Kolumbiens Karibikseite – von Turbo über Cartagena nach Santa Marta (September-Oktober 2012)

Juchu, wir sind in Südamerika! Wir befinden uns nun auf einem neuen Kontinent und damit kann der zweite Teil unserer Reise beginnen!

Erste Eindrücke

Es ist so anders hier. Mal wirklich wieder eine neue Welt, die wir noch nicht kennen oder begreifen. Seit Mexiko hatten wir so ein Gefühl nicht mehr. Wir befinden uns auf Neuland.

Der Verkehr fließt stetig. Ordnet man sich in ihn ein, wird man ein Teil vom nicht abnehmenden Strom. Er nimmt einen auf und zusammen mit knatternden Mopeds und großen Lastern schieben wir uns voran. Wir sind positiv überrascht, wie rücksichtsvoll alle aufeinander acht geben. Um uns wird, wenn möglich, ein großer Bogen gefahren.

Unheimlich viele Motorräder sind unterwegs. Uns fallen mototaxis auf. Motorradfahrer transportieren hinter sich auf der kleinen Sitzfläche Passagiere, mal ein Schulkind, mal einen Geschäftsmann. Fast alle tragen einen Helm oder auch Warnwesten. Private PKWs scheint es kaum zu geben, dafür um so mehr Busse.

Prompt endet die Asphaltstraße in einer Lehmpiste, die von Schlaglöchern und gossen Schlammgruben gespickt ist.

Laute Musik schallt aus den Läden, deren Boxen vor den Häusern in Richtung Straße stehen. Wer schafft es am Lautesten? Ein Nachbar beschallt den Nächsten, man kann nichts mehr verstehen.

Die Kolumbianer sind unheimlich nett, offen, kontaktfreudig und sympathisch. Noch nie auf dieser Reise habe ich derart herzliche und fröhliche Menschen getroffen. Die meisten haben immer ein Lachen und ein nettes Wort auf den Lippen. Keine Wunder, dass Kolumbien auf Platz drei des Happy Planet Index steht.

Ich empfinde es als sehr positiv, dass ich hier, im Gegensatz zu Mittelamerika, nicht andauernd in irgendeiner Form sexuell angemacht werde.

Negativ für mich dagegen ist die hohe Menschendichte, bzw. die vielen Zäune und Felder Wegesrand, die meine Suche nach geeigneten Pinkelplätzen ziemlich in die Länge ziehen lassen.

In Kolumbien ist das Land mit den uns am meisten unbekannten Früchten. Gerade Hardy ist begeistert und kauft auf den Märkten und in de kleinen Laden wild um sich. Da gibt es zum Beispiel die Baumtomate, tomate de árbol. Eine Frucht, die wie eine Tomate ausschaut, jedoch ein Obst ist. Sie hat einen sauren Geschmack, der manche Leute an Kiwi erinnert. Hardy schwärmt von der Drachenfrucht, fruta de dragón oder auch pitaya, die einen sehr süßen Geschmack hat. Im Gegensatz zum asiatischen Raum ist sie hier gelb. Die orangenen Marakujas mögen wir beide sehr gern. Guaven sind sehr erfrischend. Sie haben ein rosafarbenes Fruchtfleisch. Aber am dollsten sieht die riesige Guanabana aus, mit ihren lustigen Stacheln. Sie hat ein weißes Fruchtfleisch und schmeckt am Besten, wenn sie patschen weich, also super reif ist.

Trinkwasser gibt es in riesigen 5l Säcken zu kaufen. Den schnallt sich Hardy einfach hinten aufs Fahrrad. Dann gibt es da auch noch ein neues Verkehrsschild. Es besagt nicht etwa, dass die mueden Autofahrer ihre Lieder nicht senken sollen, sondern „Licht an!“.

