dass dort eine geheizte Tankstelle mit frischgebruehtem Kaffee auf uns wartet.
Die Tankstelle ist schon lange zu, an Service in irgendeiner Art und Weise ist nicht zu denken…
Dafuer treffen wir hier Jean-Luc, der an der Kreuzung das Bear River Interpretive Center in einer alten Blockhuette in ehrenamtlicher Arbeit betreibt. Dort gibt es Infos ueber Baeren in Huelle und Fuelle und auch ein ausgedehntes Schwaetzchen mit Jean-Luc. Er empfiehlt uns einen Besuch der Antarktis, wo er oft als Touristenfuehrer arbeitet. Steht nun auf unserer Liste…

Wir sind getrocknet und sogar die Sonne schafft es zumindest die dicksten Regenwolken zu vertreiben. Wir radeln noch ein Stueck auf der nun Steward Hwy genannten Strasse. Die Berge um uns herum werden hoeher, die Luft kaelter, durch den Dunst ist die Naehe der Gletscher zu erahnen.
Am naehsten Tag bekommen wir den gewaltigen Bear-Glacier zu Gesicht. Von den Bergen hinab frass er sich einst direkt bis zur Strasse, die ueber ihm gebaut wurde. Als diese vor einigen Jahren erneuert wurde, sprengten sie den Gletscher aus dem Weg. Wir sehen, dass er recht weit zurueckgegangen bzw. geschmolzen ist. Schade! Es ist mein erster Gletscher und ich bin sehr beeindruckt von den riesigen Eismassen, die sich uebereinander zu schieben scheinen. Teilweise leuchtet das Eis hellblau.
Wir geniessen die Strecke nach Steward, diese zaehlt zu den wildesten und landschaftlich schoensten Abschnitten in BC. Dem koennen wir nur zustimmen! In dem kleinen Ort Steward, der am Ende des Portland Kanals liegt, dem viert groessten Fjord auf der Welt, leben 550 Menschen. Wir sind begeistert durch die alte Hauptstrasse zu schlendern, die Holzhaeuschen anzuschauen und wieder in einem Supermarkt einkaufen zu koennen. In Steward befindet sich der noerdlichste eisfreie Hafen Canadas, auf dem heutzutage nur noch Holz verladen wird. Dieser hat, wie das ehemalige Bergbauzentrum auch, schon bessere Tage gesehen. Alles wirkt ein wenig verlassen und herunter gekommen. Die moderne Einnahmequelle scheint der Tourismus zu sein, wir hoeren jedoch, dass er in diesem Jahr einbricht.

Wir bauen unser Zelt auf dem oertlichen Campingplatz auf und quatschen abend lange mit unserer Zeltnachbarin aus der Gegend um Stuttgart. Hardy hatte gehoert, dass an diesem Abend in Hyder, Stewards Zwillingsort auf alaskanischem Gebiet, ein Charaoke-Abend stattfindet und will unbedingt hinfahren. Nach einer Weile hat er mich weichgekocht und wir schwingen uns gegen null Uhr auf die Rader, um im 3 km entfernten Hyder ein Bierchen zu trinken. Kaum sind wir wieder in Alaska, wird die Strasse zunehmend schlechter, ein Schlagloch reiht sich an das andere, was sich besonders im Dunkeln gut macht. Hardy findet es spannend nachts fast ohne Beleuchtung in voellig unbekanntes Terain zu fahren, ich finde es aetzend.
Wir finden schnell die Bar, eines der wenigen Haeuser, in denen Licht brennt und sind erstaunt, dass der Pub fast leer ist. Was ist denn hier los? Es ist fast Mitternacht, sind wir zu spaet? Am Tresen haengen ein paar alte Maenner mit Bart und langen Haaren und Lederjacken ab, an einem Tisch sitzen sechs juengere Leute, Charaoke singt niemand. Wir trinken unser Bier und fahren zurueck. Zwar wollten auch wir nicht singen, hatten uns aber auf ein bisschen Partystimmung, weniger Totentanz, gefreut.

