Dawson City bis Whitehorse (Yukon/Canada im Juli 2011)

Endlich verlassen wir langsam die Kleinstadt Dawson City auf dem Klondike Hwy. Zuvor hatten wir ausgiebig mit Anselm aus Muenchen gefruehstueckt. Anselm hatte eine Kanutour auf dem Yukon von Whitehorse bis Dawson gemacht und wurde unser Zeltnachbar. Mit kleinen Reisegeschichten hatten wir uns die Zeit waehrend des Nieselregens vertrieben. Nach einem Besuch der Library, bzw. des Internets vor Ort, und einem Einkauf im Supermarkt koennen wir endlich losrollen. Wie immer passiert dies erst am spaeten Nachmittag.

Das naechste Etappenziel heisst Whitehorse und ist ca. 550 km entfernt. Auf den ersten 20 km passieren wir Geroellhalden und grosse Kiesberge. Wir glauben, dass dies Hinterlassenschaften des modernen Goldrausches sind. Hier in der Gegend wird das Gold hauptsaechlich aus dem Felsen getrennt. Diese Methode nennt sich hardrock mining und ist vom konventionellem Goldwaschen, dem placer mining, zu unterscheiden. Riesige Raaben kraechzen uns zu. Die Landschaft wirkt verwuestet und hat hier nichts mehr von dem von London beschriebenen Flair. Vielleicht auch, da kein Schnee liegt und es stattdessen ueberall Fruehlingshaft blueht. Sowieso freuen wir uns ueber jede neue Blumenart, die wir am Wegesrand entdecken koennen. Das Fortschreiten unserer Reise wird durch den andauernden Wechsel der Vegetation untermalt. Stetig vorhanden ist das Fireweed. Es sticht durch seine leuchtend pinke Praesens immer ins Auge. Fireweed ist Alaskas Nationalblume. Wir denken nocheinmal zurueck an unsere Erlebnisse in Alaska, denken an die Baeren und Muecken und freuen uns nun Canada durchfahren zu koennen.
So richtig stellt sich bei Hardy das Canadafeeling aber noch nicht ein. Er weiss eigentlich auch nicht so richtig was er erwartet hat. Auf den ersten Kilometern sieht es natuerlich noch genauso aus wie in Alaska, gut, die Angaben auf den Verkehrtsschildern sind nun in Kilometern und am Strassenrand befinden sich nur noch alle zwei Kilometer Entfernungsangaben. Wir werden sehen welche Veraenderungen in Zukunft auszumachen sind.

Wir radeln nur 40 km bis zum naechsten Campingplatz an der Ecke Klondyke Hwy / Dempster Hwy. Von dort will Hardy unbedingt Richtung Norden reisen und ins 780 km entfernte Inuvik trampen. Hardy ist Feuer und Flamme ueber den Arctic Circle zu gelangen und die tolle Landschaft auf der Fahrt zu geniessen. Alenas Freude haellt sich in Grenzen, es zieht sie auf dem nun schoen aspaltierten Highway ‚gen Sueden.
Eigentlich wollten wir die Strecke mit den Raedern bewaeltigen, aber nach unseren Schlechtwetter- und Matscherfahrungen auf dem Taylor- bzw. Top of the World Hwy, haben wir nicht das Beduerfnis dies uns noch einmal so schnell anzutun. Der Weg nach Inuvik ist zudem einiges laenger als unsere letzte Bergetappe. Der Plan B ist, die Raeder sowie unnoetiges Gepaeck bei den Campingplatzbetreibern zu deponieren und nur mit den Rucksaecken in den hohen Norden zu reisen.
Unser Plan ist gut, die Realitaet sieht leider anders aus: Wir warten volle sechs Stunden in der prallen Sonne, 20 Autos passieren uns, aber niemand kann oder moechte uns mitnehmen. Die Naehe der abgestellten Bikes und das Wissen um die Moeglichkeit sofort weiterradeln zu koennen machen uns ganz wuschig. Wir brechen das Projek Inuvik ab und strampeln noch ein Weilchen in den anbrechenden Abend hinein. Irgendwie ist Trampen nicht unser Ding. An einem kleinen Fluss finden wir eine alte verlassene Cabin, bauen unser Zelt daneben auf und kochen auf dem alten Holzbettgestell in der Huette waehrend es draussen regnet.

