Irgendwo, mitten im Nirgendwo überschreiten wir die Grenze von Utah nach Arizona.
Ein Traum Hardys wird wahr, als wir gemächlich auf die Felsen des Monument Valleys zurollen. Schon von weitem erscheinen sie am Horizont. Gewaltig thronen die von der Sonne angestrahlten Monolithen in der Weite der sie umgebenen Wüste. Kindheitserinnerungen werden wach, wir sind nun im Land von Lucky Luke und dem Marlboro Mann! Yeah! Die Bilder der einstigen Zigarettenwerbung vor’m Beginn der Kinofilme scheinen sich bei uns beiden ins Gedächtnis geprägt zu haben. Es ist fast, als säßen wir wie ein Cowboy auf seinem Ross und ritten durch die Prärie.
Wir suchen uns einen Campingplatz im Navajo Reservat, dem riesigen Areal in dem auch das Momument Valley zu finden ist. Wir versuchen uns hier besonders gut zu verstecken, denn hier wird wohl kein Spaß verstanden. Jenes ist in der trockenen baumlosen Wüste ganz schön schwierig. Traumhaft leuchten die fernen Felsen am Abend, wir haben doch einen super Platz gefunden! Heute bauen wir zum ersten Mal unser neues Zelt auf, es riecht noch ganz frisch. Dank des vorhandenen Platzes im Innenzelt kommen wir uns vor wie in einer Villa!
Am nächsten Tag zieht starker, kalter Gegenwind auf, mühsam radeln wir bis zum Visitorcenter. Mir reicht’s, mein Körper braucht eine Pause. Ich bleibe hier drin in der kuscheligen Wärme und fletze mich auf das bequeme Sofa, während Hardy ohne Gepäck die 20 km lange Schotterpiste auf sich nimmt. Er bleibt zwei Stunden im Tal, umrundet die Felsen und unterhält sich mit den Verkäufern an den Schmuckständen. Den Term „Indian Diamonds“, der uns als Bezeichnung der vielen, wirklich vielen Flaschensplitter auf dem Seitenstreifen im Reservat (Alkohol wurde hier von der Reservats eigenen Verwaltung verboten und darf so nicht im Auto aufgefunden werden…) genannt wurde, finden die gar nicht lustig! Von der gewaltigen Landschaft geflasht kommt er zurück. Total geil soll’s gewesen sein!
Bei starkem Sturm brechen wir wieder auf und schaffen heute nur noch 15 km. Zudem haben wir keine Chance einen Schlafplatz zu finden. Alles ist eingezäunt! Wir befinden uns nun auf dem Gebiet der indigenen Bevölkerung Amerikas, auf dem Wildcampen strikt verboten ist. Aber was bleibt uns übrig? Es wird schon dunkel und es ist einfach nichts zu machen. Also warten wir einen autofreien Moment ab, öffnen eines der Gatter im Zaun und schleichen uns auf die Weide bis in einen Canyon bis wir eine versteckten Stelle finden. Schnell wird das Gatter danach wieder geschlossen und weg sind wir.
Page, Antilope Canyon
Der heftige Gegenwind hört auch am folgenden Tag nicht auf. Mühsam kurbeln wir mit 12km/h voran. In Kayenta kehren wir denn auch mal in einem MC Donald ein, um den heißen Kaffee und das vorhandene Internet zu genießen. Wir wollen gar nicht mehr raus, immer wieder wird der Kaffeebecher von uns kostenlos aufgefüllt…
Zum Wind gesellt sich auch noch Steigung hinzu. Nach dem 18. zu überwinden Hügel für diesen Tag höre ich auf zu zählen. Viel Strecke schaffe wir heute nicht und suchen uns an der Ecke Highway 160/98 einen Platz zum Schlafen.
Heute haben wir gute 100 km vor uns, wollen wir abends in Page ankommen. Die Strecke gefällt uns sehr, es geht durch weite Prärielandschaft auf der Pferde dahin galoppieren. Unterwegs treffen wir an einem kleinen Verkaufsstand auf eine sehr nette Frau. Sie verkauft Schmuck. Ich schlage bei einem Paar Ohrringen zu. Als wir ihr von unserer Reise erzählen, stellt sich heraus, dass sie nicht weiß, wo Argentinien ist. Hardy holt zum 2. Mal in den USA den aufblasbaren Globus heraus und zeigt ihr Argentinien und Alaska.