Am folgenden Tag haben wir frei, tja, was machen wir wohl an einem freien Tag? Radeln… ohne Gepaeck geht es wieder rueber ueber die Grenze ins nahe Hyder, der kleinen alaskanischen Enklave. In der Geisterstadt kann man nur einer Schotterstrasse folgen, die sich 40 km hinauf auf den Salmon Gletscher windet.
Schnell kommen wir zur Fischtreppe, einer Plattform, auf der Touris geschuetzt von einem Holzzaun die Baren beim Lachsfangen beobachten koennen. Wir sparen uns den Eintritt von satten 5$ pro Person und linsen um die Ecke, tatsaechlich koennen wir kurz eine Schwarzbaerin mit einem ganz kleinen Jungen sehen. Eine Weile unterhalten wir uns mit Erich, dem neuen jungen Ranger vor Ort. Er berichtet, dass sich aufgrund des schlechten Sommers die Lachse verspaetet haben und alle, besonders die hungrigen Baeren, auf ihre Ankunft warten.
Dann geht es fuer uns immer weiter, vorbei an kleinen und grossen Fluessen und Seen, von denen eine kalte Brise herueber weht. Die Strasse ist loechrig und etwas schlammig.
Mit dem Wetter haben wir Glueck, es regnet nicht und teilweise schaut die Sonne heraus.
Die Steigung nimmt zu, noch eine Kurve und noch eine, jeder von uns faehrt sein/ihr eigenes Tempo. Hardy haelt oefters der Fotos wegen an, ich versuche langsam Tritt fuer Tritt hoch zu kurbeln. So ohne Gepaeck faehrt es sich zwar auch anstrengend, aber wir kommen gut voran. Dabei koennen wir die Aussichten auf den nahenden riesigen Salmon Gletscher geniessen. Lange schiebt er sich ins Tal hinab, das Eis leuchtet hellblau. Wir sehen grosse Spalten und Eistuerme. Es ist wahnsinnig faszinierend!
Endlich ist eine Ende in Sicht und wir erreichen nach 40 km und in den letzten 20 km 900 zurueckgelegte Hoehenmeter die Aussichtsplattform. Dies wird auch Zeit, denn die Schlechtwetterfront hat uns eingeholt, es beginnt sofort zu regnen, dichte Wolken und Nebel versperren uns jegliche Sicht…
Wir fluechten ins Klohaeuschen und verharren dort. Ein verschrobener, sehr freundlicher Postkarten- und Filmeverkaeufer leiht uns eine Bettdecke. Diese riecht genauso angenehm wie der Ort selbst…aber sie waermt. Wir essen Mittag und trinken warmen Kaffee aus der mitgebrachten Thermoskanne.
Wegen des dichten Nebels versuchen wir zunaechst zurueck zu trampen, haben aber keinen Erfolg. Wir haetten auf der Ladeflaeche eines Pick Ups mitfahren koennen. Jedoch denken wir, dass wir auf der Ladeflaeche zu Eissaeulen erstarrt waeren und lehnen dankend ab.
Also ziehen wir uns wetterfester an und wagen die neblige Abfahrt. Die weisse Wand versperrt uns die Sicht, so dass wir viel bremsend langsam den Berg hinunter rollen. Teilweise koennen wir die Strasse schon 30 m vor uns nicht mehr sehen.
Hardy faehrt schneller als ich, wir verabreden, dass er alle 5 km auch mich wartet, nur fuer den Fall, dass doch mal etwas passieren sollte. Warten ist nicht seine Leidenschaft, aber da muss er nunmal durch, wenn er mit mir faehrt.
Nach und nach legen sich Nebel sowie Regen und es macht auch mir Spass down hill hinunter zu sausen, mit dauernd angezogenen Bremsen versteht sich!

