El Salvador / neue Fotos online

Hola liebe Leserinnen und Leser,

Nach unser Abfahrt aus Antigua in Guatemala vor fuenf Tagen machen wir nun El Salvador unsicher. Wir befinden uns gerade in der Gebirgsregion Cordillera Apaneca in dem kleinen, beschaulichen Dorf Apaneca. In dieser Gegend verlaeuft die „Ruta de las Flores“, tatsaechlich blueht es an allen Ecken. Sogar die Muelleimer und Leuchtmasten sind mit Blumen bemalt.

Heute morgen in aller frueh haben wir mit unserem Gastgeber Angel (einer der wenigen warmshower-host in Central Amerika) den Berg  Cerro Apaneca mit 1816m bestiegen und konnten bei klarster Sicht die hiessige Vulkankette vom Vulcan de Agua (am Lago Atitlan in Guatemala) bis zum Vulkan San Miguel (Ost El Salvador) ueberblicken. Angel ist Webdesigner und wohnt bei seinen Eltern. Seine Mutter verschoenert das ganze Haus mit ihren selbstgefaedelten(!) Bildern.

Wir sahen auch einen Teil des Nationalparks El Impossible, in dem wir vor ein paar Tagen endlich mal wieder in einem Wald mit Gluehwuermchen zelten konnten und eine Tageswanderung unternahmen. Die Anfahrt zu diesem Park war abenteuerlich. Sie Strasse entpuppte sich als uebelste Schotterpiste mit gewaltigen Steigungen, die an ihren steilsten Stellen mit kindskopfgrossen Steinen locker befestigt wurde. 10 km haben wir erklommen, fuer die letzten 4 km konnten wir die Raeder auf die Ladeflaeche eines Pickups wuchten.

Auf den ersten blick scheint uns El Salvador sehr angenehm! Die lauten Gringo-Gringooooo-Rufe bleiben meist aus, oder sind nur leise zu hoeren. Uns begenet man oft mit hello, hola oder bye. Da habe ich auch gleich wieder Bock oefter zurueck zu gruessen, nachdem ich in Guatemala leider mit der Zeit mit Ignoranz auf das staendige Angebloecke reagierte. Klar ist, dass die meisten Menschen keineswegs das Wort Gringo in explizit negativem Sinne verwenden. Nur bohrt es leider jedes mal in mir und ich habe bisher noch keinen Weg gefunden, dass es mich kalt lassen wuerde. Klar ist aber auch, dass ich mich wohl oder uebel daran gewoehnen muss. Abnehmen wird es bis Argentinien wahrscheinlich nicht.

El Salvador werden wir aber auch schon in etwa 3 Tagen in Richtung Norden verlassen. Die Karibik in Honduras ruft. Wir haben vor auf der Insel Utila einen Tauchkurs zu besuchen. Bis dahin gehts noch acht Tage im stetigen Auf und Ab durch Honduras. Gut, dass wir El Salvadors National-Gericht schon probierten. Das sind Pupusas,  Tortillafladen aus einem Maismehl-Teig mit Kartoffeln, Kaese und Bohnen gefuellt. Dazu gibt es eine Sausse und Krautsalat.

Passend zum letzten Artikel, der sich mit unserer Reise in Mexiko beschaeftigte, gibt es nun auch die entsprechenden Fotos in der Galerie.

Wir beide wuenschen euch wie immer viel Spass damit und hoffen, dass die Berliner Regenzeit bald vorbei sein wird.

Viele Gruesse!

Hardy

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Von Durango bis nach Toluca (Mexiko / Februar 2012)

Unsere letzten zwei Wochen, zusammen mit Hardys Eltern, sind wie im Fluge vergangen. Zusammen haben wir eine intensive Zeit erlebt, per blauem mini Mietwagen die Halbinsel Yucatan erkundet und sind zu Maya-Ruinenexperten geworden.

Nach den Ferien sind wir nun wieder in Durango angekommen. Hier hatten wir in Fridas Abstellkammer unsere Fahrräder gelassen. Die Wiedersehensfreude ist groß! Natürlich nicht nur in Bezug auf die Drahtesel, auch ist es schön zu Freunden zurück zu kehren. Wir erzählen bis in den späten Abend hinein.

Ausgeruht geht es am folgenden Morgen wieder on tour. Juchu! Wir sind voller Tatendrang. Auf unserem Weg Richtung Mexiko City wollen wir die in den Ausläufern der Sierra Madre wie auf einer Perlenkette aufgereihten alten Kolonialstädte Zacateas, San Luis Potosí, Guanajuato und Morelia besuchen.

Selbstverständlich wartet dann sogleich ein langer Anstieg auf uns, bis in den kleinen Ort Sombrete hinein. Wir arbeiten uns im Schneckentempo an tiefbraunen, frisch bestellten Feldern vorbei, die in der Ferne in wechselnde Rottöne übergehen.

Später öffnen wir eines der Gatter an den kilometerlangen Zäunen zu beiden Seiten des Weges, verpieseln uns vom Asphalt als gerade kein Auto kommt und zelten neben Kakteen. Es sind Nopales. Hardy erntet ein paar Ohren, um daraus Salat zu kreieren. Aber es klappt nicht. Ernten kann er sie, nur lassen sich die Stacheln nicht entfernen. Es pieckt zu sehr. Wir haben zwar vieles mit an Bord, nur sind dicke, stabile Handschuhe nicht dabei!

Zacatecas

Ein Gewitter ist im Anmarsch, in die nahe Stadt wollen wir nicht mehr, sie würden wir plitsche-nass erreichen. So verkriechen wir uns auf einen Feldweg und genießen die spektakuläre Stimmung. Das warme Sonnenlicht ist magisch, Wind zieht auf und dunkle Wolken, prall gefüllt mit Regen, scheinen fast zu platzen. Am Rand des Feldes warten wir, dass es dunkler wird, um dann ungesehen unser Nachtlager unter einem Baum aufzubauen. Da kommt ein Bauer des Weges, kontrolliert seine frische angepflanzten kleinen Chilis und kommt mit uns ins Gespräch. Er weiß auch keinen Platz, wo wir campen könnten, aber er besitzt ein kleines Haus mit zwei Räuemen, in dem ein Angestellter von ihm wohnt.

Dieser lebt mit seiner Frau und ihrem kleinen Sohn in einem, im anderen werden Saatgut und Werkzeuge gelagert. Das ist doch perfekt für uns! Sogar eine Glühbirne und Wasser gibt es! Wir räumen uns etwas Platz frei und bereiten ein gemütliches Bett auf der Plane mit unseren Isomatten aus. Dann kochen wir vor dem Häuschen und hören den prasselndem Regen auf dem Wellblechdach zu.

Kurz vor Zacatecas müssen wir uns noch einmal auf einer langen Steigung, die bis in die Innenstadt andauert, quälen. Der Verkehr nimmt deutlich zu. In verkehrsreichen Städten zu radeln, das mag ich nach wie vor nicht. Einfach ätzend.

Endlich kommen wir gegen Mittag in der hügeligen, mit groben Kopfsteinpflaster gespickten Stadtmitte an. Auf einem anderen Blog hatten wir gelesenen, dass das Hostel Margaritas toll sein soll. Aber irgendwie übersehen wir alle schlechten Vorzeichen…. Wohl weil wir fertig und hungrig sind und nicht mehr weiter weiter wollen. Das provoziert leider auch einen kleinen Zoff zwischen uns.

Das Hostel sieht von außen verlassen und ranzelig aus. Alles ist zu. Erst macht niemand auf. Ich klopfe lange, dann bequemt sich ein Mann allmählich herunter, der aber keine Zimmerschlüssel hat. Als wir ihm deutlich machen, dass wir die Bikes und unser Gepäck nicht in einem unabgeschlossenen Zimmer lassen werden, telefoniert er mit unserem Handy herum. Ich verhandle mit ihm einen Zimmerpreis. Der Typ weißt uns ein kleines, muchteliges Zimmer zu, Hardy läuft ein wenig herum und findet ein besseres ein Stockwerk weiter oben. Leider probiert er das Licht nicht aus. Es funktioniert nicht…

Wir gehen derweil duschen. In den Gemeinschaftsbädern wurde schon lange nicht mehr geputzt oder der Mülleimer gelehrt. Sonst sehen wir auch keinen Menschen im Hotel. Also eigentlich alles sehr unattraktiv. Wir sind heute blind.

Und dann kommt tatsächlich jemand mit unserem Zimmerschlüssel. Dieser Muchacho will noch einmal über den Preis verhandeln. Doch Hardy lässt sich auf keine Diskussion ein. Als er wieder anfängt zusammen zu packen, willigt er auf den abgemachten Preis ein und bringt einen Zimmerschlüssel. Leider fragen wir nicht nach einem Haustuerschlüssel. Das wird uns später zum Verhängnis!

An sich war dies bestimmt mal ein toller Ort zum Verweilen. Die Sicht von der sich an die Küche anschließende Dachterrasse hinab auf die sich ausbreitende Stadt ist atemberaubend. Tolle alte Fliesen schmücken die Küche und die Bäder. Doch das Haus scheint in die Jahre gekommen und verwahrlost zu sein. Warum ist das uns nicht gleich beim Ansehen des Hostels aufgefallen?

Dann erkunden wir endlich Zacatecas. Die Stadt ist schön, ein sehr altes Kolonialstädtchen. Die Fassaden der Häuser sowie der Kathedrale sind wunderbar restauriert. In der schnieken Stadtmitte ist jedoch nix los. Das Leben spielt sich drumherum auf den nicht so schönen Plätzen und in der Markthalle ab. Wirkt ein wenig künstlich der Stadtkern.

Ein bisschen ist heute die Luft raus. Wir können uns nicht aufraffen was richtiges zu tun, in ein Museum zu gehen oder per Seilbahn auf den Stadtberg hinauf zu fahren. So schlendern wir nur durch die Gassen und schauen einer Parade zu, bei der Schulmädchen sich für einen Schulschöhnheitswettbewerb auf den Motorhauben der Autos unter lauter Musik und lautem Gejohle posierend zur Schau stellen.

In der Markthalle haben wir leckere Zutaten eingekauft und freuen uns auf ein reichhaltiges Abendbrot mit Blumenkohl, Kartoffeln, Fleisch und einem Bierchen.

Und dann haben wir die schöne Scheiße! Das Hostal ist zu und es ist auch niemand im Haus, der uns die Tür öffnen könnte. Wir warten lange. Nix passiert. Es wird dunkel. Ich laufe zu einem anderem Hostal und frage den wirklich netten Besitzer dort nach einem Ratschlag. Er versucht in unserem Hostel anzurufen, aber das Telefon vor Ort geht nicht. Ach ja, das angepriesene Internet funktioniert ja auch nicht. Da fällt bei mir der Groschen, die Rechnung scheint wohl nicht bezahlt worden zu sein. Darum wollte der Typ auch mit unserem Handy nach unserem Zimmerschlüssel herum telefonieren. Naja, dieses Hostel hier ist toll, aber der Mensch an der Rezeption kann mir leider auch nicht weiter helfen. Er bietet mir an, dass hier im Fall des Falles noch ein Zimmer für uns frei wäre und hier heute Abend eine kleine Party steigen würde, so dass wir die Bikes dann ja morgen früh abholen können. Mit diesem Notfallplan in der Tasche kehre ich zurück zu Hardy. Wir entschließen uns noch ein wenig zu warten, derweil ist es bereits 20 Uhr, und trinken das Bier auf dem Bürgersteig.

Ein freundlicher Nachbar erkundigt sich nach unserer Misere. Er kennt den Besitzer des Hostels und hat auch seine Telefonnummer! Dieser wird herbei telefoniert, kommt angefahren und schließt uns mit grummeliger Miene die Haustür auf. So als hätten wir ihm sein Abendprogramm verdorben, ohne ein Wort der Entschuldigung. Wir sind nur noch froh an unsere Sachen zu können und endlich anzufangen zu kochen, haben kein Interesse uns zu dieser späten Stunde noch mit dem Heini auseinander zu setzen. Schnell beginnen wir in der ranzeligen Küche zu kochen. Diese steht Unterwasser, das Bad leckt … Letztendlich schmeckt aber das Essen doch ganz gut, dass wir dann verschlingen.

Zacatecas wird uns in nicht so guter Erinnerung bleiben. Wir sind froh weiter zu fahren.

Auf dem Platz vor der Kathedrale treffen wir Daniel, auch ein Radler, der in Zacatecas lebt. Er will uns den Weg hinaus zeigen. Also düsen wir zu dritt in einer Karawane durch die Stadt. Vor allen Dingen benutzen wir Einbahnstraßen in der falschen Richtung. Herumstehende Polizisten sagen nichts dazu. Aber so kommen wir schnell ans Ziel und befinden uns an der großen Straße Richtung San Luis Potosí, unserem nächsten Ziel. Auch ein Sorriana, eine der großen Supermarktketten Mexikos, befindet sich hier und ich nutze die Gelegenheit, um unsere Nahrungsvorräte aufzustocken. Für den sich ankündigenden kleinen Hunger kaufe ich Brötchen und Nutella. Wie lang hatten wir schon keine Nutella mehr?

Frisch gestärkt brausen wir auch dank des Rückenwindes durch beeindruckende Landschaft. Wie schnell sie sich verändern kann! Die Felder vom gestrigem Tag sind fast verschwunden. Heute dominieren große Yukkabäume, dazwischen befinden sich vereinzelt Kakteen. Unendlich weit erscheint uns Mexiko.

San Luis Potosí

Im Park von San Luis Potosí warten wir zum verabredeten Zeitpunkt auf unsere warmshower-Gastgeber Pearlie und Rodolfo. Derweil essen wir unsere ersten Elotes. Das sind gekochte und manchmal auch über der Glut gegrillte, auf einem Holzstock aufgespieste Maiskolben. Diese werden erst mit Mayonnaise eingerieben und danach mit Salz, Chili und Käse bestreut. Geschmacksexplosion … aber sehr lecker! Da kann der Milchreispudding vom Straßenstand gegenüber nicht mithalten.

Pearlie und Rodolfo begrüßen uns erst winkend und dann sehr herzlich. Die beiden wohnen in einer kleinem zweistöckigen Wohnung, die früher mal ein Stall war. Unten in der Küche gibt es Gewölbe an der Decke. Hier können wir auf dem Boden unsere Isomatten ausbreiten.

Wir verbringen zwei wunderschöne Tage bei den beiden. Morgens frühstücken wir gemeinsam. Es gibt viel Kaffee, gekochte Eier und pan integral, Brot, das an einen Hauch von dunklem Mehl erinnert.

Wieder unternehmen wir einen Spaziergang durch die Stadt und sind diesmal wirklich von der Schönheit dieser Kolonialstadt beeindruckt. Viele Plätze und Kirchen reihen sich aneinander. Es viel los. Vor allen Dingen junge Leute sind unterwegs. Wir haben das Gefühl, dass 90 Prozent der Passanten Liebespaare unter 20 sind. Da passen wir doch gut rein, in die Reihen der Liebespaare mein ich, ins Durchschnittsalter vielleicht eher nicht. Aber dit macht nischt.

Wir schlendern kreuz und quer, kaufen Süßigkeiten. So lernt Hardy Piedras de Chocolate kennen. Seine neue Lieblingsspeise. Das sind kleine, bunt glasierte Vollmilchschokoladensteinchen. Ich ziehe die kandierten Nüsse vor.

Ein kleines Abenteuer passiert dann noch. Leider ein unerfreuliches. Wir lassen unsere Taschenmesser im Markt von einem alten Mann schleifen. Später ärgern wir uns, dass uns mal wieder die negativen Vorzeichen nicht aufgefallen sind. Am Ende sind die Messer zwar wesentlich schärfer als zuvor, doch sind die Spitzen rundgeschliffen und die Klingen sind nicht mehr glatt, sondern wellig. Material fehlt. Der alter Mann feilt schräg über dem Schleifstein gebückt im Stehen im Schummerlicht. Hardy glaubt er sieht auch nicht mehr richtig.

Viel Zeit verbringen wir mit Pearlie und Rodolfo in ihrer Küche. Pearlie ist Englischlehrerin, hat momentan aber nur 2 h pro Tag zu tun. Rodolfo ist Programmierer und sucht Arbeit. Via Skype hat er ein Vorstellungsgespräch und probt dafür. Wir reden über Bienen, die Fahrräder und natürlich Mexiko.

Wir kommen auf Sexualität und Liebe zu sprechen. Wenn gleichgesinnte Paare, dann gibt es in Mexiko eher männliche Pärchen. In einigen Orten, wie Guadalajara und Mexiko City konzentriert sich die Szene. Diese Entwicklung sei schon etwas positives im konservativen Land. Auf meine Frage was denn mit Liebe unter Frauen sei, antwortet mir Rodolfo, dass in der Macho-Kultur als erstes die Männer sich weiterentwickeln oder verändern, das freie Entfalten der Frauen würde erst später kommen. Am Isthmus von Mexiko, der dünnsten Stelle des Landes, seien homosexuelle Männer sogar besonders wohlwollend angesehen. Auch dass sie Frauenkleidung trügen, sei kein Problem. Diese Männer würden, im Gegensatz zu den “normalen”, fleißig arbeiten, nicht trinken und für ihre Mutter sorgen und bis zu ihrem Lebensende bei ihr leben. Jedoch ohne dabei ihre Lebensart frei auszuleben zu können.

Von Rodolfo lernen wir auch einen gängigen mexikanischen Witz, der die Kiosk-Spätkauf-Bistro-Kette OXXO betrifft. Auf diese treffen wir wirklich an jeder Ecke. “Für jeden Mann in Mexiko gibt es 1,4 Frauen und einen OXXO.” Wer lacht?

Die Zeit vergeht wir im Flug und das Abschiednehmen fällt uns mal wieder schwer. Dennoch raffen wir uns am späten Vormittag auf und gehen unseren Weg Richtung Guanajuato an.

An diesem Tag radeln wir auf der Autobahn. Das haben wir in Mexiko schon einige Male ausprobiert. Eigentlich ist es verboten per Fahrrad auf dem Seitensteifen der autopista zu rollen. Die couta kostet im Gegensatz zur libre, der freien Straße, Mautgebühr. Auf den Schildern der Bezahlstationen an den Auffahrten sind jedoch keine Festpreise für Fahrräder abgebildet, Verbotsschilder gibt es dort eben sowenig. Und letzteres ist unser Argument. Ab und an müssen wir mit den Angestellten vor Ort diskutieren. Wir behaupten, in Mexiko die Autobahn schon immer benutzt zu haben und dass dies nie ein Problem gewesen wäre, dass wir uns über den starken Verkehr und die schnelle Geschwindigkeit der Autos bewusst wären und auch Lichter und Warnwesten hätten. Zudem argumentieren wir mit der für uns ausschlaggebenden Tatsache. Auf der couta gibt es einfach einen tollen, breiten Setensteifen! Welcher auf den Landstraßen nicht vorhanden ist.

Trotz unserer schlagkräftigen Argumentation bitten uns die Angestellten manchmal unsere Räder an den Autobahnaufgängen vorbei zu schieben und erst später wieder in die Pedale zu treten. Sie wollen einfach einen Ärger mit ihren Vorgesetzten bekommen. Sie sagen uns, von ihnen aus können wir hier gern radeln, aber wenn uns jemand fragt, dürfen wir nicht sagen, wo wir auf die autopista gelangt sind. Gern tun wir ihnen diesen gefallen!

Ab und an treffen wir auf ein Fahrradfahren-Verboten-Schild, mitten auf der Autobahn. Um jenes kümmert sich aber niemand. Wir sehen viele Mexikaner, ihr Rad einfach über die Leitplanken auf den Seitenstreifen tragend. Auch Hirten treiben gerne mal ihre Schafherde über die Autobahn.

Zwei Platten meinerseits halten uns auf. Das ist der Nachteil beim Autobahnradeln. Der Metalldraht der geplatzten Autoreifen bohrt sich regelmäßig hinein in unsere Mäntel. Aus der Flickerei am Feldesrand gestalten wir gleich eine Mittagspause. Der Bauer fährt im Traktor vorbei, hält kurz an und erkundigt sich, was wir hier machen. Wir sollen keinen Müll liegen lassen. Ist doch klar!

Danach geht es über hügeliges Gelände weiter. Wir passieren viele Ziegen- und Schafherden, die Hirten winken. Plötzlich hält ein Kleinlaster an. Der Fahrer, begeistert, unterhält sich lange mit Hardy, bis ich die Steigung auch endlich gepackt habe. Er möchte uns mitnehmen und bietet uns an mitsamt den Rädern auf der Ladefläche platz zunehmen. Dankend lehnen wir ab.

Gegen Abend biegen wir mal wieder von der Straße rechts ab und beobachten auf der Schlafplatzsuche lange einen gigantischen Vogelschwarm. Das anziehende Gewitter ist zum Greifen nahe, die Luft erzittert bereits. Laut zieht der Vogelschwarm seine Runden, dreht sich immer wieder, platziert sich in Bodennähe und fliegt dann doch wieder in einen Baum. Die tausenden Flügelschläge können wir fühlen, so heftig lassen sie die Luft vibrieren!

Als wir dann noch eine Blattschneiderameisenstraße fotografieren fangen dicke Tropfen an vom Himmel zu fallen. Vor lauter Foto- und Beobachtungsgier hatten wir die Schlafplatzsuche ganz vergessen. Beeilen müssen wir uns nun. Wir schlängeln den engen Sandpfad entlang und finden links, rechts, links, hinter kleinen Büschen einen relativ versteckten Platz. Das geht schon, bei dem Wolkenbuch kommt bestimmt niemand mehr hier vorbei. In Regenjacke gehüllt wird in Rekordzeit das Zelt aufgestellt. Schnell alles reingeworfen, dann hinterher gesprungen. Vorsichtig kochen wir unterm Vorzelt. Es regnet die ganze Nacht und auch noch am folgen Morgen. Mit dem frühen Aufstehen wird es wohl nichts. Aber Ausschlafen unter dem dröhnenden Prasseln des Regens ist auch angenehm.

Dann, gleich nach dem Herauspellen aus dem Zelt, sehe ich die Misere, diesmal hat Hardy einen Platten. Geflickt wird noch an Ort und Stelle, im Matsch. Dann, endlich brechen wir auf … und kommen nur einen Kilometer weit. Wieder lässt Hardys Hinterreifen Luft weichen. Diese schlägt aus dem mittlerweile porösem nassen Reifen Blasen.

Dolores Hidalgo

Nach einigem auf und ab kommen wir in Dolores Hidalgo an. Dieses Städtchen kann durchaus als die Wiege der mexikanischen Unabhängigkeit bezeichnet werden. Denn hier fand der „Grito de Dolores“ statt, der „Schrei nach Unabhängigkeit“. In einer emotionsreichen Rede rief Pater Miguel Hidalgo am Morgen des 16. September 1810 das Volk zum Kampf gegen die spanische Kolonialmacht auf.

Vor dem Eingang der Kirche können wir noch ein Denkmal Hidalgos bestaunen, die rechte Faust zum Himmel streckend. Wir setzen uns auf den Hauptplatz und beobachten die Menschen. Es ist richtig viel los! Heute wird eine neuer Pfarrer willkommen geheißen. In der großen Kirche singen die Leute. Auch werden immens laute Kanonenschüsse abgefeuert, über die wir uns fast zu Tode erschrecken.

Wir kaufen uns Eis, das traditionell in kleinen Wägen in Eisenschüsseln, die in Eiswürfel gebettet sind, verkauft wird. Es gibt abgefahrene Sorten wie Chile, Mole und Schweinehaut. Mir schmeckt das Mole-Chili-Eis überhaupt nicht. Zum Glück findet Hardy in einem nahen OXXO einen Kaffee, der rundet diese Geschmacksverwirrung wieder ab.

Wir wollen erst morgen in Guanajuato einreiten, darum zelten wir kurz zuvor auf einer Anhöhe. Unsere zwei letzten Stunden des Tages plagte uns das Erklimmen dieser. Die Anhöhe wollte einfach kein Ende nehmen! Diesmal schaffen wir es uns kurz vor dem Gewitter im Zelt eingerichtet zu haben. Den ganzen Abend prasselt de Regen nur so nieder. Aber das ist gut so, denn dieser Feldweg (kurz vorm Regen noch gefunden) und der sich daran anschließende Platz scheint ein beliebter Treffpunkt der Jugend Guanajuatos zu sein. Zerbrochene Bierflaschen und Chipstüten lassen darauf schließen. Bei dem Regen fährt zum Glück nur ein Auto vorbei.

Wir sind beide positiv überrascht. Das Zelt hält dem Wolkenbruch stand, kein Wasser von oben und auch kein Wasser von unten dringt durch den dünnen Stoff.

Guanajuato

Auf einer rasanten Abfahrt verlassen wir endlich die schweißtreibenden Ausläufer der Sierra Madre. Ein wunderschöner Blick auf Guanajuato offenbart sich. Im Hintergrund erblicken wir den geografischen Mittelpunkt Mexikos. Auf einer Bergkuppe ist eine große Jesusstatue aufgestellt.

Eine einzigartige topographische Lage hat dieser Ort, der einst dem Abbau seiner Edelmetallvorkommen diente. In den Bergen eingeklemmt, anfangs im Bett des ausgetrockneten Flusses angelegt, erstreckt sich Guanajuato nun verwinkelt bis weit in Hänge der zerklüfteten Schlucht die Berghänge empor. Dem zieht sich ein verwirrenden Straßengeflecht nach. Unterirdische Tunnelstraßen, natürlich mit steilem Gefälle und zudem mit groben Kopfsteinpflaster gespickt, machen das Radeln schwer.

Jene Tunnel sind Überbleibsel früherer Stollen durch den Berg. Ende des 18. Jahrhunderts lieferte die Mine des Conde del Rul y Valencia ein Viertel des mexikanischen Silbers. Leider starben bei diesem Raubbau tausende von Indios und Mestizen. Jene Arbeiter mussten die Dämpfe des Quecksilbers einatmen, welches bei der Almagation der Erze verwendet wurde. Ebenso das Trinken des dreckigen, grauen Wassers aufgrund der Chemikalien, die zur Erzausschwemmung verwendet wurden, sowie das Schleppen der Lasten des Erzes auf ihren Rücken, hinterließen Spuren. Wer dreißig Jahre wurde, zählte zu den alten Leuten.

