Utahrunde (Nevada / Arizona / Utah / USA / Oktober – November 2011)

Nachdem wir Las Vegas verlassen haben, radeln wir in Richtung der beiden Nationalparks Zion und Bryce. Auf dem breiten Seitenstreifen des Freeways sausen wir dahin. Eintönig brausen viele Autos und LKWs an uns vorbei. Dieser Abschnitt bis nach Sankt George ist wirklich langweilig. Wir versuchen Strecke zu machen. Leider verursachen uns die Drahtstückchen der zerplatzten Autoreifen sowie herumliegende Glasscheiben arge Probleme. Etliche Platten sind die Folge! Ich kann mich mal wieder an meiner noch nicht ganz so super ausgeprägten Fähigkeit des Reifenwechsels üben. Eine großer Riss in meinem Mantel verursacht durch Glas macht mir Sorgen. Ich kann gut hindurch blicken. Mal sehen wie lange der schon recht abgefahrene Mantel noch hält.

Wir radeln durch eine ganz andere Wüstenlandschaft als die des Death Valleys. Zu beiden Seiten des Weges ist der karge Sandboden mit Gestrüpp bewachsen. Ab und an treffen wir auf Kakteen. Tagsüber ist es super heiß, abends kühlt die Luft angenehm ab.
Wir haben zwei Möglichkeiten die Stadt Sankt George und damit den Staat Arizona zu erreichen. Die Längere führt uns auf dem alten Highway über einen Pass, die Kürzere verläuft auf der neuen stark befahrenen Straße durch eine schmale Schlucht hinauf auf das Colorado Plateau. Wir wissen, dass es dort keinen Seitensteifen gibt und die Fahrspuren auf den vielen Brücken sehr eng werden sollen. Trotz besseren Wissens entscheiden wir uns aus Zeit – und Energieersparnis für die letztere Option, ein gefaehrlicher Fehler, wie sich später herausstellen soll.

Wir stehen extra früh auf, um mit dem morgens noch schwachen Verkehr die Strecke in Angriff zu nehmen. Doch weit gefehlt! Gerade los geschoben, stellt Hardy einen Platten fest, der meinige folgt kurz darauf. Mehrmals bauen wir die Räder ein und wieder aus, da auch die eingesetzten vermeintlich ganzen Schläuche bis zu sechs nicht reparierte Löcher aufweisen. Neben dem Freeway in der Wueste mit begrenztem Wasservorrat und nur mit der „Abhoertechnik“ sind uns anscheinend so einige Loecher am Vortag durch die Lappen gegangen. Bei dieser Flickerei und Radan- und Wiederabbauerei gehen bestimmt 12 Flicken drauf, sie kosten uns drei wertvolle Stunden.
Die nun folgenden 30 km werden zu einer nervlichen Tortour und bestimmt die gefährlichsten auf unserer Reise. Zweispurig, tatsaechlich ohne Seitenstreifen und ueber viele Bruecken schlaengelt sich der Freeway auf das Plateau. Brausend, super schnell und ganz eng zischen die vielen Autos und LKWs an uns vorbei, dazu wehen wirklich kräftige Windböhen. Tempo 70 mi/h sind erlaubt und werden auch gnadenlos ausgenutzt. Es hilft alles nichts, zurück können wir nicht mehr. Vorsichtig und langsam fahren wir weiter, dem Wind und Anstieg trotzend. Schutzengel begleiten uns durch diesen wahrscheinlich schoenen Canyon, dessen Anblick wir so gar nicht geniessen koennen. So mancher LKW-Fahrer laesst sein Horn als Unmutsbekundung ueber unsere Anwesenheit direkt neben uns laeuten. Wenn die wuessten, welch drastische Folgen unser Erschrecken fuer uns und fuer sie haben koennen. Aber sie haben recht.
Schließlich haben wir es durch den Canyon geschafft und die Straße weitet sich wieder. Puh, wir atmen dreimal durch. Wir haben es geschafft! Die Landschaft des Canyons ist atemberaubend, jedoch hatten wir keine Blicke dafür übrig, so gibt es auch keine Fotos von diesem Abenteuer. Wenn Ihr auch einmal den Abschnitt vor Sankt George beradeln wollt, kann ich Euch nur raten den alten Highway zu nehmen…

Nach diesen Strapazen überredet mich Hardy in Sankt George zum ersten Mal in ein Diner zu gehen. Wir wählen die Dinerkette Dennys und lassen es uns schmecken. Erstaunt stellen wir fest, dass es auf einmal eine Stunde später ist. Wir haben wohl eine Zeitzone überrollt, ohne es zu merken.