Eine andere Neuheit für uns sind die minutos. Das sind Stände in allen Variationen, mal als Plastetisch mit Plastehocker davor, mal als Rollwagen, mal als richtiger Laden, an denen Minuten zum Telefonieren ins Handy- oder Festnetz verkauft werden. Ein Schild mit minutos und den Zahlen 100, 150 oder 200 kündigt den Festpreis pro Minute an. In kleinen Orten bekommt man das Handy direkt in die Hand gedrückt, in Städten ist es dagegen mit einer Schnur am Stand festgebunden. Es scheint ein rentables Geschäft zu sein, den ständig sehen wir Leute mit angebundenen Handys in der Hand um die Stände herumstehend telefonieren. Auch wir nutzen diesen Service das ein oder andere Mal.

Von fahrenden Händlern wird tinto verkauft. Das ist Kaffee, der aus Thermoskannen in kleine Plastikbecher geschenkt wird. Erinnert uns an Espresso.

Sonntag ist Radeltag. Und nicht nur an jenem Wochentag werden wir häufig von Rennradlern in bunten Trikots und Helm auf ihren super schicke Rennrädern freundlich grüßen und überholt.

Die peajes, die Mautstationen, sind für Motorrad- sowie Fahrradfahrer kostenlos. Für uns gibt es einen Seitenstreifen auf der rechten Seite um die Schranke herum. Die Autofahrer müssen tief in die Tasche greifen. Straßen ohne peajes gibt es fast nicht mehr. Erst modernisiert der Staat sie und gibt sie dann in die Verwaltung von privaten Firmen, die für die Erhaltung der Abschnitte sorgen sollen. Fast jeden Tag passieren wir mindesten eine Mautstelle. Meist befinden sie sich in der Mitte zwischen den Orten. In Cartagena gibt es aber auch eine in mitten in der Stadt.

Auf Nebenstraßen in Richtung Cartagena

Unsere Sandpiste verwandelt sich bald in eine Schotterstraße, die unregelmäßig von Asphaltabschnitten unterbrochen wird. Wir passieren viele Felder, die von Drahtzäunen umgeben sind. Wir streifen kleine Häuser und Bananenplantagen sowie Unterstände, unter denen die Früchte abgewogen und in Kisten verpackt werden.

Am Nachmittag kommen uns zwei bepackte Reiseradler mit Ortlieb-Taschen entgegen. Wir freuen uns sehr, sind es doch unsere ersten in Kolumbien. Zu einem Plausch halten wir extra im Schatten an. Aber uns kommt nur ein cooles „Hi! “ entgegen und schon rollen die einfach weiter. Wir sind hoch empört! So etwas macht man doch als Reiseradler nicht. Da hält man an und quatscht ’ne Weile! Hardy brummt noch lange vor sich hin.

Am späten Nachmittag reicht es mir für heute. Ich habe keine Lust mehr auf weitere anstrengende Schotterfahrerei, in der wir nur im gefühltem Schneckentempo voran kommen. Ich sehe eine Finca neben der Straße, in deren Garten ein sympathisch aussehender Mann harkt. Wir fragen, ob wir hier heute nach zelten dürfen. Es ist kein Problem und sogleich macht uns Joaquín das hölzerne Tor auf. Des öfteren sehe er hier vollgepackte Radler vorbeifahren. Aber noch niemand habe gefragt, ob er hier schlafen dürfe, meint er.

Seit Jahren lebt er hier mit seiner Frau und den zwei Kindern, verwaltet und bewirtschaftet das Areal, auf welchem Wandertouren und Seminare zum Thema Aufforstung angeboten werden. Leider scheint die Finca nicht so gut zu laufen und bereits bessere Jahre gesehen zu haben. Die Seminarräume stehen voller Sperrmüll und sind dreckig. Die Zimmer, die einst an Gäste vermietet wurden, werden nun von seiner Familie genutzt. In einem davon betreibt seine Frau einen Kindergarten. Die Finca steht zum Verkauf.

