Grenzübergang in Las Manos
Das größte Land Zentralamerikas empfängt uns mit stetigem, kühlen Nieselregen. Bei der Migration stellen wir uns erst mal ein Weilchen unters Dach und warten ab. Las Manos ist ein angenehmer Grenzübergang, der Beamte ist freundlich, es gibt keine aufdringlichen Geldwechsler oder Schlepper.
Als wir uns dann in Regenjacken gehüllt voranwagen, will doch tatsächlich so ein adrett aussehender Typ im offiziellen Hemd, mit Klappbrett und ordentlich ausschauenden Quittungen einen Dollar Wegegeld pro Person von uns haben, damit wir auf der Straße irgendein Dorf passieren dürfen. Dies sei eine Hilfe für ökonomisch schwach dastehende Orte, erklärt er uns. Diese sei per Gesetz festgelegt. Wir wollen ihm das ja gern glauben, jedoch können all die tollen Papiere, die er mit sich führt nicht belegen, dass wir tatsächlich einen Dollar zahlen müssen. Das sagen wir ihm offen und freundlich. Solang er uns nichts handfestes vorlegen kann, werden wir keinen Dollar herausrücken. Er will uns weismachen, dass in seinem 20km entfernten Dorf die fehlenden Papiere lägen. Wenn wir hier nicht die Gebühren begleichen wollten, müssen wir dort vorbeifahren. Er droht un anzurufen um uns anzukündigen. Auf diesem Bluff gehen wir gerne ein. NIchts passiert. Irgendwann fahren wir dann einfach weiter und machen an keinem ominösem Dorf halt. Die anderen Grenzübertreter zahlen alle fleißig.
Es geht hügelig voran, auf super Asphalt, mit wenig Verkehr. Die Landschaft ist toll. Wir passieren grüne Berge durch deren Täler sich Bäche gurgelnd dahinwinden. Kühe und Ziegen grasen auf den Weiden. Neben der Straße gibt es überall tolle Plätze für ein zweites Frühstück. Hier fühlen wir uns sicher, pflanzen uns ins weiche Gras und lassen das neue Land auf uns wirken.
Es ist noch früher Morgen. Wir können etwas neues, für uns sehr schönes beobachten. In kleinen Dörfern sehen wir Eltern, die ihre Kinder an die Hand nehmen und zur Schule bringen. Das haben wir lange nicht mehr gesehen. Die Kinder gehen, ordentlich angezogen in weißem Hemd und blauer Hose oder Rock, zur Schule. Sie lachen und schwatzen mit ihren Eltern. Noch kurz zuvor in Honduras sahen wir viele Kinder, die um jene Uhrzeit gar nicht in die Schule gingen. Viele waren in schmutzigen und zerrissenen Klamotten unterwegs auf die Felder.
Ocotal
Ocotal ist ein Ort mittlerer Größe, der jedoch über einen Supermarkt verfügt. Palí nennt sich die Billigsupermarktkette nun. Ich gehe rein und mache mich mit den hiesigen Preisen und dem neuen Geld, dem Córdoba, vertraut. Draußen stehen ein paar alte Frauen herum und betteln nach Geld. Wir beobachten, dass sie von vielen Nicas, die den Supermarkt verlassen das Wechselgeld in die Hand gedrückt bekommen. So geben wir auch einer Frau etwas. Wir sind bei diesem Punkt geteilter Meinung. Hardy würde eher und öfter Geld abgeben als ich. Vielleicht bin ich da zu strikt? Es stimmt schon, wir haben viel mehr Kohle und könnten auch viel mehr geben, aber dies ist ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein und ändert an der Situation der Menschen nichts. Andererseits ändert nichts geben auch nix. Wir sprechen lange darüber, kommen aber für uns zu keiner befriedigenden Lösung.