Wir sind vergnügt und kommen pünktlich um 5 Uhr in Page an. Diesmal heißt unser Gastgeber Robert. Er ist arbeiten und so muss uns sein 15jähriger Sohn Devin das Haus zeigen. Er macht dies, Radlergäste empfangen, zum ersten Mal und weiß nicht so recht, was er uns zeigen soll. Macht nichts, Hardy quasselt einfach wild drauf los und so werden wir bald warm. Robert und Devin leben in einem langgezogenen Trailerhome. Für uns ist es besonders spannend auch mal in einem solchen zu wohnen. Am einen Ende ist Roberts Zimmer und am anderen das von Devin, in der Mitte befinden sich Küche und Wohnzimmer. Devin räumt extra für uns sein Zimmer. Robert arbeitet als Rettungshelfer in einem Hubschrauber und berichtet uns von abenteuerlichen Einsätzen in dieser abgefahrenen Gegend. Seine Rettungseinsätze reichen bis hin zum Arches Nationalpark, den Canyon Lands und dem Grand Canyon. Um mit den Geschehnissen und dem Gesehenen klarzukommen und dies zu verarbeiten drehen sie auf den Rückflügen ab und an Runden durch die wunderschöne Gegend. Dabei lassen sie sich auf sonst nur schwer erreichbare Bögen absetzen, fliegen wieder weg und knipsen Fotos von sich. Spielen nennt er das.
Mit Robert verstehen wir uns prächtig. Abends kochen wir zusammen und sinnieren lange feucht fröhlich bei Flaschen des besten Weins. Robert möchte eine drei monätige Radtour durch Europa machen. Wir versuchen mit ihm zusammen eine Route zu planen und ihm mit unserem Wissen und Erfahrungen weiter zu helfen.
Hingebungsvoll und total vertieft basteln Hardy und Robert am folgenden Tag an den Rädern, dabei hilft die vorhandene voll ausgestattete Fahrradwerkstatt sehr. Unsere Radlager müssen unbedingt gereinigt werden. Mein abgebrochener Ständer wird durch einen neuen ersetzt. Leider weisen die Konen unsere beiden Vorderradlager Rillen auf. Diese werden wir wohl später austauschen müssen. Aber erst mal muss es damit weitergehen. Wir schmieren ordentlich Fett drauf und schrauben wieder alles zusammen.
Wir entschließen uns die kleinen und nicht die großen der nahen Antilope Canyons zu besuchen. Traumhaft schön windet sich der durch Auswaschung entstandene, enge Canyon tief in den Boden hinein. Die Farbspiele der von der Sonne bestrahlten ausgewaschenen Wände faszinieren uns sehr. Lange halten wir uns im Canyon auf. Der junge Navajo Guide, ohne den man hier nicht herein gehen darf, hat auch keine Eile. Wir erfahren vieles von ihm. Navajo, das ist nur ein Wort aus dem Spanischen, eigentlich nennen sie sich Diné.
Schweren Herzens verabschieden wir uns von Robert und Devin. Wir haben die beiden lieb gewonnen und können uns nur schwer losreißen. Ich glaube, wir werden Robert auch fehlen, auch er hat die Gespräche und die Gesellschaft mit uns genossen. Sonst ist er viel allein zu Hause. Auch vom quirligen, temperamentvollen Hund Marley verabschieden wir uns, der gern Steine in den Trailer trägt und mit dem kaum jemand Gassi geht, so dass er immer in eine Ecke des sandigen kleinen Gartens kackt.
Wir radeln nicht lange, denn Horseshue Band, eine wunderschöne Schlucht, in der der Colorado River wie ein Hufeisen eine Kurve macht und sich tief ins Gestein gegraben hat, hält uns lange in ihrem Bann.