Joaquín erzählt uns viel von seinen beiden Kindern Catarina (10) und Piri (16). Außerdem berichtet uns Joaquín von einem für ihn traurigen Phänomen in dieser Gegend, das er nicht verstehen kann. Immer häufiger brechen Mädchen aufgrund von Schwangerschaften bereits mit 13 Jahren die Schule ab. Mit einem Mann zusammenleben und einen eigenen Haushalt sowie eine eigene Familie zu haben sei in diesem Alter ein großer Traum von Vielen. Meistens sind sie mit Kerlen um die 30 zusammen. Für diese Mädchen steht dann der Haushalt und das Kinderversorgen an erster Stelle. Bildung soll später irgendwann wieder erfolgen. Mit 18 Jahren hätten die meisten Mädels dann bereits drei Kinder und werden oft von ihrem Mann verlassen. Dann stünden sie da und müssten den ganzen Tag arbeiten, um sich und ihre Kinder über die Runden zu bringen. Prostitution sei eine häufige Folge in dieser Not. Joaquín meint, Bildung sei das Wichtigste überhaupt.

Joaquín erklärt, dass Hardy mit seinen 28 Jahren hier in Kolumbien gut mit 15 bereits ein Kind habe bekommen können. Wäre dies eine Tochter gewesen, wäre jene nun 13 und sehr wahrscheinlich bereits Mutter. Dann wäre Hardy nun ein Opa. Für uns kaum vorzustellen, scheint dies Realität zu sein.

Joaquíns Kinder sowie deren Mutter kommen etwas später nach Hause. Joaquíns Frau scheint von unserer Anwesenheit weniger begeistert zu sein und zieht sich nach einem kurzen smalltalk zurück. Die beiden Kinder erfreut es umso mehr.

Lange sitzen wir gemeinsam am Tisch unterm Pavillon und reden und reden. Piri, der Sohn, holt sein Geographiebuch raus, denn er will wissen, wo nochmal Deutschland liege. Dann fragen uns die beiden Kinder nach der deutschen Übersetzung von vielen Wörten wie Haus, Tisch, Eimer oder Besen. Wir schreiben sie zusammen auf.

Als Joaquín sich verabschiedet, um Fußball zu gucken, erfahren wir von Piri, dass es da noch ein Kind in der Familie gibt. Seine 13-jährige Schwester habe sich in den ehemaligen 31-jährigen Gärtner der Finca verguckt, der schon lange hinter ihr her war. Die Eltern sind strikt gegen diese Verbindung. Die Schwester ist ausgezogen, um mit diesem Mann zusammenzuleben. Der Kontakt zu ihr sei fast abgerissen. Nun wissen wir vielleicht, warum Joaquín uns vorhin so emotional betroffen von der ganzen Problematik berichtet hatte.

Irgendwann sind wir so müde, dass wir die interessante und lustige Konversation mit den beiden Kindern abbrechen und zum Zelt trotten. Natürlich auf Schritt und Tritt von den Beiden begleitet. Sie sind sehr am Zelt und an allem was wir so tun interessiert (gar nicht so leicht sie los zu werden…).

Wir liegen unter den Sommerschlafsäcken, denn immer noch ist es recht warm und lassen den Tag Revue passieren. Von unseren für heute Abend vorgenommenen Aufgaben haben wir nichts geschafft. Dafür hatten wir tolle Gespräche und haben eine Menge über Kolumbien gelernt – an unserem ersten Tag in Südamerika!

San Juan de Urubá

Nach einem deftigen Frühstück, das uns Joaquín extra zubereitet, geht’s weiter auf feinstem Schotter. Schon bald sind wir eingestaubt.

Bald sind wir im Ort Necoclí. Das ist unser erstes kolumbianisches Nest nach Turbo, für Hardy sehr spannend. Obst uns Gemüse ist billig. Für Käse muss man zum Fleischer. Brot ist relativ teuer. Wir kaufen es trotzdem, denn jetzt liegen fast 30km Schotterpiste vor uns. Die machen uns bestimmt hungrig.

Als wir eine Pause machen, um eine kalte Brause zu zischen, kommen wieder zwei Reiseradler vorbei. Obwohl Hardy laut ruft, schauen sie nicht von ihren sturer auf den Boden gerichteten Blicken auf. Komisch, was ist denn hier nur mit den Reiseradlern los?

