Umfahrung des Darién Gaps (September 2012 / Panama-Kolumbien)

Problem“ Darién Gap

Das Darién Gap, el Tapón de Darién oder auch das Darién-Hindernis liegt nun zum Greifen nah. Zwischen Nord- und Südamerika gibt es keine durchgängige Straßenverbindung. Diese Lücke von „nur“ 110km in der Panamericana hat uns bereits seit Wochen Kopfschmerzen bereitet.

Pläne für einen komplettierenden Straßenbau im Dschungelgebiet gibt es, jedoch wurden jene bisher aus den folgenden Gründen nicht fertig gestellt.

Aufgrund der vielen Sümpfe und Flüsse würde dieses Projekt einen hohen finanziellen Aufwand nach sich ziehen.

Zudem sprechen Umweltgründe dagegen. Die Abholzung des Regenwaldes könnte sodann wesentlich leichter und schneller voranschreiten. Bevölkerungszuzug und eine wirtschaftliche Entwicklung würden rasant zunehmen. Die im Dschungel lebenden Kuna- und Chocó-Indianer lehnen die Konstruktion rigoros ab, da sie befürchten jene könnte ihre traditionelle Lebensweise gefährden.

Außerdem könnte die ausgerottete Maul-und Klauenseuche durch stattfindende Viehtransporte wieder nach Nord- und Mittelamerika gelangen.

Auf kolumbianischer Seite des Urwalds sind Guerillagruppen der ELN und FARC aktiv. Und letzteren Grund hören wir häufig als das ausschlaggebende Argument, warum ein Straßenbau sowie eine Durchradlung, bzw. Durchwanderung des Gebietes strikt verboten und unmöglich sei.

Unser Radelfreund Salva hat es dennoch vor zwei Monaten versucht. Mit Hilfe diverser Genehmigungen kommt er sogar bis nach Yaviza, dem Ende der Panamericana auf panamaischer Seite. Dort wird alles vom Militär kontrolliert. So auch er. Ein jegliches Weiterkommen wird ihm strikt verwehrt.

Was tun?

Es gibt zwei Möglichkeiten den Dschungel zu umfahren: per Luft- oder Seeweg.

Ein Flug sowie den von Vielen genutzten Segeltörn auf einer privaten Yacht mit Zwischenaufenthalt auf den Kuna-Inseln, Schnorcheln und Relaxen scheiden für uns aus. Jene fordern horrende Preise, die für uns beide und die beiden Bikes schnell mal bei 1000$ landen könnten. Solch eine Summe sind wir einfach nicht bereit zu blechen, wo wir doch „nur“ das fehlende Stück Strasse bewältigen wollen.

Als Low-budget-Varianten stellen sich eine tagelange Mitfahrt auf einem kleinen Frachtschiff nach Kolumbien dar oder die Variante mit verschiedenen lanchas, also kleinen Schnellbooten, entlang der Küste zu brausen. 

Theoretisch ist natürlich auch eine Umfahrung auf der Pazifikseite möglich, nur lassen sich dazu sehr wenige Informationen finden. Aktuelles aus diesem Jahr, aber in umgekehrter Richtung, gibt es bei http://twoblindtoride.org nachzulesen.

Erwähnen möchten wir noch die eventuell in ferner Zukunft mal operierende Fähre zwischen Colón (Panama) und Cartagena (Kolumbien). Zum Zeitpunkt unserer Recherche ist diese Option erstens noch nicht verfügbar und zweitens kann auch niemand mit Sicherheit sagen wann.

Aufgrund unserer Recherche, die relativ wenige konkrete, nützliche Informationen zu Tage brachte, wollen wir an dieser Stelle für künftige Radler einen detaillierten Bericht mit genauen Kostenangaben liefern.