Auf der Plaza de la Paz suchen wir an einer Hauswand Schutz, den es regnet schon wieder. In Regenjacke eingepackt geht Hardy auf Hotelsuche. Nach dem üblichen Vergleichen der Preis-Leistung, landen wir im Hotel gleich hinter uns, laden die Räder ab und schleppen die Gepäckberge die Wendeltreppe empor, um wild alles im Hotelzimmer zum Trocknen auszubreiten. Überall tropft es, kein Platz ist noch frei, um etwas aufzuhängen oder uns zu bewegen.

Nach dem Mittagsessen steuern wir als erstes das Mumienmuseum an, el Museo de las Momias. Als Ende des 19. Jahrhunderts der einstige Friedhof umgebettet wurde, entdeckte man, dass die Leichen aufgrund der mineralhaltigen, trockenen Erde nicht verwest waren. Die gut konservierten Männer, Frauen und Kinder wurden dann für medizinische Zwecke verwendet sowie im Museum ausgestellt. Kittel, Schuhe, Haare und Haut sind recht gut erhalten. Von Wasserleichen, zu Gehenkten, Greisen, lebendig Begrabenen, Schwangeren und Kleinkindern reicht die Sammlung. Interessant, aber uns beiden dreht sich ein wenig der Magen um. Draußen, vor dem Museum werden dann noch Totenköpfe und Skelettfiguren aus Zuckerguss verkauft. Guten Appetit!

Es folgt ein längerer Spaziergang durch die schönen, steil verwinkelten Kopfsteinstraßen. Leider immer noch im Dauerregen. Eine dieser Gassen ist so eng, dass man von Balkon zu Balkon knutschen kann, passenderweise trägt sie den Namen “Kussgässchen”.

In einer riesigen Halle spielt sich der bunte Markt ab. Wir kaufen Fleisch fürs Abendbrot. Mit einem Bier, einem prall gefüllten Teller und einer Folge Star Trek klingt der Abend in unserem feuchten, leicht müffelndem Kabuff aus. Haben wir Euch von unserer gar nicht mal so neuen gemeinsamen Leidenschaft fürs Universums Gene Roddenberrys erzählt? Was gibt es schöneres, als Geschichten aus Welten, die noch nie zuvor ein Mensch gesehen hat, nach einem langen, anstrengendem Radeltag?

Salamanca

Die Berge nun endgültig verlassen, befinden uns im dicht besiedelten Farmland. Es ist Erdbeerzeit. Am Wegesrand sehen wir viele Stände, die fresas con crema anbieten. Das wollen wir ausprobieren und genießen die große Portion frischer Erdbeeren mit deftiger Sahne, einem Keks und Erdbeersoße oben drüber. Hier werden die Erdbeeren gleich eimerweise verkauft.

Unsere heutige Schlafplatzsuche ist ein großer Reinfall, als wir uns entschließen hinter ein paar Bäumen am Feld einen Platz zu finden. Schon versinkt Hardys Vorderrad, als wir über das matschige, gepflügte Feld schieben. Ziehen, zerren, schließlich kämpfen wir uns zu zweit vorwärts. Der nasse Matsch verklebt Bremsen und Schutzblech. Nur mit großer Mühe schaffen wir es bis auf den Feldweg an anderen Ende. Jetzt ist Putzen angesagt, mit dem Händen, mit unserem Maulschlüssel und mit Hilfe von Stöckern. Wir sind super dreckig, die Bikes auch und zu allem Überfluss gibt es hier kein verstecktes Plätzchen für unser Zelt!

Also, diesmal über den Feldweg, zurück zur Straße. Es ist spät geworden, wir radeln ins nahe Salamanca ein, zur Not muss wider ein Hotel her. An einer Straßenecke fragen wir einen Mann nach einer Schlafmöglichkeit. Er empfiehlt uns eine kirchliche Organisation, in der man kostenlos nächtigen dürfte. Die Casa de Migrantes, welche wir nach kurzer Suche in einem armen Randviertel der Stadt tatsächlich finden.

Diese Einrichtung wird monatlich von etwa 100 Migranten auf ihrem Weg ‚gen Norden in die USA genutzt. Die meisten kommen aus Honduras, Nicaragua, El Salvador und Guatemala, wird uns erzählt. Die Menschen bekommen hier kostenlos Essen, bei Bedarf Kleidung und ärztliche Hilfe. Zudem können sie sich waschen und ausruhen. Der Betrieb erfolgt ehrenamtlich. Alles wird kameraüberwacht. Beim Ankommen werden uns die Hausregeln erklärt und alle Dinge wie Zahnpasta, Zahnbürste, Seife und Klopapier und Handtücher angeboten. Wir lehnen dankend ab. Zudem werden zu unserem und dem Schutz der Betreiber sowie anderen Nutzer unsere persönlichen Daten wie Name, Geburtsdatum aufgenommen. Sogar zwei Fotos werden von uns gemacht. Als der Mitarbeiter auch noch unsere Fingerabdrücke aufnehmen will, müssen wir protestieren und weigern uns. Wir hinterfragen diese Prozedur und bekommen die gleiche Antwort wie zuvor, all dies geschehe zu unserem und ihrem Schutz. Damit, wenn etwas passiere, klar sei, dass wir hier vorbei gekommen waren. Ich möchte lieber nicht dran denken, was so alles mit den Migranten auf ihrem langen Weg passiert.

Auch unser Gepäck dürfen wir nicht in die nach Geschlecht getrennten Schlafsäle mit nehmen. Zur unserer Sicherheit. Er will nicht darüber reden, aber es gab in der Vergangenheit schon so einige nicht nur gute Erfahrungen, weshalb dies in der Hausordnung so geregelt wurde. Das Gepäck und die Räder finden nach einer Grundreinigung mit dem Gartenschlauch einen sicheren Platz in der Wäschekammer.

Neben uns sind an diesem Abend noch drei weitere Männer hier. Sie kommen aus Nicaragua und Mexiko, sagen sie. Mehr sagen sie nicht und verschwinden früh ins Bett. Wir bekommen noch ein Abendbrot vom jungen Mitarbeiter angeboten und nutzen diese Gelegenheit, um mit ihm ins Gespräch zu kommen.

Mit einem mulmigen Gefühl schlafe ich schlecht in meinem leeren Schlafsaal ein. Nach 21 Uhr wird niemand mehr rein gelassen und so bin ich sicher, des Nachts keine Bettnachbarin zu bekommen. Hardy schläft im oberen Stockwerk bei den Männern, hat aber auch einen Schlafsaal für sich allein.

Am frühen Morgen soll mich Hardy wecken, stellt aber entsetzt fest, dass er eingeschlossen worden ist. Der Flur zu den Schlafsälen ist mit einer dicken Eisentür verschlossen. Alles zu unserer Sicherheit. Hardy findet es unglaublich, ist sauer und kann dies mit seinem Freiheitsbedürfniss schlecht vereinbaren. Aber hier ist dies bestimmt normal. Lange pocht und ruft er. Einer der anderen Gäste hilft ihm. Dann erscheint, schlaftrunken, der Mitarbeiter und schließt auf. Er hätte es doch am Abend zuvor ankündigen können, nur bestimmt aus Gewohnheit nicht daran gedacht.

Morelia

Morelia sowie Salamanca liegen im Bundesstaat Michoacán. Jener ist berüchtigt für seine hohe Kriminalität. Die Herstellung und der Verkehr von Drogen werden von einer gut organisierten Familienbande betrieben. Wir erfahren, dass nach Einbruch der Dunkelheit auf den Straßen zu sein sowie das wilde Zelten zu meiden sei. Letzteres würde sich auch schwierig gestalten, da die Bevölkerungsdichte schlagartig zunimmt. Im Großraum um Mexiko City lebt der Hauptteil der Bevölkerung dieses Landes.

Die Warnungen ernst nehmend, nutzen wir in den folgenden drei Wochen wenige Hotels und vor allem Privatunterkünfte. So finden wir es klasse, dass wir das Wohnmobil von Eleonoras Familie für ein paar Tage nutzen dürfen. Sie lebt mit ihrer Familie in einem ruhigen Vorort Morelias. Eleonora ist etwas jünger als wir, arbeitet den ganzen Tag in ihren zwei Jobs, da sie sich im Umland ein großes Stück Land gekauft hat, darauf ein Haus bauen und Landwirtschaft betreiben will. Ihr alter, kleiner, gebückt gehender Vater scheint dort für sie zu arbeiten. Gemeinsam planen sie Bienen zu halten und besprechen mit Hardy die anfallenden Kosten sowie Arbeiten. Eleonoras Schwester Jessica spricht gut deutsch und ist eine Sportskanone. Oft besteigt sie Viertausender in der Umgebung. Sie ist sehr an Hardys Stirnlampe interessiert, wir unterhalten uns über Schlafsäcke und Zelte. Am morgen steppt und hüpft Jessica im Sportdress vor dem Fernseher, während ein lautes, amerikanisches Sportvideo mit dröhnender Musik läuft. Wir müssen lachen.

Moelia ist auch eine dieser alten Städte, gebaut im Kolonialstil. Große, steinernde Bauten reihen sich um die Plaza, auf der die mächtige Kirche ihren Mittelpunkt bildet.

Trotz ihrer vielen Arbeit findet Eleonora Zeit abends mit uns in eine Bar zu gehen. Jene könnte auch in Friedrichshain gelegen sein. Junge Leute in legerer Kleidung sitzen biertrinkend an den bunt zusammengewürfelten Tischen. Die Musik ist laut, später spielt noch eine Jazzband. Wir probieren fermentierte Getränke aus, Hardy wählt Sellerie und ist nicht so begeistert.

Dann entdeckt er ein Graffiti von Bin Laden an einer Wand, mit einem Heiligenschein darüber. Eleonora erklärt, dass er doch ein Held der Revolution sei, der gegen die USA wirkt. Wir können einfach nicht verstehen was Bin Laden mit Revolution zu tun hat und wie er in einem vermeidlich Linken-Laden als positives Wandgemälde dargestellt werden kann. Ebenso unverständlich bleibt für uns das Schubladendenken ihn und seine Anhänger/Taten als positiv anzusehen, ohne Hintergrundinformationen zu kennen oder sich zu informieren oder zu reflektieren.

Maravatio

Man weiß nie was der Tag bringen wird! Wir sitzen in einem alten Krankenhaus auf einem der metallenen, durchgelegenen Krankenbetten in einem Raum, der einst den Müttern mit ihren Neugeborenen vorbehalten war. Der nun erwachsene Sohn des einstig hoch angesehen Arztes des Ortes war uns extra in seinem Auto hinterher gefahren, da er uns gerne einladen wollte. Wir zögern nicht lange uns schlagen bei dem Angebot zu. Das große Haus sieht verlassen und etwas in die Jahre gekommen aus. Omer erzählt, dass das Hospital vor zehn Jahren geschlossen wurde und nun nur als Wohn- und Stauraum benutzt wird. Alte Gerätschaften, besonders der Kinderstation stehen noch wie seit damals unberührt herum. Dazu gibt es keinen Strom, die Familie scheint finanzielle Probleme zu haben. Irgendwie gruselig das gesamte Ambiente.

Nachdem wir unsere Sachen und Bikes verstaut haben will Omer mit uns auswärts essen gehen. Wir steigen also alle in seinen weißen, alten Käfer auf den er ganz stolz ist. Er streichelt ihn und erfreut sich am Geräusch de Motors. Omer meint, dass er ihn ganz schnell verkaufen könnte, da solch ein Auto sehr begehrt sei. Das Auto ist klein, ist an vielen Stellen kaputt, der Tacho funktioniert nicht, das Licht wird mit einer Strippe an und aus geschaltet und ich bezweifle, das die Scheibenwischer funktionieren. Das Abendessen nehmen wir dann nach schlängeliger Fahrt durch die Gassen Maravatios bei einem Straßenstand ein. Hier gibt es longos. Das sind längliche Tacos, mit diversen Füllungen. Es ist super lecker und billig. Er bezahlt, wir kommen nicht drumherum.

Tlalpujahua, Mariposa Monarca

Tlalpujahua, dessen Name auszusprechen mir arge Schwierigkeiten bereitet, ist eines der magischen Dörfer dieser Region, ein pueblo mágico. Diese zeichnen sich daraus aus, dass der Dorfkern toll restauriert ist und lokales Kunsthandwerk fabriziert wird. Für uns bedeutet pueblo mágico gleich Kopfsteinpflaster. Und so holpern wir von Stein zu Stein auf die Plaza.

Nicht nur den niedliche Ort wollen wir uns ansehen, auch das nahe Mariposa Monarca, ein Biosphärenreservat an der Grenze der Bundesstaaten Michoacán und México. Hier überwintern die Monarchfalter zwischen November und März. Diese Schmetterlinge legen jährlich eine Strecke von 4000 Kilometern auf ihrer Wanderung von Mexiko in den Norden der USA/Kanada zurück. Millionen dieser wunderschönen Tiere finden sich in der Bergregion auf etwa 3000 Metern Höhe ein.

Aber wir haben Pech, ausgerechnet heute ist ein kalter, wolkenverhangener Tag. So hängen die grauen Falter, ihre bunten Flügel zusammengeklappt an den Bäumen und Büschen. Auch finden wir viele erfrorene Tiere auf dem Boden liegend.

Vom Wanderweg steigen wir hinab am Berghang zu einer besonders schmetterlingsreichen Stelle. Und da, die Wolkendecke reißt auf, die Sonne lugt hervor. Schlagartig kommt Bewegung in die Sache! Hin und her schwirren die orange leuchtenden Schmetterlinge, lautlos. Wie ein Tanz im Ballett bewegen sie sich geschwind elegant durch die Lüfte. Und sie sind zahlreich. Es wimmelt nur so von ihnen. Manche streifen uns oder landen auf unseren Haaren oder Klamotten. Wir können uns gar nicht satt sehen, an diesem Wunder der Natur.

Toluca

In Toluca, einem Nachbarort Mexiko Citys, landen wir bei Alfonso. In seinem schönen Haus bekommen wir sogar ein eigenes Zimmer. An den Wänden hängen überall eingerahmt alte Zeitungsartikel. Als wir auch welche über die SA entdecken, sind wir zunächst irritiert und denken uns, oh man, wo sind wir denn hier gelandet. Alfonso klärt uns auf. Er ist Reporter und das Sammeln alter Zeitungsartikel ist eine seiner Leidenschaften, neben gutem Essen, seiner Flaschensammlung internationaler Biere und teurem Mezcal. Da er kein Deutsch kann, weiß er auch nicht, worum es in den Zeitungsartikeln an seinen Wänden geht, Hardy setzt ihn über den Kontext in Kenntnis.

Wir lernen Alfonso schätzen und hängen gern mit ihm rum, quatschend, Käse essend mit Mezcal trinkend, während Alfonso eifrig, ohne Unterbrechung in die Tasten seines Laptops schlägt. Zwischendurch werden schnelle Telefonate abgehalten. Er ist multiple choice fähig. Alfonso ist Journalist und das mit Leib und Seele. Für uns verkörpert er eine gekonnte Mischung aus Punkrock, den er dröhnend, den Oberkörper und die Arme dazu bewegend hört, während er schnell seine Artikel schreibt, und Karla Kolumna, der rasenden Reporterin aus den Geschichten rund um Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg. Gerade recherchiert er mit weiteren Kollegen an einer Story über einen Benzinskandal. Von der Polizei gedeckt wird illegal Benzin verkauft. Sport, Mord und Totschlag und Skandale, das ist sein Metier. Er vertraut uns an, dass Mexiko neben dem Irak das gefährlichste Land für Journalisten sei. Bei all seinen Recherchen muss er sehr vorsichtig agieren.

Unser Plan ist, die Räder in Alfonsos Hinterhof zu parken und per Bus nach Mexiko City zu reisen. Wir wollen uns den nervlichen Stress in diese Megastadt zu radeln ersparen. So bringt uns Alfonso eines Morgens mit dem Auto zur Busstation und wir sausen in die Metropole. Geil! Endlich mal wieder Großstadt!


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Neue Fotos online, Gruesse aus Belize

Hallo liebste Leserinnen und Leser,

nach dem Upload der letzten Texte, gibt es nun auch die dazu passenden Fotos in der Galerie.
An dieser Stelle möchte ich meiner Mutter vielen, vielen Dank für ihren Beitrag zu unserem Blog sagen! Es war interessant und lustig mal aus ganz anderer Perspektive über unsere gemeinsame Reise zu lesen.

Zur Zeit befinden wir uns in Belize in Hopkins, einem kleinen, nicht ganz untouristischen Fischerdorf, in einem Hostel. Das Zelt steht im sandigen Hof, Alena putzt gerade unsere ebenso sandigen Ketten und drum herum baumeln all unsere Sachen an den Wäscheleinen in der äußerst kräftigen Sonne. Die Regenzeit scheint uns eingeholt zu haben. Seit drei Tagen haben wir nun regelmäßig Regen, mal leicht und ausdauernd oder auch heftig stark und auch ausdauernd. Wir sind noch dabei uns daran zu gewoehnen und unsere Packtechniken auf die neuen Umstaende umzustellen. Insbesondere ich habe mit meinen Stofftaschen so einiges zu improvisieren.
Schoen ist es, dass es nun tatsächlich abkuehlt. Nach der heissen Zeit in Chiapas und Guatemala geniessen wir die kuehlere Luft, die mit den Regenguessen einher geht, aber leider oft schnell von dampfsauna-artigen Nebelschwaden ueber der noch aufgeheizten Strasse in heisse feuchte Luft verwandelt wird.

Belize besticht fuer uns (nach nun schon fuenf Tagen) durch dschungelige Landschaft, Kokos-Palmen und wilde Papayapflanzen, ein bunter Mix aus kreolischer, guatemaltekischer und vor allen Dinge auch nordamerikanscher Kultur. Auf den ersten Blick schien uns Belize Guatemala sehr aehnlich zu sein, nur laeuft hier vieles in der englischen Sprache. Das war schon komisch, auch weil wir ploetzliche alte, vergessene Freunde wiedertrafen. Schilder wie “No Trespassing”, “Keep Out” und “No Loitering” machten Lust auf die Leute zu zugehen…
Die Landschaft ist gruen, es blueht und die vielen kleinen Holzhaeuser stehen auf Stelzen. Wir werden gegruesst, es wird gewunken und wir kommen ins Gespraech mit den Leuten.

Gleich am zweiten Tag nach unser Einreise in Belize machten wir einen Abstecher zu einer mennonitischen Kolonie, genannt Spanish Lookout. Vor ca. 150 Jahren wanderte diese evangelische Glaubensgemeinschaft mit mitteleuropaeischen (deutschen) Wurzeln in verschiedene Kontinente aus. Den Verfolgungen durch die katholische und evangelische Kirche sowie durch Staaten, da ihre Mitglieder dem Kriegsdienst verweigerten, wichen sie aufgrund ihrer pazifistischen Grundeinstellung regelmaessig aus. Das aeltere Ehepaar, bei dem wir letztendlich uebernachten durften, emigrierte in den letzten 60 Jahren von Kanada ueber Mexiko nach Belize.
Wir verbrachten mit Ihnen einen hoechstinteressanten Nachmittag und redeten fast ausschliesslich Deutsch. Bertha und Frank verstaendigen sich auf Plautdietsch, einem alten deutschen Dialekt, den wir beide nicht verstanden. Beide konnten aber runterfahren und als wir und sie langsam und deutlich Hochdeutsch redeten, klappte die Verstaendigung ganz gut. Verschiedene Woerter wie Dryer (Trockner) und icecream (Eis) mussten aus dem Englischen herangezogen werden. Wir stoeberten auch ein wenig in ihren Wissenschubladen der Geschichte und klaerten ueber das mittlerweile geeinigte Deutschland auf.
Frank und Bertha erzaehlten uns ueber die mennonitische Kultur (konservativ, katholisch), Kleidungstil (fuer uns etwas lustig, ja fast altertuemlich) und Lebensstil (wir befanden uns in einer modernen Gemeinde, in der im Gegensatz zu benachbarten Gemeinden moderne Errungenschaften der Technik genutzt werden duerfen) und viele andere Aspekte ihres Lebens. Frank ist ein begeisterter Bastler und als ich sein selbstgebasteltes Hochrad sah, konnte ich nicht wiederstehen. Leider hatte es schon einige Jaehrchen auf dem Buckel und liess sich schwierig lenken. Mit kleinen Schrammen kam ich davon.
Bertha meinte zu unseren Vorhaben per Rad Amerika zu bereisen nur schlicht und regelmaessig: “Ich kann das nicht verstehen, ich kann das nicht verstehen.”

Als ich am Nachmittag ihren Computer reparierte waren beide happy und begegneten uns mit groesster Herzlichkeit. So konnten wir eines Ihrer fuenf Kinder kennenlernen, welches unweit entfernt eine der riesen Farmen betreibt.
In den letzten Jahrzehnten fand hier in der Umgebung von Spanish Lookout eine immense Veraenderung des Landschaftsbildes statt. Wo frueher dichter Dschungel jedes Durchkommen und jede Sicht versperrte, lassen sich heute sanftgeschwungene Huegel unter weiten Flaechen Weidelands erkennen. Die Landschaft soll an das mittlere Kanada erinnern…
Mit Pizza, Brot und Kaese klang der Abend aus und dann durften wir im Haus schlafen.
Am Morgen, kurz nach der Abfahrt, trafen wir mehrere Pferdefuhrwerke, deren Insassen verdutzt gruessten als wir mit “Guten Tag” vorbei rauschten.
Auch am naechsten Abend naechtigten wir bei einer mennonitschen Baeckersfamilie mit dem Zelt im Garten und brieten Fisch, den wir von Frank und Bertha geschenkt bekommen hatten, waehrend der Regenguss den Dreck der letzten Tage von unseren Fahrraedern wusch.

Morgen werden wir die naechsten 150 Km nach Punta Gorda im Sueden Belizes in Angriff nehmen und werden vielleicht auch gleich wieder eine paar Tage Radel-Pause einlegen, um beim Bau eines Earth Ships http://en.wikipedia.org/wiki/Earthship in der Naehe der Ruinen Lubaantun zu helfen. Wir fahren da mal hin.
Dann soll es aber wieder zurueck nach Guatemala gehen, auf nach Sued-West, in die Berge und in die vermutlich Naesse.

Wir wueschen wie immer viel Spass mit den Fotos und alles Liebe,
Hardy

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Yucatán-Runde (Mexiko / Januar / Februar 2012)

Gastbeitrag: Mit Weltenbummlern Urlaub machen!

Raus aus dem Alltagsstress, auf nach Mexiko. Dort werden wir, die Eltern von Hardy, ihn und Alena nach sieben Monaten ihrer Reise besuchen und wieder in die Arme schließen können. Skypen war zwar ganz nett, steigerte aber auch die Sehnsucht. Früher gab es kein Internet, manchmal auch kein Telefon, nur mal ’ne Postkarte. Das war dann auch für die zu Hause Gebliebenen ein bisschen Abenteuer.

Die Wunschlisten für Hardy und Alena, aber auch für Lisa, Kerry und Pacha, die wir anschließend in Paraguay besuchen wollen, sind akribisch abgearbeitet und als Riesenberge in unsere 4 Rucksäcke verstaut. Jörgs Rucksack allein wog 27 kg, aber wir hatten kein Problem bei der Aufgabe am Flugplatz. Ob das Mitleid war?

Wir landen in Cancún auf Yucatán. Das ist das gemeinsame, mal ganz andere Ziel. Nur Urlaub, ganz entspannt und ohne viel Abenteuer. Die Wiedersehensfreude ist groß, es gibt viel zu erzählen.

Zur Begrüßung gibt’s (für uns wegen der Zeitverschiebung nachts um 3 Uhr) Kakteensalat und Fisch. Die Mitbringsel, Berge von Katjes (schon beim Anblick bekomme ich Bauchschmerzen), Schokolade, Brot, Briefe und Fotos von Familie und Freunden bis hin zu diversem Fahrradkram sind auf dem Bett ausgebreitet und verursachen feuchte Augen bei Hardy und Alena. 

Dass so viele so lieb an sie gedacht haben …! Danke an alle!

Wir haben von Deutschland aus ein Auto gemietet und bekommen den fast aller kleinsten Chevrolet der Welt. Alles muss mit: die Geschenke, Ersatzteile sowie eine Unmenge Kram, von dem sich Hardy und Alena scheinbar nicht einmal für zwei Wochen trennen können. Erstaunlicher Weise geht alles mit viel Drücken rein. Für uns bleibt leider nur wenig Platz. Gut, dass Hardy und Alena sich so schlank trainiert haben. Als sie wieder zunehmen, verringern sich auch die Essensberge.

Auf geht’s zu unserer Rundreise auf den Spuren der Mayas. Ein bisschen Angst habe ich schon davor, eine Pyramide nach der anderen abzuklappern und bin sicher, dass ich nach dreien genug Maya-Kultur erlebt habe. Aber weit gefehlt. Auch wenn es auf Yucatán keine Berge gibt, die Landschaft ist abwechslungsreich und damit jede Maya-Stätte einmalig und anders schön.

An der Karibik-Küste in Tulúm gestaltet sich die Quartiersuche etwas schwierig, die Zimmer sind voll oder zu teuer. Hardy und Alena setzen Maßstäbe, warmshower.org gibt es hier aber nicht.

Also landen wir in unserer ersten Nacht gleich direkt am Strand auf einem Zeltplatz. Nur war die Abstimmung für die Tourenplanung leider missverständlich gewesen. Jörg hatte angekündigt: gekocht wird nicht selbst! Hardy und Alena haben deshalb gleich auch das Zelt weggelassen. Wir schlafen zu dritt in unserem Zelt, Alena als Kleinste im kleinen Auto.

Die Pyramiden von Tulúm befinden sich, anders als alle anderen Maya-Fundstätten, direkt am Meer auf der Steilküste.

In Coba, unserer nächsten Station, müssen wir die Pyramiden im Dschungel suchen. Auf die 42 Meter hohe Nohoch Mul-Pyramide können wir raufsteigen. Das lassen wir uns als Kletterer natürlich nicht nehmen. Diese Maya-Pyramide ist das höchste Bauwerk im nördlichen Yucatan. Von oben hat man soweit das Auge reicht einen herrlichen Blick über den Dschungel. 

