Kurz nach Verlassen Fairbanks in Alaska (USA) haben wir den Nordpol passiert. In North Pole, ca. 20 Meilen oestlich von Fairbanks wohnt der Weihnachtsmann. Hier ist alles festlich geschmueckt, sogar Mastleuchten sowie der Mast des McDonalds-Zeichens sind rot-weiss geringelt. Das Santa Clause House ist ein einziger grosser Weihnachtsbasar. Hier kann man fuer viel Geld allen erdenklichen Weihnachtskitsch erstehen. Hardy besorgt sich die kitschigste Postkarte, die er bekommen kann. Im Garten warten Santas Rentiere… und viele Touris mit ihren Fotoapperaten, uns eingeschlossen.
Uns erstaunt die staendige Praesenz von Millitaerfahrzeugen auf den Strassen, Menschen in Millitaerkluft in den Orten oder der wirklich riesigen Eielson Air Force Basis, die wir recht bald passieren. Anhalten sowie Fotos Knipsen ist ueber viele Meilen strengstens verboten. Kleine und grosse Kampfjets drehen mit ohrenbetaeubendem Laerm ueber unseren Koepfen ihre Runden und setzen zum Landeanflug an. Es ist interessant und erschreckend, diese grossen Flugzeuge aus naechster Naehe beobachten zu koennen.
Ansonsten gibt es nicht sehr viel ueber die Strecke zwischen Fairbanks und Delta Junction zu berichten. Tatsaechlich ist der Verlauf des Highways schon meilenweit im Voraus zu ueberblicken: Weite Strecken Schnurgeradeausfahrens ohne nennenswerte Steigungen oder Gefaelle; markante Blickpunkte am Wegesrand fehlen.
Von Mayo aus Chemnitz, unserem Host fuer eine Nacht, erfahren wir spaeter, dass z.B. Piloten aus Deutschland und Frankreich anreisen, um auf dieser Airforce Basis ausgebildet zu werden.
Mayo versucht hier mit Freunden ein kleines Business aufzubauen: Sie vermieten Cabins und Zimmer an Touristen und bieten Kanu- sowie Hundetouren an.
Er gibt uns einen Tip in Puncto Baerensicherheit, den er selbst von den Einheimischen hier bekommen hat: Wir sollen eine leere Coladose mit kleinen Steinen fuellen und diese schuetteln oder an unseren Raedern befestigen. Die Baren moegen ein solches Geraeusch nicht. Mayo war mit diesem Trick schon des oefteren in den Waeldern unterwegs und hat nicht einen Baeren getroffen.
Am folgenden Abend treffen wir Chris und Adrian wieder und teilen uns einen Platz auf einem der staatlichen Campingplaetze. Bei Regen machten wir es uns unter unserer Plane gemuetlich und kochten Nudeln mit Tomatensauce. Hardy uebernimmt den Bratmaxelpart und kreiert unser erstes Elchgulasch mit Zwiebeln. Das ist unglaublich lecker! Elchfleisch schmeckt ungeheuer wuerzug und ist nicht im Supermarkt zu erhalten. Wir bekamen es von Mayos Partner geschenkt.
In Delta Junction, einem kleinen Ort mit Buecherei und Supermarkt trennten sich unsere Wege, Chris und Adrian sind einfach schneller als wir. In der Buecherei geniessen wir eine Internetstunde (dort finden sich immer wieder Computer zur kostenlosen Benutzung).
Nun rollen wir auf dem Alaska Highway, dem offiziellen Anfang der Panamericana!
Auf die staendigen Wetterwechsel hier in Alaska muessen wir uns oftmals neu einstellen. Da heisst es Regenjacke und -Hose sowie -Gamaschen rausholen oder uns unter unsere Plane verkriechen. Hardy mag es ueberhaupt nicht im Regen zu radeln. So verbringen wir einen ganzen Tag im Zelt aufgrund von Dauerniederschlag mit Vorlesen und Schlafen. Wegen der Baerenssicherheit haengt unser Essen ca. 200 m weit weg im Baum. Das ist gemein, haben wir doch Hunger. Am spaeten Nachmittag, als der Regen nachlaesst, koennen wir uns aufraffen, um, in Regenkleidung verpackt, zu koecheln.