1. Tag: Panama Stadt bis Chepos

Regen begleitet uns bis zum Nachmittag, als wir uns durch den ätzenden Stadtverkehr voranarbeiten. Es dauert ewig, bis wir die Stadtgrenzen erreicht haben. Zwei Stunden verbringen wir unter dem Vordach eines schicken Autohauses, aber der Regen hört nicht auf. Dann entscheiden wir uns trotzdem weiter zu fahren, scheiß drauf. Es gibt keinen Seitenstreifen, der Verkehr ist dicht.

Nach 60 km kommen wir in Chepos an und finden eine nagelneue Feuerwehrstation vor. Wir dürfen bleiben, werden jedoch zur alten Wache begleitet. Alles ist eng, schief und uralt. Viele Feuerwehrautoleichen stehen herum. Da können wir den Neubau verstehen. Es soll die modernste Wache ganz Panamas sein, wird uns stolz erzählt. Die Männer sind sehr nett. Wir dürfen die Küche nutzen. Wir können im dormitory schlafen, ich ziehe doch den Zeltaufbau auf der Terrasse mit Ausblick vor. Sehr mückig ist es hier. Ein extra Bonbon gibt es aber. Uns wird per Verlängerungsschnur Strom gebracht und wir haben wifi im Zelt!

2. Tag: Chepos bis Cartí

Früh morgens um sechs bei der Bank wollen wir Geld abholen, inklusive Notpuffer, falls wir auf einer der Inseln festsitzen sollten, will ich 800$ abholen. Scheint auch zu klappen. Jedoch zähle ich das Geld aufgrund der vielen wartenden Menschen nicht nach. Das rächt sich einige Stunden später. Anscheinend ist die maximal Summe der Abhebung 500$. So ein Mist! Ich ärgere mich sehr über meine Naivität und Bloedheit. Nun muss die Summe ausreichen, ändern können wir nichts mehr. Der nächste Geldautomat befindet sich in Turbo in Kolumbien.

Auf den ersten 20km rollt es super dahin. In der kleinen Siedlung El Llano, die nur aus tristen Reihenhäusern besteht, kaufen wir schnell noch ein Toastbrot ein. Mehr gibt es hier nicht.

Wir biegen wir nach Osten ab. Noch haben wir gut lachen, als wir das Straßenschild mit der Ankündigung steilster Steigungen sehen. Schnell rutscht mir ein „ach du scheiße!“ heraus. Ich weiß nicht, wie oft ich es an diesem Tag noch sagen werde.

Denn sogleich beginnt das, was uns die folgenden sieben Stunden beschäftigen wird: Super mega steile, lange Steigungen! Und ich dachte, wir hätten bereits in Guatemala die deftigen Abschnitte hinter uns gelassen. Es ist unglaublich, so etwas haben wir noch nicht gesehen, bzw. gefühlt!

Und so beginnt unsere Tagesodyssee: ein bisschen fahren, im kleinen Gang natürlich, dann absteigen und schieben. Haben wir einen Hügel erklommen, geht es im Affenzahn hinab, um möglichst viel Schwung auszunutzen. Jeder gerollte Zentimeter zählt! Leider befindet sich in so einigen Straßentälern grobkörniger Schotter, der kein Rasen zulässt und unsere Schieberei ziemlich erschwert.

Es ist so beschissen steil, dass wir große Mühen haben mit unserer gemeinsamen Muskelkraft im Schneckentempo auch nur ein Fahrrad hinaufzubuckeln. Das Herz rast, es pocht im Nacken. Der Schweiß tropft von den Ellenbögen hinab. Natürlich lässt sich die Hitze heute nicht lumpen.

Bis nach Cartí sind es von der Kreuzung an schlappe 40km. Am Straßenrand begleiten uns die Kilometersteine. Die Zeit rennt voran, die Kilometer kriechen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es heute nicht schaffen werden. Dichter Dschungel umgibt uns. Wir hören Tiergeschreie und bunte Vögel fliegen über unsere Köpfe. Es schon idyllisch hier. Leider fehlt uns beiden die Puste, um das richtig zu geniessen.

