Drei Tage nachdem wir von unserem Kurz-Peru-Trip in die casa de ciclistas in Tumbaco (bei Quito) zurückgekehrt sind, lassen wir die Räder schon wieder alleine und schultern die Rucksäcke erneut. Diesmal landen wir im Flieger mit Kurs auf die Galápagos Inseln.
Gestern erst ist der neue Großflughafen bei Quito eingeweiht worden, den nutzen wir nun. Alles blitzt und ist neu. Freundliche Menschen in glänzender Uniform weisen einem den Weg. Das erwartete Chaos bleibt aus.
Gemütlich sitzen wir in einem modernen Flugzeug, trinken Cola und Saft und freuen uns wie die kleinen Kinder auf unsere bevorstehende Tour. Die Galápagos Inseln, welch‘ magischer Name. Schon vor dem Beginn unserer Reise haben wir davon geträumt, mit uns gehadert und abgewogen, ob wir uns das leisten wollen und können. Nun wird es Wirklichkeit. Jetzt sind wir schon mal in Ecuador und jetzt machen wir das, lautet die Devise. Noch letzte Nacht hatten wir unsere Finanzen und Finanzprognosen durchgecheckt. Santiago, unser Gastgeber in der casa de ciclistas in Tumbaco, der bereits mehrere Male auf den Inseln war, gibt uns mit auf den Weg: „Ihr werdet viel Geld ausgeben, es wird mehr als ihr denkt, aber es ist jeden Cent wert!“
Nach einem Zwischenstopp in Guayaquil landen wir auf dem kleinen Flughafen auf der Insel Baltra. Schon vom Flieger aus können wir erst die Gipfel des Cotopaxis und Chimborazos und später die 1000 Kilometer vom Festland entfernten Inseln ausmachen.
Wir sind überrascht, hatten laut Darwins Beschreibungen karge und trostlose Natur erwartet, doch alles ist grün und steht im vollen Saft. Wir haben Glück, denn wir sind in der Regenzeit hier und können die kurze Vegetationssperiode miterleben.
Am Schalter im Flughafengebäude sind dann die 100$ Nationalparkgebühr zu blechen. Ecuadoreaner zahlen deutlich weniger Eintritt. Das Gepäck wird wiederholt kontrolliert, damit ja keine fremden Organismen eingeführt werden, die Schaden im fragilen Ökosystem anrichten könnten. Erst danach dürfen wir offiziell unsere Füße auf den super heißen vulkanischen galápagoischen Boden setzen.
Puerto Ayora, Isla Santa Cruz
Zwei Busse und eine Fähre bringen uns zum Hauptort Puerto Ayora auf der Nachbarinsel Santa Cruz. Er ist größer als erwartet. 15000 Menschen leben hier, vornehmlich vom Tourismus. Ein Hotel reiht sich ans andere. Teure Boutiquen säumen die Wege. Die Promenade wird gerade für die kommende Saison fußgängerfreundlich neugestaltet. Alle laufen kreuz und quer über die Baustelle. Abgesperrt wird nicht.
Wir finden eine bezahlbare Bleibe im familiären Hotel Los Amigos, in welchem wir die Küche mitbenutzen dürfen. Trinkwasser gibt es auch. Aus den Hähnen kommt allerdings gefiltertes Salzwasser, nicht angenehm. Unsere Hotelfamilie besitzt doch tatsächlich zwei Huskys. Wir fragen uns ernsthaft wie man das in dieser unglaublichen Hitze direkt am Äquator mit gutem Gewissen den Tieren antun kann. Tagsüber verkriechen sie sich in schattige Plätze und des Nachts tollen sie herum.
