Von los Mochis bis nach Cancún (Mexiko / Januar 2012)

Nahe La Paz setzen wir in Pichilingue mit der Fahre von der Baja California zum mexikanischen Festland nach Los Mochis über. Los Mochis ist bekannt für seine abenteuerliche Eisenbahnfahrt hinauf zum Kupfercanyon. Der Chepe, der Tren de Chihuahua al Pacífico, führt vom Pazifik hinauf durch die Barranca del Cobre bis nach Chihuahua. Es ist die letzte Eisenbahnstrecke in Mexiko, die noch Personen transportiert. Nicht nur die Fahrt in dem altertümlichen Gefährt soll ein Erlebnis sein, auch der Blick sowie die Wanderungen im Gebiet des Kupfercanyons.
Lange haben Hardy und ich Karten und Routen gewälzt und uns schließlich gegen diesen Abstecher entschieden. Nordöstlich gelegen, ist der Kupfercanyon einfach nicht im Plan, wir wollen straight nach Südosten, nach Durango. Zudem sind wir ein wenig in Eile, denn ein Besuch von Hardys Eltern steht an. Mit Petra und Jörg wollen wir uns in Cancún treffen, Urlaub machen vom Radeln! Denn mit ihnen wollen wir per Mietwagen die Halbinsel Yucatan erkunden. Die Räder werden wir in Durango parken. Das haben wir bereits organisiert. Und das Ganze schon in zwei Wochen!

Unsere Fahrräder können wir auf der Fähre in einem extra Raum verstauen. Jener wird leider nicht abgeschlossen, so dass wir alle Wertsachen mitnehmen und auf das Beste hoffen. Mit viel Essen setzen wir uns in die gemütlichen Sessel in die Lounge. Überall laufen laute Filme, wir entscheiden und für den Raum mit dem niedrigsten Geräuschpegel. Natürlich findet sich gleich eine große mexikanische Familie hinter uns auf den noch leeren Sitzreihen ein…

Gegen 10 Uhr abends verlassen wir die Fähre und fragen herumstehende Taxifahrer nach einem billigen Hotel. Das gibt es hier nicht, wir müssen erst 10 km fahren. Es ist stockdunkel, so fällt wildes Zelten flach. Wir kennen uns noch nicht aus. Das mexikanische Festland, hier soll ein ganz anderer Wind als auf der ruhigen, beschaulichen Baja California wehen. Jetzt wird’s gefährlich, wurden wir gewarnt…
Nun gut, wir schalten die Lampen an und streifen uns die reflektierenden Warnwesten über. Auf dem Seitenstreifen rollt es recht gut und bald sind wir beim Motel. Wie sich herausstellt, ist es ein Stundenmotel. 8 h kosten 150 Pesos, jede weitere 50. Jedes Zimmer hat eine angeschlossene Garage und keine Fenster. Es ist spartanisch eingerichtet, doch es gibt einen Spiegel über dem Bett und sogar eine Tanzstange. Eine kleine Luke gestattet einer herbei telefonierte Bedienung Dinge wie vielleicht eine Weinflasche ohne Sichtkontakt in das Zimmer zu stellen. Wir probieren jeder eine Runde an der Stange und fallen schnell in den Schlaf. Auch eine Erfahrung.

Auch aus Gründen des nahenden Besuches von Hardys Eltern, nehmen wir den Bus von Los Mochis bis nach Mazatlán und kürzen so ein wenig ab. Zudem haben wir gelesen, dass diese Etappe eher langweilig sein soll und auf Küstenradeln stehen wir eh nicht so. Die Räder werden mit dem anderen Gepäck in den großen Klappen verstaut. Bis auf zwei Kratzer im Lack passiert dabei zum Glück nichts weiter. Im Bus will uns der Fahrer beim Bezahlen kein Wechselgeld geben. „Es sind doch nur 10 Pesos und außerdem gebt ihr doch ständig viele Dollars für Hotels aus!“, meint er grinsend. Na klar! Hardy erwidert: „Was weißt du schon“ und kramt selbst nach dem passenden Kleingeld. Er findet die genaue Summe und muss den Fahrer nötigen ihn seinen Schein zuerst zurück zu geben.