Zion Canyon Nationalpark
Wunderschön gelegen bestaunen wir den Zion Canyon. Schon vor Einfahrt in den Park ragen hohe Tafelberge in den verschiedensten rot und weiß Tönen in den Himmel. Der Kontrast zum strahlend blauen Himmel und den gelb und teilweise noch grünen Blättern an den Bäumen ist toll! Der Virgin River mäandert leise gurgelnd neben uns. Im kleinen Örtchen Springdale vor den Toren des Nationalparks finden wir einen Park, in dessen verwilderten Teil wir uns abends niederlassen wollen, um Geld für den Campingplatz zu sparen.
Mit diesem Plan in der Tasche parken wir die Räder am Eingang des Zion Canyons und steigen in einen der vielen Shuttlebusse, die durch das Gebiet fahren. Um die Natur zu schonen sind keine Privatautos erlaubt, man kann sich nur zu Fuß, per Rad oder in den Bussen durch den großen Park bewegen. Aus landschaftsplanerischer Sicht ist Hardy begeistert vom rot eingefärbten Asphalt, der sich passend in die Farben der umliegenden Felsenwaende einfuegt.
Wir machen eine fünf-stündige Wanderung auf den hohen Observation Point. Von hier haben wir eine tolle Aussicht auf das vor uns liegende Tal und die gegenüberliegenden Berge.

Beim Frühstücken im Park erfahren wir zwei schlechte Nachrichten: zum einen hat Hardy schon wieder einen Platten und zum anderen hören wir von einem Mann, dass im Bryce Nationalpark Schnee liegen soll. Jener liegt bei weitem Höher als der Zion Canyon. Uns erwarten also Steigungen und Kälte. Ich sage dazu nur: „Augen zu und durch!“

Zudem liegt ein weiteres Hindernis vor uns. Um den Zion Nationalpark in die gewünschte Richtung zu verlassen, müssen wir durch einen schmalen langen Tunnel, den Radler nicht befahren dürfen. Wir sind also auf eine hoffentlich vorhandene freie Ladefläche eines Pick Ups und die Gunst netter Menschen angewiesen.
Kurz nach Beginn des Anstiegs zum Tunnel hält auch schon ein Wagen neben uns. Na‘, das kommt ja wie gerufen! Ein älteres Pärchen bietet uns eine Mitfahrgelegenheit an. Sie erzählen hier vor Jahren schon einmal einem anderen Radler geholfen zu haben. Zudem berichtet Richard stolz, dass er vor kurzem mit seinen 84 Jahren als ältester Mann der Welt den Kilimandscharo bestiegen hat. Das beeindruckt uns sehr! Nach der Durchquerung des Tunnels machen wir zusammen eine kleine Wanderung und verabschieden uns herzlich.

Die Ausläufer des Zion Nationalparks sind sanfter und runder geformt als die bisherige Landschaft. Wir bewundern Sandsteinhügel mit toller Marmorierung, dazwischen wehen die leuchtenden gelben Blätter der kleinen Büsche im Wind. Hügelig geht es bergauf, das wird heute auch nicht mehr aufhören.
An der Kreuzung Nummer 89 verlassen wir dann endgültig den Nationalpark und machen in einer windgeschützten Ecke an einer Tankstelle Mittagspause. Per Reisebus sind wahnsinnig viele Japaner unterwegs, die sich wirr wie eine große Schulklasse benehmen. Wir schauen ihnen amüsiert zu.