Bei Kilometerstein 19 befindet sich der Eingang zum Gebiet der Kuna-Indianer. Eine Swastika befindet sich auf ihrer Nationalflagge. Die Kunas nutzten bereits vor den Nazis dieses Symbol. Hier kommen wir 13.30h schon völlig fertig an. Am Schlagbaum muss Eintritt bezahlt werden. Das macht bei uns 1$ pro Rad(!) und 6$ pro Person. Die Kunas an der Schranke sind nett, sie zeigen uns Schildkröten im nahen Teich und helfen uns mit Trinkwasser aus. Die Auskunft, dass der anstrengendere Teil noch vor uns liegt, ist weniger erbauend. „Stopp, das will ich jetzt gar nicht hören“, sagt Hardy.

Weiter geht’s, gleiches Spiel wie zuvor. Es ist eine zermürbende Arbeit. Als mir etwa 10km vor Cartí Hardy von der Kuppel eines Hügels entgegenkommt und beim Hochschieben hilft, sagt er, oben habe er eine Überraschung für mich. Ich überlege was das denn sein könnte, denn die Steigungen werden wohl noch nicht aufhören. Oben befindet sich einfach so in der Natur ein Wasserhahn. Und der funktioniert auch noch! Hoch in den Himmel schießt die Fontäne. Toll, welch Erfrischung! Die Wasserflaschen werden noch einmal aufgefüllt. Es folgen noch vier weitere Wasserhähne, die Abkühlung bringen.

Die Piste, eine Schneise durch den Dschungel erlaubt bisher nur Grün vor unseren Augen. Auf einer Hügelkuppe tritt dann Weitblick ein. Das Meer und die davor liegenden San Blas Inselchen sind auszumachen.

Und dann sind es endlich nur noch 6km, nur noch vier, nur noch zwei. Langsam nimmt es an nach Leben in Form von Hütten auszusehen. Wir passieren eine Polizeikontrolle und müssen unsere Pässe vorzeigen. Der Polizist ist nett und gibt uns die wenige Auskunft, die er hat, über unsere weiteren Reisemöglichkeiten. Wir sollen am Hafen fragen.

Die asphaltierte Straße endet in einem aus schiefen Betonplatten bestehenden Weg. Es ist das Rollfeld des ehemaligen Flughafens. Jenes führt uns bis an den Strand. Wir haben es geschafft! Um 17h kommen wir an, nach insgesamt 60km in geschlagenen 11 Stunden. Weiter hätten wir auch nicht gekönnt, denn mein Hinterreifen ist völlig platt. Flicken verschieben wir auf später, dazu fehlt jegliche Energie.

Das ist also Carti, als Punkt mit Namen dran in unserer Karte eingezeichnet. Es gibt drei Stege, ein Restaurant, ein Klohäuschen und eine Ticketverkaufsstelle. Die Bezeichnung Hafen ist meiner Ansicht nach ganz schön hoch gegriffen.

Auf den Bänken in der Ticketverkaufsstelle lümmeln ein paar Leute herum. Einer von ihnen scheint der Chef zu sein. Wir erkundigen uns nach Preisen sowie Möglichkeiten nach Kolumbien zu kommen. Unsere Freunde Martin und Salva hatten genau diesen Trip vor einigen Wochen unternommen und uns von ihren Erfahrungen berichtet. So haben wir etwaige Preisvorstellungen im Hinterkopf.

Die uns hier genannten Preise scheinen mal eben verdoppelt worden zu sein. Die eher unsympathischen Typen versuchen uns auch zu überreden jetzt gleich mit dem letzten Boot rüber auf die Hauptinsel Cartí Subdok zu kommen, da man anscheinend nur von da nach weiteren Booten recherchieren könne. Diese nicht mal zehnminütige Überfahrt soll uns insgesamt 20$ kosten. Wir wissen, dass es pro Kuna 1$ sind und Martin für 5$ rüber gefahren ist. Geldgierige Geier! Wir lehnen ab und werden gegebenenfalls morgen früh übersetzen.