Mazatlán
Nach 4 Stunden Fahrt in Mazatlán angekommen, setzen wir uns hungrig in ein kleines Straßencafé nahe des Busbahnhofs, trinken Cola und essen Tacos. Plötzlich fährt ein grünes Militärauto vor und sechs Soldaten mit dicken Wummen springen heraus. Sie laufen auf ein parkendes Auto gleich neben uns zu, nur fünf Meter entfernt, zerren den Fahrer heraus, knallen ihn auf die Motorhaube und sichern das Gelände. Zugriff! Wir kommen uns vor wie in einem Actionfilm. Nur ist es bittere Realität. In der möglichen Schusslinie wollen wir nicht sitzen. Auch die Restaurantbesitzerin bringt ihre Kinder in Sicherheit. Schnell bezahlen wir und suchen das Weite. Die Soldaten, inzwischen sind es bestimmt schon 15, stürmen derweil einen Supermarkt.

Wir verlassen die Stadt Richtung Süden und halten nur kurz bei einem Shop. Wir werden von zwei jungen Menschen eingeladen mit zum Zelten auf eine nahe Insel zu kommen. Das wäre toll, doch wir müssen leider absagen, da wir einen strickten Zeitplan bis nach Durango haben. Schade, wegen gerade solchen möglichen Erlebnissen machen wir die Reise. Nächstes Mal!
In Villa Union können wir endlich von der stark befahrenen Straße in die Berge abbiegen. Wir passieren wieder eine Militärstation. Die gibt es hier viel. Mitten auf der Straße sind Sandsäcke und dicke Taue ausgelegt, um den Verkehr zum Stillstand zu bringen. Jede Menge Soldaten mit umgehängtem Maschinengewehr stehen herum. Hinter den Militärkontrollen gibt es meistens noch ein kleines Häuschen, in dem ein Soldat schussbereit sitzt. Auch kann er das über die Straße bereit gelegte Seil straff ziehen, um so evtl. durchbretternde Autos doch noch aufzuhalten.
Auch wir müssen an diesen Kontrollen anhalten. Es sind immer die selben Fragen, wo kommen wir her, wo fahren wir hin und was ist unsere Nationalität. Unser Gepäck wird im Gegensatz zu dem der Autos nie kontrolliert, unsere Pässe wollen sie auch nicht sehen. Zur Sicherheit, um nicht als die super reichen Touristen dazustehen, geben wir nicht unsere ganze Reiseroute an. Wie es gerade passt, legen wir uns auf kürzere Abschnitte fest, jetzt z.B. auf Mazatlán nach Durango. Man weiß ja nie, was man da gerade für einen Soldaten vor sich hat.

Wir erleben selbst erste negative Eindrücke in Mexiko. Gringo-Rufe ertönen. Einmal schneidet uns ein PKW scharf und hält direkt vor uns an, so dass wir ausweichen müssen. Ein anderes Mal fliegt eine Paprikaschote aus einem Schulbus gegen Hardys Rücken. Ne‘ Paprika!

Durch die Berge Richtung Durango
Von nun an schinden wir uns die Berge hoch. Es ist zwar anstrengend, doch es macht unheimlich Spaß. Wir sind wieder unterwegs und die Landschaft verändert sich! Höhepunkt sind nach 55 km die ersten Kiefern am Straßenrand. Die sahen wir seid dem Grand Canyon vor über einem Monat nicht mehr!

Es ist ganz schön heiß, über 30 Grad. Mehrmals legen wir an kleinen Kiosken einen Colastop ein. Dennoch schaffen wir an diesem Tag etwa 1000 Höhenmeter. Die Straße windet sich eng die Serpentinen hinauf, der Verkehr hält sich in Grenzen. Ab und zu müssen wir für die dicken LKWs ausweichen.
Nach einigem Suchen, finden doch einen versteckten Schlafplatz. Des Nachts kommt uns eine Stute mit ihrem neugierigen Fohlen besuchen. Jenes möchte gern in unser Zelt hinein beißen, wird jedoch kurz zuvor von Hardys lauten Rufen davon abgehalten und verscheucht. Ich sehe eine dicke fette haarige Vogelspinne im Gras krabbeln. Unsere erste lebendige.

Weiter geht’s im Schneckentempo mit 7 km/h. Es ist steil und anstrengend. Wir überqueren den nördlichen Wendekreis, diesmal nach Norden, und sind jetzt auf einer Höhe von 1700 m. Dicht ist die Straße an die steilen, imposanten Felswände gebaut, auf der anderen Seite fallen diese tief ab. Grüne Berge so weit das Auge reicht. Kakteen neben Kiefern machen eine besondere Mischung aus.
In einer dieser engen Kurven liegt ein LKW auf der Seite und blockiert fast die gesamte Fahrbahn. Es muss erst vor kurzem passiert sein, Benzin tropft aus dem Gefährt. Männer sitzen und stehen drumherum. Der nahende Verkehr rollt langsam am Hindernis vorbei.