Auf dem Weg nach Chichén Itzá nehmen wir ein Bad in dem Cenote dos Ojos. Ein Cenote ist ein Kalksteinloch, das durch den Einsturz einer Höhle entstanden und mit Süßwasser gefüllt ist. Die Maya benutzten die Cenotes als Brunnen und betrachteten sie als Eingänge zur Unterwelt. Außerdem waren sie religiöse Opferstätten.

Chichén Itzá ist eine der bedeutendsten Ruinenstätten und mit einer offiziellen Fläche von 1547 Hektar einer der ausgedehntesten Fundorte in Yucatán.

In Chichen Itzá sind wir nicht allein. Massen von Touris bevölkern vor allem die Souvenirstände. Auch wir lassen uns anstecken und erhandeln unsere ersten Mitbringsel, natürlich Maya-Kalender.

Der Maya-Kalender ist die bekannteste aller Prophezeiungen. Er beschreibt exakt auf den Tag genau unser gegenwärtiges viertes Zeitalter, das vom 11. August 3114 vor Christus bis zum 21. Dezember 2012 geht. Wir sind also noch rechtzeitig gekommen.


Natürlich lassen wir Mérida, die Hauptstadt des Bundesstaates Yucatán in Mexiko, nicht aus. Touristisch gilt Mérida als Tor zur Welt der Maya. Die Orientierung fällt durch das für lateinamerikanische Städte typische gitterartige Straßensystem leicht. Straßen mit geraden Zahlen laufen von Nord nach Süd, die ungeraden von Ost nach West.

Das pulsierende Leben finden wir in Mérida. Auf einer kleinen Bühne im Zentrum wird abends Live-Musik gespielt. Jörg und ich lassen uns vom Tanz anstecken. Campeche zeigt sich heute als übersanierte leblose Stadt. Alles ist schön restauriert und super sauber, aber menschenleer. Ein Hafen gibt es leider nicht mehr. Auch ein Restaurant ist abends schwer zu finden. Wir sind enttäuscht.


In Uxmal, einer Ruinenstadt in einer leicht welligen Karstlandschaft, erleben wir die kannibalischen Nachfahren der Maya, die heute noch die Pyramiden bewohnen. Leguane liegen nicht nur stundenlang in der Sonne. Sie fressen sich auch gegenseitig auf. Wovon sonst sollten sie hier auch leben, von Touristen etwa!?


Wir haben wider allen Erwartungen immer noch nicht genug gesehen und düsen mit unserem Autochen nach Palenque, einer bedeutenden Stadt, der Maya im heutigen Bundesstaat Chiapas.

In Chiapas werden die Dörfer der heutigen Maya von den Zapatisten kontrolliert, die in den letzten Jahren eine weitgehende Autonomie gewonnen haben und sich selbst verwalten.

Die Zapatisten kämpfen seit 1994 für die Rechte und die Entwicklung der indigenen Bevölkerung, gegen die Folgen der Globalisierung.

Hardy und Alena streiten sich regelmäßig um den Laptop. Selbst eingequetscht auf der Rückbank wird am blog geschrieben. Es liest sich immer so leicht und schön, aber es steckt unheimlich viel Arbeit darin.

Das viele Autofahren nervt schon etwas, wollen wir doch zusammen etwas erleben oder einfach nur relaxen und quatschen. Aber Yucatán ist wie ganz Mexiko eben viel größer als erwartet. So geben wir unser Bergziel, die Besteigung des Tacaná-Vulkan an der Grenze zu Guatemala auf, da dies weitere vier Fahrtage bedeutet hätte.

Der deutsche Stress fällt langsam ab von uns, wir werden ruhiger und entspannen uns in einer cabaña (Hütte) direkt an der Karibikküste in Mahahual. Wir machen einfach Urlaub und genießen es, den Geschichten der Weltenbummler zu lauschen.

Der Strand in Mahahual ist immer von 09.00 bis 15.00 Uhr bevölkert, danach sind nur noch wir da.

Schnell haben wir heraus gefunden, dass täglich riesige Luxusdampfer tausende amerikanische Touris ausschütten. Als wir versuchen uns illegal solch einem Schiff zu nähern, werden wir sofort von Wachleuten abgeführt und aus dem extra angelegten und abgesperrten Terrain heraus geleitet. Lust hat dies nicht auf eine Fahrt mit solch einem Dampfer gemacht.

Letztes Highlight soll ein Schnorcheltrip vor der Isla Mujeres werden. Diese Insel ist unerwartet gut besucht von nordamerikanischen jungen Leuten.

Waren wir sonst in der erwartet leeren Zwischensaison unterwegs, erleben wir hier das Kontrastprogramm: Party und voll. Die Hostels sind belegt und schrecken selbst Hardy und Alena mit ihrer dröhnenden Musik ab. Wir finden nach langem Suchen und der Sorge, die letzte Fähre zurück nach Cancún bereits verpasst zu haben, doch noch ein kleines Hotel.

Wer meint, an der Karibik scheint immer die Sonne, der irrt gewaltig, Nach einem mehrstündigen Regen steht die Insel unter und wir bis fast zu den Knien im Wasser. Das hält uns aber nicht von unserem Plan, am nächsten Tag zu Schnorcheln, ab. Wir sind ja auch noch Wassersportler.

Unter schwarzen Wolken, die auch wieder kühles Nass bringen, fahren wir mit einem kleinen Boot zu den Riffen vor der Insel. Ich werde nach fünf minütiger Fahrt tatsächlich seekrank (wirklich so richtig!), so dass ich nur den ersten von drei Schnorchelgängen mitmachen kann und dann an Bord weiter leide. Deshalb gibt es auch keine Fotos von dieser Tour.

Schnorcheln ohne Sonne im Regen, das macht uns wohl keiner freiwillig nach.

Abends gibt es zum Abschied noch mal leckeren Fisch, denn am nächsten Tag bringen wir Hardy und Alena zum Flugplatz, von wo aus sie zurück zu ihren Fahrrädern starten.

Ist schon ein komisches Gefühl, ein zweites Mal Tschüss zu sagen, diesmal ohne ein geplantes Wiedersehen. Aber wir hatten eine wunderschöne gemeinsame Zeit, an die wir lange denken werden.

Und wir haben einen kleinen Teil der großen Reise von Hardy und Alena miterlebt.

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Von los Mochis bis nach Cancún (Mexiko / Januar 2012)

Nahe La Paz setzen wir in Pichilingue mit der Fahre von der Baja California zum mexikanischen Festland nach Los Mochis über. Los Mochis ist bekannt für seine abenteuerliche Eisenbahnfahrt hinauf zum Kupfercanyon. Der Chepe, der Tren de Chihuahua al Pacífico, führt vom Pazifik hinauf durch die Barranca del Cobre bis nach Chihuahua. Es ist die letzte Eisenbahnstrecke in Mexiko, die noch Personen transportiert. Nicht nur die Fahrt in dem altertümlichen Gefährt soll ein Erlebnis sein, auch der Blick sowie die Wanderungen im Gebiet des Kupfercanyons.
Lange haben Hardy und ich Karten und Routen gewälzt und uns schließlich gegen diesen Abstecher entschieden. Nordöstlich gelegen, ist der Kupfercanyon einfach nicht im Plan, wir wollen straight nach Südosten, nach Durango. Zudem sind wir ein wenig in Eile, denn ein Besuch von Hardys Eltern steht an. Mit Petra und Jörg wollen wir uns in Cancún treffen, Urlaub machen vom Radeln! Denn mit ihnen wollen wir per Mietwagen die Halbinsel Yucatan erkunden. Die Räder werden wir in Durango parken. Das haben wir bereits organisiert. Und das Ganze schon in zwei Wochen!

Unsere Fahrräder können wir auf der Fähre in einem extra Raum verstauen. Jener wird leider nicht abgeschlossen, so dass wir alle Wertsachen mitnehmen und auf das Beste hoffen. Mit viel Essen setzen wir uns in die gemütlichen Sessel in die Lounge. Überall laufen laute Filme, wir entscheiden und für den Raum mit dem niedrigsten Geräuschpegel. Natürlich findet sich gleich eine große mexikanische Familie hinter uns auf den noch leeren Sitzreihen ein…

Gegen 10 Uhr abends verlassen wir die Fähre und fragen herumstehende Taxifahrer nach einem billigen Hotel. Das gibt es hier nicht, wir müssen erst 10 km fahren. Es ist stockdunkel, so fällt wildes Zelten flach. Wir kennen uns noch nicht aus. Das mexikanische Festland, hier soll ein ganz anderer Wind als auf der ruhigen, beschaulichen Baja California wehen. Jetzt wird’s gefährlich, wurden wir gewarnt…
Nun gut, wir schalten die Lampen an und streifen uns die reflektierenden Warnwesten über. Auf dem Seitenstreifen rollt es recht gut und bald sind wir beim Motel. Wie sich herausstellt, ist es ein Stundenmotel. 8 h kosten 150 Pesos, jede weitere 50. Jedes Zimmer hat eine angeschlossene Garage und keine Fenster. Es ist spartanisch eingerichtet, doch es gibt einen Spiegel über dem Bett und sogar eine Tanzstange. Eine kleine Luke gestattet einer herbei telefonierte Bedienung Dinge wie vielleicht eine Weinflasche ohne Sichtkontakt in das Zimmer zu stellen. Wir probieren jeder eine Runde an der Stange und fallen schnell in den Schlaf. Auch eine Erfahrung.

Auch aus Gründen des nahenden Besuches von Hardys Eltern, nehmen wir den Bus von Los Mochis bis nach Mazatlán und kürzen so ein wenig ab. Zudem haben wir gelesen, dass diese Etappe eher langweilig sein soll und auf Küstenradeln stehen wir eh nicht so. Die Räder werden mit dem anderen Gepäck in den großen Klappen verstaut. Bis auf zwei Kratzer im Lack passiert dabei zum Glück nichts weiter. Im Bus will uns der Fahrer beim Bezahlen kein Wechselgeld geben. „Es sind doch nur 10 Pesos und außerdem gebt ihr doch ständig viele Dollars für Hotels aus!“, meint er grinsend. Na klar! Hardy erwidert: „Was weißt du schon“ und kramt selbst nach dem passenden Kleingeld. Er findet die genaue Summe und muss den Fahrer nötigen ihn seinen Schein zuerst zurück zu geben.

Mazatlán
Nach 4 Stunden Fahrt in Mazatlán angekommen, setzen wir uns hungrig in ein kleines Straßencafé nahe des Busbahnhofs, trinken Cola und essen Tacos. Plötzlich fährt ein grünes Militärauto vor und sechs Soldaten mit dicken Wummen springen heraus. Sie laufen auf ein parkendes Auto gleich neben uns zu, nur fünf Meter entfernt, zerren den Fahrer heraus, knallen ihn auf die Motorhaube und sichern das Gelände. Zugriff! Wir kommen uns vor wie in einem Actionfilm. Nur ist es bittere Realität. In der möglichen Schusslinie wollen wir nicht sitzen. Auch die Restaurantbesitzerin bringt ihre Kinder in Sicherheit. Schnell bezahlen wir und suchen das Weite. Die Soldaten, inzwischen sind es bestimmt schon 15, stürmen derweil einen Supermarkt.

Wir verlassen die Stadt Richtung Süden und halten nur kurz bei einem Shop. Wir werden von zwei jungen Menschen eingeladen mit zum Zelten auf eine nahe Insel zu kommen. Das wäre toll, doch wir müssen leider absagen, da wir einen strickten Zeitplan bis nach Durango haben. Schade, wegen gerade solchen möglichen Erlebnissen machen wir die Reise. Nächstes Mal!
In Villa Union können wir endlich von der stark befahrenen Straße in die Berge abbiegen. Wir passieren wieder eine Militärstation. Die gibt es hier viel. Mitten auf der Straße sind Sandsäcke und dicke Taue ausgelegt, um den Verkehr zum Stillstand zu bringen. Jede Menge Soldaten mit umgehängtem Maschinengewehr stehen herum. Hinter den Militärkontrollen gibt es meistens noch ein kleines Häuschen, in dem ein Soldat schussbereit sitzt. Auch kann er das über die Straße bereit gelegte Seil straff ziehen, um so evtl. durchbretternde Autos doch noch aufzuhalten.
Auch wir müssen an diesen Kontrollen anhalten. Es sind immer die selben Fragen, wo kommen wir her, wo fahren wir hin und was ist unsere Nationalität. Unser Gepäck wird im Gegensatz zu dem der Autos nie kontrolliert, unsere Pässe wollen sie auch nicht sehen. Zur Sicherheit, um nicht als die super reichen Touristen dazustehen, geben wir nicht unsere ganze Reiseroute an. Wie es gerade passt, legen wir uns auf kürzere Abschnitte fest, jetzt z.B. auf Mazatlán nach Durango. Man weiß ja nie, was man da gerade für einen Soldaten vor sich hat.

Wir erleben selbst erste negative Eindrücke in Mexiko. Gringo-Rufe ertönen. Einmal schneidet uns ein PKW scharf und hält direkt vor uns an, so dass wir ausweichen müssen. Ein anderes Mal fliegt eine Paprikaschote aus einem Schulbus gegen Hardys Rücken. Ne‘ Paprika!

Durch die Berge Richtung Durango
Von nun an schinden wir uns die Berge hoch. Es ist zwar anstrengend, doch es macht unheimlich Spaß. Wir sind wieder unterwegs und die Landschaft verändert sich! Höhepunkt sind nach 55 km die ersten Kiefern am Straßenrand. Die sahen wir seid dem Grand Canyon vor über einem Monat nicht mehr!

Es ist ganz schön heiß, über 30 Grad. Mehrmals legen wir an kleinen Kiosken einen Colastop ein. Dennoch schaffen wir an diesem Tag etwa 1000 Höhenmeter. Die Straße windet sich eng die Serpentinen hinauf, der Verkehr hält sich in Grenzen. Ab und zu müssen wir für die dicken LKWs ausweichen.
Nach einigem Suchen, finden doch einen versteckten Schlafplatz. Des Nachts kommt uns eine Stute mit ihrem neugierigen Fohlen besuchen. Jenes möchte gern in unser Zelt hinein beißen, wird jedoch kurz zuvor von Hardys lauten Rufen davon abgehalten und verscheucht. Ich sehe eine dicke fette haarige Vogelspinne im Gras krabbeln. Unsere erste lebendige.

Weiter geht’s im Schneckentempo mit 7 km/h. Es ist steil und anstrengend. Wir überqueren den nördlichen Wendekreis, diesmal nach Norden, und sind jetzt auf einer Höhe von 1700 m. Dicht ist die Straße an die steilen, imposanten Felswände gebaut, auf der anderen Seite fallen diese tief ab. Grüne Berge so weit das Auge reicht. Kakteen neben Kiefern machen eine besondere Mischung aus.
In einer dieser engen Kurven liegt ein LKW auf der Seite und blockiert fast die gesamte Fahrbahn. Es muss erst vor kurzem passiert sein, Benzin tropft aus dem Gefährt. Männer sitzen und stehen drumherum. Der nahende Verkehr rollt langsam am Hindernis vorbei.

Nachdem wir nach stundenlanger Arbeit die Sendemasten erreichen, die immer den höchsten Punkt markieren, befinden wir uns auf einer Höhe von 1990 m. Wellige Hügel reihen sich auf einer waldbestadenen Hochebene aneinander, es ist nicht mehr ganz so knackig.
Die Straße führt entlang an steilen Felshängen über schmale Grade, mit denen die Berge verbunden sind. Bei der Espinosa del Diabolo, dem Grad des Teufels, trinken wir einen heißen Café in einer aus Holzstäben und Planen zusammen gezimmerten Bude. Dazu gibt es frittierte Teigfladen mit Zucker.
Gegen Mittag ein kurzer Halt an einer Militärkontrolle. Wir immer die gleichen Fragen und Unglauben. Dieses Mal werden wir mit einem komischen Gerät, dass an eine Konsole eines ferngesteuerten Autos erinnert, gescannt, ob wir auch keine Waffen mithaben. Haben wir nicht. Unser alaskanisches Bärenabwehrspray scheint nicht dazu zu gehören.

In La Cuidad, das dem Reiseführer zu Folge einem kanadischen Holzfällerlager ähneln soll, naja tut e ein bisschen, gehen wir ins Internet und einkaufen. Mittag essen wir nach einer kurzen Weiterfahrt auf Weideland. Tatsächlich erinnert uns die Landschaft an Kanada. Bäume, dazwischen freie Flächen mit Büschen und Berge. Trocken ist es. Wir finden es richtig schön.

Auf den folgenden 22 km erklimmen wir die letzten richtigen Anstiege. Schon stehen wir auf 2800 Metern Höhe, neben der obligatorischen Sendeanlage. Fast vier Tage klettern sind geschafft. Schnell sausen wir bergab und fragen bei einem Bauernhaus nach Wasser. Leider kann Hardy die Frau nicht dazu bewegen uns einzuladen.

Die Schlafplatzsuche gestaltet sich etwas kniffelig. Die Autobahn beginnt. Doch finden wir ein Tor und schieben die Räder aufs Weideland. Diesmal können wir sogar ein kleines Feuerchen machen. In der Nacht wird es kalt. Wir schlafen im geschlossenen Schlafsack und frieren dennoch ein Wenig. Am Morgen haben wir Minusgrade. Der Boden ist mit Raureif überzogen.

Wir haben die mexikanische Hochebene erreicht. Weit kann der Blick über Kiefernwälder und gelbes, trockenes Farmland schweifen. Dazwischen liegen Felsen, Canyons und Zäune. Ja, die kilometerlangen Zaunreihen haben uns wieder eingeholt. Das Vieh soll so auf dem Weiden gehalten werden.

In El Salto gehe ich einkaufen und werde von zwei Frauen wegen meines roten Fleckes am Arsch angequatscht. So bequem mein Sattel auch ist, leider hat er einen großen unübersehbaren Nachteil: Das schöne Mahagoni-braun färbt auch nach all den vielen Kilometern Tag für Tag auf meine beige Hose ab. Es sieht wirklich doof aus. Die beiden Frauen, peinlich berührt, wissen auch gar nicht wie sie es mir sagen sollen. Was die wohl denken. In Durango muss ein Tuch her.

Durango
Nur noch 40 km trennen uns von der Stadt, in der wir unsere Fahrräder unterbringen wollen. Wir kommen mittags an und werden bei der Einfahrt gleich von einem Polizisten angehalten. Ihm ist wohl langweilig und nach einem kurzem Interview beschließt er uns unbedingt den Weg zum Zentrum zeigen zu müssen. Nein sagen können wir schlecht. Mit Blaulicht fährt er langsam voraus. Hardy meint zu mir, dass wir darauf achten müssen am Ende in einer Menschenmenge zu stoppen. Er denkt dabei an Korruption und hat keine Lust für diese Führung noch etwas zu bezahlen. Jegliche Sorge ist umsonst. Hardy hat übertrieben, der Polizist wollte uns einfach nur den Weg zeigen.

Auf einer Bank sitzend, mitten im kolonialem Zentrum auf der Plaza vor der großen Kathedrale Durangos schauen wir uns um. Erstmal Frühstücken ist angesagt. Um uns herum sitzen Männer in ihren kleinen Ständen und bieten ihre Kunst als Schuhputzer an. Wiederum zumeist Männer sind ihre Kunden. Mit viel Ausdauer und Hingabe werden ihre Cowboylederstiefel gewienert. Mit ihren Bauchläden transportieren die Mexikaner unterschiedlichste Waren. Diese werden lautstark rufend angeboten: Kaugummi, Zigaretten und kleingeschnittenes Obst in vorbereiteten Plastiktüten, welches noch mit Limettensaft und Chilesosse verfeinert wird. Eine Geschmacksexplosion, aber die Leute hier stehen darauf. 

Neu für uns sind die Ballonverkäufer und davon gibt’s es zuhauf. Mit einer riesen Traube aufgeblasener Ballons in allen Formen stehen sie auf dem Platz. Von Spiderman, über Spongebob, bis hin zum Pferdchen und zur Prinzessin ist alles zu haben. Auch kleine Ballons, mit einer Schnur daran, die immer wieder gegen die Hand geschlagen werden oder kleine aufgeblasene Schildkröten, die auf Plastikräder hinter sich her gezogen werden, sind dabei. Und tatsächlich, wir beobachten wie Eltern ihren Kindern diese kurzweiligen Spielzeuge zu kaufen.

Diesmal heißen unsere Gastgeber Frida und Jorge-Luis, wir haben sie wieder über die Warmshower-website kennengelernt. Und können deswegen auch guten Gewissens unsere Räder für einige Wochen hier lassen.
Frida ist Anwältin und kommt mit ihrem kleinem Auto angebraust. Der Empfang ist herzlich, es gibt gleich Bier und Sandwichs. Eigentlich möchte Hardy sein Spanisch weiter trainieren, doch das geht mit Frida nicht. Sie spricht englisch und will das auch sprechen. Klar, machen wir da mit.

Wir beziehen ein eigenes Zimmer in dem großen, schicken Haus. Frida und Jorge-Luis sind seit fünf Jahren verheiratet und haben dieses Haus ganz frisch bauen lassen, da ihnen die Innenstadt Durangos zu laut wurde. Erst mal lernen wir nur Frida kennen, Jorge-Luis, der Tierarzt, ist noch arbeiten. Frida arbeitet im Gericht, in der 2. Instanz. Aufgrund der vielen Arbeit und der wenigen Urlaubstage kann sie nicht viel reisen. Beide sind von morgens bis abends arbeiten.
Mit Frida fahren wir zum Haus ihrer Mutter, die tagsüber die zwei kleinen, fetten, hässlichen Möpse Yoda und Charlie hütet. Es ist ein altes Gebäude im Kolonialstil, mit Säulen im Innenhof und 20 Zimmern. Hier soll es Gespenster geben.

Später am Abend kommt auch Jorge-Luis nach Hause und fletzt sich zu uns aufs Sofa. Wir lernen sofort wie hier Hunde von ihm geschätzt werden. Jorge-Luis bevorzugt ganz offensichtlich den kleineren Mops Yoda. Dieser wird die ganze Zeit von ihn bemuttert. Beide schmatzen und schnurren. Wir finden’s ekelig, wie er mit dem Hund auf dem Arm das Essen teilt. Ein Bissen der Stulle für ihn, ein Bissen für den Hund … uns tut ein bisschen Frida leid, wer hier an erster Stelle steht ist klar.

Tagsüber erkunden wir Durango. Frida und Jorge-Luis haben die Abmachung, dass kein Gast in ihrem Haus sein darf, wenn sie nicht da sind. Das ist der Deal, damit müssen wir umgehen. Also verbringen wir den Tag in der Stadt.
An einer Straßenecke essen wir unsere ersten Gorditas, Teigfladen, die mit einer scharfen Soße und etwas Fleisch sowie Gemüse gefüllt sind. Dann geht’s auf den Markt, bzw. in die Markthalle. Eine bunte Mischung aus Obst- und Gemüseständen, Fleisch- und Fischwaren, frisch gepressten Säften und jede Menge Klamotten und Haushaltskram umgibt uns. Typisch für Durango sind die schwarzen, hochgiftigen Skorpione. Zuhauf sind sie im Sommer auf dem kühlen Boden der Häuser anzutreffen. Einmal aufgespürt, werden sie sogleich getötet. Auf dem Markt gibt es T-Shirts, Taschen, Schnapsgläser, Postkarten und Gürtelschnallen mit den Tierchen darauf zu erstehen. Man soll sie hier auch kosten können. Leider sind wir zur falschen Jahreszeit vor Ort, so dass uns dieser kulinarische Genuss verwehrt bleibt.
Hardy ersteht seinen ersten mexikanischen Hut. Ein Original, diesmal nicht aus Stroh, sondern aus Kunstfasern. Solche tragen hier sehr viele Männer. Leider kauft er ihn sich eine Nummer zu klein, wie immer…
Wir machen uns auf Klamottensuche. Ich brauche für das heiße Yucatan dringend einen Rock und ein Tuch für den Fleck am Arsch. Leider, leider gibt es auch nach stundenlanger, ätzender Suche einfach nichts vernünftiges. In ihrer Mittagspause gehen wir mit Frida in ein knacke volles kleines Restaurant. Als sie von meinem Dilemma hört, bietet sie mir an, abends in ihrem begehbaren Kleiderschrank unter all ihrer 1001 Anziehsachen nach etwas passendem zu suchen. Yuppie!
Wir lassen uns von Frida die Speisekarte erklären und kosten zum ersten Mal Agua de Jamaica und Agua de Horchata. Frei übersetzt Wasser mit Geschmack. Aus den getrockneten Jamaicablüten kann neben dem Kaltgetränk auch Tee hergestellt werden. Schmeckt sehr intensiv, ähnlich Früchtetee. Zur Herstellung von Horchata wird Wasser mit zermahlenem, nicht gekochtem Reis mit Zimt und Zucker gemischt. Ich werde ein absoluter Fan von Letzterem.