Dann tauchen viele Holzhütten, in jeglichem Verfallszustand, immer wieder am Wegesrand auf. Zumeist dienten sie einst dem Schmuckverkauf der Navajos, heute werden nur noch wenige benutzt. Als windgeschützten Platz für unsere Mittagspause finden wir sie klasse! Plötzlich hält ein Auto, der Fahrer kommt herbei und schenkt uns eine Dose Würstchen. Er hatte uns gesehen und wollte uns unterstützen!
Wenig später hält ein anderer Wagen und fragt uns, ob wir mitgenommen werden möchten. Das ist uns noch nie passiert! Wir lehnen dankend ab und versuchen zu erklären, dass wir gern Fahrrad fahren und das es uns Spaß macht. Seinem Gesichtsausdruck zu Folge kann er dies nicht ganz nachvollziehen.
Grand Canyon Nationalpark
Vom Bergauffahren ist auch dieser anstrengende Tag vor dem Besuch eines weiteren Highlights unserer Reise geprägt. Die Steigung erstreckt sich auf 35 km, von 5000 feet Höhe steigen wir auf 7400 feet. Wir passieren Sträucher und Bäume, nach so langer Wüstenlandschaft ist dies neu für uns. Völlig aus dem Häuschen geraten wir, als wir richtigen Wald erblicken und auch schnell den Duft der Nadelbäume einatmen können.
Am Parkeingang ist der alte, urige Ranger mit langem weißen Bart hellauf begeistert von unseren Plänen. So auch ein Niederländer, den wir am Watchtower, einem alten Aussichtsturm am Rande des Canyons, kennenlernen. „Zwei Jahre? Mit dem Rad bis runter nach Argentinien?“, ungläubig schüttelt er den Kopf. Wir haben unseren Spaß!
Wir haben es geschafft, sind am Grand Canyon angekommen und stehen mit den Rädern oben an der Schlucht! Der Grand Canyon, ich bin tief berührt (zählt eigentlich jemand mit, wie oft ich dieses Nebensatz benutze?). Ein Traum von mir wird nun wahr. Von hier oben können wir die Weite, Tiefe, die vielen Nebentäler und Nebenflüsse gar nicht richtig erfassen. Es ist einfach nur super beeindruckend! Wir werden es tun – einfach so – morgen wollen wir den Grand Canyon bis zum Colorado River hinunter wandern! Vorher müssen wir nur noch schnell ein paar Kilometerchen bis nahe des zentralen Touriorts des Parks am Canyonrand abradeln. Ein kleiner Platten lässt dieses Unterfangen knapp werden. Aber dann doch, kurz vor einbrechen der Dunkelheit schlagen wir uns ins Unterholz.
Bereits eine halbe Stunde vor der Öffnung des Backcountryoffices sitzen wir am nächsten Tag vor dem Gebäude und essen Frühstück. Wir wollten die Ersten sein, um das benötigte Backcountry Permit zu ergattern. Diese Erlaubnis benötigt man, um unten am Colorado River auf dem Campingplatz übernachten zu dürfen. Auf diese Weise werden die Besucherzahlen reguliert. Über drei Jahre im Voraus kann man dieses Permit reservieren, wir hoffen dass jemand seines nicht abgeholt hat und haben dann tatsächlich Glück! Schon das Paar nach uns erhält keine Erlaubnis mehr. Die Ranger in diesem Nationalpark sind super freundlich, wir dürfen unsere Räder und das nicht benötigte Gepäck in ihr Büro schieben und können es dort kostenlos abstellen. Wir hatten in diesem Punkt mit Problemen gerechnet und sind positiv beeindruckt.
Super froh sind wir auch, dass wir beide nun unsere großen und zudem bequemen Wanderrucksäcke nutzen können. Oft denkt Hardy über ihr Extragewicht nach, aber es lohnt sich. Beschwingt, voller Vorfreude geht’s los! Für den Abstieg nehmen wir den Bright Angels Trail, der in einer Nebenschlucht beginnt. 1335 Höhenmeter und 15,3 km liegen vor uns. Mit vielen anderen Wanderern laufen wir bergab. Die meisten laufen jedoch nicht so weit wie wir. Um Serpentine und Serpentine arbeiten wir uns hinab.