In Ocotal sitzen wir dann am frühen Nachmittag beim Mittagessen im Park. Dieser ist schön angelegt. Es gibt viele Gänge mit Bänken, einen Brunnen und einen Pavillon. Die Hecken sind in lustigen Tierformen geschnitten. Es ist nett hier, wir beschließen, den Radeltag vorzeitig zu beenden und hier zu bleiben. Schnell ist eine hospedaje, ein Familienunternehmen, das Zimmer anbietet, gefunden. Es ist unsere billigste Unterkunft bisher überhaupt. Wir zahlen 1,50 Euro pro Person. Dazu muss jedoch angemerkt werden, dass das Zimmerchen winzig ist und es kein Fenster gibt. Ein Schild an der Tür besagt, dass die Gäste das Licht ausschalten und sich ruhig verhalten sollen und außerdem die Dusche nicht als Urinal zu benutzen haben. Unser „spät“-abendliches Geschirrspülen scheint die Familie auch eher zu stören. Als wir uns leise noch um 20h in unserem Raum unterhalten, klopft es an der Tür und die alte Vermieterin meint, wir sollen doch das Licht ausschalten, wenn wir es nicht mehr benötigen. Ich gehe dann noch auf’s frisch geputzte Klo, das Klopapier müssen wir selber stellen, da schaut mich eine riesengroße Kakerlake auf der Klobrille sitzend an. Ich versuche sie mit dem Klopapier wegzuschnipsen, da landet sie mitten auf meiner Hand. Naja, für 1,50 Euro darf man wohl nicht zu viel erwarten 😉
Abseits der Hauptstraßen, von Estelí durch das Naturreservat Miraflores nach Matagalpa
In Richtung Estelí fahren wir weiterhin durch hügeliges Gebiet. Am Wegesrand gibt es viele Ziegelbrennereien. Die Ziegel werden aus Ton- oder Lehmerde geformt, in langen Reihen in der Sonne getrocknet und dann in großen, aufgetürmten, ordentlich geschichteten Haufen gebrannt.
Nachdem wir im Ort Esteli im Palí, wo auch sonst, noch einmal ordentlich eingekauft haben, biegen wir auf schlechter Piste in die Berge ab. Hardy besteht auf seinen Seitentrip, da alle Ideen seinerseits in Honduras aus Sicherheitsgründen lieber gecancled wurden. Durch das große Reserva Natural Miraflor werden wir in den Bergort Matagalpa fahren. Dieses riesige Gebiet besteht vor allem aus Ackerland, indem verstreut ein paar fincas liegen. Drei Klimazonen befinden sich in seinen Höhen von 800m bis 1450m.
An schiefen Häusern und kleinen Bauernhöfen vorbei windet sich die aus zunächst fester Erde oder Schotter bestehende Piste. Ein paar Schlaglöchern müssen wir ausweichen. Die Menschen sind freundlich. An einer total urig aussehenden Wasserpumpe, die Hardy natürlich lange ausprobieren muss, warnt uns schon einmal ein vorbeifahrender Mann auf einem Motorrad für die uns bevorstehenden Kilometer schlechtester Piste. Wir danken ihm, treten dennoch fleißig weiter in die Pedale.
Schon bald sehen und spüren wir, was er gemeint hat. Der Schotter wird lose, große Steine gesellen sich hinzu. Die Steigung verwehrt jegliches Radeln. Wir steigen von den Sätteln und schieben mal wieder. In den steilsten Passagen ein Rad mit vier Händen. Es ist so heiß, meine Laune senkt sich dem Nullpunkt entgegen. Hardy findet es toll und kann im Gegensatz zu mir die Landschaft und Ausblicke während der harten körperlichen Arbeit genießen.
Auf der Hochebene angekommen, trotzen wir dem kalten Wind mit einem heißen Kaffee und freuen uns des tollen Weitblickes. Schier endlos umgeben uns Weiden, kleine Höfe und Seen. Es ist eine wilde Kulturlandschaft, die uns umgibt und einschliesst. Zerzauste Agaven, Sträucher und Bäume stellen sich dem starken Lüftchen. Moose wachsen auf dem Boden. Hohe Gräser umgeben die kleinen Seen. Leicht bergig wellt sich die Landschaft dahin. Gemächlich reiten Männer mit von der Sonne gegerbten Gesichtern auf ihren Pferden an uns vorbei, ihre Hunde folgen ihnen langsamen Schrittes.
Im Dorf La Concordia kommen wir nach 33km harter Schotterpiste völlig fertig am späten Nachmittag an. Die neu gemachte Asphaltstraße empfängt uns unerwartet und entlockt uns Jubelschreie der Begeisterung.