Vielleicht sind sie von dem Befahren einer langen Baustelle gestresst gewesen, denn aus dieser Richtung kommen sie. Die Piste ist eng, schlecht passen zwei Autos aneinander vorbei. Zudem ist der Schlamm-Schotter vom Regen aufgeweicht und total matschig. Ein paar LKWs haben sich festgefahren. Der Verkehr versucht sich an ihnen vorbeizuschlängeln. Ein langer Stau hat sich gebildet. Ein paar Polizisten versuchen das Verkehrswirrwarr zu entknoten. Wir schlängeln und mal links, mal rechts vorsichtig durch die Lücken und kommen mit ein paar Schiebeeinlagen durch den Matsch hindurch. Yuppie! Für eine lange Zeit haben wir die ganze Straße für uns allein. Ein paar Mal geht es noch runter und anstrengend durch den Schotter hinauf, bis wir endlich den nagelneuen Asphalt in Mulatos erreichen. Unser Jubelschrei bringt den uns entgegenlaufenden jungen Mann zum Lachen.

Wir merken, dass wir erschöpft sind und wollen nur noch schnell die fehlenden 20km bis nach San Juan de Urubá abstrampeln. Der Po tut weh und die Beine sind müde, als wir endlich ankommen. In der Bruchbude des Nebengebäudes der Kirche am großen Platz des Ortes dürfen wir schlafen. Wir haben zwei Räume für uns. Wasser gibt es aus einer Zisterne im Hof. An einem großen Baum hängen Guaven, die dürfen wir Pflücken. Der Pfarrer und sein junger Gehilfe sind sehr nett. Zusammen werfen wir einen Blick auf die Kolumbienkarte. Sie schwärmen von der sogenannten Kaffeeregion, aus der sie kommen, berichten von der Freundlichkeit der Menschen in diesem Land, warnen uns aber gleichzeitig vor Kriminalität und Gefahren.

Hardy putzt die völlig verschlammten Bikes und ich koche. Heute gibt es Reis mit Linsen und einer Tomaten-Käse-Sauce. Im Moskitonetz aus Schutz vor den Mücken liegend empfangen wir sogar ein wifi-Signal vom Platz. So einen Luxus hätte ich in Südamerika nicht erwartet.

Cereté

Obwohl der Asphalt löchrig ist und immer wieder ganze Abschnitte fehlen und mit schlechtem Schotter oder Matsch belegt sind, machen wir Strecke. Neben zwei Hügelketten dominiert heute Weideland das Bild. Kühe und Wasserbüffel stehen gelangweilt im Schatten der Bäume oder in den kleinen Seen. Das Thermometer klettert auf 42 Grad.

Heute ist uns vor allen Dingen die Radfahrkultur in Kolumbien aufgefallen. Ich weiß nicht wann wir zum letzten Mal einen Fahrradweg gesehen, bzw. befahren haben. Vielleicht in den USA? Ein schöner langer, zweispuriger Radweg präsentiert sich uns bei Montería. Wirklich viele Radfahrer sind unterwegs, vielmehr als wir je in Panama gesehen haben. Bikeshops gibt’s auch wieder.

Im größeren Cereté wollten wir schlafen. Ich bin heute dran und fragte erst in der Kirche, aber der Pfarrer ist nicht da. Auch die bomberos wollen nicht so richtig und senden uns an ein städtisches Gebäude gleich gegenüber. Hier nimmt sich schließlich die nette Bibliothekarin unseres Falles an an. Sie läuft zur Chefin und kommt später mit einem OK zurück. Nur müssen wir einen Zettel schreiben mit unseren Daten und ganz wichtig, den Telefonnummern unserer Eltern. Nur für den Fall, dass wir plötzlich sterben oder sonst was heute Nacht mit uns im abgeschlossenen Gebäude passieren sollte.

Wieder erwarten passiert nichts und nach einer Fotosession mit den neugierigen, kichernden Putzfrauen am Morgen düsen wir los.

Tolu

Wir fahren an Maisfeldern und nicht aufhörendem Weideland für die vielen Rinder vorbei. Alte Männer reiten auf zerbrechlich aussehenden Eseln im Straßengraben. An den Tieren baumeln dicke metallene Milchkannen hin und her.

Eine chronische Müdigkeit macht sich bei uns den ganzen Tag bemerkbar. Wahrscheinlich liegt es an dem dauernden Powern seit Panama City.