Am Indian Garden, einem Rastpunkt und Campingplatz mit Wasserversorgung machen wir Pause. Im Sommer gibt es auf dem Wanderweg viele Nachschubstellen für Wasser, da es in diesen Monaten hier super heiß ist. Aber nun, im Spätherbst, sind jene bis auf eine alle abgestellt. Wir müssen genug Wasser für den Tag mit uns herumschleppen. Auf vielen Hinweisschildern wird vor Überhitzung und Dehydrierung gewarnt. Aufgrund von Überschätzung und Gedankenlosigkeit gibt es hier viele Unfälle, bis hin zu Todesfällen.
Wir springen von Stein zu Stein und überqueren so drei kleine Bächlein. Mulischeiße liegt auf dem Sandweg, es stinkt nach Pisse. Aber wir finden’s wunderbar und sind richtig froh hier zu sein! Es ist so kommunikativ, ganz anders als beim Radeln. Schön anzusehen sind die sich verändernden Gesteinsschichten und die gelbgefärbten Pappeln. Es ist ein warmer Herbsttag.
Nach etwa 6h sind wir am Colorado River angekommen. Jener stellt sich als reißender, grauer Strom dar. Am nahen Campingplatz an der Phantom Ranch schlagen wir unser Zelt auf. Das Abendbrot fällt mager aus, wir hatten uns entschieden nur kalte Küche mitzunehmen. Bereits um 8 Uhr schlafen wir erschöpft ein.
Am Morgen merken wir mit Schmerzen unsere Waden. Wie Oma und Opa schreiten wir langsam staksend voran, die nicht endenden Felswände nach oben schauend. Den etwas kürzeren, dafür steilen South Kalib Trail wählen wir für den bevorstehenden Aufstieg. Gefrühstückt wird unterwegs. Die 1457 Höhenmeter und 11,3 km schaffen wir erstaunlicherweise in 5 Stunden. Wir freuen uns wie Kinder, es geschafft zu haben und wieder oben angekommen zu sein! Unsere Beine schmerzen so, wir können kaum laufen! Konditionell ist dieser Ausflug für uns kein Problem gewesen, doch scheinen sich unsere Laufmuskeln während es vielen Radelns verkümmert zu haben. Dennoch, trotz der noch zwei Tage anhaltenden Muskelschmerzen hat sich dieses nicht zu vergessende Abenteuer ohne Zweifel gelohnt!
Auf unserem Weg Richtung Prescott sehen wir zum ersten Mal richtige Cowboys mit Lederkluft und echten dicken Colts an den Gürteln.
Heute ist Thanksgiving und wir haben, obwohl wir es uns sehnlichst wünschen, noch keine Einladung bekommen. Auch ein hoffnungsvolles Postieren vor dem Supermarkt in Williams hilft nichts. Nun gut, dann kochen wir unser Festessen eben selber und feiern alleine. Es gibt viel Beef, viel Reis, viel Tomatenmark, eine halbe Zwiebel und ein wenig Möhren. Wir werden pappesatt, so wie es sein soll. In der Nacht beschließt ein Nagetier aus Frust nichts von unserem Festessen abbekommen zu haben Hardys Schuhe anzuknabbern.
Wir radeln in Prescott ein. Sogleich fällt uns auf, dass es hier viel junge Leute gibt. In der Altstadt tobt das Leben. Viele Studenten springen umher.
Unsere Gastgeberin ist eine von ihnen. Luna ist aus Mexiko, in unserem Alter und studiert hier Human Ecology und Environment Law. Wir sind bei einer richtigen Couchsurferin gelandet. Als wir ankommen ist sie nicht da, aber die Tür ist offen. Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel, auf dem sie uns begrüßt und sagt, wenn wir das Haus verlassen, sollen wir den Schlüssel einfach unter die Matte vor der Tür legen. Luna scheint Zettel sehr zu mögen. In ihrem kleinen Apartment hat sie damit jegliche Schranktür und Schublade mit ihrem Inhalt beschriftet. Wahrscheinlich hat sie oft Gäste. Wir schlafen natürlich auf der Couch. Dekorativ hängen diverse Hüte herum und viele politische Publikationen schmücken die Wände, Anarchie und Veganismus sind die hauptsächlichen Themen im Bad.