In der Schule überlasst uns eine sehr nette Lehrerin ihren Klassenraum. Wir müssen nur bis 18 Uhr warten, bis sie mit der Nachhilfestunde fertig ist. Gut, müde machen wir es uns im Gang bequem und beantworten neugierige Fragen der Schüler, die uns eifrig Stühle herbeitragen.
Unser „Endspurt“ nach Matagalpa zieht sich, denn hoch und runter geht es dahin. Jedoch ist es ein Augenschmaus. Es gibt so viele Bäume, die hier nicht gerodet werden. Wir sind begeistert. Zwischen ihnen sind auch an den steilsten Hängen im wagen Schachbrettmuster Felder angelegt. Vor allem Kohl wird angebaut. Aber auch Bananen- und Kaffeepflanzen sind zu erkennen. Vor den aus Holzbrettern oder Ziegeln bestehenden Häusern, deren Erdhöfe ordentlich gefegt sind, wachsen bunte Blumen in der milden Bergsonne.
Matagalpa ist ein richtiger Ort. mit Supermärkten, Marktständen, Plätzen und Museen. Nachdem wir in den letzten 10 Tagen im bergigen Gelände durchgefahren sind, beschließen wir einen Ruhetag einzulegen. Wir schlendern durch die Gassen, besuchen das Kaffeemuseum, gammeln, waschen und reparieren Hardys Platten. Die kleine Besitzerin des hoteleigenen Papageien heißt auch Alena. Das ist auch das einzige Wort, das der Vogel kann. Und so schreit er es in allen Tonlagen den ganzen Tag vor sich hin. Zu Hardys Belustigung geht mir das ganz schön auf den Nerv: „Aaleeenaa!“ Abends gibt’s Kartoffeln mit Quark und ein Bier.
Auf nach Granada
Trotz nicht aufhörendem Nieselregens in den Bergen festgehangener Wolken, brechen wir auf. Es geht hinab ins erdrückend warme Tiefland. Bald rasen wir wieder auf der Panamericana und schaffen seit langem über 100km. Es gibt einen schmalen Seitenstreifen, der Verkehr nimmt deutlich zu. Hier im pazifischen Tieflandgürtel, im Großraum Managua, León, Granada leben die meisten Bewohner des Landes. In den Städten haben sich 57% der Nicas angesiedelt. Deutlich nimmt der herumliegende Müll zu. Auch häufen sich die Gringo-Rufe in unsere Richtung. Der Fahrspaß nimmt ab.
Ein Platten kommt selten allein, so verirrt sich ein großes Metallstück in meinen Hinterreifen. Schnell im Gras neben der Fahrbahn alles abladen und Schlauch austauschen. Jeder Handgriff sitzt. Nach 15 Minuten brausen wir weiter und können in der Ferne bereits den großen Lago de Managua erkennen.
Am Rand der Straße steht ein Eimer, darüber hängen vom Ast eines Baumes Fische am Harken. Hardy will sie gerade fotografieren, als der Verkäufer aus dem Schatten des Baumes herbeigeeilt kommt, sie vom Harken abnimmt und in den Eimer packt. Er will nicht, dass Hardy Fotos davon macht, will ihm aber auch nicht erklären, warum nicht, will gar nicht mit ihm reden. Das kann Hardy nun so gar nicht verstehen, dass ihm jemand keine Erklärung abgeben will und ist etwas angepisst.
In Las Maderas trinken wir in einer pulpería (kleines Café/Laden) eine kalte Cola. Die Besitzerin ist richtig nett. Zwei Mädels kommen an, setzen sich neben uns und starren permanent. Auf Nachfragen unsererseits antworten sie nichts. Die Wirtin sagt ihnen, sie sollen weggehen, hier passiere nicht außergewöhnliches. Sie fragt die Kinder: „Eres mirada? Te llamas mirada?“ (Bist du eine Starrerin? Heißt du Starrerin?) Keine Antwort, die Mädchen bleiben. Sie rät uns nicht im nahen San Benito zu übernachten, da es dort gefährlich sei. Und wirklich, als wir es wenig später erreichen, wirkt es nicht besonders einladend. Dreckig, verwahrlost und herunter gerockt ist es hier. Wir fahren ins darauffolgende Chilamatillo und dürfen im Vorgarten eines älteren Ehepaares, die einen Laden betreiben, unser Zelt aufbauen.