Wir beschließen heute nicht mehr weit zu fahren und uns ein Hotel zu nehmen. Tolu ist nah, am Strand gelegen und soll nen‘ Touriort sein. Das wollen wir. Da wird es doch wohl ein nettes Hotel geben.

Fix ist es gefunden und der Gepäckberg hoch ins Zimmer gewuchtet. Wir ziehen uns die Badesachen an und springen ins Meer. Schön warm ist es, wie Badewanne. Lange lassen wir uns in den seichten Wellen hin und her schaukeln.

An der Promenade reiht sich ein Hotel ans andere. Wir spazieren hier gemütlich entlang an Souvenirständen hoch zum Supermarkt. Danach wird nur noch unterm Ventilator gefaulenzt.

Cartagena

In Cartagena wollen wir endlich eine kleine Pause einlegen. Wir dürfen bei Marthas Familie wohnen. Martha ist mit Jan verheiratet und sie haben zusammen ein Kind. Jan wiederum ist mit Hardys Vater lange Zeit von Indonesien in Richtung Venedig auf einer chinesischen Djunke gesegelt. Martha lebt mit ihrer kleinen, sehr niedlichen Tochter Sophie und ihrem Bruder bei ihren Eltern. Überall im Haus laufen Ventilatoren, denn es ist super schwül und heiß. Wir bekommen ein eigenes Zimmer mit Klimaanlage und sind glücklich. Die Familie ist sehr herzlich. Viel erfahren wir bei den langen Gesprächen über Kolumbien. Nicht ohne Stolz in der Stimme wird uns berichtet, dass Kolumbien das einzige Land auf der Welt sei, in dem Coca Cola nicht Marktführer im Sektor der Erfrischungsgetränke wäre. Es gäbe diverse Brausen, die im eigenen Land hergestellt werden. Eine große Firma ist postobón, die Brausen mit Apfel-, Ananas, Erdbeer- oder Traubengeschmack herstellt. Sogleich geht Marthas Vater los und kommt mit einer colombiana in einer großen 1,5l Glasflasche wieder. Die columbiana hat einen nicht ganz so süßen Geschmack und ist sehr erfrischend.


Wir werden bekocht und nach Strich und Faden verwöhnt. Morgens, mittags und abends steht die Mutter in der Küche am Brutzeln – und morgens, mittags und abends gibt es irgendetwas mit Fleisch … zu meiner persönlichen großen Freude, hatte ich doch gerade beschlossen zu meinem Vegetarierdasein zurückkehren zu wollen. Aber nein sagen kann ich ja schlecht. Und so haben wir innerhalb weniger Tage soviel „Fleischatome“ intus, wie wir sie in den vergangenen Monaten nicht abbekommen haben.
So bereitet beispielsweise Álvaro, Marthas Bruder, einmal arepas con todo zu. Das sind Taschen aus Maismehl, Arepas, in die ganze fünf verschiedene Sorten Fleisch mit verschiedenen Soßen und wenig Gemüse gestopft werden. Lecker und füllend.

Martha möchte uns die Stadt zeigen. So fahren wir mit ihrem Vater und der kleinen Sophie auf den Berg über der Stadt, um ein Kloster anzusehen. Wir haben einen tollen rundum Blick und sind erstaunt ob der großen Ausdehnung Cartagenas. Die Straßen unter uns sehen nun auch aus wie ein ungeplantes Wirrwarr. Dies fühlt man erst recht, bewegt man sie durch sie im dichten Verkehr hindurch.

Abends spazieren wir mit Martha durch die wunderschön renovierte Altstadt, die Perle Cartagenas. Bunte Häuser reihen sich aneinander. Restaurants, Hostels, teure Hotels und Boutiquen geben sich die Klinke in die Hand. Dazwischen befinden sich wunderschöne alte Kirchen und Plätze mit Brunnen und alten Bäumen. Das Viertel wird umringt von der alten, immens dicken Stadtmauer.