Neben dem Eintauchen in Fridas Kleiderkammer, steht Brotbacken auf dem abendlichen Programm. Frida will es lernen. Während ich mich oben durch die Klamottenberge wühle, ist Frida in der Küche völlig aus dem Häuschen Brot selber herzustellen und notiert sich alles. Endlich einmal wieder eine Erweiterung meiner wenigen Anziehsachen, die ich an einer Hand abzählen kann. Tja, Sozialisation lässt Grüßen. Ich find’s trotzdem klasse und erklimme mit leuchtenden Augen das Kleidergebirge, um auch in der hinter letzten Spalte an das Beste und Schickste zu gelangen.
Jorge-Luis nimmt uns am folgenden Tag mit in seine Klinik. Das ist schon spannend, wenn auch gleichzeitig erschreckend, denn die hygienischen Zustände unterscheiden sich stark von deutschen Verhältnissen. Beispielsweise wird ohne Handschuhe gearbeitet. Wir können Zugucken wie mehrere Hunde verarztet werden: Spritzen, Nagelschneiden, Tropf anlegen… Blut wird nicht von den Händen gewaschen. Später wiederum wird uns erzählt, dass diese Klinik teilweise besser ausgestattet sei als so manches Hospital für Menschen. Neben den tierischen Zuständen ist es interessant, die zwischenmenschlichen Beziehungen hier zu beobachten. Jorge-Luis, als Chef, gibt seinen zwei Mitarbeiterinnen sowie einigen männlichen Bauarbeitern Anweisungen. Ohne dies scheint es bei letzteren nicht zu funktionieren. Die beiden Mädels laufen herum, putzen, sortieren und füllen Formulare aus.
Der eigentliche Grund für den Besuch der Klinik ist die nahe Schlosserei. Wir brauchen einen zweiten Kettenabstreifer, da Hardys Kette immer wieder vom kleinsten Kettenblatt hochgezogen wird und sich so am Rahmen verkantet. Leider ist diese Aufgabe für die Mitarbeiter der Schlosserei zu groß. Mit unserem Musterstück können sie nichts anfangen, dafür aber Jorge-Luis Arbeiter um so mehr. So verziehen sich die Tierarztmitarbeiter kurzerhand in ihre Werkstatt und flexen ein, dem Original stark entsprechenden, Duplikat herbei.
Wir unterhalten uns mit Frida über Justiz und Kriminalität in Mexiko. Dabei lernen wir viel über mexikanische Politik. Dem derzeitigen Präsidenten, Felipe Calderón, der Partei PAN, Partido de Acción Nacional, wurde bei der Präsidentschaftswahl 2006 Wahlbetrug vorgeworfen. Nur knapp besiegte er den links ausgerichteten Gegenkandidaten López Obrador vom Partido de la Revolución (PRD). Einer Calderóns Schwerpunkte ist die Mobilisierung des Militärs im Kampf gegen den mexikanischen Drogenhandel. Was im ganzen Land zu schweren Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und den Narcos, den Drogenhändlern und -schmugglern, geführt hat, in die auch viele Zivilisten mit hineingezogen wurden.
Frida erzählt, dass in der Region Durango zuvor ein Drogenkartell, La Familia, an der Macht war. Jene waren wesentlich bessere Zeiten, da bei La Familia alles in klaren Linien geregelt war und es zudem nur um Drogenhandel ging. Es gab Ehrenkodexe, an denen festgehalten wurde. Verstieß Jemand gegen jenes Regelwerk, wurde nur er dafür belangt, seine Familie oder Freunde in Ruhe gelassen. Nun, unter Einmischung des Militärs sei dieses Drogenkartell nicht mehr so mächtig. Gleichzeitig haben sich diese Schwäche kleine, noch kriminellere Banden zu Nutze gemacht, die sich nun den Markt ebenso erkämpfen. Letztere halten weder an Ehrenkodexen fest und verdienen sich ihr Geld auch nicht nur mit Drogen, so dass die allgemeine Kriminalitätsrate explodiert sei. Gewalt, Rachetaten, Menschen- und Waffenhandel seien nun an der Tagesordnung.
Wir finden es interessant eine solche Ansicht von einer Staatsanwältin zu hören. Mexiko, eine völlig andere Welt.

Die Räder und das nicht benötigte Gepäck sind gut in Fridas Abstellraum verstaut. Wir verabschieden uns noch einmal von den bicis und streicheln über die Sättel. Voller Vorfreude machen wir uns auf den Weg nach Yucatan zu dem Treffen mit Hardys Eltern.
Ein Taxi bringt uns zum Busbahnhof. Der Fahrer versucht es mit der alten Masche: „Habe kein Wechselgeld!“ Doch Hardy bleibt relaxt, er weiß, dass wir es diesmal passend haben. Über Nacht wird uns ein super komfortabler Bus in acht Stunden nach Monterey bringen. Die Sitze können weit nach hinten geklappt werden, es gibt ein Sandwich, eine Limo und heißes Wasser für Instandkaffee.
In Monterey werden wir in einen Flieger nach Cancún Fliegen. Eigentlich wollten wir nicht per Flugzeug reisen, sondern die ganze Strecke mit dem Bus erledigen. Besonders Hardy hatte damit lange Probleme. Doch eine intensive Recherche meinerseits, hat uns zu dem Ergebnis gebracht, dass wir auf diese Weise jede Menge Kosten und vor allem Zeit sparen. Fliegen ist hier tatsächlich günstiger als Busfahren. Und auch voller Entertainment! Sichtbar gelangweilt werden die Sicherheitsvorkehrungen an die noch gelangweilteren Fluggäste erklärt. Während des Fluges macht der Pilot Scherzchen und die Stewardessen machten Werbung für Taxi- und Busunternehmen.
In Cancún angekommen, schlägt uns schwüle Luft und Dauerregen entgegen. Die Welt geht unter. Wir deponieren erstmal unsere Sachen im Busbahnhof und gehen auf Hotelsuche. Es muss ein schönes sein. Hardys Eltern kommen. Da stehen wir vor einer besonderen Aufgabe. Preisgünstig soll es ebenso sein, das ist klar, aber es darf auch nicht zu ranzelig sein, da sie sich nach ihrem langen Flug auch erst mal erholen müssen.
Vom Regen durchnässt finden wir nach einiger Zeit ein passendes Hostel und holen unsere Rucksäcke.
Unser erstes Hostel während dieser Reise. Wir treffen auf andere Backpacker und sind erstaunt über die unterschiedlichen Welten, die sich bei den Gesprächen auftun. Welch andere Erfahrungen machen viele Backpacker. Wie stark unterscheiden sich die Probleme, die es in der Backpackerwelt im Gegensatz zu unserer Radlerwelt zu bewältigen gilt. Wir sind gespannt, wie sich die Reise mit Hardys Eltern entwickelt wird. Er ist schon ganz aufgeregt und emsig schaffen wir alles für den ersten Abend herbei.
Und dann stehen wir am Flughafen. Gleich ist es soweit!

Posted in Allgemein, Mexiko

Neue Fotos online – Nachricht aus Zanatepec

Hallo liebste Leserinnen und Leser!

Hier eine knappste Zusammenfassung der letzten Monate …
Nach unserer Durchquerung der Baja California setzten wir mit der Faehre aufs mexikanische Festland ueber. Im wilden Auf und Ab durch die Berge, einem Schlenker mit Hardys Eltern auf Yukatan und einem Abstecher nach Mexiko City, kamen wir vor vier Wochen bei Rodrigo in Oaxaca, Zanatepec an. Hier liessen wir unsere Fahrraeder, packten unsere Rucksaecke und fuhren mit dem Bus drei Tage nach Sueden ins weit entferne Costa Rica. Drei Wochen Backpacking mit unseren lieben Freunden aus Berlin standen auf dem Plan. Gemeinsam verbrachten wir eine schoene Zeit in Panama, Costa Rica und Nicaragua.
Nach einen langen Busritt sind wir nun wieder gluecklich bei unseren Bikes angekommen. Die Reifen wurden gewechselt und die Ketten geoelt. Morgen soll es weitergehen.

Vielleicht noch zwei Wochen werden wir in Mexiko verbringen und dann die Grenze zu Guatemala ueberqueren. Bergig wirds und nass. Die Regenzeit steht an!
Wahrscheinlich haben wir viel Zeit im Zelt an unserem Artikelstau fuer den Blog zu arbeiten…

Wir wuenschen euch allen ne schoene Fruehlingszeit. Wir denken an Euch und an die Baumbluete und wuenschen viel Spass mit den neuen Fotos in der Galerie.

Viele liebe Gruesse, Alena und Hardy

Posted in Galerie, Mexiko

Baja California ( Mexiko / Dezember – Januar 2011-2012)

 Baja California Norte

Einreise nach Mexico

Am 03.12.2011 schieben wir die Drahtesel in los Algodones, südwestlich von Yuma gelegen, über die Grenze nach Mexiko. Wir sind aufgeregt, haben ein Kribbeln im Bauch, wissen nicht, was uns erwarten wird. Laute Musik schallt uns von der anderen Seite des Grenz-Zaunes entgegen. Viele Leute sind unterwegs. Wo geben wir hier nur unseren weißen Zettel an die US Beamten zurück? Als wir ein halbes Jahr zuvor in Anchorage einreisten, wurde uns eingebläut, jenen ja vorschriftsmäßig wieder abzugeben, damit wir „korrekt“ aus den USA auschecken würden. Wir wollen vielleicht später einmal wieder in die USA reisen und keine Probleme mit den Behörden haben.

Schließlich geht Hardy mit unseren Pässen in das Informationsbüro der Vereinigten Staaten, um Auskunft zu erlangen. Der gelangweilte Beamte nimmt unsere weißen Zettel an sich und sag, er würde darauf aufpassen und sich darum kümmern. In den Pass bekommen wir dennoch keinen Ausreisestempel. Wir sind verwirrt und unbefriedigt. Können aber an der Situation nichts ändern. Später hören wir von anderen Reiseradlern, dass ihnen ähnliches passiert sei und sie auch keinen Ausreisestempel bekamen. Sehr merkwürdig.

Also weiter, auf nach Mexiko, rein ins Getümmel! Wieder sind wir verwirrt. Als wir die Räder durch den Fußgängerübergang der Grenze schieben ist dort niemand. Niemand will unsere Pässe sehen oder das Gepäck kontrollieren! Damit haben wir nicht gerechnet. Wie erhalten wir den jetzt unseren Einreisestempel?

Algodones selbst glänzt mit Souvenirständen und dann später mit ärmlichen Häusern. Apotheken und Zahnärzte gibt es hier zuhauf. Allet für die Amis. Alles ist voller Menschen, Verkaufsstände füllen die eh schon zu schmale Straße. Von allen Seiten werden wir angequatscht. Medikamente sind hier viel billiger als in den USA, stellen wir schnell fest. „Willst du nicht hier auch zum Zahnarzt gehen? Es kostet nicht viel!“, hören wir andauernd. Auf unsere Fahrräder wollen die Leute auch aufpassen, wir sollen sie direkt vor den Polizisten abstellen, ganz sicher. Nein, das werden wir bestimmt nicht!

Der Lärmpegel und das permanente Angesprochen werden geht uns auf die Nerven. Wir wimmeln die Verkäufer und Schlepper ab. Da Hardys Spanisch noch nicht so gut ist und er sich damit unsicher fühlt, bin ich nun in den organisatorischen Dingen gefragt. Das war in den USA anders herum. Aber auch ich muss feststellen, dass nach acht Jahren des wenigen Sprechens, mein Spanisch arg eingerostet ist. Trotzdem wollen wir herausfinden, wie wir an unser Touristenvisum für ein halbes Jahr Mexikoaufenthalt kommen. Die herumstehenden jungen Militärs meinen, hier bräuchte man keinen Stempel wie in den USA, alles sei ok: „No problema!“. Dies kommt uns jedoch spanisch vor. Wir wollen dem nicht so ganz glauben und ich spreche eine Polizistin an. Hier erfahren wir, dass man sich im Grenzgebiet bis zu drei Tagen ohne Stempel im Pass aufhalten darf. Sie meint, bei längerem Aufenthalt, vor allem, wenn wir später auf´s Festland übersetzen möchten, wäre ein Touristenvisa natürlich von Nöten. Wir werden an die „Casa de Migración“ verwiesen, ein für uns völlig unscheinbares Haus.

Bei dem grummeligen Beamten vor Ort müssen wir das Visa beantragen und dann die Gebühr von 220 Pesos bei einer Bank bezahlen, ist das getan, bekommen wir das erwünschte Visa. Wir haben nur ein Problem, heute ist Samstag und die Bank hat natürlich geschlossen. Der Beamte sagt mir, ich solle morgen wieder kommen. Als ich ihn darauf hinweise, dass mañana doch Sonntag sei, meint er nur: „Denn eben Übermorgen.“ Damit werden sogleich Vorurteile von mir bedient: Morgen ist auch noch ein Tag, die Uhren ticken hier anders. So ein Mist! Das passt nicht mit meiner „alles-schnell-und-stringend-erledigen-Denkweise“ überein. „Vielleicht gibt es ja noch eine andere Möglichkeit?“, frage ich ihn. Im groesseren Nachbargrenzort, San Luis del Rio Colorado, hätte die Bank heute wohl offen und im südlichen San Felipe, dass eh auf unserer Route liegt, gäbe es auch eine „Casa de Migración“. Gut, auch ohne Visa beenden wir unbefriedigt dieses Thema. Wir entschließen den Einreiseprozess in San Felipe weiter zu verfolgen.

Den Snowbirds, den zumeist amerikanischen Rentnern, die hier zum Überwintern anreisen, wird gerade in Los Algodones ein Willkommensfest gegeben. Es gibt Essen und alkoholische Getränke umsonst. Viele angetüterte alte Menschen umgeben uns. Musik wird laut gespielt. Wir essen und trinken eine Kleinigkeit und verziehen uns schnell. So amerikanisch haben wir unseren Einstieg in Mexiko nicht vorgestellt.

Richtung Süden fahren wir über kleine Straßen San Felipe entgegen. Schnell verschwinden größere Gebäude und Häuser aus Pappe tauchen auf. Es sieht sehr arm aus. Wir müssen uns daran gewöhnen. Ab und zu brennt ein Müllhaufen. Am Wegesrand liegen Plasteflaschen. Plastetüten werden vom Wind über die Felder getragen. Wir radeln durch die „Salatschüssel der Nation“, hier findet die größte Salatproduktion der Gegend statt. Neben diesem und weiterem Gemüseanbau stoßen wir auf Baumwollfelder.

Wie erwartet nimmt die Qualität der Straßen ab, wir müssen auf Schlaglöcher acht geben. Zudem gibt es keinen Seitenstreifen mehr. Wenn sie können, machen die Autos und Lastwagen einen großen Bogen um uns. Freundlich wird uns zugewunken. Sobald jedoch von vorn und von hinten gleichzeitig LKWs kommen, müssen wir von der Straße weichen. Jene kündigen sich mit einem Hupen an. Ich bin überrascht von der Freundlichkeit und achtsamen Fahrweise der meisten Autofahrer. Dennoch ist es von nun an unverzichtbar mit unserem Seitenspiegel zu arbeiten.

Auch die Menge der herumlaufenden Hunde nimmt zu meiner großen Freude zu. Es gibt sogar Straßenköterbanden. Aber mit einem selbstbewussten Auftreten, dass ich durchaus noch üben muss, und direktem Befehl sind diese ganz gut in den Griff zu bekommen. Ganz im Gegenteil zu ihren rumänischen Artgenossen. Einige Vierbeiner erschrecken sich so doll vor unserem Gebrüll, so dass sie mit eingeklemmten Schwanz kehrt machen. Wir triumphieren.

Eigentlich dachten wir ja, ab Mexiko wird alles anders. Wir wollen endlich ein Hotel nehmen und anderes Essen kaufen. Uns hängt der immer gleiche Fraß zum Hals raus. Gleich am ersten Tag soll es soweit sein. Aber wir brauchen lange, um ein Hotel zu finden. Und der Hotelbesitzer will 35 $ für ein Zimmer haben. Handeln ist nicht. Das ist uns zu viel und so wird eben wieder wild gezeltet.

Auch essenstechnisch kaufen wir in den kleinen Supermärkten ähnlich wie in den Staaten ein. Diese heißen hier minisuper oder abarrotes. Eine Veränderung ist die Tortilla anstatt des Toastbrotes. Tortillas sind Fladen aus Mais- oder Weizenmehl, wir bevorzugen letztere, da nicht aufgewärmte Maismehltortillas einfach nur eklig schmecken. Und frijoles gibt es nun oft, Bohnen in Dosen, bereits vorgekocht oder als Paste, püriert. Nun, viel günstiger, essen wir oft Obst und Gemüse. Besonders toll finde ich es, immer eine Avocado, Mango oder Papaya dabei zu haben.

Die starke Polizei- und Militärpräsenz ist auf jeden Fall neu für uns. Schwer bewaffnet ziehen Militärs auf Pickups ihre Runden. Auf den offenen Ladeflächen sitzen oder Stehen mehrere Männer in Roboteruniformen und halten große automatische Knarren in den Händen. Einer von ihnen steht immer hinter dem Fahrerhaus und hat seine Maschinenpistole abschussbereit auf dem Dach der Fahrerkabine postiert. An diesen Anblick sowie die häufigen Militärkontrollen, in denen nach Drogen und Waffen gesucht wird, müssen wir uns erst einmal gewöhnen.

San Felipe

An unserem dritten Tag in Mexiko kommen wir abends in San Felipe an. Einst ein verschlafenes Fischerdorf, hat sich der Ort zum Tourinest gewandelt. Die Hauptstraße wird von Bars, Restaurants und Hotels gesäumt. Auf der Strandpromenade treffen wir auf Schmuckhändler und Hängemattenverkäufer.

Heute haben wir 134 km geschrubbt, unsere längste Tagesstrecke bisher. Zudem haben wir unsere 10 000 km Marke geknackt! Ein Grund zum Feiern. Hier kostet ein billiges Motel nur 13 Euro, so kommen wir endlich auch einmal in den Genuss! Von der Hotelbesitzerin wird uns eine kleine billige Kaschemme empfohlen, eine cocina económica. Ein Gericht kostet nur 2 Euro, Bier gibt es leider keines. Das Essen ist wirklich lecker, Reis mit Gemüse, Fleisch und Ei, dazu natürlich frijoles, Bohnenmatsche sowie ein nettes Gespräch mit den alten Inhabern.

Leider ist es jedoch keine Radlerportion, unsere Mägen knurren weiterhin. So verschwinden wir nach dem Restautrantbesuch in den Supermarkt, kaufen Essen für einen weiteren Gang, dazu Bier und feiern auf unserem Zimmer weiter.

Am folgenden Morgen offenbart sich das Dilemma – natürlich gibt es hier, hingegen der Ansage des Beamten in Los Algodones, keine „Casa de Migración“. Also was tun, wie kommen wir an unser Visa ran? Wir entscheiden uns in den Bus zu steigen, drei Stunden zu fahren und in der großen Grenzstadt Mexicali unser Glück zu versuchen.

Der Beamte vor Ort scheint generell gewillt uns unser Visum auszustellen, nur müssen wir ihm ganz genau erklären, was wir wollen und warum wir die vollen sechs Monate zur Durchquerung von Mexiko brauchen und nicht weniger. Zwischendurch kommen andauernd andere Leute oder Bekannte vorbei, mit denen er sich natürlich genauso ausführlich beschäftigt wie mit uns. Wir atmen tief durch, hat er anscheinend sooo viel Zeit. Es hilft nichts, nett und freundlich bleiben, schließlich wollen wir etwas von ihm. Geschafft, denken wir, jetzt müssen wir nur noch das Geld bei der Bank bezahlen. „Klar haben wir Pesos dabei!“, die habe wir in den letzten Tagen extra schon umgetauscht. In der angepriesenen Bank funktioniert jedoch das Computersystem nicht. Die Zweite hat gerade geschlossen, wir haben es mittlerweile 4 Uhr nachmittags. Verdammt, das kann doch nicht wahr sein! Geknickt kehren wir zu dem Beamten zurück. Und da, plötzlich geht alles ganz schnell und einfach. Er haut uns den Stempel in den Pass und sagt, wir sollen morgen in San Felipe bei der Bank bezahlen. Wir sind überrascht, so einfach kann es also auch gehen.

Nun, mit sechsmonatigem Visum in der Tasche, kann ja nichts mehr schiefgehen! Wir treten fleißig in die Pedalen, haben wir doch eine Durchquerung der Baja California vor uns. Etwa 1000 km Wüste mit irren Kakteenwäldern warten darauf beradelt zu werden. Wir freuen uns riesig drauf!

Doch allzu weit kommen wir nicht. Ein Auto hält neben uns und wir werden von Dean und Karla in ihr nahes Ferienhäuschen eingeladen. Das Haus liegt in einem sogenannten campo, einem Stück Land, dass einem Mexikaner gehört, auf dem sich zumeist Amerikaner ihre Zweitwohnorte verwirklicht haben. Um auch einmal Einblicke in die Lebensweise dieser amerikanischen Rentner auf der Baja zu bekommen, nehmen wir das Angebot an.

Vor über 30 Jahren bereiste Dean mit seinen drei Freunden auf dem Motorrad die Baja, sie beschlossen sich hier eine Hütte zu bauen. Im Laufe der Jahre und vielem Herumwerkeln entstand daraus ein kleines Idyll, eine schmucke Perle.

Mit Blick auf’s Meer genießen wir das BBQ, Schrimps, ein riesen t-bone- Steak und viel billigen Rotwein. Der Deal wird offen und klar benannt: Essen und Wein gegen Geschichten aus unserem Reiseleben. Für uns ist das okay, reden wir gerne über unsere Erlebnisse. Von Karla, die bei Kellogs arbeitet, bekommen wir jede Menge Kekse und salzige Kräcker geschenkt, deren Verpackung eine Delle abgekriegt hatte und so nicht mehr verkauft werden kann. Leider hatte sie am Tag zuvor einen großen Berg davon in den foodkorb im Supermarkt zum Verschenken gelegt. Schade, wir hätten auch noch mehr genommen!

Abends schlafen wir auf einer super bequemen Couch neben dem Kaminfeuer ein. Am Liebsten hätte uns Dean da behalten, um mit uns eine Runde am Strand in seinem Sandbuggie zu drehen, aber wir wollen weiter. Haben Hummeln im Hintern, denn eine schwierige Etappe wartet auf uns.

Cocos Corner

Auf der Ostseite der Baja soll ab dem kleinen Örtchen Puertecitos der Asphalt aufhören und eine 150 km lange Sand- und Steinpiste irgendwann wieder auf die Autobahn Mex 1 führen. Wir hatten bereits vor Jahren in dem Buch der Reiseradler Susi Bemsel und Daniel Snaider von dieser abenteuerlichen Strecke, vorbei an Cocos Corner gelesen.

Es geht an diversen campos vorbei, die Landschaft ist sehr steinig und gleicht einer Schutthalde. Es ist auch recht müllig hier. Gegen Mittag erreichen wir Puertocitos. Im Minisupermarkt füllen wir noch einmal alle Esssens- sowie Wasservorräte auf und legen los.

Was ist denn das? Die asphaltierte Straße geht ja weiter! Doch wir wissen, das das Glück nicht ewig währt. Noch ist nicht die gesamte Strecke fertig und wir wissen nicht genau wie weit der Asphalt reicht … Später hören wir, dass diese Strecke, die drei Schwesterchen genannt, der schwierigste Teil des ganzen Abschnittes gewesen sein soll. Können wir uns gut vorstellen, wenn wir anbei den alten Weg sehen, der sich steil und kurvenreich durch das Geröll der Berge windet.

Bald, nach nur 40 km fröhlicher Asphaltrollerei, beginnt auch für uns die harte Arbeit. ZweiTage verbringen wir auf mal sandiger Piste, mal holperigem, steinigem Untergrund, auf dem wir ordentlich durch geschüttelt werden. Große Wackersteine, gewaltige Steigungen, Bodenwellen und Wellblech und später noch feinster Sand machen uns das Leben schwer. Im Gegensatz zu mir, zieht Hardy radeln im Sand vor. Ich muss sagen, ich hasse es, habe das Gefühl das Fahrrad nicht mehr unter Kontrolle zu haben.

Wir sind gemächlich unterwegs. Hardy ärgert es besonders arg, dass er trotz der langsamen Geschwindigkeit sich nicht die Umgebung anschauen kann, so sehr muss er sich auf die Straße konzentrieren. Und die Landschaft ist schön! Links taucht manchmal das Meer in unserem Sichtbereich auf, rechts fallen die schroffen, kahlen, dunkelbraunen Berge ab, davor nur Wüste. Selten kommt ein Auto vorbei. Wir sind ganz allein in der Hitze der Wüste. Was für ein Reichtum an verschiedenster Kakteen! Zu den tollen Pflanzen, die Aussehen wie übergroße Forsythiessträucher, gesellen sich merkwürdige kleine Bäume und Kakteen hinzu. Hardy outet sich als ein richtiger Fan, muss oft absteigen und die Pflanzen aus nächster Nähe bestaunen.

Kurz bevor wir für diesen Tag Schluss machen wollen, hält ein verstaubtes Auto an. Drinnen sitzen zwei junge Menschen in unserem Alter. Sie fragen, ob alles in Ordnung sei und wir etwas bräuchten. Nallely und Feliciano sind reisende Schmuckverkäufer, artesanos. Sie werden bis März in La Paz in einer Wohnung einer Freundin wohnen und laden uns ein! Cool, vielleicht haben wir dort jetzt eine Bleibe und auch jemanden mit dem wir Silvester oder Weihnachten feiern können!

Hier im Kakteenwald finden wir auch die schönsten Schlafplätze. Irreal sieht es aus, als unser grasgrünes Zelt neben riesiger Westernkakteen, Ohrenkakteen und Agaven steht. „Wenn ich einen Film über andere Welten machen würde, würde ich ihn hier drehen.“ meint Hardy.

Der Rhythmus der Natur bestimmt unseren Tagesablauf. Vor Sonnenaufgang klingelt der Wecker, bei Sonnenuntergang wird gekocht, eine große Portion Nudeln oder Reis als Abendessen, früh in den Schlafsack verkriechen. Wir schlafen wie ein Stein. Weder Stress, noch Hektik, ich fühle mich sehr zufrieden und ausgeglichen, frei.

Am nächsten Tag treffen wir Coco. Er ist wirklich ein Unikum. Auf einem staubigen Platz an einer kleinen Straßenkreuzung mitten in der Wüste an beschriebener Mörderpiste hat er Wohnwagen und eine Art Haus gebaut und verkauft dort Cola und Bier. Umgeben ist das ganze Areal von einem Drahtzaun, an dem hunderte von leeren Bierdosen befestigt sind, die im Wind ein irres klirrendes Geräusch erzeugen. Coco sagt, er hat sie aufgehängt, um etwas zu hören, da es so krass ruhig hier in der Wüste sei. Unterhalb der Knie fehlen ihm beide Beine, auf selbst genähten Reifengummischuhen läuft er auf seinen Beinstümpfen umher oder braust mit seinem Quad durch die Gegend. Er begrüßt uns mit den Worten: „Ihr seit aber spät dran, ich habe schon gestern Abend auf euch gewartet.“ Darauf sind wir gefasst, hatten nämlich von diesem Spruch gehört. Anscheinend sagt Coco das zu allen Radlern, die ihn besuchen kommen. Wir setzen uns zusammen und erzählen von unserer Reise. Die angebotene kalte Cola wird gierig in einem Zug geleert. In sein selbst illustriertes Gästebuch müssen wir uns natürlich auch eintragen. Stolz zeigt uns Coco, welche anderen Reiseradler ihn dieses Jahr schon besucht hatten. Lustigerweise lesen wir Nachrichten von Radlern, die wir auf dieser Tour getroffen hatten oder von denen wir während der Vorbereitung lasen. Nach einer Weile sind bei mir die Gesprächsthemen erschöpft und ich drängle aufs Weiterfahren. Es bleiben immer noch 20 km Schotterpiste.