Die noch fehlenden 60km nach Granada ziehen sich wie Kaugummi. Es ist heiß, wir schwitzen wie die Blöden. Die vielen Autos nerven uns. Dann kündigen große, gelbe Letter endlich die baldige Stadt an.
Granada
Das restaurierte, koloniale Granada wird nicht zu unrecht als die Gans, die goldene Eier des landesweiten Tourismus legt, bezeichnet. Es ist einfach sehr schön hier. Stunden, ach was, Tage lang können wir durch die Gassen schlendern und wunderschöne, verzierte Portale, elegante sowie klotzige Kirchen und romantische Innenhöfe bewundern.
Schwer vorzustellen ist es, dass die älteste Kolonialstadt Nicaraguas mit all ihrer heutigen Pracht insgesamt dreimal von französischen und englischen Freibeutern geplündert wurde. Im Jahre 1856 wurde sie sogar vom fliehenden Söldner William Walker angesteckt und bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Er hinterließ nur ein Schild mit der Aufschrift: „Hier stand Granada.“
Aber auch in Granada liegen Reichtum und Armut sehr nah beieinander. Vom Tourismusboom scheinen unserer Ansicht nach eher ausländische Investoren zu verdienen. Die Preise der Mieten in der Innenstadt sind in die Höhe geschossen, so dass ärmere Leute an den Rand der Stadt verdrängt werden. Wir sehen viele Menschen, die auf der Straße schlafen, die heruntergekommen sind und nach Geld betteln.
Im Hostel Panda Lodge, dass von einer asiatischen Familie geführt wird und dessen Thema natürlich Pandabären in jeglichen Größen und Ausführungen sind, treffen wir unsere Radelfreunde Raul und Marta wieder. Hier verbringen wir eine ganze Woche und genießen einen Stadturlaub. Sauberkeit, Ruhe, eine ausgestattete Küche und gutes Internet tun ihr übriges dazu.
Des Abends können wir immer wieder ein lustiges Schauspiel beobachten. Hier im Viertel gibt es der Sicherheit wegen einen privaten Wachdienst. In jeden Block sitzt ein Mann auf einem Plastikstuhl, eine Machete und eine Trillerpfeife in der Hand. Einmal in der Stunde hören wir einen Pfeiflaut. Dieser wird von Block zu Block weitergetragen. Ist etwas nicht in Ordnung oder braucht der Wachmann Hilfe, wird ein anderer Lauft gepfiffen.
Durch die tollen Gassen schlendern wir nach links und rechts, besichtigen Plätze und alte Kirchen. Im Kloster San Francisco befindet sich ein Museum über die Geschichte der Gegend. Es zeigt alte Stelen und gefundene Töpferarbeiten sowie Schmuck aus vergangenen Zeiten. Das Schönste jedoch ist der Bau selbst. An den großen, ruhigen Innenhof mit all seinen in den Himmel ragenden Palmen gliedern sich große Säle mit hölzernen Decken. Still ist es hier.
Natürlich besichtigen wir auch das Keramikmuseum. Kleine und große Schalen und Vasen mit wunderschönen Mustern finden unsere Begeisterung. Interessant sind auch die bauchigen Gefäße, die eine Art Stiefelform haben. Wir rätseln ein Weile welche Funktion sie wohl hatten. Dem Text der Schautafeln zur Folge waren es Urnen. Sie gibt es in Ausführungen für Erwachsene sowie für Kinder.
Granada liegt direkt am großen Lago de Nicaragua. Mit satten 8.157 km² ist er der größte See Mittelamerikas. Wir spazieren zur Uferpromenade. Bei leichtem Wind schwappen ein paar Wellen an den Sandstrand.
In anderen Teilen der Welt würde man eine schicke Uferpromenade, Hotels, Restaurant und Eiscafés erwarten, die ihre beste Position direkt am Wasser suchten. Aber hier ist das nicht so. Niemand ist im Wasser. Der „Strand“ ist vermüllt und voll von Treibgut sowie Algen. Außer einer Anlegestelle der Fähre gibt es nur ein sehr verfallenes und wenig einladendes Hostel. Ein einsamer Ticketverkäufer versucht aufdringlich Ausflüge über den See in seinem kleinen Holzboot an den Mann zu bringen. Auf der kaputten Promenade, die es immerhin überhaupt gibt, sind kaum Leute unterwegs. Es gibt wohl in kurzer Entfernung einen gepflegteren Abschnitt, mit Restaurants und allem drum und dran, aber nur um ihn betreten zu dürfen wollen Wächter einen Eintrittspreis von uns. Wir lehnen dankend ab und verkneifen uns den Besuch.