Das Cartagena eine passende Kulisse für Hochzeiten ist, erleben wir gleich zwei Mal. Wahnsinnig aufgedresst in den farbenfrohsten, schickesten Kleidern eifern die weiblichen Gäste mit der Braut im weißen Kleid mit Rüschen und haste nicht gesehen um Aufmerksamkeit. Stilecht tragen die Männer hier gegen die Hitze schlichte, feine, weiße Leinenanzüge.

Eine kulinarische Spezialität will uns Martha zeigen, so lädt sie uns zum Fruchtsalat ein. Jener wird hier mit Eis, Haferflocken und Kondensmilch serviert. Darüber kommt eine Schicht Käse gestreut. Hört sich schauerlich an – schmeckt dann aber doch erstaunlich gut!

Wie all ihre Gäste schleppt Martha uns zum Vulkan de lodo el Totumo, einem Schlammvulkan nahe der Stadt. In Badesachen erklimmen Hardy und ich den steilen, kleinen Krater, an dem eine schiefe, wackelige Holzleiter hinaufführt. Im Schlammloch hängen bereits so um die 12 Personen ab, oder sind es Schlammmonstern? So genau erkennen können wir das nicht. Sogleich wagen auch wir uns in die graue Masse zu den Anderen in die Sardinenbüchse hinein.

Das ist eine Erfahrung, der Hammer!!! Der Schlamm ist warm und wahnsinnig zähflüssig. Es gibt einen großen Auftrieb, so dass es sehr schwierig ist in ihm unterzugehen oder auch nur unsere Beine nach unten zu bekommen. Wir können im Schneidersitz sitzen oder auf dem Bauch oder Rücken herumhängen und gehen nicht unter. Ein Vorwärtskommen funktioniert nur unter großen Anstrengungen in Zeitlupe. Fasziniert probieren wir alles aus, für uns eine völlig neue Welt.

Unangenehm empfinden wir beide die aufdringlichen Masseure in der Grube, die einen sofort zu sich heranziehen und massieren wollen. Mit einem Grinsen im Gesicht werden Mann und Frau sogleich betatscht. Erst nach mehrmaligem vehementem „No!“ lassen sie von einem ab und suchen nach einem neuen Opfer.

Wir fühlen uns sehr wohl in dieser warmen Masse und schauen uns um. Einige Erwachsene machen sich einen Spaß daraus ihre Kinder jeglichem Alters in den Schlamm zu zerren oder zu werfen. Diese haben Panik und schreien laut, was die Eltern nur noch mehr zum Lachen bringt.

Beim Aussteigen auf einer kleinen Plattform werden wir von einem anderen Angestellten abgeschlammt. Die wackelige Treppe hinab soll so weniger rutschig werden. Wir sehen aus wie zwei Schlammmonster, als wir unten bei Martha ankommen.

In der nahen Lagune warten schon Frauen, um uns beim Waschen behilflich zu sein. Sie werden wir schnell los. Sogleich stürzen sie sich auf verschlammt ankommende Kinder, die Eltern dürfen dann blechen. Wir waschen uns im lauwarmen Wasser ab. Der Schlamm hat es überall hin geschafft. In den Ohren ist es besonders schwer in heraus zu bekommen. Das war gigantisch! Wir fühlen uns wie nach einer Kur und sind sehr müde.

An unserem letzten Abend bei Marthas Familie gehen wir Essen. Ihre Tante und ihr Onkel sind zu Besuch. Wir landen in einem kleinen Fastfoodrestaurant gleich um die Ecke. Fastfood wird in Kolumbien ganz groß geschrieben und andauernd vertilgt. Meist ist es schwer und fettig. Ich freue mich, denn seit Tagen bietet mir sich nun die Möglichkeit etwas ohne Fleisch zu essen (ich hoffe, Marthas Mutter nimmt mir dies nicht übel).

Es war eine herzliche, schöne und sehr intensive Woche, die wir in Cartagena verbracht haben. Wir haben uns super erholt, jede Menge gelernt und sind bestimmt auch etwas dicker geworden. Uns zieht es jedoch weiter wieder unsere eigenen Wege zu gehen. Mit einer Familie zusammenzuleben ist sehr schön, intensiv und toll, aber auch anstrengend.