Der Klondyke Hwy ist durchweg asphaltiert. Auf dem eher groeberen Belag rollt es sich jedoch erstaunlich gut. Wir kommen schnell vorwaerts und machen des oefteren an die 100 km pro Tag. Auffallend sind die vielen Hinweisschilder auf Elchherden, wir sehen leider keinen. Dafuer bekommen wir massenweise arktische Erdhoernchen zu Gesicht. Diese leben in Hoehlen an den Haegnen am Strassenrand und flitzen mit lautem Geschrei in ihre Behausungen wenn wir sie passieren. Dabei benutzen sie ausgetretene Pfade, welche auf den beschriebenen Haengen ein Geflecht aus Erdhoernchenautobahnen ergeben. Diese Tiere sind wirklich putzig.

Wir passieren eine Region, in der 1998 das Fox Lake Fire tobte. Bei diesem Waldbrand, der durch ein nicht geloeschtes Campingfeuer verursacht wurde, brannte ein gigantisch grosses Gebiet ab. Es wurde fast ein ganzes Jahr benoetigt, um das Feuer entgueltig zu loeschen. Auf einem 2 km langen Wanderpfad durch den abgebrannten Wald koennen wir die verkohlten Ueberreste der Baeume sowie die neu wachsende Vegetation bestaunen. Hier ist natuerlich das Fireweed als erste mit dabei. Diese Art der Pioniervegetation kann ueber Samen Jahrzehnte im Boden ueberdauern, um dann bei Vorhandensein von offenem Boden und sonnigen Standorten flaechendeckend zu spriessen. Der Pink-Kohlrabenschwarze-Kontrast ist zwar schoen anzusehen, wir sind beide aber sehr beruehrt und erschrocken von den kahlen und verkohlten Ueberresten der Pflanzen. Die Strasse fuehrt uns noch lange an den abgebrannten Haengen vorbei.

Am Wegesrand treffen wir auf das zweite „honey“ Schild an der Strasse waehrend unserer Reise und sind sehr gespannt. Wir wollen unbedingt Honig aus der Region direkt bei einem Imker kaufen. Beim ersten Schild in der Naehe von Fairbanks war leider niemand zu Hause.
Diesmal ist die Imkerin da! Sie und ihr Sohn sind gerade damit beschaeftigt zurechtgeschnittene Fischstreifen in den Raeucherofen zu haengen. Diese, wie auch ihren Honig, moechte sie am kommenden Donnerstag auf dem Fire Weed Market in Whitehorse verkaufen. Dort treffen wir sie spaeter auch wieder.
Wir sehen den beiden in Ruhe und mit viel Interesse zu. Hardy nutzt die Gelegenheit seinen Wissensdurst sowie Kommunikationsdrang ueber das Imkern zu stillen. Er darf sich auch die Beuten anschauen gehen. Sie werden hier mit Elektrozaun gegen Baeren gesichert. Leider hilft dieser nicht gegen das Einwandern der Varroramilbe und die Imkerin muss nun lernen auch mit dieser Art umzugehen.
Wir probieren verschiedene Honigsorten und entschliessen uns dazu ein Glas Fire Weed Honey mitzunehmen, begleitet uns diese Pflanze schon seit vielen Kilometern. Leider ist die Imkerin in Eile, so kommt kein richtiges Gespraech in Gange, zu Hardys Bedauern.
Alena ist ganz froh darueber, freut sie sich schon auf das Mittagessen am nahe gelegegen Fox Lake.