In der Agentur Joybe lassen wir uns über eine mehrtägige Bootstour beraten. Die Lastminute-Angebote hier sind um so einige hundert Dollar günstiger, als buchte man sie von Quito oder aus dem Ausland. Dennoch schmerzt die für uns horrende Summe sehr. Insbesondere der grübelnde Hardy hat arge Schwierigkeiten mit einer Zusage. Ich nehme diese in die Hand und beschließe, wir machen diese fünf-tägige Bootstour auf dem Motorboot Yolita. Denn nur so kommen wir an Stellen des sehr reglementierten Nationalparks, die wir sonst nie sehen würden. So’ne Cruisetour machen wir nur einmal im Leben.
Nachdem der Schritt gegangen, unterschrieben und bezahlt ist, machen wir uns bei einem Spaziergang über die Mole ganz andere Gedanken. Was ist, wenn die anderen 14 Gäste nur alte Rentner sind? Was ist, wenn das nur alte, dicke, weißhäutige Amerikaner mit Sonnenbrand und Riesenkameras sind? Wie bekommen wir die Crew dazu uns noch einen Nachschlag des erwarteten nicht Radler-freundlichen Essens zu geben? Was gibt es wohl auf einer Yacht, die in die Luxusklasse fällt, tolles zu speissen? Und wie arbeiten wir uns durch die Besteckberge? Werden wir in unseren zerschrammten, täglich immer gleichen Klamotten negativ auffallen?
Dann gehen wir auf Entdeckungstour, einmal die Promenade hoch und wieder runter. Neben einem in der Abendbrise gut besuchten Spielplatz spielen auf einem Volleyballfeld Einheimische voller Elan. Eine jubelnde Menschentraube umringt sie. Neben den Tatsache vielen vorhandenen weißhäutigen Touristen, schwer bewaffnet mit größten Kameras, treffen wir auf eine schlafende Robbe, die es sich auf einer Parkbank gemütlich gemacht hat. Über uns kreisen große Fregattenvögel und auf den Steinen können wir rote Riesenkrabben beobachten. Erste Eindrücke von dieser fremden Welt haben wir bekommen. Wir sind sehr gespannt auf die folgenden Tage.
Die wenigen eigenständigen Ausflüge, für die man keinen guide benötigt unternehmen wir. Die Mehrheit der Landmasse auf den Galápagos Inseln ist heutzutage Nationalpark. Das sehr labile Ökosystem soll so geschützt werden. Man darf nur eine Stippvisite in die Natur unternehmen. Und das ist auch gut so. Denn aufgrund von Massenabschlachtungen beispielsweise der Schildkröten oder Iguane sowie anhand des Einschleppens nicht einheimischer Lebewesen wie Ratten, Schweine, Ameisen oder Hunde sind einige Arten bereits ausgestorben oder schwer bedroht.
Darwin Research Center
Im Darwin Research Center am Ende des Ortes bestaunen wir baff unsere ersten Riesen Schildkröten, die Galápagos. Wahnsinnig groß sind sie! Erstaunlich wie diese schweren Tiere ihre Massen wuchten können. Bis zu einen Kilometer pro Stunde können sie sich vorwärtsbewegen. Im Center werden die Eier der Schildkröten ausgebrütet. Je nach Temperaturunterschied wird aus einem Ei ein Weibchen oder Männchen (die Weibchen brauchen es wärmer). Nach zwei bis drei Jahren in geschützter Umgebung, bzw. sobald ihr Panzer einen gewissen Umfang erreicht hat, werden sie auf ihrer Ursprungsinsel wieder ausgesetzt.
Wir sehen eine Schildkröte, die einst einmal das Haustier eines Polizisten war. Als er Nachts betrunken nach Hause kam, schoss er auf das Tier. Die Patronenlöcher sind gut im Panzer auszumachen. Ein solcher ist wohl kugelsicher.
Leider verpassen wir den Lonesome George. Einen berühmten männlichen Schildkröterich, den letzten seiner Art. Es war nicht möglich ihn zum Fortpflanzen zu bewegen. Er starb im letzten Jahr.