Wir haben für uns drei vegan gekocht, als Luna nach Hause kommt. Gleich werden die Karten ausgepackt und mögliche Routen über die Baja California besprochen. Lunas mexikanische Wurzeln und ihr Wissen über das vor uns liegende Land sind für uns sehr hilfreich und interessant. In fünf Tagen läuft unser USA Visum ab, dann müssen wir über die Grenze. Mexiko, diese für uns noch so ungewisse Welt liegt vor uns wie ein großer Stein. Luna klärt uns über gefährliche Regionen auf und erzählt wie der Hase dort so läuft.
In Prescott lassen wir in einem Fahrradladen mein Hinterrad perfekt richten und kaufen neue Sportsocken. Während lustige Weihnachtsmusik dudelt, lassen wir in einer Wäscherei unsere Schmutzwäsche säubern und nutzen nebenbei das kostenlose Internet vor Ort. Die nette Betreiberin lässt uns noch bis zum Ladenschluss bleiben.
Nachdem wir Prescott verlassen haben geht’s mal wieder durch die Berge. Die schmale und wenig befahrene Straße mit den bewaldeten Hügeln erinnert uns stark an Kanada. Nach unserer Pause sind wir gut drauf und sausen nur so dahin.
Nach einer Steigung befinden wir uns plötzlich in einer ganz anderen Welt: flache Hügel und andere Pflanzen umgeben uns. Es wachsen Kakteen am Straßenrand! Zudem können wir in kurzen Hosen fahren. Wir haben an Höhe und Kälte verloren und finden es richtig toll!
An einer Tankstelle muss Hardy zum dritten Mal seinen aufblasbaren Globus auspacken. Die beiden Jungs aus Arizona sind mit ihren offen getragenen Pistolen sicherlich gut bewaffnet, nur können auch sie Argentinien und Alaska nicht richtig verorten… Hardy klärt sie auf. Hoffentlich zielen sie jetzt noch besser.
Unter kleinen Bäumen finden wir in der Wüste einen versteckten Platz für die Nacht. Da wieder alles jenseits der Straße eingezäunt ist, landen wir diesmal auf einem Jagdrevier. Aber niemand ist zu sehen. Da überall Feuerholz parat liegt, nutzt Hardy die Gelegenheit um ein gemütliches Feuerchen zu entzünden. Ich bin erst von dieser Idee nicht so angetan und scheue den Aufwand. Aber natürlich finde auch ich den romantischen Abend unterm Sternenhimmel dann klasse. In der Nacht besucht uns ein Wildschwein, wir hören es trampeln und verscheuchen es mit der Taschenlampe. Nun wissen wir auch, was hier gejagt wird.
Eine Sache möchte ich in den USA noch erledigen: einmal so richtig amerikanisch Frühstücken gehen, hatten wir doch von großen fettreichen Portionen gehört. Wir steuern ein kleines Diner in Aguila an und werden von den drinnen sitzenden Jägern gemustert. Ihre Jeeps draußen sind mit Gewehren reich bestückt. Wir bestellen Würste mit Spiegelei und ein Riesenstück gebratenen Schinken. Dazu gibt es winzige Pommes. Es ist schon viel und ausreichend, aber so richtig, richtig viel ist es nicht. Wir sind ein wenig enttäuscht, hatten mehr erwartet. Trotzdem macht es am Ende satt und wir können das Wlan benutzen. Wir erfahren, dass ein Schweizer Solarladegerätevertrieb, den wir wegen Sponsoring eines neuen Solarpanels angeschrieben hatten, ein erstes Interesse zeigt. Wir sind happy und überrascht und beantworten die Fragen schnell.
An einer Kunstgalerie bei Hope halten wir an. Im mexikanischen Stil sind die kleinen liebevoll bemalten Häuser um einen Innenhof herum angelegt. Die Künstlerinnen sind super nett und bieten uns Rotwein an, den wir dankend ablehnen. Nicht bei der Hitze. Dafür bekommen wir Kaffee und essen Erdbeeren. Ich würde gern länger hier bleiben, zu blöd, dass die Zeit drängt. Es ist wirklich schön hier! Überall hängt oder liegt Kunst herum. Ich entdecke drei getöpferte Dosen, die ich sehr schön finde. Susan, eine der Künstlerinnen bietet mir an, sie nach Berlin zu verschiffen. Ich schlage zu und wir machen den Deal, der später leider aus Kostengründen des Transportes doch nicht klappen soll.