Die Sonne burnt, der grosse See liegt ruhig und klar vor uns, ein Mann putzt seinen eben zuvor gefangenen Fisch und Kinder spielen im Wasser. Heute gibt es fuer uns neben Peanutbutter und Honig auch eine Tomate auf die (labrige) Stulle. Was fuer ein Luxus, toll! Wir geniessen das Sitzen, Essen sowie den suessen Tee und muessen uns doch recht bald wieder aufraffen, da wir an diesem Aben ein festes Ziel vor Augen haben: den Lake Laberge. In Berlin in den Reisevorbereitungen hatte Alena so einiges ueber den Bau von einer Blockhuette am Ufer des Sees oder ueber eine Hundeschlittenfahrt im Winter auf diesem See gelesen, moechte sie ihn nun unbedingt in Natura sehen sowie Zeit dort verbringen.

Die 30 noch vor uns liegenden Kilometer wollen kein Ende nehmen. Dazu kommt eine lange Baustelle. Wir fahren ueber Sand und Schotter und werden aufgrund der Trockenheit unangenehm eingestaubt.
Endlich erscheint am Strassenrand das langersehnte blaue Schild, auf dem der staatliche Campingplatz in 2 km Entfernung angezeigt wird. Unsere Freude ist gross, wir geniessen die folgende Abfahrt und finden schnell ein freies Plaetzchen oberhalb des Ufers. Es gibt eine Wasserpumpe und gehacktes Feuerholz liegt auch schon parat. Die Campingplaetze hier im Yukon sind einfach toll! Der Lake Laberge ist rauher und ursprueglicher als der Fox Lake. Das Ufer ist felsig und mit kleinen Bueschen, Moos und Bluemchen bewachsen, in ihm befinden sich einzelne Inseln. Alena ist begeistert von der Schoenheit des Sees und kann nicht genug Fotos vom See in den verschiedensten Abendstimmungen knipsen.
So lange wir noch vom Radeln aufgeheizt sind, versuchen wir ein Bad zu nehmen. Dies gestaltet sich als schwierig, denn der See ist eisekalt. Hardy waehlt die Hau-Ruck-Variante mit lauten ahh und ooh, Alena eher die Schritt fuer Schritt Badetechnik mit weniger Toenen, dafuer krampfartig verspanntem Oberkoerper.
Beide haben wir Erfolg und sitzen andaechtig nebeneinander am Feuer. Wir geniessen unser Abendbrot, Nudeln mit Tomatensausse und die wunderschoene Aussicht auf den See, als ploetzlich unser Wohnmobilnachbar, ein Deutscher, der eine dreiwoechige Canada-Rundreise unternimmt, mit zwei gekuehlten Bier im Arm rueberkommt. Er ist von unserer Tour begeistert und moechte etwas dazu beitragen. Wir freuen uns einen Kullerkeks und geniessen den immer besser werdenden Abend mit zwei Yukon Gold, eine Biersorte, die uns besonders gut schmeckt. Zudem geht die Sonne unter und verfaerbt den Himmel sowie die Wasseroberflaeche in wunderschoene Rot-Toene. Wir sind gluecklich hier zu sein.

Bevor wir am folgenden Tag auf den Highway zurueckkehren und unsere letzte Zwischenetappe bis nach Whitehorse antreten, statten wir der nahe gelegenden kleinen Mom’s Bakery einen Besuch ab. Wir treffen auf eine kleine aeltere Dame, die uns erzaehlt, dass die den Sommer ueber am Lake Laberge verbringt und im Winter nach Mexico pendelt. Was, Mexico? Haben wir da richtig gehoert? Wir erzaehlen ihr unsere Plaene und kommen ins Gespraech. Sie hat einige nuetzliche Tipps fuer uns und laed uns ein, sie im Winter zu besuchen. Wie schoen, unser erster Kontakt in der Ferne!