Am Fusse der Berge ist uns so warm, dass wir anhalten und die Daunenjacken wieder ausziehen, es regnet auch nicht mehr. In Hyder angekommen, goennen wir uns ein Bier. Wir landen im Glacier Inn, hier ist es Tradition einen Ein-Dollarschein an die Tapete zu heften, fuer den Fall, dass man mal pleite zurueck kommt und einen Drink braucht. Waende und Decken sind voller Geldscheine.
Hyder, das ist eine ganz merkwuerdige Kleinstadt, nein Siedlung eher. Es leben 70 Leute dort, viele neue Holzhaeuser stehen neben alten, die, sowie diverse Autos, verfallen sind und vor sich hin gammeln. Der Ort macht auf uns einen trostlosen und schmuddeligen Eindruck. Das fuer uns Unglaublichste ist, dass die Menschen all ihren Muell einfach auf die Muellkippe werfen und es kein Muellsystem gibt. Alles wird auf den Haufen geworfen und angezuendet. Da Hyder mitten in den Bergen, mitten im Wald liegt, zieht dieses Verhalten die Baeren an, welche mit Besen weggescheucht werden. Letzteres haben wir nicht gesehen, aber von Jean-Luc gehoert. Die Leute in Hyder werben dann mit ihren Baeren…
Was wir aber nach unserem Bierchen auf der Schlenderfahrt durch Hyder gesehen haben, war ein grosser Schwarzbaer, der ganz in Ruhe in Mitten einer Haeuserluecke in Hyder stand, im Boden gewuehlt und gefressen hat. Wir haben, voellig verdattert, denn mit sowas hatten wir nicht gerechnet, die Strassenseite gewechselt und sind, uns gegenseitig anschauend, langsam weiter gefahren. Leider waren wir zu erschrocken und auf das richtige Verhalten bedacht, dass wir nicht angehalten und ein Foto gemacht haben.
Abends sind doch sehr erschoepft, eine Gletscher Beradlung am Nachmittag hinterlaesst auch bei uns Spuren. Wir sind beide dennoch ueberrascht, ueber unsere gute Kondition. Einen weiteren Tag goennen wir uns in Steward, ohne jegliche sportliche Aktivitaet.

Wir folgen dem Cassier Hwy 150 km und beschliessen an der Cranberry Junction uns auf ein neues Abenteuer einzulassen, das uns am Tag zuvor von zwei anderen Reiseradlern empfohlen wurde. Wir folgen einer insgesamt 50 km langen Schotterstrasse und wollen so auf einem anderen Weg Terrace erreichen. Wir koennen ehrlich sagen, dass jener der absolut schlechteste Strassenbelag auf unserer gesamten Reise ist. Wir quaelen uns durch Schotter und ueber groessere Steine, kommen recht langsam voran und werden total eingestaubt. Nach nicht enden wollenden 40 km erreichen wir zum Glueck die Recreation Site an einem wunderschoenen See. Wir sowie unsere Klamotten benoetigen dringend ein Bad! Abends geniessen wir erschoepft die Ruhe und wunderschoene Abendstimmung am Wasser. Natuerlich wir zur Belustigung des Seegetiers wieder gefischt.

Nach nur 10 km erreichen wir Asphalt und kommen bald nach New Aiyansh. Wir hoeren, dass viele einheimische Menschen (first nation people wird hier oftmals gesagt) in BC in Reservaten leben. Verlassen sie diese, verlieren sie auch ihre Rechte und Privilegien, wie z.B. Geld oder ein Haus vom Staat zu erhalten.
New Aiyansh ist ein sehr schoener kleiner Ort, wir verbringen hier unsere Mittagspause und bestaunen die Totempfaehle. Beim Verlassen stossen wir auf Schilder, die das Trampen ausdruecklich verbieten, auf grossen Schildern ist eine junge Frau mit Engelsfluegeln gemalt, drunter steht: „Is it worth the risk?“ Wir hoeren von einem Serienmoerder und das hier in der Gegend viele junge, insbesondere einheimische Frauen verschwunden sind. Nach wie vor ist dieser nicht gefasst und das Trampen wurde per Gesetz verboten. Der Cassier Hwy wird auch Hwy of Tears genannt.

Wir fahren durch ein Gebiet, in dem vor 250 Jahren ein Vulkan ausgebrochen ist und koennen links und rechts der Strasse lange Zeit Reste der geflossenen Lava bestaunen. Teilweise wachsen bereits Moose und Flechten auf den Lavasteinen. Hardy begutachtet den Verlauf der Sukzession.