Bis zum Bryce Canyon Nationalpark buckeln wir die Kilometer. Es wird immer kälter, der Wind und die Steigung nehmen zu. Ich habe Schwierigkeiten Hardys Tempo mitzuhalten. Um unser Zelt für den „Notfall“ aufzuheben, dessen Stangenzwischenstücke nun soweit gebrochen sind, dass wir keinen Ersatz mehr dabei haben, wollen wir es, nach langem Abwägen, soweit es irgendwie geht nicht mehr aufbauen. Dafür kreieren wir mit Plane und Spanngummies eine Höhle. Für diesen Part bin ich zuständig, da mir es irgendwie gelingt an den blödesten Stellen, etwa der Rückwand eines Klohäuschens in Kombination mit unseren Fahrrädern, etwas zu basteln. Der Wind weht durch die Plane und wir frieren. Diese Nacht wird besonders kalt. Morgens, kurz nach dem der Wecker klingelt, kommt auch schon der Klowaerter und leuchtet uns freundlich mit seiner Taschenlampe waehrend wir unsere leider nicht nur sieben Sachen zusammen packen.
Auch tagsüber radeln wir bis Mittags mit unserer dicken Unterwäsche, es sind nur 2,5 Grad. Wir stellen fest, dass wir Berge essen! Unser Körper braucht nun noch mehr Energie, um diese in Wärme umzusetzen.

Bryce Canyon Nationalpark
Der Bryce Canyon unterscheidet sich sehr vom vorherigen Nationalpark. Hier wird die Landschaft von sogenannten Hodoos geprägt. Sandsteintürme und Säulen in jeglicher Größe und Form ragen in den Himmel. Laut Geschichte entdeckte einst der Bauer Bryce vor vielen Jahren diesen Ort, der bis Dato unerforscht war, als er nach einer entlaufenen Kuh suchte.

Am sehr frühen frischen Morgen genießen wir das tolle warme Sonnenlicht, als wir den Ferryland Loop wandern. Sagenhafte Türme aus Sandstein säumen den Weg. Wir spazieren mitten hindurch und können uns nicht satt sehen und natürlich auch nicht aufhören zu fotografieren. Das tollste ist, dass wir die gesamte Szenerie zu dieser fruehen Stunde ganz fuer uns alleine haben!

Am Ende des Trails treffen wir auf ein verlassenes Reiserad! Es gehört Salva, von dem wir bereits gehört haben. Er hat doch tatsächlich sein Bike nicht angeschlossen während er nicht da ist! Auf seinen Packtaschen hat er Gedichte befestigt, die er für einen Dollar das Stück verkauft. Ein paar Leute scheinen welche mitgenommen zu haben, auf seinen Taschen liegen Geldnoten. Außerdem hat er eine Karte angebracht, aus der ersichtlich ist, dass er schon 6 Jahre um die Welt radelt. Wow! Aber alleine? Schade, dass er nicht da ist. Wir würden uns gern mit ihm unterhalten.
Am Sunsetviewpoint unternehmen wir die zweite Wanderung des Tages. Die Sandsteintürme sind hier dichter, die untergehenden Sonne färbt sie in ein tolles rotes Licht. Wir genießen es, den ganz den Tag nicht auf den Rädern zu sitzen und unterhalten uns viel. Sonst fahren wir oft nur stumm hintereinander her und jeder ist mit seinen Gedanken bei sich.