Nach Regen folgt Sonnenschein und so koennen wir unseren Weg nach Tok fortsetzen.
In Tok befindet sich der fuer uns letzte groessere Supermarkt bis Dawson City. Wir kaufen ein wie bekloppt, um spaeter mit Freude all die Kilos die Berge hoch zu schleppen. Ausserdem goennen wir uns einen Restaurantbesuch. Alena geniesst bei Fast Eddies diesmal einen besonders leckeren Burger mit Avokado und Sojasprossen, waehrend sich Hardy an der all-you-can-eat-Salatbar ueberfrisst. Wir koennen diese Sensation in der Kleinstadt nur empfehlen!
Wir kommen mit Tony ins Gespraech. Er kommt aus Phoenix und moechte so wie wir irgendwann an der Suedspitze Suedamerikas ankommen. Seinen Tag-genauen Reiseplan unterteilt in Varianten A, B und C hat er zum Glueck schon aufgegeben. Anfangs wollte er 150 Meien am Tag schaffen. Obwohl er flink und mit wenig Gepaeck unterwegs ist, muessen wir doch herzhaft gemeinsam mit ihm ueber dieses Ziel lachen. Er stellt sein Zelt auf dem nahen Campingplatz auf und laed uns ein, dort den Abend mit ihm zu verbringen. Dazu sowie zu heissen Duschen sagen wir nicht nein. Spaeter am Abend schaut noch Alexis mit einem Sixer Bier vorbei. Er moechte auch nach Suedamerika radeln, aber wird dies wohl nicht mit seinen beiden im Internet kennen gelernten Radelpartnern umsetzen wollen… wie sind gespannt wann und mit wem wir ihn wieder treffen werden.
Nach einer schnellen Fahrt treffen wir auf die Ecke Taylor Hwy / Alaska Hwy und biegen in den ersteren ein. Bereits eine saftige lange Steigung am Beginn der Strasse gibt einen Vorgeschmack auf die kommenden Tage. Der Taylor Hwy muendet nach der kanadischen Grenze in den Top of the World Hwy. Die Strecke ist wunderschoen, doch sehr anstrengend zu fahren. In den ersten beiden Tagen geniessen wir bei Sonnenschein die tollen Ausblicke und uebernachten am Fusse des Mount Fairplay (1600 m) auf einem Plateau in Mitten eines Meeres kleiner Bluemchen. Hier muessen wir unsere Lebensmittel aufgrund Baummangels erstmals einige hundert Meter weit entfernt abstellen. Abends kochen wir Reis mit Tomatensauce und muessen leider feststellen, dass wir nicht den schnell kochenden, sondern den Naturreis gekauft hatten. Viele hungrige Minuten vergehen, bis wir endlich unser Abendbrot bei herrlichem Abendrot hinunterschlingen koennen. Wir geniessen die Stille und den weiten Blick und sehen sogar schneebedeckte Begspitzen in weiter Ferne.
Der schoene asphaltierte Strassenbelag aendert sich bei Chicken, einem kleinen alten Goldgraeberort, der heutzutage eher touristisch genutzt wird, in eine matschige Lehmpiste. Die heran nahenden Regenwolken lassen ahnen, wie die folgenden Tage zu bewaeltigen sein werden…
Fuer 15 $ kann man in Chicken in einem vorgefertigtem Trog Gold waschen, das verkneifen wir uns. Statt dessen hatten wir schon auf einem oeffentlichen Claim mit Hilfe unseres Deckels und unseres Tellers unser Glueck versucht und sogar einige goldenschimmernde Stueckchen Etwas aus dem Baechlein geholt.
Eine weitere Atttraktion in Chicken ist eine alte haushohe Dredge (eine Maschine zum Goldbuddeln und -baggern). Wir verbringen viele Stunden im Ort, wie immer, wenn wir ein offenes Wlan-Netz finden. Lange unterhalten wir uns mit zwei Amerikanern. Er fuhr mit dem Rennrad von West nach Ost durch Amerika, sie folgte mit dem Caravan.