Fischmarkt
Als wir vom Darwin Center vorbei an all den Touriboutiken schlendern, stoßen wir zufällig auf den kleinen Fischmarkt. Eigentlich ist es nur ein Stand, an dem die Fischer ihren frischen Fang verkaufen. Neben Kunden umlagern so einige Pelikane, Möwen und auch zwei Seelöwen den Stand und versuchen ihn zu erobern. Gierig wird von den Tieren jeder Abfall erbeutet und auch gern der Fisch, passen die Verkäufer mal nicht arglistig auf. Dabei kommen sie sehr nah an die Menschen heran. Eine Robbe hat sich direkt neben einen Mann platziert, der von ihr während des Fischzerteilens immer wieder grob angestubst wird, damit er ihr Stücken zusteckt.
Lange verweilen wir vor dieser uns so bizarren Szenerie. Ich sehe es in Hardys Augen leuchten. Er freut sich einen Kullerkeks und kauft fast ein Kilo Thunfisch. Das wird ein königliches Abendbrot!
Las Grietas
Eine kleine Wanderung über karge Lavafelder, stinkende Tümpel und Kakteenhaine führt uns zu den Grietas. Das ist eine lange, schmale Schlucht hoher Felsen. Im sehr kalten Meerwasser, das zusätzlich durch unterirdische Quellen gespeist wird, kann gebadet werden. Leider sind viele laute Jugendliche da, die auf die höchsten Felsen klettern und kreischend ins Wasser springen.
Tortuga Bay
Der lange, weiße Sandstarnd des Tortuga Bay beeindruckt uns sehr. Meeresiguane sonnen sich gemütlich auf einer Mauer aus Lavabrocken. Nach ihrem Aufenthalt im Meer tanken sie die Wärme der Sonne. Durch das Fressen von Algen nehmen sie Salz auf, das sie nun begleitet von lauten pffff-Lauten und einem Strahl Wasser aus ihren Nasenlöchern wieder ausscheiden. Sieht sehr witzig aus. Auf ihnen landen Darwinfinken, um Parasiten zu essen. Im Sand können wir die Nester der vergrabenen Iguaneier ausmachen.
Darwinfinken landen dicht neben uns und sogar auf Hardys Hut, um Krumen unserer Brötchen zu stibitzen.
In einer ruhigen Bucht, umgeben von Mangroven und steiler Felsküste, die mit Kakteen bewachsen ist, tauchen wir ins Wasser ein. Toll! Das Wasser ist ein bisschen kaelter als Badewannentemperatur und tut bei der Hitze richtig gut. Wir schauen uns um und denken uns „Yeah, wir sind richtig hier“.
Diesen ereignisreichen und schönen Tag lassen wir mit gebratenem Thunfisch und Rum aus dem Faltbecher ausklingen.
El Chato
In den Highlands der Insel liegt das Reservat El Chato. Hier leben die Galápagosschildkröten in ihrem ursprünglichen Lebensraum. Auf einer mehrstündigen Wanderung durch heiß feuchten Dschungel kommen wir ihnen sehr nah. Aufgrund des vielen Niederschlags ist der schmale Weg in einem sehr schlechtem Zustand, voller Matsch und Wasserlöcher. Sich durch den dichten Wildwuchs zu wuchten ist jedoch für die schweren Tiere anscheinend sehr anstrengend. So benutzen sie wie wir den Weg oder liegen genüsslich im Schlamm. Um sie nicht zu stören, versuchen wir mit Abstand um sie herum zu gehen. Dabei ziehen sie sich meist in ihren Panzer zurück und geben einen chchch-Laut von sich. Das sowie das Stöhnen des Männchens bei der Paarung (hhhnnn) sind die einzigen beiden Töne die die Schildkröten von sich geben.
Lavatunnel
Als wir zurück laufen, sehen wir zufällig einen Jeep voller Touris in einen Feldweg einbiegen. Wir wissen, dass es hier in der Gegend sogenannte Lavatunnel geben soll und folgen ihnen. Glück gehabt. Die große Höhle, in der einst ein Strom von Lava floss ist sogar mit Glühbirnen beleuchtet. Begeistert durchwandern wir den langen unterirdischen Lava-Gang.