Von anderen Radfahrern hatten wir gehört, dass am nahen Campingplatz ein großes Tipi zum Vermieten aufgebaut sei und man des Nachts gut über den Zaun hüpfen könne, um darin zu schlafen. Dies haben auch wir heute vor. Im Dunkeln schieben wir die Räder an den Zaun, verpacken sie mit einer Plane zu einem nicht reflektierenden Paket und schwingen uns mit den nötigsten Sachen ins Tipi. Wir verdunkeln die Taschenlampe, denn schließlich wollen wir nicht entdeckt werden. Zügig verkriechen wir uns in die Schlafsäcke, es ist wieder affenkalt, wir sind auf über 2000 m Höhe und das Tipi ist bestimmt für 12 Personen ausgelegt. Zu zweit können wir es einfach nicht aufheizen. Zum ersten mal lege ich meinen Sommerschlafsack über den Winterschlafsack, dann ist es angenehm warm. Zudem schlingen wir die Daunenjacken um unsere Hüften. Das Thermometer zeigt -8 Grad Celsius an.
Im Morgengrauen räumen wir schnell das Nachtlager, niemand hat uns entdeckt, hihi! Als wir draußen die Wasserflaschen an den Rädern befestigen, fängt der Inhalt sofort an zu frieren. Um 8 Uhr morgens haben wir immer noch -5,6 Grad. Mit dicken Handschuhen, langer Unterwäsche und Daunenjacke starten wir in diesen Tag. Landschaftlich entwickelt er sich zu einem ganz besonderen.
Nasowas, Rückenwind und sogar eine Abfahrt, was ist denn hier los? Wir genießen es. In Tropic wollen wir vor einem kleinen Supermarkt endlich frühstücken. Doch wir werden von einem älteren belgischen Pärchen in Beschlag genommen. Freundlich wollen sie uns helfen und Auskunft über die nun vor uns liegende Strecke geben. Doch leider kommen diese Infos aus Autofahrersicht und helfen uns nicht viel weiter und zudem können sie die Karte nicht lesen. Hardy wird genervt. Zum Essen kommen wir nicht, den die beiden Senioren wollen weiter reden und uns Schokolade schenken. Okay, Hardy unterhält sich weiter, während ich schon einmal „demonstrativ“ anfange zu essen.
Das dörfliche, ländliche Utah genießen wir in vollen Zügen. Es macht riesen Spaß auf den kaum befahrenen Straßen dahin zu fliegen. Weite, Leere, Wüste und Steppenhexen umgeben uns.

Eine Steigung mit 12% kostet uns einige Mühen, langsam kraxeln wir hinauf. Wie immer wartet Hardy oben, den Fotoapparat abschussbereit in der Hand, um mich keuchend und schwitzend festzuhalten.
Die belohnende Abfahrt bringt uns nach Escalante, wo wir in einem der öffentlichen Parks gesponsert vom Lyons Club in der Sonne Mittagspause machen. Das Klohäuschen nutzen wir, um den Computer aufzuladen und uns mit warmen Wasser die Haare zu waschen.
Kurz vor Schluss diese Tages erreichen wir eine Plattform mit unbeschreiblichem Ausblick! Die Berge fallen nun steil ab, wir können den Blick in die Ferne genießen. Das abendliche Licht lässt die Kontraste warm und weich verwischen. Wie in Pastelltöne gehüllt liegt die Ebene vor uns.

 Boulder Mountain
Um in den schnuckeligen Ort Boulder zu gelangen, müssen wir eine 14% Steigung hoch. Hardy schafft alles zu fahren, ich schiebe an der steilsten Stelle. Er ist froh die Aussage im Reisefuehrer: „Das zwingt wohl jedem zum Schieben.“ widerlegt zu haben. Links geht es steil bergab, rechts reicht die Felswand bis an die Straße heran. Mensch, das war wirklich anstrengend! Nach dem wir erst 20 km geradelt sind, beschließen wir in Boulder Mittagspause zu machen. An der kleinen Tankstelle gibt es auch Kaffee. Boulder ist ein sympathischer Miniort, in dem es auch ein Museum gibt. Von hier aus kann man viele Wanderungen unternehmen. Ich ärgere mich, dass wir nicht mehr Zeit haben und ein wenig unter Stress stehen. Wir haben uns viel vorgenommen und unser US Visa läuft bald ab. Aber in Utah ist noch so vieles zu entdecken!
Der Boulder Mountain liegt vor uns, das heißt wir müssen 1000 Höhenmeter bis auf 2772 Höhenmeter radeln. Zudem ist der Boulder Mountain bekannt für sein schlechtes Wetter, Gewitter und Blitze sollen schon so manchen Radfahrer gepeinigt haben. Wir haben Glück, das Wetter hält sich.
Als ich einen Platten habe, ist Hardy bereits weit vor mir. Leider hat er Luftpumpe und Flickzeug. Jegliches Rufen, Winken oder das Tröten mit unserem Bärenhorn bringen nichts. Also setze ich die rollende Kommunikation ein. Ich stoppe ein Auto und bitte den Fahrer Hardy Bescheid zu geben. Dieser fährt zähneknirschend wieder bergab und wir flicken zusammen den Schlauch. Diesmal ist es kein Glas oder Draht gewesen, mein neues Antiplattband ist schuld, es hatte sich verschoben und mit der Kante ein Loch in den Schlauch gerieben.
Nach Stunden kommen wir oben an und sind heilfroh. Das Licht ist gedämpft, fast grau, teilweise liegt Schnee und es ist schon wieder kalt. Wir wollen noch ein bisschen bergab rollen, damit es heute Nacht nicht ganz so eisig wird und finden einen geschlossenen Campingplatz. Ein gurgelnder Bach versorgt uns mit dem nötigen Wasser. Ein Feuer spendet uns Wärme. Wir ziehen, nach langer Zeit wiedereinmal, das Essen mit vereinten Kräften auf einen Baum, denn wir sind im Bärenland.