Drüben auf der Insel können wir nicht wild zelten. Wir möchten Übernachtungskosten sparen. Hier auf dem bewachten Parkplatz geht zelten aber auch nicht. Erst wollen sie 20$ dafür haben, dann ist es verboten. Wir fühlen uns wie eine gefüllte Weihnachtsgans, die nur zu gern ausgenommen werden würde.

Am Wasserhahn füllen wir die Flaschen auf, pumpen meinen Reifen auf und fahren auf dem Rollfeld zurück, bis wir rechts abgebogen, auf einem kleinen Weg zum nächsten Steg gelangen. Die Nachtwächter sind nett, wir dürfen hier kostenlos schlafen. Es ist bereits dunkel. Zackzack wird das Camp aufgeschlagen und geduscht, bevor uns die Mücken auffressen.

3. Tag: Cartí bis Capurganá (Kolumbien)

Pünktlich, kurz nach sechs, stehen wir am Steg unserer Nachtwächter bereit. Das Boot zur Insel soll gleich kommen. Es lässt jedoch auf sich warten. Auch hier wollen sie nicht von ihren 20$ runtergehen.

Also radeln wir zum 1. Steg zurück. Wir können sie auf 15$ runterhandeln, es dauere aber wohl eine Stunde, bis die lancha hier sei. Häh? Der Steg ist doch voll von Booten! Hardy geht geradewegs zu ihnen und findet ein Boot für 8$. Alles wird eingeladen. Wir fahren gerade los, als uns ein Schnellboot entgegenkommt. Es ist Moyo, der Kapitän, der lancha rápida, der uns bis nach Kolumbien bringen wird. Er hat bereits von uns gehört. Die Preise werden schnell gesagt: 100$ bis nach Puerto Obaldía, dem letzten Hafen in Panama oder 115$ bis nach Capurganá in Kolumbien. Um 9 Uhr will er ablegen. Um 13 Uhr sollen wir bereits in Puerto Obaldía sein. Wir sind einverstanden und fahren wieder zum Festland zurück. Die 8$ geben wir den Jungs trotzdem.

Die Überfahrt nach Kolumbien steht also fest: Erst geht es nach Puerto Obaldía, um auf dem letzten panamesischem Zipfelchen auszuchecken. Danach werden wir weiter bis nach Capurganá, dem ersten Ort in Kolumbien fahren, um dort den Einreisestempel zu bekommen und dort zu übernachten. Von dort werden wir mit der regelmässigen „Fähre“ nach Turbo und damit dem Beginn des kolumbianischen Strassennetzes gelangen.

Nun bekommen wir eine Idee davon, warum man in uns einen Berg Dollarnoten sieht. Immer mehr Jeeps kommen angefahren, aus denen recht wohlhabende Leute aussteigen, die schwer bepackt voller Urlaubsgepäck auf den San Blas Inseln ihre freien Tage verbringen werden. Das Geld sitzt locker, fröhlich wird im flotten Hemd oder buntem Kleidchen, den Sonnenschirm in der Hand und das Hündchen an der Leine über die kommenden Tage geplaudert.

Die Wartezeit verbringen wir mit dem Verpacken der Räder und des Gepäcks. Lenker werden quer gestellt und Pedalen abgebaut. Vorder- und Hinterräder sowie der Antrieb werden in große Mülltüten verpackt und mit Fischhaltefolie umwickelt. Die Radtaschen landen ebenso in Tüten.

Als wir mit Hilfe des Angestellten das Gepäck im Boot verstauen, will Moyo Geld für Räder und Gepäck haben. Er veranschlagt 60$. Hardy verhandelt und einigt sich mit ihm auf einen Gesamtpreis von 270$ bis nach Capurganá. Unsere Verhandlungsposition ist heute schlecht, da sich Moyo seines Gewinns sicher sein kann. Neben uns warten etliche weitere Menschen auf die Mitfahrt.