Wir dringen ins amerikanisch-mexikanische Grenzgebiet ein. Das macht sich insbesondere so bemerkbar, dass wir viele Autos der Border Police sehen und ebenso Überwachungszeppeline über der Wüste kreisen, um Körperwarme zu registrieren. Auch interessant ist, dass Mexiko erstmalig 44 Meilen vor der Grenze auf den Straßenschildern angekündigt wird.
Uns würde es nicht wundern, wenn wir in der Nacht noch Besuch von der Grenzpolizei bekämen. Deswegen legen wir schon einmal die Pässe parat. Gut verstecken können wir uns heute nicht, von der Straße werden wir nicht mehr gesehen, aber theoretisch können wir schnell erreicht werden. Wie müssen sich wohl all die Menschen, die als illegale Einwanderer eingestuft werden, hier fühlen? Unweit entfernt hängt ein Überwachungszeppelin in der Luft, es blinkt rot in der Nacht und wir denken, dass die uns sicher sehen. Aber nichts passiert.
Am folgenden Tag heißt es sich zu beeilen. 70 km müssen vor um eins abgeradelt sein, denn unser Gastgeber in Yuma will um zwei schon wieder weg. Wir schaffen es und können unterwegs viele vermeintlich mexikanische Erntehelfer bei ihrer schweren Arbeit beobachten.
Yuma ist für uns mal wieder typisch amerikanisch. Es gibt kein Zentrum, die Straßen sind breit und Supermärkte, Apotheken, Restaurants und Geschäfte sind gleichmäßig in der Stadt verstreut, so dass kein Weg ohne Auto zu bewältigen scheint. Mit Angel wagt Hardy dennoch zu Fuß einen Trip zum Supermarkt. Wirklich auffällig wenig Fußgänger befinden sich auf den nicht ausgebauten Gehwegen.
Wir schlafen bei Angel und Ricky. Zwei 19-jährige, die in ihrer ersten gemeinsamen Butze leben. Angel hat sich schon einmal für Monate in Hamburg als Tellerwäscher verdingt und ist dann auch per Rad in Europa unterwegs gewesen. Hardy bäckt mal wieder Brot und inspiriert Angel gleich es ihm nachzueifern. Dies freut Ricky, der mit Hardys Brot seinen ersten richtigen Brotlaib zu Gesicht bekommt.
Am Abend trinken wir Bier und quatschen mit den Beiden. Was bringt die Zukunft ist die große Frage der beiden. Für Angel steht fest als Immobilienmarker über die Runden zu kommen. Ricky, gerade Hauswirtschaftskraft in einer Schule, plant schon fest mit einer Karriere als Gefängniswärter. Da gibt es wohl mächtig Schmotte und das beste ist, dass eine frühe Rente aufgrund der Strapazen in Aussicht steht. Seine Schwester macht es vor. Wir fühlen uns mit den beiden ein bisschen in unsere frühere Jugend zurück versetzt und genießen das Zusammensein. Hardy geht zwei mal zur Tanke Bier holen. Angel und Ricky dürfen ja nicht, sie sind noch zu jung.
Wir tanken ihnen auf der Couch Ruhe und Kraft vor dem anstehenden Grenzübertritt und dem neuem Land. Wir sind schon jetzt aufgeregt und haben mächtig Bammel, wissen nicht so ganz was uns erwartet. Morgen soll es losgehen. Es ist nicht weit weg, doch kommt uns vor wie ein Riesenschritt. Sechs Monate USA und Kanada liegen hinter uns. An den Abschied zu denken fällt uns jetzt schon schwer.
Mexiko, Spanisch, Lateinamerika, Gringoismus und Machoismus, bunte Märkte und Unübersichtlichkeit, eine Umstellung der Essgewohnheiten – wird wirklich alles anders?