Capitol Reef Nationalpark
An Halloween radeln wir in den Capitol Reef Nationalpark ein. Schade, wir hatten uns mehr von diesem gruseligen Fest erhofft, außer das die Damen im Besucherzentrum des Parks merkwürdige Mützchen aufhaben, bekommen wir nicht so viel mit von dem ganzen Trara um das Verkleiden.
Das Capitol Reef ist ein langgestrecktes Faltengebirge, welches vor rund 65 Millionen Jahren entstanden ist. Ein Scenicdrive führt durch den Park. Diesen radeln wir bis zum Ende, um über eine Schotterstraße in einen Canyon zu gelangen. Eng und Steil ragen die Felswaende zu beiden Seiten des Weges auf. Hardy kribbelt es in den Beinen und er klettert ein Stück auf der wie Schweitzer Käse aussehenden Felswand.
Am Wash Canyon unternehmen wir eine Wanderung bis zu einem steinernen Bogen hoch oben in den Felsen, dem Cassidy Arch. Die Räder schließen wir auf dem Parkplatz an, hoffentlich ist nachher noch alles da. Während des Wanderns vergleichen wir diese Reise mit anderen Fahrradreisen in der Vergangenheit. Nun sind wir bereit 5 Monate on tour und radeln etwa 1600 km pro Monat, sonst schafften wir in drei Wochen rund 1000 km. Hier fahren wir mehr und länger und transportieren wesentlich mehr Gepäck ueber hoehere Berge. Wir sind gut drauf, stellen wir fest.

San Rafael Dessert
Es ist, als fielen wir in eine andere Welt, als wir den Nationalpark verlassen. Schwarze aschfahle Berge, die später in Tafelberge übergehen, säumen die Landschaft. Nichts wächst hier. Es fühlt sich an, als seien wir auf einem anderen Planeten gelandet.
Nach 61 schnellen Kilometern machen wir in Hanksville am langersehnten Supermarkt eine Pause. Hardy macht sich ans Flicken der drei kaputten Schläuche. Denn auch bei ihm hatte sich die neu gekaufte Einlage im Mantel verschoben und ein Loch erzeugt. Wir beschließen die Mistdinger bald in Moab angekommen wieder herauszunehmen und uns qualitativ wertvollere und weichere zu kaufen. Moab, von dieser Stadt träumen wir. Wir brauchen dringend eine Pause, ausruhen, relaxen, eine Dusche und ein Bett sind ersehnte Zuckerstücke am Ende des Horizonts. Zudem soll unser neues Zelt dorthin geliefert werden. Wir sind wirklich reif für Urlaub, aber den werden wir uns erst auf der Baja California in einigen Wochen gönnen.

Aber ersteinmal liegt das San Rafael Dessert vor uns. Auf den weiteren 90 km Wüste ist kein Wassernachschub zu erwarten. Also füllen wir alle Flaschen auf und kaufen eine 2l Cola dazu. Trotz des Gegenwindes und der Steigung macht es uns Spaß mit 11km/h gegen den Wüstensturm und das nahende Gewitter anzukämpfen. Sand fliegt uns ins Gesicht, Steppenhexen werden wie im Western über den Asphalt getrieben. Die Weltuntergangsstimmung ist toll!