So haben wir Glück, dass Moyo heute fährt, aber auch Pech, da das Boot voll wird. Neben uns zähle ich 18 weitere Passagiere, die sich zu uns quetschen. Die Bänke sind harte Holzbretter. Es gibt immerhin alte Schwimmwesten.

Los geht’s, auf zur großen Fahrt! Erstmal gießt es in Strömen, als wir einen Halt und weitere Passagiere auf der Insel Cartí Subdog einladen. Gegen meine Seekrankheit schmeiße ich Tabletten ein, die mich total müde machen.

Auf unseren Gepäckbergen landen weitere Rucksäcke, Pakete und Plastiktüten. Die Fahrräder stehen, aber wackelig. Bis alles passt, packt Moyos Handlanger noch einige Male um. Zum Schluss setzt er sich auf den ganzen Berg. Hoffentlich geht bei uns nichts kaputt, denken wir, um unseren Kram bangend.

Moyo, welcher sich als übellauniger Kapitän herausstellt, der alle um sich herum von oben herab behandelt, gibt Gas. Die Sonne brutzelt inzwischen unermüdlich vom Himmel. Das kleine Boot düst nur so über die ob ruhige See, doch recht hohen Wellen. Es springt über die Wellenspitzen und kracht hart in die Wellentäler. Das Aufschlagen geht durch und durch, bis in die Wirbelsäule.

Wir steuern eine Kuna-Insel nach der anderen an. Auf den überbevölkerten, kleinen Inseln Iiegt Müll herum. Es gibt Häuser aus Brettern. Klohäuschen stehen auf Stelzen über dem Meer.

Das viele Anlegen hat zur Folge, dass sich unsere Fahrt um zwei Stunden verlängert. Zwischendurch wird voll getankt. Das Benzin müssen die Passagiere mit ihrem Fahrpreis bezahlen. Als erstes sind Hardy und ich dran. Sehr angenehm, wie abfällig uns Moyo behandelt. Mit mir redet er erst gar nicht. Hardy weigert sich blindlinks zu gehorchen und zahlt erstmal nur die Hälfte des Gesamtpreises. Den Rest bekommt Moyo bei Ankunft.

So vergeht der Tag auf dem Meer. Natürlich, so wie es ein muss, streikt dann auch mal einer der beiden Motoren genau dann, als wir uns recht weit vom Festland entfernt haben. Anstatt lautem Getöse macht er nur ein müdes brbbrb, als Moyo ihn unermüdlich zu starten versucht. Wir treiben bestimmt eine Viertelstunde auf den Wellen hin und her, bis der Motor wieder anspringt.

Puerto Obaldía ist ein kleiner, verschlafener Ort, mitten im Nirgendwo, indem die Hitze jegliche Zeit still stehen zu lassen scheint. Wir legen neben der Militärbasis an. Alles Gepäck muss raus, die Räder lassen wir einfach im Boot. Dann sollen wir mit dem Gepäck in die Militärbasis gehen. Wir weigern uns. Das Hin-und Hertragen ist einfach nur aberwitzig. Scheint okay zu sein. In der Militärbasis wird dann der Drogenhund aus seinem Zwinger geholt und das Gepäck unserer Mitreisenden inspiziert. Ich muss mir ein lautes Lachen schwer verkneifen, denn der Hund will spielen und beißt erst ins Bein des Offiziers und dann in die Taschen. Dann müssen wir unsere Pässe im Gebäude abgeben. Diese werden anscheinend gescheckt. Wir warten.

Später geht’s quer durch den Ort zur Migration. Diese ist leer. Nach mehrmaligem Rufen und Klopfen kommt ein Typ. Nachdem wir ihm erklärt haben, was wir wollen, sollen wir doch erst mal zum Internetcafé gehen und dort pro Person zwei Kopien von unseren Pässen machen. Zum Internetcafé, nochmal 1$ blechen und warten. Alles geht hier in Zeitlupe voran.