Es gilt diese verdammten arroyos, ausgetrocknete Flussbetten, zu überwinden. Man, ist das schön! Oben angekommen, geht’s plötzlich kurz steil bergab und dann die ganze Strecke wieder hinauf. Hardy fährt im Stehen. Zu allem Überfluss haben wir heftigen Gegenwind, der später sogar noch stärker wird. Der Himmel ist wolkenverhangen.

Es fängt es zu allem Überdruss noch an zu regnen. Wir strampeln gegen den strengen Gegenwind. Ich fahre vor, Hardy ist zu kaputt. Es gießt so heftig, dass wir durchnässt bei einer Tankstelle anhalten. Dort gibt es ein Klo, Hardy wäscht sich endlich mal wieder die Haare. Ich fülle derweil die Wasserflaschen auf. Dessen Inhalt später noch gefiltert werden muss.

Wir verziehen uns in eine kleine taqueria, trinken Cola und essen burritos. Jene sind irgendwie nix anderes als tortillas, zusammengerollt mit etwas Fleisch drin. Ähnliches hatten wir schon einmal, da waren es tacos, naja. Jetzt wissen wir’s. Der Regen prasselt auch weiterhin.

In der Nacht fallen die Temperaturen ab. Im Zelt fällt uns die ungeheure Kälte auf, wir müssen die Schlafsäcke bis nach oben hin zuziehen. Das Thermometer zeigt -5,7 Grad. Mensch, hier auf der Baja sollte es doch warm sein!

Baja California Sur

Mit dem Einradeln in die Region Baja California Sur, übertreten wir den 28. Breitengrad. Dieser wird von einem riesigen Adlermonument markiert. Auf der folgenden Strecke bis nach Guerrero Negro erleben wir wieder Starkregen. Kein Haus oder Baum ist in Sicht. So stellen wir uns einfach mit Regenjacke an den Straßenrand, drehen den Rücken zum Wind und warten ab. Für die Regenhose ist es eh schon zu spät. Zum Glück trocknen die durchgeweichten Klamotten schnell.

Guerrero Negro

In Guerrero Negro finden wir das nette, familiäre Minihotel Asunción, für nur 10 Euro. Im Innenhof putzen wir lang die völlig verschlammten Räder. Uns tut die Hotelmami leid, ständig muss sie unseren Dreck weg putzen. Wir können sie nicht davon abhalten es später selbst zu tun.

Die Infrastruktur des sonst eher unspektakulären Ortes nutzen wir, um zu interneten und im Supermarkt festlich einzukaufen, heute gibt es Kartoffeln, Hühnchen und Ei! Zum Tagesabschluss gönnen wir uns eine Folge Star Trek. Tatsächlich hat mich Hardy ein bisschen mit seinem komischen und seit Beginn dieser Reise neuem Fieber angesteckt.

Am nächsten Tag haben wir Rückenwind und brausen die schnurgrade Straße ab Guerro Negro gen‘ Süden. Interessant ist, dass wir nun eine weitere Kakteenvegetationsgesellschaft passieren: Es gibt die großen, typischen Westernkakteen und dazwischen ein paar Yukkas sowie eine Kakteenart, die kleinbuschig ist, dafür fleischig und wenige Stacheln hat. Hardy lernt, wie die riesigen elefantenrüsselartigen Kakteen heißen, mit ihren kleinen ledrigen Blättchen. Es sind Cirrios, eine auf der Baja endemische Spezies.

San Ignacio

Schön, wie eine Oase in der Wüste gelegen, liegt San Ignacio. Der kleine See, umgeben der grünen Dattelpalmen ergibt einen tollen Kontrast zur umliegenden kargen Landschaft. Wir bestaunen die alte Missonskirche am Marktplatz, die von Lorbeerbäumen umsäumt ist. Der Sakralbau wurde 1786 von den Dominikanern aus Lavablöcken errichtet. Bereits 1728 wurde das Oasenörtchen von den Jesuiten angelegt. Die ansässige indigene Bevölkerung missioniert.

Wir drehen eine Runde, kaufen Trinkwasser bei einer Firma, die Wasser filtert und purifiziert, gehen im mercado einkaufen und besuchen das Museum, in dem die Felszeichnungen der Umgebung nachgezeichnet sind.

Auf den Campingplatz wollen wir nicht, nach duschen ist uns auch nicht zumute, (schon interessant wie sich die Bedürfnisse verändern können…). Also verziehen wir uns in einen abgebrannten Palmenwald. Bis auf den unterschwelligen Brandgeruch und die schwarzen Stämme ist es ganz schön hier, alles voller Palmen und Sand. Es ist Feigenzeit und wir schlingen die energiereichen frischen Früchte hinunter. Dazu gibt’s eine von Hardy frisch geöffnete Kokosnuss. Mensch ist das lecker, mensch geht es uns gut!

Santa Rosalia

Wir sehen den Vulkan las tres Virgenes, als wir die Hügelkette überwinden und auf einer kaktusbestandenen Ebene dahin rollen. Dann geht’s runter und wieder rauf, wir sind es gewöhnt und es macht uns wenig aus. Nur der Gegenwind nach den Hügeln fällt negativ auf. Nun können wir den Golf von Kalifornien sehen, die fantastisch blaue Sea of Cortez.

Wir sind kurz vor Santa Rosalia und es ist Zeit Schluss zu machen. Die Dunkelheit naht. Jedoch befindet sich der einzige Platz, der sich finden lässt auf einem Berghang oberhalb der städtischen Müllkippe. Einer unserer schlechtesten Zeltplätze! Wir sehen Kinder über den Müll springen, drin spielen und Erwachsene jenen sortieren sowie hier und dort mal einen der Haufen anzuzünden . Naja, gleich ist es dunkel, nur der Geruch nervt etwas. Hmmm, der Wind weht auch noch in unsere Richtung!

Die Landschaft vor Santa Rosalia ist weiterhin nicht schön. Die Müllkippe zieht sich entlang der Küste. Es ist sehr dreckig. Leider scheine nun ich zur Abwechslung mal ’nen Platten zu haben, wir pumpen des öfteren nach, aber dann am Pier heißt es Abladen und Schlauchwechseln. Hardy flickt derweil die nun zwei kaputten Schläuche und nutzt erstmalig das Meer zum Lochfinden.

Dann Besuchen wir endlich das quirlige, alte Kupferminenstädtchen Santa Rosalia. Es spannt sich zwischen zwei Hauptstraßen in einem Tal. Bis 1954 wurde hier von einer französischen Firma siebzig Jahre lang eine Kupferschmelze betrieben. Verrostete Überbleibsel erinnern an das Skelett eines Dinosauriers, welche bedrohlich über dem Hafen aufragen. Weit in die Umgebung hinein wurde das heiß begehrte Mineral abgebaut. Auf der plaza steht eine der neun Heißdampf-Schmalspurlocks, die einst auf 33 km Schienen hin und her fuhren. Auch stammt die berühmte Blechkirche von den Franzosen. 1889 wurde diese von Gustav Eiffel für die Weltausstellung konstruiert. Sie musste jedoch einen langen Weg, herum um Kap Horn, auf sich nehmen, um hier her zu gelangen.

Nette kleine Häuschen, viele Läden und Trubel auf den Straßen lassen uns auch schlendern. Wir kaufen süße Teilchen in einer panadería, setzen uns in einen Park und schlemmen. Dazu gibt es Datteln. Sie sind jetzt unser Keksersatz. Sicherlich gesünder.

Mulegé, Casa de los Sueños

Leider bekommt Hardy in der Nacht Durchfall. Waren es die vielen Datteln oder die Kokosnuss? Wir wissen es nicht. Am Morgen fühlt er sich sehr schwach. Wir bleiben erst mal liegen und machen dann alles ganz langsam. Er kann nicht so viel helfen. Ich mache das meiste des Zeltabbaus und Beladen der Fahrräder allein. Es sind noch 20 km quälende Kilometer bis nach Mulegé.

Im kleinen Ort gehen wir einkaufen und machen Mittag im Parkneben einer kleinen Krippe. Hardy geht es etwas besser. Kurz vor der Abfahrt kaufen wir noch eine Fahrradkette bei der einzigen klitzekleinen Fahrradwerkstatt.

Südlich des schönen Ortes Mulegé machen wir eine mehrtägige Pause. Fabian, Beth und ihre Tochter Zoe aus San Francisco machen hier in einem großen Haus direkt am Strand Urlaub. Die Familie hat für sechs Wochen ein riesiges ehemaliges bed & breakfast Hotel gemietet, die „casa de los sueños“, das „Haus der Träume“.

Da es für die drei viel zu groß ist, werden Freunde und Arbeitskollegen eingeladen. Insgesamt treffen wir auf 12 Erwachsene und zwei kleine Kinder. Der warmshower-host Fabian, hat seinen Standort einfach nach hier hin verschoben und empfängt nun alle Nase lang vorbei fahrende Radler. Neben uns sind auch Helen aus England und Lars aus Schweden zu Gast. Wir dürfen unsere Zelte auf dem Muschelstrand aufbauen. Kein Sand im Zelt, das ist gut!

Am Strand liegen einige Kajaks parat und eine heiße Quelle gibt es auch. Wir sind begeistert, unterhalten uns viel mit den netten Leuten und genießen es, an diesem wunderschönen Ort verweilen zu dürfen. Geschützt liegt der Strand in einer kleinen Bucht mit vorgelagerten Inseln, auf denen Pelikane und Möwen leben. Jene Bucht liegt wiederum in einer größeren. So ist das Meer ruhig, es ist windstill.

Es ist lustig, morgens um 6 Uhr beobachten wir an den verschiedensten Stellen im Haus still und andächtig den hereinbrechenden Sonnenaufgang. Eine Explosion der Farben. Viele unserer neuen Mitbewohner sind bereits auf den Beinen.

Auch eine Kajaktour unternehmen wir. Auf dieser umkreisen wir ein paar kleine Inseln und treffen sogar auf Delphine! Unglaublich, wir sind hin und weg.

Fabian hat einen Fischer kennengelernt und ordert bei ihm einen Haufen Muscheln. Als dieser abends in das Haus kommt und die Muscheln frisch zubereitet, probiert sich Hardy auch einmal als Muschelschlachter aus. Wir werden zum Essen eingeladen und versuchen uns an rohen sowie gekochten Muscheln. Lecker! Als die anderen die rohen Muscheln nicht aufessen wollen, verputzen Fabian und ich den Rest. Wer hätte das noch vor 2 Jahren von mir Vegetarierin gedacht?

Loreto

Wieder ist es bergig, doch ein starker Rückenwind unterstützt uns. Es fühlt sich an, als müssten wir gar nicht treten, als uns die heftigen Böen bergauf wehen. Das ist gut, denn Hardy hat sich immer noch nicht ganz von seiner Magenverstimmung erholt.

Heilig Abend verbringen wir in Loreto. Kurz vor dem Ort hatten wir geschlafen und setzen uns zum Frühstücken, um so hoffentlich eingeladen zu werden, mitten auf den Platz vor der Kirche. Schnell werden wir von einem älteren Amerikaner und einer Deutschen, die seit Jahren mit ihrem Mann in Oregon lebt, angesprochen. Aber keiner von ihnen will mit uns das Fest der Liebe zelebrieren.

Da kommen zwei lustig aussehende Menschen mit ihrem Hund auf dem Rad vorbei. Es sind Susan und Alfonso. Alfonso testet freudig strahlen wie ein kleines Kind sein Weihnachtsgeschenk, ein neues Fahrrad. Sie erzählen uns, dass sie heute Abend zu Freunden Essen gehen, es nichts großes wird, aber wir eingeladen sind sie zu begleiten. Gegen 10 Uhr nachts soll es zu einer Nachtmesse gehen, sie sind schwer katholisch. Jappadappadu! Unser Plan ist aufgegangen!

Nach einem Brand renovieren die beiden gerade Susans Haus, dass sie an Gäste vermietet wollen. Die Beiden leben im Wohnwagen nebenan. So haben wir das leere, frisch gestrichene Haus für uns allein!

Das Abendessen bei amerikanischen Freunden, die auch in einem Wohnwagen leben, stellt sich als eine sehr spezielle Erfahrung heraus. Mit ihnen leben dort 12 Hunde, alle Größen sind vertreten, diverse Vögel hängen in Käfigen herum. Die Hausherrin scheint eine Vorliebe insbesondere für Albinos zu haben. Die Hunde wuseln überall herum. Meine Freude hält sich in Grenzen, da ich besonders großen Hunden eher mit Skepsis gegenüber trete. In diesem Haushalt dürfen die Tiere beim Essen an den Tisch kommen, die größten packen auch noch ihren Kopf darauf. Die kleineren werden beim Essen auf den Schoss genommen, geknuddelt und geküsst. So wird ihnen auch ein Stückchen zugesteckt. Am Ende schleckt einer der riesen Vierbeiner genüsslich den Teller unserer Gastgeberin ab. Wie eklig ist das denn! Wir, wie auch Alfonso, fühlen uns nicht wohl und sind froh, als wir schnell wieder gehen.

Als ich mich zum Lesen bereits in den Schlafsack verkrümelt habe, strolcht Hardy noch im Ort herum. Er entdeckt ein Theaterspiel in der Kirche und holt mich. In dem langen Theaterstück, vorgetragen von Laien geht es um den Dualismus von Gut und Böse. So viel verstehen wir. Es gibt Jungfrauen, Engel, den Teufel und sogar zwei Indios. Inwiefern letztere in die Story eingeflochten sind, ist uns schleierhaft. Dazu werden herzzerreißend Lieder dahin geschmettert. Die Reihen des Publikums leeren sich, aber wir halten bis zum Ende der zweistündigen Veranstaltung durch.

Mit einen wunderschönen letzten Blick vom Rücken einer der Hügel verabschieden wir uns vom Golf von Kalifornien, als die Straße in Ligüi ins Hinterland abknickt. Schweißtreibend windet sich die Piste hinein in die Sierra de la Giganta. Tafelberge und schroffe Schluchten bilden ein tolles Panorama. Auf den folgenden 30 km kann ich die Steigungen wirklich nur als gigantisch beschreiben. Geier sitzen hoch oben auf den Spitzen der Kakteen und linsen zu uns herunter. Es ist, als behielten sie uns stetig im Auge und warteten ab wann wir mit hängender Zunge wohl endlich schlapp machen würden.

Die belohnende Abfahrt führt uns ins Valle Santo Domingo. Um uns herum wird wieder Landwirtschaft betrieben. Der Anbau von Mais, Baumwolle und Weizen wird durch tiefe Bohrungen ermöglicht, die jahrtausende alte Grundwasserseen anzapfen. Das Gelb der Wüste wird so in ein saftiges Grün verwandelt.

La Paz

Pünktlich, zwei Tage vor Silvester, rollen wir in La Paz ein. Die Stadt begrüßt uns mit Walmart, weiteren Einkaufzentren und viel Verkehr. Auf der Strandpromenade treffen wir auf die beiden artesanos, Nallely und Feliciano, die dort ihre Halskettchen, Ringe und Armbänder verkaufen. Sie hatten uns eingeladen mit ihnen ein paar Tage zu verbringen. Wir genießen es, eine Bleibe zu haben und stürmen den nahen Supermarkt. Heute gibt es Fisch, der Lisa heißt, mit Kartoffeln und Gemüse, dazu ein gemütliches Feierabendbier.

Silvester wollen wir zusammen mit den Beiden und ein paar Freunden am Strand el Pescador südlich von La Paz verbringen. Wir besuchen dort Maria und Pablo. Eine chilenische und einen argentinischen Schmuckverkäufer. Beide wohnen zur Zeit in ihrem Auto, einem Van, am Strand. Der aufgeklappte und von Tüchern umhangene Kofferraum dient als kleine Küche, davor ist ihr Schmuck drapiert. Hier sitzen sie, knüppern, reden und gehen im Meer schwimmen. Maria ist schwanger. Als ich sie frage, wo sie ihr Kind bekommen und leben wollen, sagt sie nur: „No sabemos.“ – wir wissen es nicht. Wenn es ihnen hier nicht mehr gefällt, werden sie weiterziehen. Irgendwann einmal wollen sie sich ein Wohnmobil kaufen.

Unsere Zelte schmücken den Strand, zusammen mit unseren Nachbarn, artesanos aus Italien, bilden wir eine bunte Truppe. Am Silvesterabend werden Fisch und Gemüse, eingewickelt in Alufolie in einer Sandmulde im Feuer gegart. Es schmeckt prächtig! Mit Rotwein und Wodka verbringen wir die Nacht. Das benachbarte Restaurant sorgt mit Livemusik für Stimmung. Um 12h stoßen wir auf das neue Jahr und auf Hardys Geburtstag an.

Eine Torte, ein Weltempfänger und ein Aufkleber aus dem Grand Canyon versüßen Hardys Geburtstagsmorgen. Begeistert stopft er die zuckersüße, quietschbunte Torte in sich hinein.

Unsere gemeinsamen Tage mit Nallely und Feliciano vergehen viel zu schnell. Wir sind gute Freund geworden und haben viel Spaß miteinander. Hardy und ich schlendern durch das quirlige La Paz, entdecken neue kulinarischen Genüsse, besichtigen Buchläden sowie das langweilige anthropologische Museum und besuchen die beiden Schmuckverkäufer auf der Promenade.

Hardy ist angefixt, er will auch die Technik des Makrameknüpperns lernen. Eine Blume soll es sein. Geduldig erklärt Feliciano ihm die einzelnen Knoten und Schritte. Sogleich stürzt Hardy sich in die Arbeit und bekommt es auch ganz gut hin. Er versteht das System und kann die vorgemachte Blume reproduzieren.

An unserem letzten Abend kocht Nallely mexikanisch, sie will sich für unseren vorherigen mitteleuropäischen Abend, Kartoffelpüree mit Senfeiern, revanchieren. Wir kommen in den Genuss von sehr leckeren chilaquiles. Das sind totopos (Tostadasdreiecke, also geröstete dreieckige Tortillafladen), die in einer scharfen Sauce weich gemacht werden. Darüber kommen zwei Spiegeleier. Als Beilage gibt es natürlich Bohnenmatsche und Salat.

Dieser Abschied ist mal wieder besonders schwer. Es ist ein Abschied von zweierlei, von unseren Freunden Nallely und Feliciano und zudem auch von der Baja California. Einen Monat haben wir auf dieser Wüstenhalbinsel verbracht. Schön war’s hier! Eine besonders tolle Etappe geht vorbei.

Mit der Fähre werden wir nach Los Mochis übersetzen. Das interior ruft, wir sind gespannt auf’s Festland. Das wahre Mexiko soll dort zu finden sein.

Posted in Allgemein, Mexiko

Vom Monument Valley bis nach Yuma (Arizona / USA/ November – Dezember 2011)

Monument Valley

Irgendwo, mitten im Nirgendwo überschreiten wir die Grenze von Utah nach Arizona.

Ein Traum Hardys wird wahr, als wir gemächlich auf die Felsen des Monument Valleys zurollen. Schon von weitem erscheinen sie am Horizont. Gewaltig thronen die von der Sonne angestrahlten Monolithen in der Weite der sie umgebenen Wüste. Kindheitserinnerungen werden wach, wir sind nun im Land von Lucky Luke und dem Marlboro Mann! Yeah! Die Bilder der einstigen Zigarettenwerbung vor’m Beginn der Kinofilme scheinen sich bei uns beiden ins Gedächtnis geprägt zu haben. Es ist fast, als säßen wir wie ein Cowboy auf seinem Ross und ritten durch die Prärie.

Wir suchen uns einen Campingplatz im Navajo Reservat, dem riesigen Areal in dem auch das Momument Valley zu finden ist. Wir versuchen uns hier besonders gut zu verstecken, denn hier wird wohl kein Spaß verstanden. Jenes ist in der trockenen baumlosen Wüste ganz schön schwierig. Traumhaft leuchten die fernen Felsen am Abend, wir haben doch einen super Platz gefunden! Heute bauen wir zum ersten Mal unser neues Zelt auf, es riecht noch ganz frisch. Dank des vorhandenen Platzes im Innenzelt kommen wir uns vor wie in einer Villa!

Am nächsten Tag zieht starker, kalter Gegenwind auf, mühsam radeln wir bis zum Visitorcenter. Mir reicht’s, mein Körper braucht eine Pause. Ich bleibe hier drin in der kuscheligen Wärme und fletze mich auf das bequeme Sofa, während Hardy ohne Gepäck die 20 km lange Schotterpiste auf sich nimmt. Er bleibt zwei Stunden im Tal, umrundet die Felsen und unterhält sich mit den Verkäufern an den Schmuckständen. Den Term „Indian Diamonds“, der uns als Bezeichnung der vielen, wirklich vielen Flaschensplitter auf dem Seitenstreifen im Reservat (Alkohol wurde hier von der Reservats eigenen Verwaltung verboten und darf so nicht im Auto aufgefunden werden…) genannt wurde, finden die gar nicht lustig! Von der gewaltigen Landschaft geflasht kommt er zurück. Total geil soll’s gewesen sein!

Bei starkem Sturm brechen wir wieder auf und schaffen heute nur noch 15 km. Zudem haben wir keine Chance einen Schlafplatz zu finden. Alles ist eingezäunt! Wir befinden uns nun auf dem Gebiet der indigenen Bevölkerung Amerikas, auf dem Wildcampen strikt verboten ist. Aber was bleibt uns übrig? Es wird schon dunkel und es ist einfach nichts zu machen. Also warten wir einen autofreien Moment ab, öffnen eines der Gatter im Zaun und schleichen uns auf die Weide bis in einen Canyon bis wir eine versteckten Stelle finden. Schnell wird das Gatter danach wieder geschlossen und weg sind wir.

Page, Antilope Canyon

Der heftige Gegenwind hört auch am folgenden Tag nicht auf. Mühsam kurbeln wir mit 12km/h voran. In Kayenta kehren wir denn auch mal in einem MC Donald ein, um den heißen Kaffee und das vorhandene Internet zu genießen. Wir wollen gar nicht mehr raus, immer wieder wird der Kaffeebecher von uns kostenlos aufgefüllt…

Zum Wind gesellt sich auch noch Steigung hinzu. Nach dem 18. zu überwinden Hügel für diesen Tag höre ich auf zu zählen. Viel Strecke schaffe wir heute nicht und suchen uns an der Ecke Highway 160/98 einen Platz zum Schlafen.

Heute haben wir gute 100 km vor uns, wollen wir abends in Page ankommen. Die Strecke gefällt uns sehr, es geht durch weite Prärielandschaft auf der Pferde dahin galoppieren. Unterwegs treffen wir an einem kleinen Verkaufsstand auf eine sehr nette Frau. Sie verkauft Schmuck. Ich schlage bei einem Paar Ohrringen zu. Als wir ihr von unserer Reise erzählen, stellt sich heraus, dass sie nicht weiß, wo Argentinien ist. Hardy holt zum 2. Mal in den USA den aufblasbaren Globus heraus und zeigt ihr Argentinien und Alaska.

Wir sind vergnügt und kommen pünktlich um 5 Uhr in Page an. Diesmal heißt unser Gastgeber Robert. Er ist arbeiten und so muss uns sein 15jähriger Sohn Devin das Haus zeigen. Er macht dies, Radlergäste empfangen, zum ersten Mal und weiß nicht so recht, was er uns zeigen soll. Macht nichts, Hardy quasselt einfach wild drauf los und so werden wir bald warm. Robert und Devin leben in einem langgezogenen Trailerhome. Für uns ist es besonders spannend auch mal in einem solchen zu wohnen. Am einen Ende ist Roberts Zimmer und am anderen das von Devin, in der Mitte befinden sich Küche und Wohnzimmer. Devin räumt extra für uns sein Zimmer. Robert arbeitet als Rettungshelfer in einem Hubschrauber und berichtet uns von abenteuerlichen Einsätzen in dieser abgefahrenen Gegend. Seine Rettungseinsätze reichen bis hin zum Arches Nationalpark, den Canyon Lands und dem Grand Canyon. Um mit den Geschehnissen und dem Gesehenen klarzukommen und dies zu verarbeiten drehen sie auf den Rückflügen ab und an Runden durch die wunderschöne Gegend. Dabei lassen sie sich auf sonst nur schwer erreichbare Bögen absetzen, fliegen wieder weg und knipsen Fotos von sich. Spielen nennt er das.

Mit Robert verstehen wir uns prächtig. Abends kochen wir zusammen und sinnieren lange feucht fröhlich bei Flaschen des besten Weins. Robert möchte eine drei monätige Radtour durch Europa machen. Wir versuchen mit ihm zusammen eine Route zu planen und ihm mit unserem Wissen und Erfahrungen weiter zu helfen.

Hingebungsvoll und total vertieft basteln Hardy und Robert am folgenden Tag an den Rädern, dabei hilft die vorhandene voll ausgestattete Fahrradwerkstatt sehr. Unsere Radlager müssen unbedingt gereinigt werden. Mein abgebrochener Ständer wird durch einen neuen ersetzt. Leider weisen die Konen unsere beiden Vorderradlager Rillen auf. Diese werden wir wohl später austauschen müssen. Aber erst mal muss es damit weitergehen. Wir schmieren ordentlich Fett drauf und schrauben wieder alles zusammen.

Wir entschließen uns die kleinen und nicht die großen der nahen Antilope Canyons zu besuchen. Traumhaft schön windet sich der durch Auswaschung entstandene, enge Canyon tief in den Boden hinein. Die Farbspiele der von der Sonne bestrahlten ausgewaschenen Wände faszinieren uns sehr. Lange halten wir uns im Canyon auf. Der junge Navajo Guide, ohne den man hier nicht herein gehen darf, hat auch keine Eile. Wir erfahren vieles von ihm. Navajo, das ist nur ein Wort aus dem Spanischen, eigentlich nennen sie sich Diné.