Abends ziehen die Wolken ab, so dass wir beim Zeltaufbau einen sagenhaften Sonnenuntergang beobachten können, der Himmel leuchtet in einem intensiven blau. Zur Sicherheit haben wir das Zelt in einer kleinen Kuhle hinter einer ebenso kleinen Sanddüne aufgebaut und mit allen vorhandenen Schnüren abgespannt. In dieser Nacht geht nichts daran kaputt.

Moab und Arches Nationalpark
Die kleine, wirklich nette Stadt Moab ist bekannt für ihr Mountainbike-Szene. In den umliegenden Bergen gibt es viele Trails in jeglichen Schwierigkeitsstufen. Ebenso wird Moab von zwei Nationalparks umgeben, dem Arches und den Canyonlands Nationalpark.
Als wir am Visitorcenter ein kleine Pause machen, werden wir von Alex angesprochen. Er ist professioneller Radrennfahrer und übers Wochenende vor Ort, um einen Workshop zu geben. Er läd uns in sein Hotelzimmer ein, um seine Dusche zu benutzen. Stinken wir so? Wahrscheinlich schon! Egal, gern nehmen wir dieses Angebot an. Er schenkt uns auch viele Päckchen Energie Beans, von deren Firma er gesponsert wird. Diese kleinen Bonbons voller Zucker sollen schnell Energie geben.

Da unser Zelt auf sich warten lässt, bleiben wir einige Tage bei unserer warmshower Gastgeberin Terry-Ann. Wir dürfen in ihrem Art-Studio schlafen, ein kleiner Holzofen spendet uns angenehme Wärme. Hier können wir ausschlafen und relaxen!

Terry-Ann ist eine direkte, taffe Frau. Sie hat das Haus ihrer Großmutter selbst um- und ausgebaut und tolle Wanddekorationen und Kunstgegenstände installiert. Das gesamte Bad ist mit Mosaiken verziert, was besonders mich begeistert. Auch der umliegende Garten ist voller Kunst. Terry-Ann sagt, sie möchte Müll recyceln und ihm einen zweiten Sinn geben. So finden alte silberne Radkappen ihren Platz, blaue Glasflaschen liegen in einem ehemaligen Lattenrost und der Hühnerstall ist ein geschwungenes Kunstwerk aus Lehm.

Als Terry-Ann Honig aus ihrem 20l-Kuebel anbietet kann Hardy sich nicht halten. Bienen, Bienen, Bienen sprudelt es aus ihm heraus. Und es wird noch toller. Terry-Ann kennt einen oertlichen Imker und vermittelt einen Kontakt. Hardy ist Feuer und Flamme. Schon am naechstem Tag koennen wir ihn Treffen.
Am folgenden Tag fachsimpeln Hardy und Jerry lange und vergleichen imkerliche Praxis in Deutschland und USA. Beuten, Tracht, Werkzeuge, Varroa, Faulbrut und und und. Jerry hat eine Aufgabe inne, die in Deutschland von der Gemeinde beauftragten Veterinaermediziner war genommen wird. Er betreut Imker in der Umgebung und muss im Falle vom Auftreten bestimmter Bienenkrankheiten entsprechende Massnahmen veranlassen. Er ist begeistert von der Fuelle an Befugnissen, die vergleichbare Position in Berlin beeinhaltet, versteht aber auch die Bedenken vieler Berliner Imker. Er hat jedoch zum. als Imker tatsaechlich Ahnung von dem Metier. Zwar ist er hier in der Region fast noch als Jungimker zu bezeichnen, imkerte jedoch frueher Jahrzehnte an der Ostkueste. Es ist wirklich interessant wie hier in der Wueste mit begrenztem Trachtangebot ausgezeichneter Honig erzeugt werden kann.
Hardy und Jerry stellen fest, dass sie mit unterschiedlichen Werkzeugen arbeiten und beschließen sie auszutauschen. So erhält Hardy ein Messer, das aussieht wie ein riesiger Tortenheber zum Abtrennen der Wachsschicht kurz vorm Schleudern. Und Hardy will für Jerry einen Stockmeißel zum Arbeiten an den Raehmchen besorgen. Da Jerry auch auf Töpferkunst steht und einige Werke in seinem Haus hat, wird es für mich wieder interessant.
Kurz vor der Verabschiedung erklaert Jerry, dass er uns sehr gerne eine private Fuehrung durch den Arches NP geben moechte. Da wir uns wirklich sehr gut verstehen knicken wir unsere Plaene den Park mit den Bikes zu erkundigen und verabreden uns.