Puerto Villamil, Isla Isabela
Mit einem Schnellboot düsen wir am nächsten Morgen in zwei Stunden zur größten Insel der Galápagos und verbringen die folgenden Tage dort. Die Insel wurde aus den Vulkanen Cerro Azúl, Sierra Negra, Alcedo, Darwin, Wolf und Ecuador gebildet, die durch ihre vulkanische Aktivität im Laufe der Zeit miteinander verschmolzen sind. Alle außer dem Vulkan Ecuador sind noch heute aktiv.
Puerto Villamil selbst ist nicht besonders schön. Das verschlafene Nest mit ausschließlich Sandstraßen wird nur von 2000 Menschen bewohnt. Am weißen Sandstrand brutzeln ein paar Touristen vor sich hin. Die Hitze ist hier schier unerträglich. Sie wird von den schwarzen Lavaströmen, auf denen die Häuser gebaut wurden und die sich durch den Ort ziehen gespeichert und reflektiert. Es gibt höchstens Krautbewuchs und keinen Schatten. Wir landen in der Posada del Caminante und werden vom freundlichen, dicklichen Besitzer Lauro empfangen. Unser großes Zimmer liegt im ersten Stock des neuen Gebäudes. Das ist gut, denn so weht eine kühlende Brise durchs Eckzimmer. Wir duschen (hier ist das Wasser richtig salzig) und machen uns auf den Weg zum Concha y Perla.
Concha y Perla
Diese kleine Mangrovenbucht, in der bei Ebbe herrlich geschnorchelt werden kann, besuchen wir noch des öfteren. Ein Holzpfad durchs Dickicht endet auf einer Plattform mit Bänken, die gern von Seelöwen belagert wird. Vor den großen, sich empört in ihrer Ruhe gestört fühlenden Männchen muss man sich in Acht nehmen. Den kleineren Seelöwen kann man sehr nahe kommen. Was sich ja in dieser Enge auch schlecht vermeiden lässt.
Bei ersten Schnorchelgängen können wir bereits bunte Fischis, Schildkröten sowie einen sehr großen Stachelrochen ausmachen. Plötzlich schwimmen Seelöwen ganz nah vor uns vorbei. Wir haben Augenkontakt. Welch‘ Schreck und Faszination zugleich.
Der Abend klingt in den Hängematten unseres Hotels liegend mit einer interessanten Diskussion zwischen Hardy und dem Freund unseres Besitzers aus. Er ist Nationalparkwächter. Der neusten von Hardys gelesener Theorien über die Entstehung und das Herkommen der Tiere auf die Inseln kann er nicht zustimmen. Hardy las neulich, dass es einst zwischen dem Festland und den heutigen Inseln bereits eine Art Prä-Galápagos existiert haben muss. Inseln, die nun im Meer verschwunden sind. Das die Tierwelt von dieser Inselgruppe auf die heutige gewandert ist, erklärt wie sie die lange Distanz von 1000km zum Festland überwinden konnten. Der Nationalparkmitarbeiter denkt eher im kreationistischen Sinne. Aber er respektiert andere Meinungen. Schade, dass auch er nicht viel Bildung genossen hat und nur kurz zur Schule ging. Sein Wissen über die Entstehung der Galápagos hat er sich selbst angelesen. Aber man kann mit ihm diskutieren und Meinungen austauschen. Das fällt uns beiden positiv auf, kommt leider nicht allzu oft vor seitdem wir uns in Lateinamerika bewegen.
Muro de las Lágrimas
Am Nachmittag wandern wir am Strand und später auf sandigen Wegen in Richtung Mauer der Tränen. Diese ist leider aufgrund von Bauarbeiten gesperrt. Wir dürfen den Weg nur einen Kilometer lang laufen. Schade. Die rund 150m lange und ca. 10m dicke Mauer wurde von Sträflingen der Strafkolonie “Porvenir”, der berüchtigsten von drei in den 40er Jahren auf der Insel eingerichteten Strafkolonien, unter grausamsten Bedingungen errichtet. Sie wurde nach einer Massenrevolte im Jahr 1959 geschlossen. Die Mauer bleibt bis heute als Mahnmal erhalten.