Habe ich schon einmal erwähnt, dass Hardy ein absoluter Fan von Märkten geworden ist? Er genießt es durch die engen Gassen im Schneckentempo zu schlendern, sich alles anzuschauen, mit den Verkäuferinnen zu schwatzen, Preise zu drücken und Unmengen an Obst und Gemüse einzukaufen. In diesem Punkt sind wir mal wieder gegenteiliger Auffassung. Mir ist der Trubel schnell zu viel, ich mag die Enge und die vielen Leute nicht. Da ziehe ich einen ordentlichen Supermarkt vor, in dem die Preise angeschrieben, also fix sind und ich nicht um sie als „unwissender Gringo“ kämpfen muss. Zudem ist der Markt hier in Granada eher von der heruntergekommenen, dreckigen Sorte.
Als wir mal wieder vom Markt wieder kommen und fast am Hostel sind, sehen wir ein Fahrzeug langsam durch die Gassen fahren, irgendwas in die Gegend sprühen. Es ist eine unangenehm riechende, helle Wolke. Wir wollen das nicht einatmen, rennen zum Hostel und schließen eifrig die Türen. Die Hostelbetreiberin öffnet sie wieder und wir erfahren, dass dies eine Maßnahme gegen die Verbreitung von Denguefieber sei. Ups!
An manchen Tagen brauchen auch wir eine Pause voneinander. So fährt Hardy per Bus in die Nachbarstadt Masaya, um ein altes Fort zu besuchen. Das Fortaleza el Coyotepe wurde 1893 als Festung zum Schutz der nahen Eisenbahnlinie erbaut und spaeter vom Diktator Samosa zur Kaserne umgebaut und auch als Gefängnis genutzt. In den düsteren Gängen sind die Folterzellen gut erhalten und man kann sich das Grauen, welches übrigens auch nach der Sandinistischen Revolution weiterging gut vorstellen. Stunden verbringt er später auf dem riesigen Markt und ersteht für uns keinen Schweinekopf, sondern eine neue Bratpfanne.
Naturreservat El Chocoyero y El Brujo
Den Chocoyero, ein kleines Naturreservat westlich von Masaya wollen wir aus einem besonderen Grund unbedingt besuchen. Fritz, ein ehemaliger Kommilitone von Hardy, hatte vor etwa sechs Jahren hier sein Praktikum gemacht und war schwer begeistert. Die Bilder der in Berlin gezeigten Diaschau haben wir immer noch im Kopf. Schwer bepackt mit Fritz besten Grüßen radeln wir in den Chocoyero.
Auf dem Weg dorthin machen wir an der Laguna de Apoyo halt. Von hoch oben schauen wir auf den von tropischem Trockenwald umgebenen Kratersee. Vereinzelt können wir Brüllaffen hören.
Kurz danach treffen wir wieder auf den spanischen Radler Salva. Er fragt uns, ob wir heute morgen das Erdbeben gespürt hätten. Nein! Schon wieder haben wir das einfach nicht mitgekriegt! Wie so oft ist er in gerade genau gegensätzlicher Richtung als wir unterwegs, hat aber das gleiche Ziel. Salva radelt direkten Weges auf dem schmalen, dichtbevölkerten südwestlichen Zipfels Nicaraguas nach Süden. Da wir diese Ecke bereits auf unserem Backpacking-Trip mit den Freunden aus Berlin kennengelernt haben, wollen wir noch eine Runde um den Vulkan Masaya herum drehen um wieder zurück nach Granada zu gelangen und per Schiff über den Lago de Nicaragua überzusetzen. Südöstlich des Sees wollen wir auf diese Weise nach Costa Rica einreisen. Wir verabschieden uns bis zum nächsten Mal von Salva und fahren weiter.