Zurück zur Migration, der Beamte wird wieder herbeigeklopft. Einen Pass nach dem anderen bearbeitet der verpennte Mann super langsam. Während des Prozesses vergisst er doch tatsächlich was er gerade tut und fragt sich laut, ob er gerade unsere Ein-oder Ausreise bearbeitet. Tja, stempeln und eine Unterschrift setzen kann ja so schwer sein. Mit welchem Boot wir hergekommen, wo wir ins Land eingereist sind und welche Berufe wir haben, interessiert ihn dann doch noch. Er fährt den Computer hoch, um zu überprüfen, ob gegen uns etwas vorläge. Panama, Ein- und Ausreise ist bei dir ja echt kompliziert!

Gegen 16h wieder am Boot angekommen, ist der gute Moyo nun wirklich übellaunig drauf und befiehlt uns allen, vor allem uns Beiden, die Sachen wieder ins Boot zu räumen. Er hat wohl keine Lust mehr und will ankommen. Jedenfalls gibt er nun Gummi. Wir müssen uns krampfhaft festhalten, werden auf den harten Bänken hoch und runter geschleudert. Schrecklich! Unsere Knochen krachen und stauchen aufeinander. Die armen Räder. Zur Sicherheit wurden die zwischendurch mit einem Seil festgebunden. Die Fahrt geht eine geschlagene Stunde so. Vorbei düsen wir an gewaltig hoher Felsküste, über die panamesisch-kolumbianische Grenze auf nach Capurganá.

Capurganá, wir sehen es schon von weitem. Ein malerisches kleines Fleckchen, ein Ort mit Sandstrand, der sich in die Berge hineinschmiegt. Er ist nur vom Seeweg zu erreichen.

Zum Glück, der Tag ist überstanden! Froh, endlich das Boot und vor allem Moyo los zu sein, hieven wir alles auf den Steg. Das ist unser erster Schritt in Kolumbien, in Südamerika!

Im Gegensatz zu den anderen Passagieren wollen die netten Jungs vom Militär unseren Kram nicht filzen. Ich lasse Hardy bei einem Paar aus Frankreich zurück und gehe auf Hotelsuche. Ein nettes, ruhiges Hotel gleich gegenüber der Migration ist schnell gefunden. Das Zimmer kostet uns 30.000 Pesos/18$. Hier gibt es keinen Strom, die Generatoren werden erst bei Dämmerung eingeschaltet. So haben wir noch Zeit, bis die Migration wieder aufmacht. Wir duschen und waschen das Salzwasser von den Rädern. Sie haben diese Tortur erstaunlich gut überstanden. Meine Gangschaltung sowie der Schutzbügel der Schaltung sind zwar verbogen, aber Hardy kann das zum Glück wieder richten. Auch das Netbook geht trotz der krassen Erschütterungen an.

Vom schlaftrunkenen Beamten in der Migration bekommen wir 90 Tage in den Pass gehauen. Bei mir vergisst er doch tatsächlich die Tage einzutragen. Wir geben ihm den Pass zurück. Eigentlich hätten wir ein Anrecht auf 180 Tage gehabt, erfahren wir später. Mist, diese Information ist uns bei der ganzen Vorbereitung rund um das Darién Gap durch die Lappen gegangen.

Heute schon sollen wir die Tickets für die folgende und letzte Bootsfahrt kaufen, da morgen früh der Schalter geschlossen ist. Pro Person gibt es nach Turbo einen Festpreis. Mit dem gerade hereinschauenden Kapitän einigen wir uns auf insgesamt 100$ für uns und die Räder. Langsam fühle ich mich wie ein Goldesel.

Wir kochen noch fix und schlafen fast beim Essen in den Hängematten ein. Was für ein anstrengender Tag!