Chicken sollte 1902 Ptarmigan heissen, ein indianische Name. Nur wusste niemand, wie dieser korrekt geschrieben wurde. Obwohl, wie wir erfahren, es ein Name sein sollte, der nicht Quelle von Gelaechter werden wuerde, fiel die Wahl auf Chicken; es musste wohl ein Vogel sein.
Genauso wie sich der Strassenbelag verschlechtert, aendert sich auch das Wetter. Wir kaempfen uns auf der nun schlammigen Piste vorwaerts. Der Lehm ist wie Kleber unter unseren Reifen. Alenas Stimmung erreicht den vorlaeufigen Tiefpunkt. Wir geben bald auf und suchen lang nach einem geeigneten Schlafplatz.
Am folgenden Tag erreichen wir abends voellig erschoepft und verdreckt ein kleines Oertchen namens Boundary. Ach was sagen wir Oertchen, Siedlung ist auch schon zu viel gesagt. Wir treffen John und Brady in einer alten Bar. Des weiteren gibt es fuenf andere alte verwitterte Holzhaeuser. 1903 wurde die Haeuseransammlung gebaut, waerhrend des Goldrausches. Der spaetere Besitzer baute das Ganze zu einer Bar und einem Souvenierladen um, drehte jedoch durch und machte vieles kaputt. So konnten wir uns anhand von alten Einschussloechern in der Kueche von den damaligen Ereignissen ueberzeugen. Im Souvenierladen gibt es z.B. noch alte Postkarten und Kalender, Ohrringe und Schnapsglaeser zu bestaunen. Das ganze Areal gleicht einer Geisterstadt, die nun von John und Brady durchstoebert wird. Der Onkel von Brady hat das Gelaende gekauft. Mit zwei Claims ist er eher im Goldgraeberbusiness taetig, was anscheinend ganz gut laeuft. Er zeigt uns mit einer Pfanne die richtige Technik und meint, bei ihm gehe es Tag zu Tag besser. Auch hat er Goldklumpen im Wert von 5000 $ in der Hand. Boundary will er vielleicht im naechsten Jahr wieder auferstehen lassen. So lange sind Brady und John die Jungs fuer alles, geben den Touris Kaffe und zeigen ihnen die alten Geraetschaften rund um die Huetten. Anscheinend duerfen sie nicht mit zum Goldsuchen gehen. Sie bezeichnen sich zwar als Goldminer, wir treffen sie jedoch meistens in der Kueche beim Kochen an und werden mit Reis und Steak und zum Fruehstueck mit Pancakes, Saussage und Bacon verwoehnt. Da die nahe Grenze schon um 18 h schliesst, hatten wir uns entschieden den Abend in Boundary zu verbringen.
Am naechsten Morgen faellt es uns schwer Boundary und die lieben Jungs zu verlassen, haben wir die gemuetliche und aeusserst freundliche Atmosphaere genossen, hier auf dem letzten Fleckchen Alaska vor der Grenze zu Kanada.
Unser Weg fuehrt uns steil ansteigend weiter zum Grenzposten. Hier treffen wir auf eine strikte, aber ganz freundliche Beamtin, mit der wir ein kleines Interview fuehren muessen. Wir erhalten sechs Monate Kanada-Aufenthalt. Dies ist unser zweites Land, unser zweiter Stempel im Pass. Wir freuen uns sehr!
Nun geht es auf dem Top of the World Hwy im sanften auf- und ab weiter. Wir erfuellen uns damit einen weiteren lang ersehnten Traum. Zwar haben wir keine Blicke auf schneebedeckte Berge, doch sind wir bestaendig auf dem Kamm und sehen weite Huegellandschaften. Das Wetter laesst sich nicht lumpen und spendet uns Temperaturen bis ueber 30 Grad. Wir beschliessen in den Bergen zu campieren und finden eine einsame exponierte Stelle mit einem Felsen zum Klettern sowie einer Vorrichtung zum Aufhaengen unserer Lebensmittel. Wir erklimmen den Felsen und geniessen den 360 Grad Blick. Der Top of the World macht seinem Namen alle Ehre und Alena bemerkt: „Berge, Berge vor uns, hinter uns, rechts und links, die nehmen ja gar kein Ende!“
An diesem Abend treffen wir Ron und seine Familie, die uns von den zu erwartenden Canada-Day-Festivitaeten in Dawson City berichten. Wir verabreden uns und sollen sie spaeter wieder treffen.