Schweren Herzens verabschieden wir uns von Robert und Devin. Wir haben die beiden lieb gewonnen und können uns nur schwer losreißen. Ich glaube, wir werden Robert auch fehlen, auch er hat die Gespräche und die Gesellschaft mit uns genossen. Sonst ist er viel allein zu Hause. Auch vom quirligen, temperamentvollen Hund Marley verabschieden wir uns, der gern Steine in den Trailer trägt und mit dem kaum jemand Gassi geht, so dass er immer in eine Ecke des sandigen kleinen Gartens kackt.

Wir radeln nicht lange, denn Horseshue Band, eine wunderschöne Schlucht, in der der Colorado River wie ein Hufeisen eine Kurve macht und sich tief ins Gestein gegraben hat, hält uns lange in ihrem Bann.

Dann tauchen viele Holzhütten, in jeglichem Verfallszustand, immer wieder am Wegesrand auf. Zumeist dienten sie einst dem Schmuckverkauf der Navajos, heute werden nur noch wenige benutzt. Als windgeschützten Platz für unsere Mittagspause finden wir sie klasse! Plötzlich hält ein Auto, der Fahrer kommt herbei und schenkt uns eine Dose Würstchen. Er hatte uns gesehen und wollte uns unterstützen!

Wenig später hält ein anderer Wagen und fragt uns, ob wir mitgenommen werden möchten. Das ist uns noch nie passiert! Wir lehnen dankend ab und versuchen zu erklären, dass wir gern Fahrrad fahren und das es uns Spaß macht. Seinem Gesichtsausdruck zu Folge kann er dies nicht ganz nachvollziehen.

Grand Canyon Nationalpark

Vom Bergauffahren ist auch dieser anstrengende Tag vor dem Besuch eines weiteren Highlights unserer Reise geprägt. Die Steigung erstreckt sich auf 35 km, von 5000 feet Höhe steigen wir auf 7400 feet. Wir passieren Sträucher und Bäume, nach so langer Wüstenlandschaft ist dies neu für uns. Völlig aus dem Häuschen geraten wir, als wir richtigen Wald erblicken und auch schnell den Duft der Nadelbäume einatmen können.

Am Parkeingang ist der alte, urige Ranger mit langem weißen Bart hellauf begeistert von unseren Plänen. So auch ein Niederländer, den wir am Watchtower, einem alten Aussichtsturm am Rande des Canyons, kennenlernen. „Zwei Jahre? Mit dem Rad bis runter nach Argentinien?“, ungläubig schüttelt er den Kopf. Wir haben unseren Spaß!

Wir haben es geschafft, sind am Grand Canyon angekommen und stehen mit den Rädern oben an der Schlucht! Der Grand Canyon, ich bin tief berührt (zählt eigentlich jemand mit, wie oft ich dieses Nebensatz benutze?). Ein Traum von mir wird nun wahr. Von hier oben können wir die Weite, Tiefe, die vielen Nebentäler und Nebenflüsse gar nicht richtig erfassen. Es ist einfach nur super beeindruckend! Wir werden es tun – einfach so – morgen wollen wir den Grand Canyon bis zum Colorado River hinunter wandern! Vorher müssen wir nur noch schnell ein paar Kilometerchen bis nahe des zentralen Touriorts des Parks am Canyonrand abradeln. Ein kleiner Platten lässt dieses Unterfangen knapp werden. Aber dann doch, kurz vor einbrechen der Dunkelheit schlagen wir uns ins Unterholz.

Bereits eine halbe Stunde vor der Öffnung des Backcountryoffices sitzen wir am nächsten Tag vor dem Gebäude und essen Frühstück. Wir wollten die Ersten sein, um das benötigte Backcountry Permit zu ergattern. Diese Erlaubnis benötigt man, um unten am Colorado River auf dem Campingplatz übernachten zu dürfen. Auf diese Weise werden die Besucherzahlen reguliert. Über drei Jahre im Voraus kann man dieses Permit reservieren, wir hoffen dass jemand seines nicht abgeholt hat und haben dann tatsächlich Glück! Schon das Paar nach uns erhält keine Erlaubnis mehr. Die Ranger in diesem Nationalpark sind super freundlich, wir dürfen unsere Räder und das nicht benötigte Gepäck in ihr Büro schieben und können es dort kostenlos abstellen. Wir hatten in diesem Punkt mit Problemen gerechnet und sind positiv beeindruckt.

Super froh sind wir auch, dass wir beide nun unsere großen und zudem bequemen Wanderrucksäcke nutzen können. Oft denkt Hardy über ihr Extragewicht nach, aber es lohnt sich. Beschwingt, voller Vorfreude geht’s los! Für den Abstieg nehmen wir den Bright Angels Trail, der in einer Nebenschlucht beginnt. 1335 Höhenmeter und 15,3 km liegen vor uns. Mit vielen anderen Wanderern laufen wir bergab. Die meisten laufen jedoch nicht so weit wie wir. Um Serpentine und Serpentine arbeiten wir uns hinab.

Am Indian Garden, einem Rastpunkt und Campingplatz mit Wasserversorgung machen wir Pause. Im Sommer gibt es auf dem Wanderweg viele Nachschubstellen für Wasser, da es in diesen Monaten hier super heiß ist. Aber nun, im Spätherbst, sind jene bis auf eine alle abgestellt. Wir müssen genug Wasser für den Tag mit uns herumschleppen. Auf vielen Hinweisschildern wird vor Überhitzung und Dehydrierung gewarnt. Aufgrund von Überschätzung und Gedankenlosigkeit gibt es hier viele Unfälle, bis hin zu Todesfällen.

Wir springen von Stein zu Stein und überqueren so drei kleine Bächlein. Mulischeiße liegt auf dem Sandweg, es stinkt nach Pisse. Aber wir finden’s wunderbar und sind richtig froh hier zu sein! Es ist so kommunikativ, ganz anders als beim Radeln. Schön anzusehen sind die sich verändernden Gesteinsschichten und die gelbgefärbten Pappeln. Es ist ein warmer Herbsttag.

Nach etwa 6h sind wir am Colorado River angekommen. Jener stellt sich als reißender, grauer Strom dar. Am nahen Campingplatz an der Phantom Ranch schlagen wir unser Zelt auf. Das Abendbrot fällt mager aus, wir hatten uns entschieden nur kalte Küche mitzunehmen. Bereits um 8 Uhr schlafen wir erschöpft ein.

Am Morgen merken wir mit Schmerzen unsere Waden. Wie Oma und Opa schreiten wir langsam staksend voran, die nicht endenden Felswände nach oben schauend. Den etwas kürzeren, dafür steilen South Kalib Trail wählen wir für den bevorstehenden Aufstieg. Gefrühstückt wird unterwegs. Die 1457 Höhenmeter und 11,3 km schaffen wir erstaunlicherweise in 5 Stunden. Wir freuen uns wie Kinder, es geschafft zu haben und wieder oben angekommen zu sein! Unsere Beine schmerzen so, wir können kaum laufen! Konditionell ist dieser Ausflug für uns kein Problem gewesen, doch scheinen sich unsere Laufmuskeln während es vielen Radelns verkümmert zu haben. Dennoch, trotz der noch zwei Tage anhaltenden Muskelschmerzen hat sich dieses nicht zu vergessende Abenteuer ohne Zweifel gelohnt!

Prescott

Auf unserem Weg Richtung Prescott sehen wir zum ersten Mal richtige Cowboys mit Lederkluft und echten dicken Colts an den Gürteln.

Heute ist Thanksgiving und wir haben, obwohl wir es uns sehnlichst wünschen, noch keine Einladung bekommen. Auch ein hoffnungsvolles Postieren vor dem Supermarkt in Williams hilft nichts. Nun gut, dann kochen wir unser Festessen eben selber und feiern alleine. Es gibt viel Beef, viel Reis, viel Tomatenmark, eine halbe Zwiebel und ein wenig Möhren. Wir werden pappesatt, so wie es sein soll. In der Nacht beschließt ein Nagetier aus Frust nichts von unserem Festessen abbekommen zu haben Hardys Schuhe anzuknabbern.

Wir radeln in Prescott ein. Sogleich fällt uns auf, dass es hier viel junge Leute gibt. In der Altstadt tobt das Leben. Viele Studenten springen umher.

Unsere Gastgeberin ist eine von ihnen. Luna ist aus Mexiko, in unserem Alter und studiert hier Human Ecology und Environment Law. Wir sind bei einer richtigen Couchsurferin gelandet. Als wir ankommen ist sie nicht da, aber die Tür ist offen. Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel, auf dem sie uns begrüßt und sagt, wenn wir das Haus verlassen, sollen wir den Schlüssel einfach unter die Matte vor der Tür legen. Luna scheint Zettel sehr zu mögen. In ihrem kleinen Apartment hat sie damit jegliche Schranktür und Schublade mit ihrem Inhalt beschriftet. Wahrscheinlich hat sie oft Gäste. Wir schlafen natürlich auf der Couch. Dekorativ hängen diverse Hüte herum und viele politische Publikationen schmücken die Wände, Anarchie und Veganismus sind die hauptsächlichen Themen im Bad.

Wir haben für uns drei vegan gekocht, als Luna nach Hause kommt. Gleich werden die Karten ausgepackt und mögliche Routen über die Baja California besprochen. Lunas mexikanische Wurzeln und ihr Wissen über das vor uns liegende Land sind für uns sehr hilfreich und interessant. In fünf Tagen läuft unser USA Visum ab, dann müssen wir über die Grenze. Mexiko, diese für uns noch so ungewisse Welt liegt vor uns wie ein großer Stein. Luna klärt uns über gefährliche Regionen auf und erzählt wie der Hase dort so läuft.

In Prescott lassen wir in einem Fahrradladen mein Hinterrad perfekt richten und kaufen neue Sportsocken. Während lustige Weihnachtsmusik dudelt, lassen wir in einer Wäscherei unsere Schmutzwäsche säubern und nutzen nebenbei das kostenlose Internet vor Ort. Die nette Betreiberin lässt uns noch bis zum Ladenschluss bleiben.

Nachdem wir Prescott verlassen haben geht’s mal wieder durch die Berge. Die schmale und wenig befahrene Straße mit den bewaldeten Hügeln erinnert uns stark an Kanada. Nach unserer Pause sind wir gut drauf und sausen nur so dahin.

Nach einer Steigung befinden wir uns plötzlich in einer ganz anderen Welt: flache Hügel und andere Pflanzen umgeben uns. Es wachsen Kakteen am Straßenrand! Zudem können wir in kurzen Hosen fahren. Wir haben an Höhe und Kälte verloren und finden es richtig toll!

An einer Tankstelle muss Hardy zum dritten Mal seinen aufblasbaren Globus auspacken. Die beiden Jungs aus Arizona sind mit ihren offen getragenen Pistolen sicherlich gut bewaffnet, nur können auch sie Argentinien und Alaska nicht richtig verorten… Hardy klärt sie auf. Hoffentlich zielen sie jetzt noch besser.

Unter kleinen Bäumen finden wir in der Wüste einen versteckten Platz für die Nacht. Da wieder alles jenseits der Straße eingezäunt ist, landen wir diesmal auf einem Jagdrevier. Aber niemand ist zu sehen. Da überall Feuerholz parat liegt, nutzt Hardy die Gelegenheit um ein gemütliches Feuerchen zu entzünden. Ich bin erst von dieser Idee nicht so angetan und scheue den Aufwand. Aber natürlich finde auch ich den romantischen Abend unterm Sternenhimmel dann klasse. In der Nacht besucht uns ein Wildschwein, wir hören es trampeln und verscheuchen es mit der Taschenlampe. Nun wissen wir auch, was hier gejagt wird.

Eine Sache möchte ich in den USA noch erledigen: einmal so richtig amerikanisch Frühstücken gehen, hatten wir doch von großen fettreichen Portionen gehört. Wir steuern ein kleines Diner in Aguila an und werden von den drinnen sitzenden Jägern gemustert. Ihre Jeeps draußen sind mit Gewehren reich bestückt. Wir bestellen Würste mit Spiegelei und ein Riesenstück gebratenen Schinken. Dazu gibt es winzige Pommes. Es ist schon viel und ausreichend, aber so richtig, richtig viel ist es nicht. Wir sind ein wenig enttäuscht, hatten mehr erwartet. Trotzdem macht es am Ende satt und wir können das Wlan benutzen. Wir erfahren, dass ein Schweizer Solarladegerätevertrieb, den wir wegen Sponsoring eines neuen Solarpanels angeschrieben hatten, ein erstes Interesse zeigt. Wir sind happy und überrascht und beantworten die Fragen schnell.

An einer Kunstgalerie bei Hope halten wir an. Im mexikanischen Stil sind die kleinen liebevoll bemalten Häuser um einen Innenhof herum angelegt. Die Künstlerinnen sind super nett und bieten uns Rotwein an, den wir dankend ablehnen. Nicht bei der Hitze. Dafür bekommen wir Kaffee und essen Erdbeeren. Ich würde gern länger hier bleiben, zu blöd, dass die Zeit drängt. Es ist wirklich schön hier! Überall hängt oder liegt Kunst herum. Ich entdecke drei getöpferte Dosen, die ich sehr schön finde. Susan, eine der Künstlerinnen bietet mir an, sie nach Berlin zu verschiffen. Ich schlage zu und wir machen den Deal, der später leider aus Kostengründen des Transportes doch nicht klappen soll.

Wir dringen ins amerikanisch-mexikanische Grenzgebiet ein. Das macht sich insbesondere so bemerkbar, dass wir viele Autos der Border Police sehen und ebenso Überwachungszeppeline über der Wüste kreisen, um Körperwarme zu registrieren. Auch interessant ist, dass Mexiko erstmalig 44 Meilen vor der Grenze auf den Straßenschildern angekündigt wird.

Uns würde es nicht wundern, wenn wir in der Nacht noch Besuch von der Grenzpolizei bekämen. Deswegen legen wir schon einmal die Pässe parat. Gut verstecken können wir uns heute nicht, von der Straße werden wir nicht mehr gesehen, aber theoretisch können wir schnell erreicht werden. Wie müssen sich wohl all die Menschen, die als illegale Einwanderer eingestuft werden, hier fühlen? Unweit entfernt hängt ein Überwachungszeppelin in der Luft, es blinkt rot in der Nacht und wir denken, dass die uns sicher sehen. Aber nichts passiert.

Am folgenden Tag heißt es sich zu beeilen. 70 km müssen vor um eins abgeradelt sein, denn unser Gastgeber in Yuma will um zwei schon wieder weg. Wir schaffen es und können unterwegs viele vermeintlich mexikanische Erntehelfer bei ihrer schweren Arbeit beobachten.

Yuma ist für uns mal wieder typisch amerikanisch. Es gibt kein Zentrum, die Straßen sind breit und Supermärkte, Apotheken, Restaurants und Geschäfte sind gleichmäßig in der Stadt verstreut, so dass kein Weg ohne Auto zu bewältigen scheint. Mit Angel wagt Hardy dennoch zu Fuß einen Trip zum Supermarkt. Wirklich auffällig wenig Fußgänger befinden sich auf den nicht ausgebauten Gehwegen.

Wir schlafen bei Angel und Ricky. Zwei 19-jährige, die in ihrer ersten gemeinsamen Butze leben. Angel hat sich schon einmal für Monate in Hamburg als Tellerwäscher verdingt und ist dann auch per Rad in Europa unterwegs gewesen. Hardy bäckt mal wieder Brot und inspiriert Angel gleich es ihm nachzueifern. Dies freut Ricky, der mit Hardys Brot seinen ersten richtigen Brotlaib zu Gesicht bekommt.

Am Abend trinken wir Bier und quatschen mit den Beiden. Was bringt die Zukunft ist die große Frage der beiden. Für Angel steht fest als Immobilienmarker über die Runden zu kommen. Ricky, gerade Hauswirtschaftskraft in einer Schule, plant schon fest mit einer Karriere als Gefängniswärter. Da gibt es wohl mächtig Schmotte und das beste ist, dass eine frühe Rente aufgrund der Strapazen in Aussicht steht. Seine Schwester macht es vor. Wir fühlen uns mit den beiden ein bisschen in unsere frühere Jugend zurück versetzt und genießen das Zusammensein. Hardy geht zwei mal zur Tanke Bier holen. Angel und Ricky dürfen ja nicht, sie sind noch zu jung.

Wir tanken ihnen auf der Couch Ruhe und Kraft vor dem anstehenden Grenzübertritt und dem neuem Land. Wir sind schon jetzt aufgeregt und haben mächtig Bammel, wissen nicht so ganz was uns erwartet. Morgen soll es losgehen. Es ist nicht weit weg, doch kommt uns vor wie ein Riesenschritt. Sechs Monate USA und Kanada liegen hinter uns. An den Abschied zu denken fällt uns jetzt schon schwer.

Mexiko, Spanisch, Lateinamerika, Gringoismus und Machoismus, bunte Märkte und Unübersichtlichkeit, eine Umstellung der Essgewohnheiten – wird wirklich alles anders?

Posted in Allgemein, USA (lower 48th)

Utahrunde (Nevada / Arizona / Utah / USA / Oktober – November 2011)

Nachdem wir Las Vegas verlassen haben, radeln wir in Richtung der beiden Nationalparks Zion und Bryce. Auf dem breiten Seitenstreifen des Freeways sausen wir dahin. Eintönig brausen viele Autos und LKWs an uns vorbei. Dieser Abschnitt bis nach Sankt George ist wirklich langweilig. Wir versuchen Strecke zu machen. Leider verursachen uns die Drahtstückchen der zerplatzten Autoreifen sowie herumliegende Glasscheiben arge Probleme. Etliche Platten sind die Folge! Ich kann mich mal wieder an meiner noch nicht ganz so super ausgeprägten Fähigkeit des Reifenwechsels üben. Eine großer Riss in meinem Mantel verursacht durch Glas macht mir Sorgen. Ich kann gut hindurch blicken. Mal sehen wie lange der schon recht abgefahrene Mantel noch hält.

Wir radeln durch eine ganz andere Wüstenlandschaft als die des Death Valleys. Zu beiden Seiten des Weges ist der karge Sandboden mit Gestrüpp bewachsen. Ab und an treffen wir auf Kakteen. Tagsüber ist es super heiß, abends kühlt die Luft angenehm ab.
Wir haben zwei Möglichkeiten die Stadt Sankt George und damit den Staat Arizona zu erreichen. Die Längere führt uns auf dem alten Highway über einen Pass, die Kürzere verläuft auf der neuen stark befahrenen Straße durch eine schmale Schlucht hinauf auf das Colorado Plateau. Wir wissen, dass es dort keinen Seitensteifen gibt und die Fahrspuren auf den vielen Brücken sehr eng werden sollen. Trotz besseren Wissens entscheiden wir uns aus Zeit – und Energieersparnis für die letztere Option, ein gefaehrlicher Fehler, wie sich später herausstellen soll.

Wir stehen extra früh auf, um mit dem morgens noch schwachen Verkehr die Strecke in Angriff zu nehmen. Doch weit gefehlt! Gerade los geschoben, stellt Hardy einen Platten fest, der meinige folgt kurz darauf. Mehrmals bauen wir die Räder ein und wieder aus, da auch die eingesetzten vermeintlich ganzen Schläuche bis zu sechs nicht reparierte Löcher aufweisen. Neben dem Freeway in der Wueste mit begrenztem Wasservorrat und nur mit der „Abhoertechnik“ sind uns anscheinend so einige Loecher am Vortag durch die Lappen gegangen. Bei dieser Flickerei und Radan- und Wiederabbauerei gehen bestimmt 12 Flicken drauf, sie kosten uns drei wertvolle Stunden.
Die nun folgenden 30 km werden zu einer nervlichen Tortour und bestimmt die gefährlichsten auf unserer Reise. Zweispurig, tatsaechlich ohne Seitenstreifen und ueber viele Bruecken schlaengelt sich der Freeway auf das Plateau. Brausend, super schnell und ganz eng zischen die vielen Autos und LKWs an uns vorbei, dazu wehen wirklich kräftige Windböhen. Tempo 70 mi/h sind erlaubt und werden auch gnadenlos ausgenutzt. Es hilft alles nichts, zurück können wir nicht mehr. Vorsichtig und langsam fahren wir weiter, dem Wind und Anstieg trotzend. Schutzengel begleiten uns durch diesen wahrscheinlich schoenen Canyon, dessen Anblick wir so gar nicht geniessen koennen. So mancher LKW-Fahrer laesst sein Horn als Unmutsbekundung ueber unsere Anwesenheit direkt neben uns laeuten. Wenn die wuessten, welch drastische Folgen unser Erschrecken fuer uns und fuer sie haben koennen. Aber sie haben recht.
Schließlich haben wir es durch den Canyon geschafft und die Straße weitet sich wieder. Puh, wir atmen dreimal durch. Wir haben es geschafft! Die Landschaft des Canyons ist atemberaubend, jedoch hatten wir keine Blicke dafür übrig, so gibt es auch keine Fotos von diesem Abenteuer. Wenn Ihr auch einmal den Abschnitt vor Sankt George beradeln wollt, kann ich Euch nur raten den alten Highway zu nehmen…

Nach diesen Strapazen überredet mich Hardy in Sankt George zum ersten Mal in ein Diner zu gehen. Wir wählen die Dinerkette Dennys und lassen es uns schmecken. Erstaunt stellen wir fest, dass es auf einmal eine Stunde später ist. Wir haben wohl eine Zeitzone überrollt, ohne es zu merken.

Zion Canyon Nationalpark
Wunderschön gelegen bestaunen wir den Zion Canyon. Schon vor Einfahrt in den Park ragen hohe Tafelberge in den verschiedensten rot und weiß Tönen in den Himmel. Der Kontrast zum strahlend blauen Himmel und den gelb und teilweise noch grünen Blättern an den Bäumen ist toll! Der Virgin River mäandert leise gurgelnd neben uns. Im kleinen Örtchen Springdale vor den Toren des Nationalparks finden wir einen Park, in dessen verwilderten Teil wir uns abends niederlassen wollen, um Geld für den Campingplatz zu sparen.
Mit diesem Plan in der Tasche parken wir die Räder am Eingang des Zion Canyons und steigen in einen der vielen Shuttlebusse, die durch das Gebiet fahren. Um die Natur zu schonen sind keine Privatautos erlaubt, man kann sich nur zu Fuß, per Rad oder in den Bussen durch den großen Park bewegen. Aus landschaftsplanerischer Sicht ist Hardy begeistert vom rot eingefärbten Asphalt, der sich passend in die Farben der umliegenden Felsenwaende einfuegt.
Wir machen eine fünf-stündige Wanderung auf den hohen Observation Point. Von hier haben wir eine tolle Aussicht auf das vor uns liegende Tal und die gegenüberliegenden Berge.

Beim Frühstücken im Park erfahren wir zwei schlechte Nachrichten: zum einen hat Hardy schon wieder einen Platten und zum anderen hören wir von einem Mann, dass im Bryce Nationalpark Schnee liegen soll. Jener liegt bei weitem Höher als der Zion Canyon. Uns erwarten also Steigungen und Kälte. Ich sage dazu nur: „Augen zu und durch!“

Zudem liegt ein weiteres Hindernis vor uns. Um den Zion Nationalpark in die gewünschte Richtung zu verlassen, müssen wir durch einen schmalen langen Tunnel, den Radler nicht befahren dürfen. Wir sind also auf eine hoffentlich vorhandene freie Ladefläche eines Pick Ups und die Gunst netter Menschen angewiesen.
Kurz nach Beginn des Anstiegs zum Tunnel hält auch schon ein Wagen neben uns. Na‘, das kommt ja wie gerufen! Ein älteres Pärchen bietet uns eine Mitfahrgelegenheit an. Sie erzählen hier vor Jahren schon einmal einem anderen Radler geholfen zu haben. Zudem berichtet Richard stolz, dass er vor kurzem mit seinen 84 Jahren als ältester Mann der Welt den Kilimandscharo bestiegen hat. Das beeindruckt uns sehr! Nach der Durchquerung des Tunnels machen wir zusammen eine kleine Wanderung und verabschieden uns herzlich.

Die Ausläufer des Zion Nationalparks sind sanfter und runder geformt als die bisherige Landschaft. Wir bewundern Sandsteinhügel mit toller Marmorierung, dazwischen wehen die leuchtenden gelben Blätter der kleinen Büsche im Wind. Hügelig geht es bergauf, das wird heute auch nicht mehr aufhören.
An der Kreuzung Nummer 89 verlassen wir dann endgültig den Nationalpark und machen in einer windgeschützten Ecke an einer Tankstelle Mittagspause. Per Reisebus sind wahnsinnig viele Japaner unterwegs, die sich wirr wie eine große Schulklasse benehmen. Wir schauen ihnen amüsiert zu.

Bis zum Bryce Canyon Nationalpark buckeln wir die Kilometer. Es wird immer kälter, der Wind und die Steigung nehmen zu. Ich habe Schwierigkeiten Hardys Tempo mitzuhalten. Um unser Zelt für den „Notfall“ aufzuheben, dessen Stangenzwischenstücke nun soweit gebrochen sind, dass wir keinen Ersatz mehr dabei haben, wollen wir es, nach langem Abwägen, soweit es irgendwie geht nicht mehr aufbauen. Dafür kreieren wir mit Plane und Spanngummies eine Höhle. Für diesen Part bin ich zuständig, da mir es irgendwie gelingt an den blödesten Stellen, etwa der Rückwand eines Klohäuschens in Kombination mit unseren Fahrrädern, etwas zu basteln. Der Wind weht durch die Plane und wir frieren. Diese Nacht wird besonders kalt. Morgens, kurz nach dem der Wecker klingelt, kommt auch schon der Klowaerter und leuchtet uns freundlich mit seiner Taschenlampe waehrend wir unsere leider nicht nur sieben Sachen zusammen packen.
Auch tagsüber radeln wir bis Mittags mit unserer dicken Unterwäsche, es sind nur 2,5 Grad. Wir stellen fest, dass wir Berge essen! Unser Körper braucht nun noch mehr Energie, um diese in Wärme umzusetzen.

Bryce Canyon Nationalpark
Der Bryce Canyon unterscheidet sich sehr vom vorherigen Nationalpark. Hier wird die Landschaft von sogenannten Hodoos geprägt. Sandsteintürme und Säulen in jeglicher Größe und Form ragen in den Himmel. Laut Geschichte entdeckte einst der Bauer Bryce vor vielen Jahren diesen Ort, der bis Dato unerforscht war, als er nach einer entlaufenen Kuh suchte.