Als wir am fruehen Nachmittag in der Stadt Whitehorse eintrudeln, stuermen wir erstmal den Supermarkt. Seit langem ist dies ein riesiger seiner Variante und Alena ist beigeistert! Fuer das Picknick am Fluss kaufen wir Tomate und Cola. Hardy wartet draussen und trifft, zum ersten mal auf unserer Reise, auf unangenehme betrunkene Gestalten. Zudem lernt er aber auch eine Gruppe junger Mexicaner kennen, die ebenso mit dem Rad unterwegs sind. Der eine spricht sehr gut deutsch. Wir werden, heute zum zweiten Mal, nach Mexico eingeladen.
Am Ufer des Yukons befindet sich ein schmaler Parkstreifen, wir fletzen uns auf den Rasen und geniessen das Mittagesen.
Da kommen Chris und Adrian vorbeigeradelt! Sie sind schon seit drei Tagen in Whitehorse und wollen morgen weiter. Wir haben gehofft, aber nicht damit gerechnet, sie noch einmal zu treffen. Wir freuen uns ueber das Wiedersehen und Hardy wird etwas neidisch, als er hoert, dass sich Chris ein Angelset gekauft hat. Dies wird wohl eine Aufgabe fuer die kommenden Tage sein…

Whitehorse hat seinen Namen erhalten, da das Wasser des Yukons sich an den Stromschnellen so aufwirbeln soll, dass es wie die kraeuselnde Maehne eines Pferdes aussieht. Wir finden diese Namensgebung sehr schoen und halten vergebens Ausschau nach dem kraeuselnden Wasser. Leider sind wir zu spaet dran, denn noerdlich der Stadt wurde ein Damm gebaut. Die Stadt am Ufer des Yukons ist natuerlich schachbrettartig aufgebaut und ist voller quirligem Leben. Uns gefaellts endlich mal wieder urbanes Flair erleben zu koennen.
Auch Manfred und seinen Freund treffen wir wieder! Die beiden hatten wir in Dawson bei den Goldwasch-Meisterschaften kennengelernt. Wir berichten uns gegenseitig von dem bisher Erlebtem. Die beiden fliegen in zwei Tagen zurueck.

Wir wohnen bei Maegan, Chris und Ashley. Meagan hatten wir ebenso ueber das warmshower-Netzwerk gefunden, sie ist auch eine Radlerin. Wir sind von der WG begeistert, des oefteren werden wir an zu Hause erinnert. Auch hier gibt es eine Regal voller Alkoholika, kleine Streitigkeiten wer wann putzt und auch zwei Katzen, Minikitty und Eleonor. Wir verstehen uns super mit den dreien, kochen zusammen, trinken Eiskaffe und quatschen. Insgesamt bleiben wir drei Naechte bei ihnen. Mit Chris und Meagan treffen wir uns, um eine kleine Radtour zu einem nahe gelegenden Waldsee zu unternehmen und schwimmen zu gehen.
Wir verbringen so viel Zeit vor Chris Computer, um u.a. den Blog neuzugestalten, dass wir beide ziemlich genervt sind. Endlich schaffen wir es vor die Tuer! Zu Fuss erkunden wir die kleine Stadt, kaufen Postkarten und bummeln durch die Souvenirlaedchen. Der Klondyke II statten wir einen Besuch ab, einem alten Musuems-Holzschiff, das frueher Reisende und diverse Waaren den Yukon hinauf und hinunter bis nach Dawson City transportierte. Auch Hardy ersteht in diesen Tagen sein mini-Angelset und freut sich wie ein kleiner Junge.

Meagan stellt Ohrringe und vegane Backwaren fuer den Fire Weed Market her und ist den ganzen Morgen in der Kueche am Herumwirbeln. Wir helfen ihr den ganzen Kram mit den Raedern zu transportieren. Es regnet in Stroemen, wir bekommen einen Vorgeschmack fuer ein Wettenphaenomen, dass wir nach dem Denali Nationalpark gut verdraengt hatten und nun leider regelmaessig nach uns schauen wird.
Der Abschied, insbesondere von Meagan, faellt uns sehr schwer. Wir haben sie schnell in unser Herz geschlossen. Noch lange reden wir darueber, ob wir nicht noch ein paar Tage haetten bleiben sollen, um mehr Zeit miteinander zu verbringen. Nur wollen wir auch weiter und muessen wohl mit dieser Art des Abschiedschmerzes klarkommen. Das naechste Abenteuer ruft…

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