Wir verbringen Stunden auf diesem kurzen Abschnitt mit dem Beobachten von vielen Meeresiguanen. Es ist so entzückend wie diese Dinosaurier mit ihren dicken Bäuchen relaxt im Sand liegen, alle Gliedmaßen von sich gestreckt und ab und ab nur ein pfff-Geräusch von sich geben.
Nachdem wir einem schmalen Pfad unter Manzanillabäumen hindurch gegangen sind, finden wir eine kleine Lagune. Nur ein Seelöwe leistet uns Gesellschaft, der in den Mangroven herum schwimmt. Die äpfelartigen Früchte der Manzanillas sowie deren Holz soll nicht angefasst werden. Die Früchte sind hochgiftig. Sie können nur von Schildkröten verdaut werden. Auch die Tropfen der Bäume können allergische Reaktionen hervorrufen. Wir nehmen uns in Acht.
Ein Besuch der Flamingo-Lagune im Abendrot lässt den Tag ausklingen. Lange sitzen wir an deren Rand und beobachten die elf Jungtiere beim Fressen. Auf der Stelle tretend wirbeln die noch nicht ganz pinken Vögel den schlammigen Grund auf und schlingen sich dann den Bauch mit Algen voll. Lustig sieht es aus, wenn ihr Kopf im Wasser verschwindet.
Yolita
An einem frühen Morgen um 6h Uhr stehen wir am kleinen Pier, sowie es uns von unserer Reiseagentur eingebläut wurde. Bloß nicht zu spät kommen. So sind wir eine halbe Stunde zu früh da. Aber von der Yolita oder Leuten, die uns abholen könnten keine Spur. Na das fängt ja gut an. Mit Hilfe des freundlichen Hafenmeisters wird das Schiff angefunkt, es hatte unweit für die Nacht vor Anker gelegen. Die Crew weiß von nichts und meinen wir könnten uns ja in drei Stunden vor Ort treffen und das Tagesangebot gemeinsam unternehmen. Nichts da. Wir haben für den ganzen Tag bezahlt und bestehen darauf für’s Frühstück bereits an Board zu kommen. Schließlich kommt Darío, unser guide, in einem Beiboot angetuckert. Da keine Kommunikation mit unsere Agentur stattfand, hatte man uns erst heute Abend erwartet. Wir können nicht mit im Speisesaal frühstücken, da das Boot noch voll besetzt ist. Erst später werden es vier Passagiere verlassen. Für uns gibt es auch keinen Saft. Um Brot, Butter und Marmelade müssen wir uns selber kümmern. Wir sind enttäuscht und angepisst. Der erste Eindruck von unserer so toll vorgestellten Luxusyacht ist negativ behaftet.
Die Yolita II, eine 35m lange Motoryacht kann neun Knoten schnell Fahren. Eine siebenköpfige Crew hält das Boot am Laufen und der englischsprachige, einheimische guide Darío kümmert sich um die Gäste. Leider kann ich sein Englisch aufgrund des starken Akzentes schwer verstehen. Wir einigen uns darauf in Spanisch miteinander zu kommunizieren.
Von unseren Mitbewohnern für die fünf kommenden Tage sind wir positiv überrascht. Wir sind noch nicht einmal die Jüngsten. Und es sind auch keine alten Rentner. Jeder unserer Mitreisenden war mit dieser Befürchtung an Board gekommen. Es ist ein buntgemischter Haufen von Langzeitrucksackreisenden, deren Alter sich zwischen Ende zwanzig und Ende fünfzig bewegt. Die Themen kreisen sich um Reiseanekdoten und Erfahrungen. Viel wird gelacht.