Nachdem wir nach stundenlanger Arbeit die Sendemasten erreichen, die immer den höchsten Punkt markieren, befinden wir uns auf einer Höhe von 1990 m. Wellige Hügel reihen sich auf einer waldbestadenen Hochebene aneinander, es ist nicht mehr ganz so knackig.
Die Straße führt entlang an steilen Felshängen über schmale Grade, mit denen die Berge verbunden sind. Bei der Espinosa del Diabolo, dem Grad des Teufels, trinken wir einen heißen Café in einer aus Holzstäben und Planen zusammen gezimmerten Bude. Dazu gibt es frittierte Teigfladen mit Zucker.
Gegen Mittag ein kurzer Halt an einer Militärkontrolle. Wir immer die gleichen Fragen und Unglauben. Dieses Mal werden wir mit einem komischen Gerät, dass an eine Konsole eines ferngesteuerten Autos erinnert, gescannt, ob wir auch keine Waffen mithaben. Haben wir nicht. Unser alaskanisches Bärenabwehrspray scheint nicht dazu zu gehören.

In La Cuidad, das dem Reiseführer zu Folge einem kanadischen Holzfällerlager ähneln soll, naja tut e ein bisschen, gehen wir ins Internet und einkaufen. Mittag essen wir nach einer kurzen Weiterfahrt auf Weideland. Tatsächlich erinnert uns die Landschaft an Kanada. Bäume, dazwischen freie Flächen mit Büschen und Berge. Trocken ist es. Wir finden es richtig schön.

Auf den folgenden 22 km erklimmen wir die letzten richtigen Anstiege. Schon stehen wir auf 2800 Metern Höhe, neben der obligatorischen Sendeanlage. Fast vier Tage klettern sind geschafft. Schnell sausen wir bergab und fragen bei einem Bauernhaus nach Wasser. Leider kann Hardy die Frau nicht dazu bewegen uns einzuladen.

Die Schlafplatzsuche gestaltet sich etwas kniffelig. Die Autobahn beginnt. Doch finden wir ein Tor und schieben die Räder aufs Weideland. Diesmal können wir sogar ein kleines Feuerchen machen. In der Nacht wird es kalt. Wir schlafen im geschlossenen Schlafsack und frieren dennoch ein Wenig. Am Morgen haben wir Minusgrade. Der Boden ist mit Raureif überzogen.

Wir haben die mexikanische Hochebene erreicht. Weit kann der Blick über Kiefernwälder und gelbes, trockenes Farmland schweifen. Dazwischen liegen Felsen, Canyons und Zäune. Ja, die kilometerlangen Zaunreihen haben uns wieder eingeholt. Das Vieh soll so auf dem Weiden gehalten werden.

In El Salto gehe ich einkaufen und werde von zwei Frauen wegen meines roten Fleckes am Arsch angequatscht. So bequem mein Sattel auch ist, leider hat er einen großen unübersehbaren Nachteil: Das schöne Mahagoni-braun färbt auch nach all den vielen Kilometern Tag für Tag auf meine beige Hose ab. Es sieht wirklich doof aus. Die beiden Frauen, peinlich berührt, wissen auch gar nicht wie sie es mir sagen sollen. Was die wohl denken. In Durango muss ein Tuch her.

Durango
Nur noch 40 km trennen uns von der Stadt, in der wir unsere Fahrräder unterbringen wollen. Wir kommen mittags an und werden bei der Einfahrt gleich von einem Polizisten angehalten. Ihm ist wohl langweilig und nach einem kurzem Interview beschließt er uns unbedingt den Weg zum Zentrum zeigen zu müssen. Nein sagen können wir schlecht. Mit Blaulicht fährt er langsam voraus. Hardy meint zu mir, dass wir darauf achten müssen am Ende in einer Menschenmenge zu stoppen. Er denkt dabei an Korruption und hat keine Lust für diese Führung noch etwas zu bezahlen. Jegliche Sorge ist umsonst. Hardy hat übertrieben, der Polizist wollte uns einfach nur den Weg zeigen.