In Terrace koennen wir bei Mary und Dave (warmshowers) wohnen. Die beiden sind super nette und liebenswerte Menschen, sie haben auch einen Hund und eine Katze. Neben der tollen Gesellschaft, den interessanten Gespraechen und auch den genialen Spagetti Bolognese geniessen wir eine heisse Dusche und koennen unsere Kleidung waschen. Diese hat es nach dem regnerischen und matschigem Cassier Hwy bitter noetig. Mary ist in Rente, Dave arbeitet als Fluglotze. Beide sind begeisterte Sportler, nehmen an Triatlon-Wettkaempfen teil und teilen unsere Leidenschaft fuer Outdoorequipement. Wir fachsimpeln.
Ein besonderer Hoehepunkt ist es im Wohnmobil der beiden zu schlafen. Sie haben eine alte Variante der Wohneinheiten, die auf die Ladeflaeche eines Pick Ups gehoben werden. Wir hatten in den vergangenen Wochen darueber geredet, dass wir dies mal ausprobieren wollten. Dave schliesst uns sogar die Elektrik und warmes Wasser an. Wir bestaunen den Innenraum, sehen uns alles ganz genau an und sind begeistert! Vieleicht legen wir uns einmal, irgendwann, auch so ein Gefaehrt zu. Naja, natuerlich nur mit zwei Raedern. Sehr gluecklich schlafen wir im gemuetlichen Bett ein.

Uns faellt die Verabschiedung von den beiden sehr schwer, aber die Strasse ruft. Noch 150 km liegen vor uns, dann haben wir die Etappe Cassier Hwy geschafft und erreichen Prince Rupert! Diese teilen wir in zwei Abschnitte. Wir treten in die Pedalen, um Kilometer zu machen, denn es ist windig, der Verkehr ist ueppig und es gibt nur einen schmalen Seitenstreifen. Dazu kommen Baustellen, die sich aneinander reihen. War die alte Strasse schon gut, wird ein noch besserer Belag darueber gebaut. Eine Bauarbeiterin erzaehlt uns, dass dies eigentlich quatsch, jedoch eine politische Entscheidung sei. Es stehen Wahlen an und die Politiker versuchen auf diese Weise die Menschen zufrieden zu stellen. Insgesamt werden in diesem und im letzten Jahr Millionen fuer den Strassenbau ausgegeben. Zumindest wir profitieren von dem tollen Asphalt.
Die Strecke Terrace – Prinze Rupert wird uns als herausragend beschrieben. Wir sind leider maessig beeindruckt. Waren das Autofahrer, die uns das erzaehlt haben oder haben wir bereits schon noch beeindruckenderes gesehen und die nur noch wunderschoenen Landschaften lassen uns nicht mehr aus dem Sattel springen? Auf jeden Fall sind es tolle Berge links und rechts der Strasse und der Fluss, welcher stark Gezeiten-beeinflusst ist, ist auch nicht ohne.

An diesem Abend lernt Hardy auf einem Parkplatz, auf dessen angrenzender Gruenflaeche wir zelten, Rayn und ihre Tochter Grace kennen. Beide leben in Calgary und wollen ihre Famile auf der Insel Haida Gwaii besuchen. Rayn sagt, sie war schon an so vielen Plaetzen dieser Erde, aber Haida Gwaii sei etwas ganz besonderes. Wir tauschen Adressen und Telefonnummern aus und sollen uns melden, falls wir auf die Insel kommen. Rayns Aussage macht uns nachdenklich und wir ueberlegen unsere Route ein wenig zu veraendern. Vielleicht nehmen wir nicht gleich die Faehre nach Vancouver Island, sondern machen einen Abstecher nach Haida Gwaii?
Auf den folgenden Kilometern ueberlegen wir hin und her. In Prince Rupert angekommen fahren wir sogleich zum Hafen, um den Fahrplan der verschiedenen Faehren zu erfragen. Wir denken ueber die uns noch aufgund unseres Visas verbleibenden Wochen in Canada und den USA nach, waegen ab und entscheiden uns schliesslich fuer Haida Gwaii, sind wir jetzt schon einmal hier. Wir sind ganz aufgeregt, schon am naechsten Tag wird es in der Fruehe losgehen!

Der Cassier Hwy wird von Hardy und mir in einer spaeteren Unterhaltung unterschiedlich bewertet. Fuer Hardy war dieser Abschnitt der bisher schoenste der ganzen Reise. Atemberaubende Gebirgslandschaften, Einsamkeit, die Notwendigkeit des Transports grosser Lebensmittelvorraete, das wilde Zelten und komische Kaeuze in kruden Geisterstaedtchen – es war so wie er es sich fuer Nordamerika erhofft hatte. Das Fischglueck haette besser sein koennen.
Fuer mich ist immer noch der Top of the World Hwy mit den endlosen weichen Huegeln die Nummer eins.

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