Schnell fallen uns jedoch auch große Unterschiede im Radreisen und Backpackertum auf. Reisen letztere von sight zu sight, sehen sie nicht so viel vom Weg dazwischen und kommen nicht viel mit den Einheimischen in Kontakt. James, der amerikanische Tauchlehrer und Bootsendwerfer erzählt beispielsweise von seinem Belizeaufenthalt, der für ihn teuer war und mit welchem er tauchen auf den Inseln vor der Ostküste assoziiert. Unsere Belizeerfahrungen hängen ganz deutlich mit den Begegnungen der Menschen in den mennonitischen Gemeinden zusammen.
Ein immer wiederkehrendes Thema ist das Geld und das Budget der Reisekassen. Liegt das der Rucksackreisenden oft bei 40$ pro Mensch und Tag, können sie es gar nicht glauben, wie wir mit unserem momentanen Durchschnitt von 15$ pro Nase und Tag hinkommen. Ein englisches Paar hat in ihren neuen Monaten Reise bereits über 25 000$ ausgegeben. Unsere Münder stehen offen. Aber als Rucksackreisender benutzt man Busse, Hotels und zahlt viel für organisierte Tagesausflüge. Die machen wir selber.
Die lustige, liebenswürdige, sehr direkte Engländerin fragt mich wie wir denn duschen und wo wir unsere Wäsche waschen. Das wir ab und an gar nicht duschen können und die Klamotten tagelang anhaben, findet sie echt krass. Und ich muss zugeben, dass es nach einiger Zeit wirklich awful ist. Wir beide lachen.
Zu zweit wird sich eine Kabine geteilt. Unser Zimmer mit breiten Betten sowie eigenem Bad ist so groß, dass auch gut die Räder ihren Platz gefunden hätten. Im recht großen Speisesaal und Wohnzimmer oder auf den drei Sonnendecks kann sich die Zeit vertrieben werden. Drei Mal täglich gibt es Essen, meist in Form von kleinen Buffets. Nach Ausflügen steht ein Saft und Snack bereit. Den ganzen Tag gibt es Wasser, Tee und Café.
Die Yolita, als Luxusyacht geplant, würde ich nach unseren Erwartungen nicht als solche bezeichnen. Am Innenausbau wurde eindeutig gespart, billigste Materialien verbaut und dann auf die nicht Acht gegeben.
Den das letzte mal im Jahr 2005 aktiven Vulkan Sierra Negra besuchen wir nach dem Frühstück. Der ca. 10x9km breite Krater ist nach dem Toba in Indonesien der zweitgrößte der Welt. Der Ausblick über diesen schier endlosen Vulkan ist gewaltig! Noch warme Lava breitet sich in dessen Inneren aus. Wenn diese endgültig erkaltet und Vegetation darüber gewachsen ist, würden auch Schildkröten hier her wandern, erfahren wir.
Mit Schwimmwesten im Dingi wieder an Board gebracht, klingt der Tag gemütlich aus. Momentan ist Wellengang, das fühlt sich merkwürdig an und bekommt unseren Mägen nicht so gut. Wir verziehen uns bald nach dem Abendbrot in die gemütlichen Betten, denn in der Waagerechten geht’s viel besser.
Und dann springt der Motor an. Es geht los auf große Fahrt. In den folgenden Tagen umrunden wir im Uhrzeigersinn die Hauptinsel Isabela und besuchen die kleineren Inseln Fernandina, Santiago und Rábida.
Per Dingi unternehmen wir einen Ausflug in den großen Mangrovenhain in der Bahía Elizabeth. An jeder Pflanze ist ein gelbes Blatt auszumachen. Darío fragt uns warum das so wäre. Aber alle abenteuerlichsten Antworten sind nicht korrekt. Jede Mangrove lässt das aufgenommene Salz des Meereswassers in ein Blatt wandern, um die ganze Pflanze nicht in Gefahr zu bringen. Dies eine Blatt stirbt dann ab. Darío pflückt es und gibt es uns, schmeckt sehr salzig. Wir sehen schwarze, flugunfähige Kormorane mit ihren blauen Augen, Meeresschildkröten, die auftauchen um Luft zu holen und sogar einen Pinguin.