Der nächste Stopp ist in San Juan de Oriente, berühmt für seine Töpferwaren. In kleinen Läden wird vor allem Kitsch, aber auch wenige, Schalen, Kannen und Vasen mit aufwendigem, detaillierten Mustern dargestellt. Auch sehr schöne Holzmöbel, vor allem Schaukelstühle werden angeboten. Das Los einer Radreise, ich kann einfach nichts kaufen!
Auf anstrengendem Terrain kämpfen wir uns voran. Aufgrund diverser Stopps des heutigen Tages, ist es bereits später Nachmittag. Und da sehen wir plötzlich den Vulkan Masaya in der Ferne aufragen. Zu uns wendet sich seine karge, dunkel verkohlte Seite. Rauch steigt auf. Ganz schön beeindruckend.
Die 5km Schotterpiste in den Nationalpark entpuppen sich als nicht endend wollend. Hoch und runter, nach links und rechts windet sich der wirklich schlechte Weg. Tatsächlich sind es dann 8km harte Arbeit rein ins Hinterland. Es gibt Ananasfelder und endlich sind wir auch da, wo die Tomaten herkommen!
Nach 18h sind wir endlich am Eingang des Chocoyeros. Zwei freundliche Ranger heißen uns willkommen. Wir dürfen uns erst einmal hinsetzen und verschnaufen.
Es sind Alfonso und Bayardo. Klar können sie sich noch an Fritz alias Freddy erinnern. Als wir von ihm berichten und herzliche Grüße ausrichten, freuen sie sich sehr. Fritz hat einen großen Stein bei ihnen im Brett. Noch lange erzählen sie von damals und welche Veränderungen es seitdem gegeben hat. Sie fragen sich auch, ob Fritz immer noch sein Bäuchlein besitzt.
Wir dürfen unser Moskitonetz unter dem großen Holzdach des Besucherzentrums gleich neben Vitrinen mit eingelegten Schlangen und Insekten aufbauen und schlafen sogleich ein. Morgens zeigt uns Bayardo die ehemalige cabaña von Fritz. Damals nur mit einer Matratze ausgestattet, ist sie inzwischen zu einem Luxusheim mit Badezimmer, Solarstrom und fließendem Wasser ausgebaut worden, das für 20$ die Nacht an Touristen vermietet wird.
Bayardo bietet uns an, ihn bei seiner Arbeit zu begleiten. Das Angebot nehmen wir gern an. Bald verlassen wir den Hauptwanderweg und biegen auf einem kaum ausgetretenen Pfad ab, der sich anstrengend den Hang hinauf windet. Eine ganz schöne Kletterpartie wird das. Wir steigen immer höher. Dieser Pfad soll zu einem weiteren Wanderweg ausgebaut werden, hören wir. An einem Hang ist eine Aussichtsplattform geplant. Dschungel umgibt uns. Die gegenüberliegenden Berghänge sind wie ein Teppich von Pflanzen dicht an dicht überzogen.
Bayardo hatte uns gesagt, er muss hier oben „saubermachen“. Es entpuppt sich als körperlich sehr anstrengende Arbeit. Schwungvoll haut er mit seiner Machete nach links und rechts, um den für uns nicht erkennbaren Pfad wieder begehbar zu machen. Dabei hackt er ohne mit der Wimper zu zucken schönste Pflanzen kurz und klein, für die man in unseren Breiten beim Blumenladen ganz schön tief in die Tasche greifen würde.
Allein wandern wir zwei noch zum Wasserfall El Chocoyero, neben dessen steilen Felswänden Scharen an kleinen, grünen Papageien Chocoyero brüten. Wir legen uns am Fuße des Wasserfalls auf eine Steinplatte und beobachten das lustige Treiben. Immer paarweise kommen die Vögel angeflogen und verschwinden in den Steinritzen. Ab und an streiten sie sich mit lautem Gezwitscher um ein Plätzchen.
Masaya
Wir schwingen uns wieder auf die Drahtesel und radeln zum nahen Vulkan Masaya. Den wollen wir bewandern und nahebei am Abend zelten. Der erste Schrecken erfolgt sogleich. Es ist kurz vor acht Uhr morgens, bereits jetzt stehen Scharen von Touristen vor den noch geschlossenen Nationalparktoren. Kurze Zeit später hören wir, dass die Besteigung des Vulkans aufgrund des vor ein paar Tagen stattgefundenen Erdbebens und der immer noch anhaltenden seismischen Aktivität nicht möglich sei. So ein Mist!