Nach einer langen Verabschiedungszeremonie und einem klatschenden Beifall von Marthas Familie sowie diverser Nachbarn schwingen wir uns also eines Morgens wieder auf die Sättel und stürzen uns durch den morgendlichen Berufsverkehr in Richtung Santa Marta.

Santa Marta

In nur einer Stunde haben wir das Straßengewirr der Großstadt hinter uns gelassen und rasen auf dem breiten Seitenstreifen der modernen carretera dahin. Es ist natürlich heiß, aber der Fahrtwind kühlt uns.

Die 240km bis nach Santa Marta schaffen wir in nur zwei Tagen, so ausgeruht sind wir. Die Straße ist gut, es ist nur leicht hügelig und die Landschaft ist eher öde bis auf einen Abschnitt.

Auf guten 50km radeln wir auf einem schmalen Damm. Zu rechter Hand sehen wir Flüsse und Seenketten, die mit Mangroven durchsetzt sind. Teilweise ist es auch wüstenartig. Trockene Flächen mit zerklüfteter Erde bilden kleine Lichtungen auf denen Kakteen wachsen. Zu linker Hand kommt das Meer fast bis an die Straße heran. Nur ein schmaler, weiße Sandstrand trennt uns vom nass. Fantastische Farbkontraste aus strahlendem blau, weißem Sand, rötlicher Erde und grünen Mangroven leuchten uns im krassen Sonnenschein entgegen.

Kurz danach befindet sich zu beiden Seiten des Dammes eine krasse Armensiedlung. Häuser, zusammengeflickt aus Brettern und Planen, stehen trostlos im und am Wasser. Kinder kommen herbei und wollen uns eine kleine Katze verkaufen. Dieses Bild der Armut nimmt mich ganz schön mit.

In Santa Marta kehren wir in der casa de ciclistas ein, unserer ersten. Ähnlich wie beim Netzwerk warmshowers bieten hier Privatpersonen für Reiseradler einen Platz zum Übernachten an. Wir wohnen bei Miguel. Er ist Rechtsanwalt, vermietet Fahrräder und organisiert Touren. Er lebt mit drei anderen jungen Leuten in einer WG in einem großen Haus. Das Haus ist schön, nur leider recht rumpelig. Die Küche scheint gar nicht benutzt zu werden, dem entsprechend sieht sie aus. Es gibt auch keinen Herd. Wenn sie kochen, schmeißen sie den Grill im Hof an. Wir bekommen ein Zimmer, ohne Möbel und ohne Licht.

Leider werde ich sogleich krank. Ich habe mir wahrscheinlich den Magen verdorben. Hier an der Küste ist das Leitungswasser von sehr schlechter Qualität. Allein schon das Abwaschen von Obst und deren anschließender Verzehr kann zu Problemen führen. Ich liege mit Übelkeit und Fieber flach unterm Moskitonetz neben dem kleinen Ventilator im heißen, stickigen Raum.

Hardy schaut sich allein die Stadt an. Er findet sie authentischer, als die eher künstliche Altstadt Cartagenas. Auf den Plätzen hier spielt sich wirkliches Leben ab. Alte sowie junge Leute sitzen auf den Bänken und trinken schwatzend einen tinto. Die Straßen sind von Läden und Menschenmassen gefüllt.

Der Strand ist gut besucht. Viele Menschen sind im Wasser oder auf dem schmalen Sandstreifen. Der Strand hier ist alles andere als schön, eher interessant. Rechts wird er von einer immens großen Hafenanlage eingeengt. Riesige Kräne verladen Container auf noch größere Frachtschiffe und links ist der dagegen klein wirkende Sporthafen angelegt.

Als ich wieder fit bin, beschließen wir sogleich weiterzufahren. Wir fühlen uns in dem Haus nicht wohl und werden auch mit Miguel nicht warm. Zudem lässt uns die trockene Hitze verrückt werden. Wir wollen dieser endlich, endlich entfliehen und nehmen Kurs auf den Beginn der Anden in Richtung Süden.

Fotos zu diesem Artikel findet Ihr in der Galerie.

KolumbienPermalink

Comments are closed.