Auf einer Bank sitzend, mitten im kolonialem Zentrum auf der Plaza vor der großen Kathedrale Durangos schauen wir uns um. Erstmal Frühstücken ist angesagt. Um uns herum sitzen Männer in ihren kleinen Ständen und bieten ihre Kunst als Schuhputzer an. Wiederum zumeist Männer sind ihre Kunden. Mit viel Ausdauer und Hingabe werden ihre Cowboylederstiefel gewienert. Mit ihren Bauchläden transportieren die Mexikaner unterschiedlichste Waren. Diese werden lautstark rufend angeboten: Kaugummi, Zigaretten und kleingeschnittenes Obst in vorbereiteten Plastiktüten, welches noch mit Limettensaft und Chilesosse verfeinert wird. Eine Geschmacksexplosion, aber die Leute hier stehen darauf. 

Neu für uns sind die Ballonverkäufer und davon gibt’s es zuhauf. Mit einer riesen Traube aufgeblasener Ballons in allen Formen stehen sie auf dem Platz. Von Spiderman, über Spongebob, bis hin zum Pferdchen und zur Prinzessin ist alles zu haben. Auch kleine Ballons, mit einer Schnur daran, die immer wieder gegen die Hand geschlagen werden oder kleine aufgeblasene Schildkröten, die auf Plastikräder hinter sich her gezogen werden, sind dabei. Und tatsächlich, wir beobachten wie Eltern ihren Kindern diese kurzweiligen Spielzeuge zu kaufen.

Diesmal heißen unsere Gastgeber Frida und Jorge-Luis, wir haben sie wieder über die Warmshower-website kennengelernt. Und können deswegen auch guten Gewissens unsere Räder für einige Wochen hier lassen.
Frida ist Anwältin und kommt mit ihrem kleinem Auto angebraust. Der Empfang ist herzlich, es gibt gleich Bier und Sandwichs. Eigentlich möchte Hardy sein Spanisch weiter trainieren, doch das geht mit Frida nicht. Sie spricht englisch und will das auch sprechen. Klar, machen wir da mit.

Wir beziehen ein eigenes Zimmer in dem großen, schicken Haus. Frida und Jorge-Luis sind seit fünf Jahren verheiratet und haben dieses Haus ganz frisch bauen lassen, da ihnen die Innenstadt Durangos zu laut wurde. Erst mal lernen wir nur Frida kennen, Jorge-Luis, der Tierarzt, ist noch arbeiten. Frida arbeitet im Gericht, in der 2. Instanz. Aufgrund der vielen Arbeit und der wenigen Urlaubstage kann sie nicht viel reisen. Beide sind von morgens bis abends arbeiten.
Mit Frida fahren wir zum Haus ihrer Mutter, die tagsüber die zwei kleinen, fetten, hässlichen Möpse Yoda und Charlie hütet. Es ist ein altes Gebäude im Kolonialstil, mit Säulen im Innenhof und 20 Zimmern. Hier soll es Gespenster geben.

Später am Abend kommt auch Jorge-Luis nach Hause und fletzt sich zu uns aufs Sofa. Wir lernen sofort wie hier Hunde von ihm geschätzt werden. Jorge-Luis bevorzugt ganz offensichtlich den kleineren Mops Yoda. Dieser wird die ganze Zeit von ihn bemuttert. Beide schmatzen und schnurren. Wir finden’s ekelig, wie er mit dem Hund auf dem Arm das Essen teilt. Ein Bissen der Stulle für ihn, ein Bissen für den Hund … uns tut ein bisschen Frida leid, wer hier an erster Stelle steht ist klar.