Ganz komfortabel fahren wir also mit Jerrys Auto die lange Steigung zu den verschiedenen Arches hinauf. Auch weiß Jerry jede Menge zu der Geschichte und Entstehung der verschiedenen Bögen und Gesteinsschichten zu erzählen. Da er jahrelang im Besucherzentrum des Parks gearbeitet hatte und Geologie studierte, kann er uns auf das ein oder andere Detail aufmerksam machen, an dem wir sicherlich blind vorbei geradelt waehren. Im Arches NP sind durch spezielle Erosionsvorgaenge einzigartige wirklich bedeutend maechtige Boegen aus Sandstein entstanden. Sicherlich vielen aus Western bekannt, drehen wir unter den Boegen unsere Runden und essen schliesslich am Cassidy Arch, na was wohl?, Butterstulle mit Honig. Nach dieser Staerkung verlassen wir Arches NP und Jerry zeigt uns eine besondere Attraktion der Region. Gut versteckte praehistorische Felsmalereien werden nun von uns kletternd entdeckt.

Hardy will auch einen Mountainbike Trail ausprobieren. Er wählt den berühmten Slick Rock Trail, dessen Verlauf über glattes Gestein führen soll. Drei Stunden soll der Trail dauern. Fuer Anfänger gibt es eine Proberunde. Nach 1 Stunde auf den Anfaengerparkur beschließt Hardy es jedoch sein zu lassen. Sein Rad ist für solche Verhältnisse und Ansprüche einfach nicht geeignet. Staendig geht es hart bergauf und bergab. Das Material gerät an seine Grenzen. Ohne Vollfederung scheint die Strecke kein Spass zu sein. Er schiebt, bestaunt die Mountenbiker die ueber das raue Gestein huepfen und geniesst die Landschaft, die aussieht, als ob ein Duehnenareal ploetzlich versteinert wurde.

Während ich genieße diesen Tag mal allein zu verbringenden und mich ausgiebig mit dem Blog beschaeftigen kann, wandert Hardy spaeter mit seinem Imkerfreund Jerry durch die Canyonlands und hilft ihm anschließend mit seinen Bienen. Spaet am Abend liefert Jerry den strahlenden Hardy bei Terry-Ann ab. Die beide sind gute Freunde geworden!

Gut eine Woche haben wir bei Terry-Ann in Moab verbracht uns schliesslich findet auch unser neues Zelt seinen Weg. Endlich ist es da und wir können weiter! Das alte werden wir in einigen Tagen an Hardys Eltern nach Berlin zurücksenden. Wir verabschieden uns schweren Herzens von Terry-Ann und Jerry. Wieder faellt es schwer Good Bye zu sagen. Eine tolle Zeit in Moab geht zu Ende und damit auch der Besuch des sagenhaften suedlichen Utahs. Utah ist der vielleicht schönste US Bundesstaat, den wir bisher beradelt haben. Trotz oder gerade wegen der herbstliche Kälte, dem Verfärben der Blätter und dem tollen Sonnenschein und dazu die sich dauernd verändernde Landschaft, die Formen und Farben der Felsen, wirkte Utah unbeschreiblich facettenreich und enorm inspirierend auf uns.
Und nun liegt Arizona vor uns und auch Mexiko. Nur drei Wochen bleiben uns um der suedlichen USA einen Besuch ab zu statten.

Allgemein, USA (lower 48th)Permalink

Comments are closed.