Kurz vor Dawson City, nach einer langen steilen Abfahrt, sehen wir das Yukontal durch die Baeume blitzen. Dieser Fluss, der lange die Hauptverkehrsader ins noerdliche Alaska sowie ins kanadische Hinterland darstellte, liegt nun greifbar nahe vor uns. Lange stehen wir fassungslos an der Strassenbegrenzung und koennen uns diesem atemberaubenden Anblickes nicht entziehen. Damit erfuellt sich auch ein Traum Alenas. Wir hatten im Vorfeld viele Buecher ueber Flos- und Bootstouren auf dem Yukon gelesen.
Eine oeffentliche kostenlose Faehre bringt uns ueber den schnell stroemenden Fluss und schwups stehen wir in Mitten Dawson Citys. Sofort denken wir an Alaska-Kid, einer der Romanfiguren Jack Londons, dessen Werke wir uns gerade abends gegenseitig vorlesen. Die Atmosphaere wirkt tatsaechlich ein bisschen wie wir sie uns vorgestellt haben, die Strassen sind geschottert und mit hoelzernen Gehsteigen eingefasst. Im Ort verteilt finden sich noch Gebaeude aus Dawsons Gruenderzeit um die Jahrhundertwende. Auf dem innerstaedtischen Campingplatz treffen wir Christoph, einen Reiserennradler, den wir bereits einen Tag zuvor in den Bergen kennengelernt haben. Wir koennen auf seinem Campingplaetzchen mitzelten. Christoph reist mit einem 8 kg Rennrad plus 10 Kilo Gepaeck und meint, dass er ein Cycling Adventure und wir ein Adventure Cycling machen wuerden. Er lebt noerdlich von San Francicsco und laed uns ein, ihn bei Zeiten zu besuchen.
Als wir waschen und duschen wollen, kommt ploetzlich Adrian angeradelt. Er hatte so ein Gefuehll uns in der Stadt zu treffen. Wir verabreden uns fuer eine abendliche Sause. Wir landen im Casino, dem aeltesten Casino in ganz Canada. Sehr interessiert lassen wir uns von Chris und Adrian die Regeln des Black Jacks und Rouletttes erklaeren und beobachten, wie hundert Dollar Chips schnell in die Schubladen der Bankiers wandern koennen. Alles in allem findet Hardy das Ambiente unglaublich aufregend (Alena eher weniger). Leider ist die Schliesszeit bereits um 2 Uhr und auch in den anderen Bars gibt es nichts mehr zu erstehen. Wir wanken zu den Zelten.
Am 1.Juli, dem Canada Day, treffen wir Ron bei der Gold-Wasch-Meisterschaft wieder. Er macht uns mit dem deutschen und oestereichischen Teilnehmer bekannt und nimmt selbst in der Chechakoo (Gruenschnabel) Liga teil. Im Nachhinein aergert sich Hardy es nicht ebenso versucht zu haben. So sind wir nur Zuschauer und feuern Ron an, als er eifrig die Pfanne in einem der grossen Waschtroege schwingt, um ca. drei winzige Goldstueckchen zu waschen.
In Dawson treffen wir auch Erich und seine Familie. Erich ist ein Couch Surfer, dessen Haus leider offensichtlich schon voll ist. Wir werden zu einem Abendessen eingeladen und erleben eine unglaublich herzliche und offene deutsch-spanisch-englisch sprechende Familie und lernen in einem Schwung 15 neue Menschen kennen. Wir werden nach Venezuela eingeladen, dort verbringen sie des oefteren den Winter.
Natuerlich besuchen wir die Cabin Jack Londons und relaxen auf einem Campingplatz auf der Westseite des Yukons. Wir pflegen mal wieder unsere Raeder. Nur schwer koennen wir uns nach einigen Tagen aus der gewohnten Umgebung wieder hinaus in bestaendig wechselnde Orte auf die Reise begeben. Mit dem Besuch Dawson Citys geht eine Zeit voller Eindruecke aus alter und neuer Zeit rund um den alten und aktuellen Goldrausch dem Ende entgegen.