Tagsüber erkunden wir Durango. Frida und Jorge-Luis haben die Abmachung, dass kein Gast in ihrem Haus sein darf, wenn sie nicht da sind. Das ist der Deal, damit müssen wir umgehen. Also verbringen wir den Tag in der Stadt.
An einer Straßenecke essen wir unsere ersten Gorditas, Teigfladen, die mit einer scharfen Soße und etwas Fleisch sowie Gemüse gefüllt sind. Dann geht’s auf den Markt, bzw. in die Markthalle. Eine bunte Mischung aus Obst- und Gemüseständen, Fleisch- und Fischwaren, frisch gepressten Säften und jede Menge Klamotten und Haushaltskram umgibt uns. Typisch für Durango sind die schwarzen, hochgiftigen Skorpione. Zuhauf sind sie im Sommer auf dem kühlen Boden der Häuser anzutreffen. Einmal aufgespürt, werden sie sogleich getötet. Auf dem Markt gibt es T-Shirts, Taschen, Schnapsgläser, Postkarten und Gürtelschnallen mit den Tierchen darauf zu erstehen. Man soll sie hier auch kosten können. Leider sind wir zur falschen Jahreszeit vor Ort, so dass uns dieser kulinarische Genuss verwehrt bleibt.
Hardy ersteht seinen ersten mexikanischen Hut. Ein Original, diesmal nicht aus Stroh, sondern aus Kunstfasern. Solche tragen hier sehr viele Männer. Leider kauft er ihn sich eine Nummer zu klein, wie immer…
Wir machen uns auf Klamottensuche. Ich brauche für das heiße Yucatan dringend einen Rock und ein Tuch für den Fleck am Arsch. Leider, leider gibt es auch nach stundenlanger, ätzender Suche einfach nichts vernünftiges. In ihrer Mittagspause gehen wir mit Frida in ein knacke volles kleines Restaurant. Als sie von meinem Dilemma hört, bietet sie mir an, abends in ihrem begehbaren Kleiderschrank unter all ihrer 1001 Anziehsachen nach etwas passendem zu suchen. Yuppie!
Wir lassen uns von Frida die Speisekarte erklären und kosten zum ersten Mal Agua de Jamaica und Agua de Horchata. Frei übersetzt Wasser mit Geschmack. Aus den getrockneten Jamaicablüten kann neben dem Kaltgetränk auch Tee hergestellt werden. Schmeckt sehr intensiv, ähnlich Früchtetee. Zur Herstellung von Horchata wird Wasser mit zermahlenem, nicht gekochtem Reis mit Zimt und Zucker gemischt. Ich werde ein absoluter Fan von Letzterem.

Neben dem Eintauchen in Fridas Kleiderkammer, steht Brotbacken auf dem abendlichen Programm. Frida will es lernen. Während ich mich oben durch die Klamottenberge wühle, ist Frida in der Küche völlig aus dem Häuschen Brot selber herzustellen und notiert sich alles. Endlich einmal wieder eine Erweiterung meiner wenigen Anziehsachen, die ich an einer Hand abzählen kann. Tja, Sozialisation lässt Grüßen. Ich find’s trotzdem klasse und erklimme mit leuchtenden Augen das Kleidergebirge, um auch in der hinter letzten Spalte an das Beste und Schickste zu gelangen.
Jorge-Luis nimmt uns am folgenden Tag mit in seine Klinik. Das ist schon spannend, wenn auch gleichzeitig erschreckend, denn die hygienischen Zustände unterscheiden sich stark von deutschen Verhältnissen. Beispielsweise wird ohne Handschuhe gearbeitet. Wir können Zugucken wie mehrere Hunde verarztet werden: Spritzen, Nagelschneiden, Tropf anlegen… Blut wird nicht von den Händen gewaschen. Später wiederum wird uns erzählt, dass diese Klinik teilweise besser ausgestattet sei als so manches Hospital für Menschen. Neben den tierischen Zuständen ist es interessant, die zwischenmenschlichen Beziehungen hier zu beobachten. Jorge-Luis, als Chef, gibt seinen zwei Mitarbeiterinnen sowie einigen männlichen Bauarbeitern Anweisungen. Ohne dies scheint es bei letzteren nicht zu funktionieren. Die beiden Mädels laufen herum, putzen, sortieren und füllen Formulare aus.
Der eigentliche Grund für den Besuch der Klinik ist die nahe Schlosserei. Wir brauchen einen zweiten Kettenabstreifer, da Hardys Kette immer wieder vom kleinsten Kettenblatt hochgezogen wird und sich so am Rahmen verkantet. Leider ist diese Aufgabe für die Mitarbeiter der Schlosserei zu groß. Mit unserem Musterstück können sie nichts anfangen, dafür aber Jorge-Luis Arbeiter um so mehr. So verziehen sich die Tierarztmitarbeiter kurzerhand in ihre Werkstatt und flexen ein, dem Original stark entsprechenden, Duplikat herbei.
Wir unterhalten uns mit Frida über Justiz und Kriminalität in Mexiko. Dabei lernen wir viel über mexikanische Politik. Dem derzeitigen Präsidenten, Felipe Calderón, der Partei PAN, Partido de Acción Nacional, wurde bei der Präsidentschaftswahl 2006 Wahlbetrug vorgeworfen. Nur knapp besiegte er den links ausgerichteten Gegenkandidaten López Obrador vom Partido de la Revolución (PRD). Einer Calderóns Schwerpunkte ist die Mobilisierung des Militärs im Kampf gegen den mexikanischen Drogenhandel. Was im ganzen Land zu schweren Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und den Narcos, den Drogenhändlern und -schmugglern, geführt hat, in die auch viele Zivilisten mit hineingezogen wurden.
Frida erzählt, dass in der Region Durango zuvor ein Drogenkartell, La Familia, an der Macht war. Jene waren wesentlich bessere Zeiten, da bei La Familia alles in klaren Linien geregelt war und es zudem nur um Drogenhandel ging. Es gab Ehrenkodexe, an denen festgehalten wurde. Verstieß Jemand gegen jenes Regelwerk, wurde nur er dafür belangt, seine Familie oder Freunde in Ruhe gelassen. Nun, unter Einmischung des Militärs sei dieses Drogenkartell nicht mehr so mächtig. Gleichzeitig haben sich diese Schwäche kleine, noch kriminellere Banden zu Nutze gemacht, die sich nun den Markt ebenso erkämpfen. Letztere halten weder an Ehrenkodexen fest und verdienen sich ihr Geld auch nicht nur mit Drogen, so dass die allgemeine Kriminalitätsrate explodiert sei. Gewalt, Rachetaten, Menschen- und Waffenhandel seien nun an der Tagesordnung.
Wir finden es interessant eine solche Ansicht von einer Staatsanwältin zu hören. Mexiko, eine völlig andere Welt.