4. Tag: Capurganá bis Turbo

Morgens wachen wir beide mit Rückenschmerzen auf, Spätfolgen der gestrigen Schüttlerei.

Früh stehen wir bereits auf dem Steg. Alles wird wieder so gut es geht in Frischhaltefolie und Plastesäcke verpackt. Es schüttet erst mal eine kräftige Husche. Der Kapitän kommt, man könnte jenen fast als freundlich bezeichnen. Einmal lässt er sich sogar dazu hinreißen einen Witz zu machen. Der Rest seiner Crew ist nett.

Dieses Boot ist größer, es gibt neue Schwimmwesten, gepolsterte Sitze und sogar ein Regen-bzw. Sonnendach.

Dann will der Kapitän noch Extrakohle für unser Gepäck. Wir sagen ihm, wir hätten doch bereits gestern einen Fixpreis bezahlt. „Ja“, sagt er, „für die Räder, aber nicht für’s Gepäck! Das muss noch abgewogen werden.“ Und Tatsache sehen wir, das jedes einzelne Gepäckstück der anderen Reisenden per Lastenwaage gewogen wird. Eine bestimmte Kiloanzahl ist frei und danach muss bezahlt werden. Wir weigern uns. Noch zweimal kommt der Kapitän an. Wir beharren darauf, das wir bereits bezahlt hätten und dass, reist man per Fahrrad, auch Gepäck dabei sei. „Das ist einfach so!“, meint Hardy. Als er sich dann ganz behilflich beim Fahrradeinladen macht und auch ohne Umschweife unsere Vorderräder ausbaut, sagt der Kapitän nichts mehr. Wir setzen uns durch.

Die zweistündige Fahrt ist recht angenehm. Wir halten das ein oder andere Mal an und tanken nach. Einmal kommt uns eine andere lancha entgegen. Die Crew hievt ein gigantisch großes Fass Benzin zu uns an Bord. Drüben sehen wir zwei andere Reiseräder und sogar einen Anhänger. Die zwei dazugehörigen Gesichter können wir jedoch nicht ausmachen.

Endlich sind wir da! Turbo heißt das Ende der Seestrecke. Nun sind wir wieder unsere eigenen Kapitäns und das fühlt sich gut an!

Turbo ist eine hektische, eher hässliche Stadt. Wir bauen die Räder zusammen und waschen nochmal den Antrieb mit Frischwasser ab. Dann geht’s zum Geldautomaten, Supermarkt, Internetcafé und in einen comedor. Zur Feier des Tages leisten wir uns ein Mittagsessen. Bei Suppe, einen großen Teller mit Fleisch, Reis und Kochbanane sowie einem Saft kommen wir so langsam in Südamerika, dem zweiten Kontinent unserer Reise an.

Fazit:

Die Umfahrung des Darién Gaps per lancha ist durchaus möglich und nicht so schlimm, wie wir erwartet haben. Die Bootsfahrten sind ätzend und man muss sich mit missmutigen Menschen auseinandersetzen, die einen ihre Hoheit über ihre Schiffe deutlich spüren lassen und versuchen soviel wie möglich für sich selbst herauszuschlagen.

Der bedeutend anstrengendste Abschnitt dieser Tage sind für mich die 40km der Steigungen nach Cartí gewesen. Natürlich muss man anmerken, dass wir bei dieser Art des Reisens sehr wenig bis gar nichts des wunderschönen San Blas Archipels mit seinen winzig kleinen, unbewohnten Inselchen mit Sandstrand und drei Palmen gesehen haben.

Am Ende haben wir Beide inklusive Fahrräder sowie Gepäck für das ganze Abenteuer insgesamt 411$ bezahlt. Wir haben von anderen Radlern gehört, die es etwas billiger hinbekommen haben, wir haben das nicht geschafft. Dafür sind wir nun in Kolumbien!!

Kolumbien, PanamaPermalink

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