Auf Wanderungen an verschieden Punkten der Inseln erleben wir die heiße, trockene Landschaft.
Obwohl alles grün ist und Kakteen blühen, wirkt es sehr karg. Wie mag es wohl in der Trockenperiode hier aussehen? Wir spazieren über gigantische Lavafelder und besuchen Seen auf den Inseln, beobachten Schildkröten und müssen uns vorsichtig durch eine Gruppe faulenzender Iguane durchschlängeln. Die machen einfach keinen Platz und belegen den Weg.
Ein besonderes Highlight stellt für uns der Besuch von Punta Espinoza auf der Insel Fernandina dar. In kleinen Buchten, durch Lavafelsen abgetrennt und auf hellem, sehr groben Sand tummeln sich ewig viele Meeresiguane und Seelöwen. Letztere spielen im flachen Wasser und tollen lautstark herum. Auf dem groben Sand wälzen sie sich und lassen sich genüsslich fallen.
Die täglichen Schnorchelausflüge hatte ich im Vorfeld mit großer Skepsis beäugt. Hatte ich doch so einige Panik davor. Aber ich kann sie nach und nach ablegen und fange an es zu genießen und neugierig die reich vorhandene Tierwelt zu beobachten. An uns vorbei schwimmt wahnsinnig schnell eine Gruppe Pinguine. Ein Pelikan fliegt zum greifen nah über unseren Köpfen hinweg. Wir sehen Rochen, einen Kugelfisch, Robben ganz nah und langsam in der Strömung gleitende Schildkröten neben ganz vielen anderen bunten Fischen.
An einem Abend, kurz bevor wir die Äquatorlinie überqueren, findet bei schönstem Sonnenuntergang und Delphinschwarm in der Ferne die Hochzeit von einem kanadischen Paar auf dem großen Sonnendeck statt. Rosalyn im süßen weißen Leinenkleid und Glen im hellen Hemd glänzen mit dem in weißer Uniform herausgeputzten Kapitän um die Wette. Drei unserer Mitreisenden werden zu Trauzeugen und wir Restlichen drücken wie verrückt auf die Auslöser der vielen Kameras. Zum Anstoßen gibt’s Sangría und danach dürfen wir auf die Brücke, um die Instrumente zu beobachten, als wir den Nullmeridian überfahren. Sie stehen tatsächlich auf cero.
Die Umrundung der Miniinsel Daphne Mayor stellt eines morgens bei Sonnenaufgang den Abschluss unserer Bootstour dar. Eine große Verabschiedung folgt.
Hat es sich nun gelohnt solch eine horrend teure mehrtägige Tour zu machen? Wir sind da geteilter Meinung. Für Hardy ist der extreme große Batzen Kohle für die paar Tage immer noch schwer zu verkraften. Für das Geld hätte er mehr erwartet. Da stimme ich ihm zu. Wir hatten mehr Erklärungen vom guide, wirklich exquisites Essen und längere Ausflüge erwartet. Hardy nennt es mehr Umfang. Ich nenne es einfach hohe Erwartungen. Ich bin jedoch froh das alles gesehen, insbesondere all die Naherfahrungen mit den Tieren erlebt zu haben. Ich würde wiederkommen, da ich gern auch die restlichen Inseln kennenlernen möchte, um mehr Vögel zu beobachten.
Wir verbringen noch zwei Tage in unserem ersten Hotel in Puerto Ayora, genießen es allein zu sein und selbst über unser Tagesprogramm bestimmen zu können. Wieder wird auf dem Fischmarkt frischer Fisch gekauft und köstlichst von Hardy mit schwingendem Kochlöffel zubereitet. Der Rum wird geleert und schnell sitzen wir im Flieger in Richtung Quito. Unsere Räder erwarten uns bereits. Nach fast fünf Wochen Auszeit freuen wir uns wieder in die Pedalen treten zu können und selbstständig unterwegs zu sein.
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