Die Räder und das nicht benötigte Gepäck sind gut in Fridas Abstellraum verstaut. Wir verabschieden uns noch einmal von den bicis und streicheln über die Sättel. Voller Vorfreude machen wir uns auf den Weg nach Yucatan zu dem Treffen mit Hardys Eltern.
Ein Taxi bringt uns zum Busbahnhof. Der Fahrer versucht es mit der alten Masche: „Habe kein Wechselgeld!“ Doch Hardy bleibt relaxt, er weiß, dass wir es diesmal passend haben. Über Nacht wird uns ein super komfortabler Bus in acht Stunden nach Monterey bringen. Die Sitze können weit nach hinten geklappt werden, es gibt ein Sandwich, eine Limo und heißes Wasser für Instandkaffee.
In Monterey werden wir in einen Flieger nach Cancún Fliegen. Eigentlich wollten wir nicht per Flugzeug reisen, sondern die ganze Strecke mit dem Bus erledigen. Besonders Hardy hatte damit lange Probleme. Doch eine intensive Recherche meinerseits, hat uns zu dem Ergebnis gebracht, dass wir auf diese Weise jede Menge Kosten und vor allem Zeit sparen. Fliegen ist hier tatsächlich günstiger als Busfahren. Und auch voller Entertainment! Sichtbar gelangweilt werden die Sicherheitsvorkehrungen an die noch gelangweilteren Fluggäste erklärt. Während des Fluges macht der Pilot Scherzchen und die Stewardessen machten Werbung für Taxi- und Busunternehmen.
In Cancún angekommen, schlägt uns schwüle Luft und Dauerregen entgegen. Die Welt geht unter. Wir deponieren erstmal unsere Sachen im Busbahnhof und gehen auf Hotelsuche. Es muss ein schönes sein. Hardys Eltern kommen. Da stehen wir vor einer besonderen Aufgabe. Preisgünstig soll es ebenso sein, das ist klar, aber es darf auch nicht zu ranzelig sein, da sie sich nach ihrem langen Flug auch erst mal erholen müssen.
Vom Regen durchnässt finden wir nach einiger Zeit ein passendes Hostel und holen unsere Rucksäcke.
Unser erstes Hostel während dieser Reise. Wir treffen auf andere Backpacker und sind erstaunt über die unterschiedlichen Welten, die sich bei den Gesprächen auftun. Welch andere Erfahrungen machen viele Backpacker. Wie stark unterscheiden sich die Probleme, die es in der Backpackerwelt im Gegensatz zu unserer Radlerwelt zu bewältigen gilt. Wir sind gespannt, wie sich die Reise mit Hardys Eltern entwickelt wird. Er ist schon ganz aufgeregt und emsig schaffen wir alles für den ersten Abend herbei.
Und dann stehen wir am Flughafen. Gleich ist es soweit!

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