Etwas geknickt fahren wir in die nahe Stadt Masaya und essen auf der plaza erstmal etwas. Nachdem ein Hotel gefunden ist, machen wir uns auf den Weg zum Markt. Die Hitze und das Laufen in der erdrückenden Sonne sind für mich kaum auszuhalten. Über die Schönheit der Marktes sind wir wieder geteilter Meinung.
Ein Gutes hat das Ganze doch, denn in unserem Hotel gibt es Wifi. So schlägt sich Hardy die Nacht um die Ohren, als er voller Begeisterung live die Landung der Marssonde Curiosity mitverfolgt. Eine neue Leidenschaft ist geboren. Von nun an wird er nicht nur seine Emails, sondern auch die neuesten Erkenntnisse auf dem roten Planeten, mit Spannung verfolgen.
Von Granada nach San Carlos
„Jetzt fahr’n wir übern See, übern See, jetzt fahr’n wir übern See…“
Zurück in Granada wuchten wir die Räder sowie das ganze Restgepäck an Bord der Fähre, die uns in 12-stündiger Fahrt über den Lago de Nicaragua an dessen südöstliches Ende nach San Carlos schippern wird. Es ist recht voll an Bord. Wir blockieren mit unserem Gepäckberg dreist eine ganze Bank für uns. Andere Urlauber pflanzen sich draußen auf Liegestühle, die sie später jedoch bezahlen müssen. Ein Zwischenstopp wird auf der Insel Ometepe eingelegt. Es wird ruhiger. In Schlafsäcken gehüllt, denn die Klimaanlage ist tückisch, breiten wir uns aus und haben jeder eine Bank für uns. Es ist nicht ganz so schlimm und anstrengend wie erwartet, die Bänke haben sogar Polster. Wir werden vom Wackeln der Wellen und des gleichmäßigen Dröhnen des Motors in einen unruhigen Schlaf gewogen.
San Carlos und El Castillo
Morgens um sechs stehen wir dann noch recht müde mit unserem Gepäckberg am Pier in San Carlos. San Carlos ist heiß und erdrückend. Aufgrund der Frühe ist es ein zeitaufwendiges Unterfangen ein freies Hotelzimmer zu finden. Wir stellen die Bikes hinein und gehen zurück zum Pier. Vom Bootsfahren haben wir noch nicht genug.
So steigen wir diesmal in eine kleinere Variante und fahren den Río San Juan ein paar Stunden hinunter. Der schlängelt sich kurvenreich dahin, bis er irgendwann bei Greytown ins karibische Meer mündet.
Ganz so weit wagen wir uns nicht vor und steigen im kleinen Ort El Castillo aus. Eine Vielfalt von Vögeln und auch Krokodile locken, laut unserem vielversprechenden Reiseführer. Nun ja, wie das nun mal immer so ist mit Reiselektüre, die in den buntesten Tönen die Welt beschreibt – außer ein paar Vögeln sehen wir nichts, die größeren Tiere befinden sich weiter unterhalb, und auch das beeindruckende, alte Fort in El Castillo haben wir in 20 Minuten angesehen. El Castillo, einst gebaut, um an strategisch günstiger Position an Stromschnellen des Flusses den Piraten Einhalt zu gebieten, ist nun ein ruhiger, verschlafener Ort geworden.
Wir treten den Rückweg nach San Carlos an und haben eigentlich die Schnauze voll vom Bootfahren.
Morgen, morgen steht wirklich die letzte Etappe dieser schaukelnden Gefährte an, denn um Costa Rica zu erreichen, müssen wir per lancha den Río Frío, den Kalten Fluss, entlang schippern. In Los Chiles werden wir dann bei den Ticos einreisen.
Nicaragua haben wir als ein angenehmes Reiseland erlebt. Wobei die drückende Hitze sehr gewöhnungsbedürftig ist. Insbesondere in Granada liegen Reich und Arm sehr nah beieinander. Viele Menschen haben wir auf der Straße leben sehen, nach Geld wurden wir des öfteren gefragt. Eine Armut, die uns zum Nachdenken bewegt hat.
Ganz klar muss ich jedoch sagen, dass wir in Nicaragua keine Situation erlebt haben, die ich als deutlich unangenehm beschreiben würde.