Am sehr frühen frischen Morgen genießen wir das tolle warme Sonnenlicht, als wir den Ferryland Loop wandern. Sagenhafte Türme aus Sandstein säumen den Weg. Wir spazieren mitten hindurch und können uns nicht satt sehen und natürlich auch nicht aufhören zu fotografieren. Das tollste ist, dass wir die gesamte Szenerie zu dieser fruehen Stunde ganz fuer uns alleine haben!

Am Ende des Trails treffen wir auf ein verlassenes Reiserad! Es gehört Salva, von dem wir bereits gehört haben. Er hat doch tatsächlich sein Bike nicht angeschlossen während er nicht da ist! Auf seinen Packtaschen hat er Gedichte befestigt, die er für einen Dollar das Stück verkauft. Ein paar Leute scheinen welche mitgenommen zu haben, auf seinen Taschen liegen Geldnoten. Außerdem hat er eine Karte angebracht, aus der ersichtlich ist, dass er schon 6 Jahre um die Welt radelt. Wow! Aber alleine? Schade, dass er nicht da ist. Wir würden uns gern mit ihm unterhalten.
Am Sunsetviewpoint unternehmen wir die zweite Wanderung des Tages. Die Sandsteintürme sind hier dichter, die untergehenden Sonne färbt sie in ein tolles rotes Licht. Wir genießen es, den ganz den Tag nicht auf den Rädern zu sitzen und unterhalten uns viel. Sonst fahren wir oft nur stumm hintereinander her und jeder ist mit seinen Gedanken bei sich.

Von anderen Radfahrern hatten wir gehört, dass am nahen Campingplatz ein großes Tipi zum Vermieten aufgebaut sei und man des Nachts gut über den Zaun hüpfen könne, um darin zu schlafen. Dies haben auch wir heute vor. Im Dunkeln schieben wir die Räder an den Zaun, verpacken sie mit einer Plane zu einem nicht reflektierenden Paket und schwingen uns mit den nötigsten Sachen ins Tipi. Wir verdunkeln die Taschenlampe, denn schließlich wollen wir nicht entdeckt werden. Zügig verkriechen wir uns in die Schlafsäcke, es ist wieder affenkalt, wir sind auf über 2000 m Höhe und das Tipi ist bestimmt für 12 Personen ausgelegt. Zu zweit können wir es einfach nicht aufheizen. Zum ersten mal lege ich meinen Sommerschlafsack über den Winterschlafsack, dann ist es angenehm warm. Zudem schlingen wir die Daunenjacken um unsere Hüften. Das Thermometer zeigt -8 Grad Celsius an.
Im Morgengrauen räumen wir schnell das Nachtlager, niemand hat uns entdeckt, hihi! Als wir draußen die Wasserflaschen an den Rädern befestigen, fängt der Inhalt sofort an zu frieren. Um 8 Uhr morgens haben wir immer noch -5,6 Grad. Mit dicken Handschuhen, langer Unterwäsche und Daunenjacke starten wir in diesen Tag. Landschaftlich entwickelt er sich zu einem ganz besonderen.
Nasowas, Rückenwind und sogar eine Abfahrt, was ist denn hier los? Wir genießen es. In Tropic wollen wir vor einem kleinen Supermarkt endlich frühstücken. Doch wir werden von einem älteren belgischen Pärchen in Beschlag genommen. Freundlich wollen sie uns helfen und Auskunft über die nun vor uns liegende Strecke geben. Doch leider kommen diese Infos aus Autofahrersicht und helfen uns nicht viel weiter und zudem können sie die Karte nicht lesen. Hardy wird genervt. Zum Essen kommen wir nicht, den die beiden Senioren wollen weiter reden und uns Schokolade schenken. Okay, Hardy unterhält sich weiter, während ich schon einmal „demonstrativ“ anfange zu essen.
Das dörfliche, ländliche Utah genießen wir in vollen Zügen. Es macht riesen Spaß auf den kaum befahrenen Straßen dahin zu fliegen. Weite, Leere, Wüste und Steppenhexen umgeben uns.

Eine Steigung mit 12% kostet uns einige Mühen, langsam kraxeln wir hinauf. Wie immer wartet Hardy oben, den Fotoapparat abschussbereit in der Hand, um mich keuchend und schwitzend festzuhalten.
Die belohnende Abfahrt bringt uns nach Escalante, wo wir in einem der öffentlichen Parks gesponsert vom Lyons Club in der Sonne Mittagspause machen. Das Klohäuschen nutzen wir, um den Computer aufzuladen und uns mit warmen Wasser die Haare zu waschen.
Kurz vor Schluss diese Tages erreichen wir eine Plattform mit unbeschreiblichem Ausblick! Die Berge fallen nun steil ab, wir können den Blick in die Ferne genießen. Das abendliche Licht lässt die Kontraste warm und weich verwischen. Wie in Pastelltöne gehüllt liegt die Ebene vor uns.

 Boulder Mountain
Um in den schnuckeligen Ort Boulder zu gelangen, müssen wir eine 14% Steigung hoch. Hardy schafft alles zu fahren, ich schiebe an der steilsten Stelle. Er ist froh die Aussage im Reisefuehrer: „Das zwingt wohl jedem zum Schieben.“ widerlegt zu haben. Links geht es steil bergab, rechts reicht die Felswand bis an die Straße heran. Mensch, das war wirklich anstrengend! Nach dem wir erst 20 km geradelt sind, beschließen wir in Boulder Mittagspause zu machen. An der kleinen Tankstelle gibt es auch Kaffee. Boulder ist ein sympathischer Miniort, in dem es auch ein Museum gibt. Von hier aus kann man viele Wanderungen unternehmen. Ich ärgere mich, dass wir nicht mehr Zeit haben und ein wenig unter Stress stehen. Wir haben uns viel vorgenommen und unser US Visa läuft bald ab. Aber in Utah ist noch so vieles zu entdecken!
Der Boulder Mountain liegt vor uns, das heißt wir müssen 1000 Höhenmeter bis auf 2772 Höhenmeter radeln. Zudem ist der Boulder Mountain bekannt für sein schlechtes Wetter, Gewitter und Blitze sollen schon so manchen Radfahrer gepeinigt haben. Wir haben Glück, das Wetter hält sich.
Als ich einen Platten habe, ist Hardy bereits weit vor mir. Leider hat er Luftpumpe und Flickzeug. Jegliches Rufen, Winken oder das Tröten mit unserem Bärenhorn bringen nichts. Also setze ich die rollende Kommunikation ein. Ich stoppe ein Auto und bitte den Fahrer Hardy Bescheid zu geben. Dieser fährt zähneknirschend wieder bergab und wir flicken zusammen den Schlauch. Diesmal ist es kein Glas oder Draht gewesen, mein neues Antiplattband ist schuld, es hatte sich verschoben und mit der Kante ein Loch in den Schlauch gerieben.
Nach Stunden kommen wir oben an und sind heilfroh. Das Licht ist gedämpft, fast grau, teilweise liegt Schnee und es ist schon wieder kalt. Wir wollen noch ein bisschen bergab rollen, damit es heute Nacht nicht ganz so eisig wird und finden einen geschlossenen Campingplatz. Ein gurgelnder Bach versorgt uns mit dem nötigen Wasser. Ein Feuer spendet uns Wärme. Wir ziehen, nach langer Zeit wiedereinmal, das Essen mit vereinten Kräften auf einen Baum, denn wir sind im Bärenland.

Capitol Reef Nationalpark
An Halloween radeln wir in den Capitol Reef Nationalpark ein. Schade, wir hatten uns mehr von diesem gruseligen Fest erhofft, außer das die Damen im Besucherzentrum des Parks merkwürdige Mützchen aufhaben, bekommen wir nicht so viel mit von dem ganzen Trara um das Verkleiden.
Das Capitol Reef ist ein langgestrecktes Faltengebirge, welches vor rund 65 Millionen Jahren entstanden ist. Ein Scenicdrive führt durch den Park. Diesen radeln wir bis zum Ende, um über eine Schotterstraße in einen Canyon zu gelangen. Eng und Steil ragen die Felswaende zu beiden Seiten des Weges auf. Hardy kribbelt es in den Beinen und er klettert ein Stück auf der wie Schweitzer Käse aussehenden Felswand.
Am Wash Canyon unternehmen wir eine Wanderung bis zu einem steinernen Bogen hoch oben in den Felsen, dem Cassidy Arch. Die Räder schließen wir auf dem Parkplatz an, hoffentlich ist nachher noch alles da. Während des Wanderns vergleichen wir diese Reise mit anderen Fahrradreisen in der Vergangenheit. Nun sind wir bereit 5 Monate on tour und radeln etwa 1600 km pro Monat, sonst schafften wir in drei Wochen rund 1000 km. Hier fahren wir mehr und länger und transportieren wesentlich mehr Gepäck ueber hoehere Berge. Wir sind gut drauf, stellen wir fest.

San Rafael Dessert
Es ist, als fielen wir in eine andere Welt, als wir den Nationalpark verlassen. Schwarze aschfahle Berge, die später in Tafelberge übergehen, säumen die Landschaft. Nichts wächst hier. Es fühlt sich an, als seien wir auf einem anderen Planeten gelandet.
Nach 61 schnellen Kilometern machen wir in Hanksville am langersehnten Supermarkt eine Pause. Hardy macht sich ans Flicken der drei kaputten Schläuche. Denn auch bei ihm hatte sich die neu gekaufte Einlage im Mantel verschoben und ein Loch erzeugt. Wir beschließen die Mistdinger bald in Moab angekommen wieder herauszunehmen und uns qualitativ wertvollere und weichere zu kaufen. Moab, von dieser Stadt träumen wir. Wir brauchen dringend eine Pause, ausruhen, relaxen, eine Dusche und ein Bett sind ersehnte Zuckerstücke am Ende des Horizonts. Zudem soll unser neues Zelt dorthin geliefert werden. Wir sind wirklich reif für Urlaub, aber den werden wir uns erst auf der Baja California in einigen Wochen gönnen.

Aber ersteinmal liegt das San Rafael Dessert vor uns. Auf den weiteren 90 km Wüste ist kein Wassernachschub zu erwarten. Also füllen wir alle Flaschen auf und kaufen eine 2l Cola dazu. Trotz des Gegenwindes und der Steigung macht es uns Spaß mit 11km/h gegen den Wüstensturm und das nahende Gewitter anzukämpfen. Sand fliegt uns ins Gesicht, Steppenhexen werden wie im Western über den Asphalt getrieben. Die Weltuntergangsstimmung ist toll!

Abends ziehen die Wolken ab, so dass wir beim Zeltaufbau einen sagenhaften Sonnenuntergang beobachten können, der Himmel leuchtet in einem intensiven blau. Zur Sicherheit haben wir das Zelt in einer kleinen Kuhle hinter einer ebenso kleinen Sanddüne aufgebaut und mit allen vorhandenen Schnüren abgespannt. In dieser Nacht geht nichts daran kaputt.

Moab und Arches Nationalpark
Die kleine, wirklich nette Stadt Moab ist bekannt für ihr Mountainbike-Szene. In den umliegenden Bergen gibt es viele Trails in jeglichen Schwierigkeitsstufen. Ebenso wird Moab von zwei Nationalparks umgeben, dem Arches und den Canyonlands Nationalpark.
Als wir am Visitorcenter ein kleine Pause machen, werden wir von Alex angesprochen. Er ist professioneller Radrennfahrer und übers Wochenende vor Ort, um einen Workshop zu geben. Er läd uns in sein Hotelzimmer ein, um seine Dusche zu benutzen. Stinken wir so? Wahrscheinlich schon! Egal, gern nehmen wir dieses Angebot an. Er schenkt uns auch viele Päckchen Energie Beans, von deren Firma er gesponsert wird. Diese kleinen Bonbons voller Zucker sollen schnell Energie geben.

Da unser Zelt auf sich warten lässt, bleiben wir einige Tage bei unserer warmshower Gastgeberin Terry-Ann. Wir dürfen in ihrem Art-Studio schlafen, ein kleiner Holzofen spendet uns angenehme Wärme. Hier können wir ausschlafen und relaxen!

Terry-Ann ist eine direkte, taffe Frau. Sie hat das Haus ihrer Großmutter selbst um- und ausgebaut und tolle Wanddekorationen und Kunstgegenstände installiert. Das gesamte Bad ist mit Mosaiken verziert, was besonders mich begeistert. Auch der umliegende Garten ist voller Kunst. Terry-Ann sagt, sie möchte Müll recyceln und ihm einen zweiten Sinn geben. So finden alte silberne Radkappen ihren Platz, blaue Glasflaschen liegen in einem ehemaligen Lattenrost und der Hühnerstall ist ein geschwungenes Kunstwerk aus Lehm.

Als Terry-Ann Honig aus ihrem 20l-Kuebel anbietet kann Hardy sich nicht halten. Bienen, Bienen, Bienen sprudelt es aus ihm heraus. Und es wird noch toller. Terry-Ann kennt einen oertlichen Imker und vermittelt einen Kontakt. Hardy ist Feuer und Flamme. Schon am naechstem Tag koennen wir ihn Treffen.
Am folgenden Tag fachsimpeln Hardy und Jerry lange und vergleichen imkerliche Praxis in Deutschland und USA. Beuten, Tracht, Werkzeuge, Varroa, Faulbrut und und und. Jerry hat eine Aufgabe inne, die in Deutschland von der Gemeinde beauftragten Veterinaermediziner war genommen wird. Er betreut Imker in der Umgebung und muss im Falle vom Auftreten bestimmter Bienenkrankheiten entsprechende Massnahmen veranlassen. Er ist begeistert von der Fuelle an Befugnissen, die vergleichbare Position in Berlin beeinhaltet, versteht aber auch die Bedenken vieler Berliner Imker. Er hat jedoch zum. als Imker tatsaechlich Ahnung von dem Metier. Zwar ist er hier in der Region fast noch als Jungimker zu bezeichnen, imkerte jedoch frueher Jahrzehnte an der Ostkueste. Es ist wirklich interessant wie hier in der Wueste mit begrenztem Trachtangebot ausgezeichneter Honig erzeugt werden kann.
Hardy und Jerry stellen fest, dass sie mit unterschiedlichen Werkzeugen arbeiten und beschließen sie auszutauschen. So erhält Hardy ein Messer, das aussieht wie ein riesiger Tortenheber zum Abtrennen der Wachsschicht kurz vorm Schleudern. Und Hardy will für Jerry einen Stockmeißel zum Arbeiten an den Raehmchen besorgen. Da Jerry auch auf Töpferkunst steht und einige Werke in seinem Haus hat, wird es für mich wieder interessant.
Kurz vor der Verabschiedung erklaert Jerry, dass er uns sehr gerne eine private Fuehrung durch den Arches NP geben moechte. Da wir uns wirklich sehr gut verstehen knicken wir unsere Plaene den Park mit den Bikes zu erkundigen und verabreden uns.

Ganz komfortabel fahren wir also mit Jerrys Auto die lange Steigung zu den verschiedenen Arches hinauf. Auch weiß Jerry jede Menge zu der Geschichte und Entstehung der verschiedenen Bögen und Gesteinsschichten zu erzählen. Da er jahrelang im Besucherzentrum des Parks gearbeitet hatte und Geologie studierte, kann er uns auf das ein oder andere Detail aufmerksam machen, an dem wir sicherlich blind vorbei geradelt waehren. Im Arches NP sind durch spezielle Erosionsvorgaenge einzigartige wirklich bedeutend maechtige Boegen aus Sandstein entstanden. Sicherlich vielen aus Western bekannt, drehen wir unter den Boegen unsere Runden und essen schliesslich am Cassidy Arch, na was wohl?, Butterstulle mit Honig. Nach dieser Staerkung verlassen wir Arches NP und Jerry zeigt uns eine besondere Attraktion der Region. Gut versteckte praehistorische Felsmalereien werden nun von uns kletternd entdeckt.

Hardy will auch einen Mountainbike Trail ausprobieren. Er wählt den berühmten Slick Rock Trail, dessen Verlauf über glattes Gestein führen soll. Drei Stunden soll der Trail dauern. Fuer Anfänger gibt es eine Proberunde. Nach 1 Stunde auf den Anfaengerparkur beschließt Hardy es jedoch sein zu lassen. Sein Rad ist für solche Verhältnisse und Ansprüche einfach nicht geeignet. Staendig geht es hart bergauf und bergab. Das Material gerät an seine Grenzen. Ohne Vollfederung scheint die Strecke kein Spass zu sein. Er schiebt, bestaunt die Mountenbiker die ueber das raue Gestein huepfen und geniesst die Landschaft, die aussieht, als ob ein Duehnenareal ploetzlich versteinert wurde.

Während ich genieße diesen Tag mal allein zu verbringenden und mich ausgiebig mit dem Blog beschaeftigen kann, wandert Hardy spaeter mit seinem Imkerfreund Jerry durch die Canyonlands und hilft ihm anschließend mit seinen Bienen. Spaet am Abend liefert Jerry den strahlenden Hardy bei Terry-Ann ab. Die beide sind gute Freunde geworden!

Gut eine Woche haben wir bei Terry-Ann in Moab verbracht uns schliesslich findet auch unser neues Zelt seinen Weg. Endlich ist es da und wir können weiter! Das alte werden wir in einigen Tagen an Hardys Eltern nach Berlin zurücksenden. Wir verabschieden uns schweren Herzens von Terry-Ann und Jerry. Wieder faellt es schwer Good Bye zu sagen. Eine tolle Zeit in Moab geht zu Ende und damit auch der Besuch des sagenhaften suedlichen Utahs. Utah ist der vielleicht schönste US Bundesstaat, den wir bisher beradelt haben. Trotz oder gerade wegen der herbstliche Kälte, dem Verfärben der Blätter und dem tollen Sonnenschein und dazu die sich dauernd verändernde Landschaft, die Formen und Farben der Felsen, wirkte Utah unbeschreiblich facettenreich und enorm inspirierend auf uns.
Und nun liegt Arizona vor uns und auch Mexiko. Nur drei Wochen bleiben uns um der suedlichen USA einen Besuch ab zu statten.

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Death Valley, Wüstenerfahrung (Nevada / USA / Oktober 2011)

Highway 395

Nach der anstrengenden Überquerung der Sierra Nevada mit dem Höhepunkt des Tioga Passes mit seinen 3031 Hoehenmetern stehen uns zunächst zwei Routen zur Annäherung an das Death Valley zur Auswahl. Die eine führt über zwei weitere Pässe, entlang den Ausläufern der Sierra Nevada in eine Gegend mit vielen heißen Quellen. Die Andere verläuft ohne anstrengende Steigungen am großen Mono Lake vorbei.

Lange überlegen wir, ob wir die Bergroute wählen und trotzdem hinab zum See fahren sollen. Eine Abfahrt hieße jedoch auch, die verlorenen Höhenmeter anschließend wieder hinauf strampeln zu müssen. Wir entschließen uns die Aussicht auf den Mono Lake von unserem Standpunkt aus zu genießen und fahren weiter. Ich bin ein bisschen grantig ob dieser Entscheidung, zumal Hardy sich mal wieder ganz spontan umentschieden hatte, kann mich dann aber doch durch die spektakuläre Aussicht auf die steilen Westhänge der Sierra Nevada besänftigen lassen. Nach der rasanten Abfahrt des Tioga Passes strampeln wir also an diesem Nachmittag noch über zwei weitere Pässe, na nu‘ ham wa’s ja drauf!

Um uns von den Strapazen zu erholen sowie unseren Muskeln etwas Gutes zu tun, steuern wir zielstrebig unsere erste heiße Quelle auf dieser Reise, ach was sag ich, unsere erste heiße Quelle überhaupt, an. Lorraine und Nigel von der Eatwell Farm hatten uns vor einigen Wochen ihr Hot Spring Buch ausgeliehen und uns die heißen Quellen dieser Gegend, im wahrsten Sinne des Wortes, wärmstens empfohlen. Der Highway 395 wird für uns nun zum Hot Spring Highway.

Zur Auswahl haben wir den „crab cooker“ und den “hot tube”, wir wählen letzteren, er liegt nicht allzu weit abseits der befestigten Straße. Ein bisschen gravel road nach links, ein bisschen gravel road nach rechts und schon sind wir am Ziel. Der “hot tube” entpuppt sich als ein schön angelegter steinerner Pool mitten in der Wüste. Das heiße Wasser wird mit Hilfe eines Plastikrohres direkt ins Becken geleitet. Neben dem Pool treffen wir auf ein altes windschiefes silbernes Wohnmobil, wie es sie in den alten amerikanischen Filmen gibt. Mit ihm sind Al und Tanja mit ihrem Hund Scheeva auf einer zweiwöchigen Hot Spring Tour bis hoch nach Oregon unterwegs.

Der ältere Al mit Bäuchlein und Glatze scheint die heißen Quellen wie aus seiner Westententasche zu kennen. Genauso urig wie sein Besitzer ist auch das Innere des Gefährts, sanfte Musik, Räucherstäbchengeruch, Kissen und diverse Tücher an den Wänden versetzen uns nach Indien.

Als wir ankommen, ist uns die Hündin Scheva nicht gut gesonnen, aufgestellte Ohren und Nackenhaare, lassen uns aufmerksam werden und einen großen Bogen um sie machen. Hardy zückt schnell unser Barspray. Auch Tanja scheint das Verhalten ihres Tieres bemerkt zu haben und redet beruhigend auf sie ein. Es scheint zu helfen, so dass wir uns beschnüffeln können und Hardy wird mal wieder zum Hundeflüsterer. Eine Seite an ihm, die mir völlig neu ist. Vorher in Berlin war er, na‘ ich sage mal, nicht besonders an Hunden interessiert, wenn nicht sogar genervt von den Vierbeinern. Aber hier scheint er immer begeisterter zu werden! Freundschaft ist mit dem Husky geschlossen, wir dürfen nun auch unser Lager aufstellen.

Und da passiert es, ein riesen Insekt krabbelt unter mein Hemd. Als ich es nach mehrmaligem Krabbeln erblicke, kriege ich einen Schock, gebe kreischend hysterische Laute von mir und rufe eilig Hardy herbei. Nach einer gefühlten Ewigkeit hat er es endlich gepackt und entfernt. Puh! Sechs Zentimeter groß ist dieses bienenähnliche Ding gewesen. Weder gebissen, noch gestochen nehme ich mir vor morgen früh die Schuhe besonders gründlich vorm Anziehen auszuklopfen. Wir sind nun in der Wüste.

Glücklich genießen wir nach diesem anstrengenden Tag den wunderschönen Abend. Es ist unglaublich in dem heißen Wasser zu sitzen. Die Luft ist bereits kalt geworden, der Vollmond scheint, wir sehen Sterne und die uns umgebende Wüstenlandschaft glüht im Abendrot. Ausläufer der nahen Berge mit ihren verschneiten Wipfeln umgeben uns. Anfangs tragen wir brav unsere Badesachen, wir dachten es sei keine gute Idee im prüden Amerika, wo das Nacktsein unter Strafe steht, ohne alles zu planschen. Schnell stellt sich jedoch heraus, dass wir auf relaxte Hippies getroffen sind. Al und Tanja laden uns splitternackt auf eine Corona ein, wir bekommen sie sogar mit Zitrone und Salz serviert! Später lernen wir zwei weitere überzeugten Nudisten kennen, die uns voller unprüder Leidenschaft erklären, wie sie morgen die nahen Sanddünen nackt besteigen wollen.

So ein tolles Erlebnis, das wollen wir am nächsten Abend gleich wieder genießen! Also planen wir unsere Tagesetappe so, dass wir eine weitere heiße Quelle etwa 60 km weiter südlich am folgenden Abend anstreben. Dort werden wir auch unsere neuen Nudistenfreunde wieder treffen.

Am Nachmittag wollen wir im kleinen Städtchen Bishop noch einige Besorgungen machen. Vorher geht es ganze 15 km bergab, wir nähern uns der Meereshöhe… Leider stellen wir nun bereits ein zweites Mal fest, dass Hardys Hinterrad eine Beule aufweist. Diese wird schnell immer größer. Also steht nun auch der Besuch eines Bikeshops in Bishop auf dem Plan. Ganz langsam radelnd suchen wir ihn. Hardys Hinterrad macht plopp, plopp, plopp.

Glücklicherweise werden wir fündig. Als wir drinnen nach einem neuen Mantel Ausschau halten, hören wir plötzlich ein lautes Peng. Der Reifen ist explodiert! Na‘ dit nenn‘ ick ma‘ n‘ jutes timing! Zum Glück ist es nicht beim Radeln passiert! Der Verkäufer ist sich seines Geschäfts sicher. Wir kaufen auch einen neuen Schlauch, den zerfetzte es ebenso.

Der netter Verkäufer will außerdem für uns mit Schwalbe Kontakt aufnehmen, um Entschädigung zu bekommen. Schade, bis heute hören wir nichts von Schwalbe weder auf seine, noch auf unsere Anfragen bezüglich Entschädigung oder Ersatzreifen, hatten wir nun bereits zwei Beulen in den Reifen und diese Explosion.

Diese Nacht verbringen wir an der „Keough Hot Spring“. Ein paar aufeinander folgende Becken beherbergen hier das heiße Wasser in mitten brauner trockener Landschaft. Tuffgestein liegt herum, die Sierra Nevada liegt im Rücken.

Diese heiße Quelle ist größer als unsere erste, wir können sogar ein wenig hin und her schwimmen. Büsche und Blumen rahmen die Becken sehr schön ein. Abends treffen wir unsere Nudistenfreunde wieder. Leider konnten sie die Sanddünen nicht nackt bis auf den Gipfel besteigen, da sie mit ihrem sperrigen Wohnmobil nicht auf der schlechten Straße bis heran fahren konnten. Beim nächsten Mal wollen sie mit ihrem Jeep anrücken.

Auch lernen wir Scot kennen, der hier an der heißen Quelle die letzten drei Wochen verbrachte, während er auf die Reparatur seines Fahrrads nach einem Unfall wartete. Leider beginnen wir erst spät uns näher mit ihm zu unterhalten. Er scheint ein spannender Mensch zu sein und wir hoffen per Mail noch mehr Kontakt zu haben. Am nächsten Morgen schiebt er seinen Fahrradanhänger von dannen.

Unser Weg führt uns weiter Richtung Südost. Die Temperaturen nehmen zu. Wir stehen vor Sonnenaufgang auf und sehnen uns schon bald nach einer Mittagspause im Schatten. Hierfür nutzen wir Parks, die es in den kleinen Ortschaften, die uns an Überbleibsel der Wild West Zeiten erinnern, immer wieder gibt. Teilweise fließen sogar kleine Bächlein durch sie hindurch. Welch Erfrischung! Glücklich sitzen wir an einem Picknicktisch in Independence, nippen an unserer kalten Cola und essen Wassermelone bis wir fast platzen. Auch Hardys Fahrrad legt sich nieder. Ein Schlauch will geflickt werden.

Bei einer solchen Pause lernen wir Rainbow und seine Frau kennen. Sie kommen aus San Diego und laden uns zu sich ein. Mal sehen, vielleicht werden wir ihr Angebot irgendwann annehmen, sollte unsere Route durch San Diego führen.

In Lone Pine wollen wir die Alabama Hills besichtigen. Diese Gegend ist berühmt für ihre Steinkulissen, in denen viele Western gedreht wurden. Abgefahrene Steinskulpturen liegen links und rechts des Weges. Im Sonnenuntergang leuchten der Sandstein in einem warmen Gelb. Wir suchen uns einen schönen Platz abseits des Weges unter einem großen Baum und schlafen nur in den Moskitonetzen. Ein weiterer Platten erheitert die Abendstimmung.

Wir treffen auf eine Gruppe älterer deutscher Rennradler, die eine organisierte Radtour gebucht haben. Ihr Gepäck wird ihnen von Hotel zu Hotel gefahren, für Verpflegung ist gesorgt. Besonders die Eine unter ihnen ist von unserer individuellen Reiseart begeistert. Sie erzählt uns, schon einen Gruppenkoller gekriegt zu haben. Es ist ihre erste Reise mit dem Rad. Sie nutzt das Angebot , um sich so an das Radreisen heran zu tasten, wir reden ihr gut zu, es doch mal allein und nicht in einer vorgebuchten Form zu versuchen. In den nächsten Tagen werden wir sie immer wieder treffen. Diese sportliche Lady in den 40/50 -gern ist tief rotbraun gebrannt, ohne Hut und nur im knappen Busty mit Radlerhose unterwegs. Wir sind darüber sehr erstaunt und finden dies völlig verrückt! Um uns vor den Sonnenstrahlen zu schützen, fahren wir seit einigen Tagen trotz der Hitze in langer Hose sowie langärmligen Hemd.

Death Valley

Kurz nach Lone Pine zweigen wir auf dem Highway 139, der in den Hwy 190 mündet straight nach Osten ab, um das Death Valley in Angriff zu nehmen. Zuvor versorgen wir uns im Visitor Center mit den nötigen Infos, einer Detailkarte des Nationalparks und frischem Wasser. Wir sind erstaunt, wie viele Campingplätze und Wasserstellen es gibt. Zwar sind wegen der Nebensaison viele der Campingplätze geschlossen, was uns nichts ausmacht, aber Dank der guten Wasserversorgung muss hier niemand mehr verdursten.

Dennoch ist es für Radler notwendig den Wassernachschub, sowie anstehende Steigungen mit dem Stand der Sonne zu timen. Hingegen aller Vorstellungen ist das Tal des Todes nämlich gar nicht flach! Es ist von zwei Gebirgszügen eingefasst, die erst einmal bezwungen werden wollen. Hinzu kommt ein atemberaubender Asphalt, der sich für die Touristen durch die Wüste zieht. Von Straßenbelag sind wir sehr angetan!

Zunächst rollen wir über sanfte Steigungen durch das Panamint Valley, ein Tal, das dem Death Valley vorgelagert ist. Die Landschaft verändert sich. Trockene Sandwüste in einem Ockerton zu beiden Seiten des Weges. Es gibt keinen Schatten, unser Thermometer zeigt 39 Grad an. Wir sehen die ausgetrockneten Reste des Owens Lake, als wir an einer kleinen Siedlung vorbei fahren. Den Schatten der Häuser nutzen wir für eine kleine Verschnaufpause, denn die Hitze macht uns zu schaffen.

Dennoch müssen wir weiter. Vor unserem Etappenziel für heute liegen noch ein paar Steigungen. In das uns umgebene Ocker mischen sich nun Rottöne in den verschiedenen Gesteinsschichten. Die Landschaft ist atemberaubend, wir halten oftmals an, um unsere Blicke schweifen zu lassen und diverse Fotos zu knipsen. Trotzdem kommen wir erstaunlich gut voran. Nach dem aufstehen um 5:30 haben wir um 12:30 bereits 60 km geschafft. Ein Gebirgszug ist bezwungen. Auf dem Hochplateau angekommen, lassen wir unsere Blicke weit in die Ferne schweifen – Wüste in alle Richtungen. Wow, wir sind hin und weg. Irre Farbspiele und tiefe Täler fesseln uns.

Plötzlich hält ein blauer Jeep an, ein blonder Mann steigt aus und begrüßt uns mit den Worten: „Hardy und Alena aus Berlin, nehme ich an!“ Es ist unser alter Radelfreund Andre (andre-on-tour.blogspot.com), den wir vor Wochen im Norden Vancouver Islands getroffen hatten. Damals wollten wir eine Wanderung zum Cape Scott unternehmen und hatten ihn gefragt, ob er nicht mitkommen wolle. Da Andre uns damals sagte, er wolle auch bis nach Argentinien radeln, jedoch in einem Jahr, statt wie wir in zweien, musste er weiter Strecke machen und hatte keine Zeit zum Wandern. Schade, ich hoffe, er hat inzwischen seine Pläne geändert!

Wir sind überrascht Andre in einem Jeep anzutreffen, finden es aber auch toll, da er nun als „Autofahrer“ jede Menge Essen und Trinken dabei hat und uns großzügig mit Wasser, Äpfeln, Karotten, Twix und Keksen versorgt. Da ihn sein Vater bald besuchen kommt, ist Andre mit dem Auto in Richtung San Fancisco unterwegs. Die Beiden wollen eine kleine Rundtour machen. Sein Rad hat er bei Freunden in San Diego geparkt. Lange sitzen wir im Schatten des Wagens und tauschen Geschichten und Erlebnisse aus. Wir freuen uns wirklich sehr ihn wieder getroffen zu haben und unterhalten uns später noch lange über diese unerwartete und sehr schöne Begegnung.

Dann geht es hinab in rasanten Kurven. Der Fahrtwind weht uns um die Ohren. In einer Kurve trifft Hardy auf dem schmalen Seitenstreifen eine große Wüstenschildkröte.

In Panamint Springs, einem Ort, der aus einer Tankstelle und einem Hotel mit Campingplatz ohne Schatten besteht, dürfen wir unsere Wasservorräte auffüllen. Zum ersten mal befüllen wir auch unseren 10 l Wassersack. Er wird hinten auf meinen Gepäckberg geschnallt und ist ganz schön schwer. Aber wir wollen ja noch duschen. Wir schlagen unser Nachtlager direkt nebenan hinter der einzigen großen Düne auf und schlafen wieder nur unter den Moskitonetzen, die wir am Rad und an einem Busch befestigen. Die Stille in der Wüste ist unbeschreiblich.

Mit den nicht vorhandenen Hähnen stehen wir lange vorm Sonnenaufgang gegen 5 Uhr morgens auf. Der 20 km lange Anstieg auf den Towne Pass steht an. Bedrohlich liegt er vor uns. Wir schaffen es heute mal noch im Dunkeln loszukommen. Das warme Licht des schnell hereinbrechenden Sonnenaufganges mögen wir besonders gern. Wir nehmen den Pass in Angriff und kommen schon bald ordentlich ins Schwitzen. Bereits 20 Minuten nach Sonnenaufgang werden wir gegrillt. Es hilft nichts, oben angekommen sind wir noch lange nicht. Serpentine um Serpentine ringelt sich die Straße empor. Steigungen von 9 % auf 5 km halten uns beschäftigt. Es ist megaheiß, der Puls rast, im Nacken pocht es unangenehm. Beide müssen wir ab und an anhalten, um Luft zu holen und zu verschnaufen. Das hatten wir zuvor noch nie. Bald ist Hardy mal wieder vorne weg. Ich schleiche hinterher und erreiche endlich, nach drei Stunden bergauf radeln das ersehnte Schild. Der Pass ist geschafft!

Hardy wartet mit Keksen im Schatten seines Rades. Wir machen Pause und treffen zwei Rennradler der organisierten Reisegruppe wieder. Ätsch, trotz der Gepäckberge waren wir die ersten!

 Hinab geht es geschwind wie der Wind. Von ca. 1600 HM rasen wir auf 30 km hinab. Wir befinden uns nun auf dem Niveau des Meeresspiegels! Flimmernd und blass erscheint die Landschaft hier unten. Alle Kontraste verschwinden in der Mittagssonne. Umliegende Gebirgszüge halten die Hitze im Tal, es ist das regenärmste Gebiet der USA und galt auch lange zeit als die trockenste Region der Welt. Unattraktiv für fast alle Lebewesen und wir finden es atemberaubend! Death Valley! Ist irgendwie extrem nach den winterlichen Strapazen bei Yosemeti NP nun hier in der krassen Wüste zu sein!

Da sagt jemand, in der Wüste gebe es kein Leben! Am Campingplatz, sagen wir Parkplatz mit kleinen windschiefen Büschen, treffen wir auf wilde Bienen, die lechzend um einen Wasserhahn herum fliegen. Hardy, alter Imker, findet eine Plastikschüssel und füllt sie mit kleinen Ästen und Wasser für die Tiere. Erstaunlich, dass die hier überleben können.

Nicht weit entfernt liegt „Nellis Air Force, Bombing and Gunnery Range“, auf der anscheinend fleißig in Kampfjets geflogen wird. Leider drehen diese auch außerhalb ihres Reviers ihre Runden und erschrecken uns jedes mal zu Tode, wenn sie mit ohrenbetäubenden Lärm im Tiefflug zum Greifen nahe über unsere Köpfe hinweg jagen.

In Stovepipe Wells machen wir die verdiente Mittagspause. In diesem künstlichen Touri-Westernort finden wir unter einem Vordach eine Bank. Und auch Eis gibt es hier, welches wir genüsslich weg schlecken. Das Thermometer zeigt 40 Grad im Schatten. Ach gäb` es nur welchen auf den folgenden Kilometern!

Unser Weg führt uns an großen Sanddünen vorbei, an denen der weiße feine Sand zum Wandern und Herumtollen einläd. Leider nimmt uns die Hitze jegliche Energie. Wir laufen nur ein paar Meter hinein und drehen dann wieder um. Mich spricht ein Rennradler an, der sehr an unseren bikes interessiert ist. Er erzählt, dass morgen ein charity race der Organisation research for juventil diabetes stattfinden wird, der 105 Meilen durch das Death Valley führt. An jenem werden 350 Rennradler teilnehmen. Zusammen sammeln sie Geld im Kampf gegen Diabetes. Das hört sich doch interessant an!

Hardy macht die Hitze sehr zu schaffen, sein Kreislauf macht nicht mit. So fahren wir ganz langsam und halten oft an, um Wasser zu trinken und etwas Süßes zu essen. Verkehrsschilder müssen als einzige Schattenspender herhalten.

Abends kommen wir im Furnance Creek an, dem touristischen Zentrum des Death Valleys. Wie eine Oase liegt der kleine Ort eingebettet in einem Meer aus Palmen. Es gibt eine Dorfstraße, an den sich die Hotels, Bars und der einzige völlig überteuerte Supermarkt aufreihen. Wir wollen Kosten für den Campingplatz sparen und hatten bereits vor Einfahrt in den Ort rechts des Weges eine Stelle in den Büschen ausfindig gemacht, in der wir zur Not verschwinden wollen. Aber vielleicht werden wir ja noch eingeladen! Mit diesem, aehm „Plan“, im Hinterkopf setzen wir uns erst einmal vor den Supermarkt auf den Platz des Örtchens.

Es dauert nicht lange, da treffen wir unseren Rennradler wieder, der uns mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen bekannt macht. Es kommen immer mehr Rennradler des Charityraces herbei. Sie umringen uns wie eine Traube und wir müssen von allen Seiten Fragen beantworten. Fröhlich werden diverse Gruppenfotos geschossen. Wir scheinen diese Menschen sehr zu beeindrucken, sie wollen uns unterstützen und stecken uns Geld zu. Insgesamt bekommen wir 75 Dollar geschenkt und können dies kaum glauben! Auch unser Schlaf“-problem“ löst sich von selbst, die Söhne unseres neuen Bekannten, die nicht mitradeln, aber den Charityrace vor Ort unterstützen, laden uns ein, ihren Campingplatzabschnitt mit zu benutzen. Super! So können wir am folgenden Tag Zelt und Gepäck dort lassen und einen Tagesausflug unternehmen.

Wir wollen zum Badwaters fahren, einem ausgetrockneten großen Salzsee 30 km südlich des Furnace Creek, dem tiefsten Punkt Nordamerikas. Zu unserer Freude liegt unsere Route auf einem großen Teil der Rennstrecke und so fliegen wir zusammen mit vielen vielen Rennradlern über die Hügel der Wüste. Neben uns hören wir das Klacken der Schaltungen und das Ächzen und Krachen der Ketten. Jedes Mal, wenn uns Radler entgegen kommen, feuern wir sie jubelnd an. Unser großes Vorhaben bis nach Südamerika zu radeln scheint sich unter ihnen herumgesprochen zu haben und wir sind zu einer kleinen Berühmtheit geworden. Oftmals wird uns aus vollem Herzen ein „Argentinaaa!“ entgegen geschmettert. Auch ihre Leistung ist enorm: 105 Meilen, etwa 165 km, bei dieser Hitze in einer solchen Geschwindigkeit zu radeln, alle Achtung! Wir machen heute dagegen nur 60.

Der Badwatersalzsee liegt wie eine große weiße Decke vor uns. Es ist kaum zu glauben, wir befinden uns 86 Meter unter dem Meeresspiegel! Kein Ende ist in Sicht, durch die Hitze flimmernd verwischt sich der Himmel mit dem Horizont. Der weiße Boden blendet in unseren Augen. Fünf Zentimeter hohe Salzkrustenränder bilden wabenförmige Flächen über hunderte Meter. Das Salz knirscht beim Drüberlaufen. Ein Vorgeschmack auf den Salar de Uyuni in Bolivien. Unwirklich ist diese Landschaft. Wir machen tausend Fotos und Hardy nimmt sich etwas Salz als Andenken mit. Eigentlich möchte er es seinen Eltern später mitgeben, doch es wird die Zeit kommen wenn unser Salz alle sein und auch dieser Vorrat zum Würzen der Spagetti angebrochen wird…

Hier am Badwaters ist für Rennradler eine Versorgungsstation aufgebaut. Neben Dixitoiletten gibt es Aufhängemöglichkeiten für die bikes und jede Menge Essen und Trinken. Wir fallen neben den ganzen Autotouristen auf, kommen schnell ins Gespräch und dürfen uns dann auch wie selbstverständlich bedienen. Es gibt Sandwichs, Obst, Kekse und neben Gatorade jede Menge Powerriegel und Energiegels. Wir genießen dieses reichhaltige Superangebot und verdrücken eine Menge. Zudem treffen wir viele Radler von Gestern wieder und lernen neue Menschen kennen.

Auf dem Rückweg Richtung Furnance Creek machen wir am Golden Canyon halt. Eine enge Schlucht zieht sich durch die gelbfarbenen Felsen, die im Sonnenauf- und -untergang golden strahlen sollen. Aber auch hier macht uns die Hitze einen Strich durch die Rechnung, ermüdet laufen wir nur ein paar Meter des Pfades hinein.

Am Abend veranstalten die Organisatoren des Charityraces für alle Radler, deren Familien sowie für das große Supportteam ein Fest. Wir gehen vorbei, quatschen mit unseren neuen Bekannten und gratulieren ihnen zu ihrer tollen Leistung. Da kommt plötzlich der Hauptorganisator an und meint: “I have seen you today on the road, you are the couple on the way to Argentina. We made a decision. You are very welcome to celebrate with us. Take a lot of food and beer, go on!“ Natürlich freuen wir uns über diese herzliche und offene Art und auch darüber, dass wir für diesen Abend Teil dieser Gemeinschaft sein dürfen. Natürlich langen wir ordentlich am Buffet zu. Neben dem frisch gegrillten Fleisch finde ich den Schoko- und Waldbeerenkuchen besonders toll! Ein wenig unschlüssig an welchen Tisch wir uns denn mit ran setzen sollen, werden wir gleich von einem New Yorker heran gewunken, der bereits seit vielen Jahren als Coach bei dieser Organisation mitwirkt. Er meint, es wäre für ihn eine Ehre mit uns den Tisch zu teilen und ein tolles Gespräch zu haben. Wow, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.

Ein Programmpunkt des Abends ist eine Fotoshow von Aufnahmen des Tages sowie die anschließenden Reden. Wild bejubelt wird ganz besonders ein Foto: der Heiratsantrag eines jungen Radlers, der kurz vorm Ziel um die Hand seiner Freundin anhielt. Sie sagte natürlich „ja“! Dieser Radler bekommt auch das Trikot des desjenigen, der den Spirit dieses Rennens am stärksten verdeutlicht hat, verliehen. In den Reden wird sich bei allen Mitwirkenden bedankt und erzählt, was im Laufe des Tages so alles passiert ist. Auch wir werden von dem einen Redner erwähnt. Er erzählt, dass neben vielen anderen heute auch zwei weitere Radler auf der Strecke waren, die bis nach Argentinien fahren wollen. Alle applaudieren. Wir sind viel zu perplex um aufzustehen und uns zu erkennen zu geben! Es wird hervorgehoben, dass in diesem Jahr keiner der Teilnehmer wegen Hitzeschocks oder ähnlichem ins Krankenhaus gebracht werden musste. Uns wird erklärt, dass es in den vergangenen Jahren leider Zwischenfälle gab, da einige Radler selbst unter Diabetes leiden und ihren Blutzuckerspiegel bei der Hitze und Anstrengung dauernd im Auge behalten müssen. Bei lauter Musik, einem weiteren Nachschlag und mehr Bier klingt dieser tolle Abend aus.

Leider sind wir trotz Frühaufstehens am nächsten Morgen zu spät dran und erreichen nach einem Anstieg den Zabrisky Point erst nach dem Sonnenaufgang. Schade, die roten und beigen Steine sollen zu jener Tageszeit besonders schön angestrahlt werden.

Heute ist bei mir der Wurm drin, die Steigungen fühlen sich für mich besonders anstrengend an. Um Death Valley Richtung Osten verlassen zu können, müssen 30 km Anstieg überwunden werden. Langsam folge ich Hardy, der schon nicht mehr zu sehen ist. Irgendwann bequemt er sich mal anzuhalten und muss ganze 20 Minuten auf mich warten.

Mitten in der Wüste liegt die Death Valley Junction. Wie in einer Geisterstadt stehen hier verlassene und verfallene Häuser. Es fühlt sich an, als könnten jederzeit bewaffnete Cowboys auf ihren Pferden um die Ecke kommen. Aber nichts passiert. Ein großer Gebäudekomplex war einst ein stolzes Theater, nur ein kleines Restaurant ist übrig geblieben. Wir haben Glück, es ist offen. Bei einer Cola erklärt uns der Barkeeper, dass hier ganze vier Leute wohnen. Wir fragen uns, warum man hier wohl leben will.

Irgendwo im Nichts überqueren dann wir die Grenze zwischen Californien und Nevada und müssen auch hier entsetzt feststellen, dass fast ganz Amerika eingezäunt ist, sogar die Wüste ist eingerahmt!

Am späten Nachmittag finden endlich wir in Pahrump den Walmart. Völlig ausgehungert komme ich mit fünf prall gefüllten Tüten wieder heraus. Kein Wunder, haben wir heute schon 100 km geschruppt und keine Mittagspause gemacht. Im nahen Park gibt es dann ein ausgedehntes Picknick mit Orangensaft, süßen Teilchen und viel Obst. Heute Abend werden wir wohl nicht mehr kochen. Auch fahren wollen wir nicht mehr und suchen uns hinterm Ort ein Plätzchen in den Hügeln der Wüste. Hardy hat schon wieder ’nen Platten und muss flicken, ich schaue ihm zu und beobachte im Hintergrund unsere ersten Casinos Nevadas.

Las Vegas

Unser Etappenziel heißt Las Vegas, nur noch eine Mountain Ranch trennt uns von der Großstadt. Und da ist es endlich!

Unwirklich ragen die großen Gebäude des Strips in der Ferne in den Himmel. Unklar und schemenhaft können wir sie schon erkennen. Eine Stadt in der Wüste. Es sieht aus wie eine fantasievoll zusammengewürfelter Lego-Komplex. Wir haben es geschafft, unsere erste Wüstendurchquerung liegt hinter uns!

Diesmal heißt unser Gastgeber Kevin. Er wohnt im Westteil Las Vegas und stellt uns einen eigenen Raum zur Verfügung. Kevin ist einer der drei Administratoren des warmshowers-Netzwerkes und erzählt uns viel darüber. Auch hat er jahrelang seinen Lebensunterhalt als professioneller Pokerspieler verdingt. Dies interessiert Hardy besonders und so erfahren wir eine Menge über die komplexen Hintergründe, die Psychologie und Taktik des Pokerns. Bei Kevin befindet sich eine kleine Bibliothek zu diesen Themen. Wir lernen in welchen Casinos Las Vegas um große Steaks gespielt werden und wieso Casinobetreiber lieber kein Pokerspiel anbieten würden.

Bei Kevin ist ein weiterer Radler zu Gast und so lernen wir Martin aus Berlin kennen. Er startete in New York und ist ebenso Richtung Südamerika unterwegs. Von ihm bekommen wir den Tipp jeweils einen weiteren Trinkflaschenhalter am Steuerrohr zu befestigen. Der Griff zur Flasche fällt so um einiges leichter. Danke Martin, endlich ist der richtige Platz für unser Frühstücksbier gefunden!

Wir wollen vier Tage bleiben, denn mein 28. Geburtstag steht an und den wollen wir hier feiern. Zudem haben wir uns nach langer Überlegung gegen unser altes und für ein neues Zelt entschieden und möchten hier Recherche betreiben. Bei unserem alten Zelt waren seit Beginn der Reise immer wieder Zwischenstücke der Zeltstangen gebrochen und auch ein Reißverschluss ist verschlissen. Die Firma Wechsel hatte uns ein neues Set stabilerer Zeltstangen zugesagt, aber auch aus Platzgründen wollen wir unsere Wohnung verändern.

In einem kleinen Klettershop werden wir letztendlich in einem Katalog fündig. Die amerikanische Firma Nemo scheint uns interessante Zelte zu produzieren. Sie haben das Zelt nicht vor Ort, aber der nette Verkäufer hat genau das Zelt unseres Interesses zu Hause und bittet seine Frau es vorbei zu fahren. Gemeinsam schieben wir die Kleiderständer zur Seite bauen es im Laden auf. So gut es eben geht, testen wir es und Fragen den Verkäufer Löcher in den Bauch. Gegenüber unseres altes Zeltes kommt uns dieses vor wie eine Villa, der Platzunterschied im Innenzelt ist gewaltig. Wir erbeten uns Bedenkzeit und entscheiden uns schließlich für dieses Model, ein Losi Dreipersonenzelt von Nemo soll es diesmal sein. Hoffentlich wird es uns bis nach Feuerland begleiten! Wir lassen das Zelt zur unserer nächsten Gastgeberin in Moab (Utah) senden, wo wir in etwa zwei Wochen ankommen werden. Unser altes Modell wollen wir nach Hause zu Hardys Eltern schicken.

Von Hardy bekomme ich zu meinem Geburtstag einen selbstgebackenen Schokokuchen und ein scharfes kleines Keramikmesser geschenkt. Zur Feier des Tages wollen wir Essen gehen. Wir landen in einem asiatischen Restaurant, es ist sehr lecker. Danach geht’s auf ins Getümmel auf den 8 km langen Strip.

Hell in allen Farben angeleuchtet fallen wir in eine andere Welt: Venedig, Paris, Schneewittchens Märchenschloss, Pyramiden und diverse Türme und Hochhäuser sind wild aneinander gereiht. Jedes dieser Hotels/Casinos wartet mit Attraktionen, Prunk und Ausgefallenheit aller Art auf und versucht die unzähligen Touristen mit ihren flotten Dollars an sich zu binden. Gerade beginnt eine Piratenshow. Mit viel Geschrei, Gesang und Getanze kämpft eine Gruppe männlicher gegen eine Gruppe weiblicher Piraten. Am Ende geht das Plasteboot mitten in der Wüste unter und die knapp angezogenen Piratinnen gewinnen. Die Touristen-Meute zieht weiter.

An zwei Abenden tun wir uns den Spaß an, leider kommt Hardy nicht ganz auf seine Kosten. Er hätte gerne noch mehr und intensiver in diese verrückte Welt mit mir hinein geschnuppert, doch kommt bei mir der Ekel. Horden betrunkener Gestalten mit blitzenden Augen bevölkern nachts den Strip, kreischende Glamourgirls verkünden die frohe Botschaft einer eben stattgefundenen Hochzeit.

4690 In den Casinos drängeln sich die Menschen ums Roulette, das Geld sitzt locker. Ein-Pence-Automaten an den Eingängen locken mit dem schnellen Gewinn. Hardy findet`s lustig und betreibt soziale Studien, wie er sagt. Ich finde es grässlich und kann mich nicht darauf einlassen. Der offensichtliche Reichtum und Überschwang steht im krassem Gegensatz zu den vielen Obdachlosen, die auf den Gehsteigen sitzen.

Natürlich bekommt mich Hardy überredet auch mal was zu riskieren und so mache ich dann doch tatsächlich aus einem Dollar sieben an einem Automaten. Mit dem Glück kommt die Sucht, ich kann nicht aufhören und habe dann schon bald alles wieder verloren. Insgesamt lassen wir 5 Dollar auf dem Strip. Wird als doch nix aus dem Recreation Vehikel (mit Bootsanhänger). Müssen weiter strampeln. Nach einem Gespräch mit Kevin ist klar wo es lang geht. Weiter Wüste und Berge, dass soll es sein. In Utah und Arizona scheinen Radelstrecken zwischen den Naturschönheiten rar zu sein.

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