Um uns näher an die schneebedeckten Berge zu bringen haben wir uns überlegt die Cordillera Huayhuash zu bewandern. Hier, etwas südlich der Cordillera Blanca, kann man eine mehrtägige Runde um das Gebirgsmassiv laufen und dabei am laufenden Band hohe Pässe erklimmen und spektakuläre Aussichten genießen. Wir haben uns vorgenommen in zehn Tagen die ca. 130 km lange Runde zu drehen.
Tag 0: Llamac (3250m)
Um vier Uhr in der Früh klingelt unser Wecker. Schnell bauen wir im Hof des Hostels Jo’s Place in Huaraz, wo wir die Räder und den restlichen Kram parken, unser Zelt ab und los geht’s zum Busbahnhof. Pünktlich um Fünf rollen wir dann verschlafen und frierend im kalten Bus los. Von der tollen Landschaft über Hochebenen bei Sonnenaufgang in Richtung Chiquian kriegen noch halb schlummernd wir nicht viel mit. Dort haben wir eine halbe Stunde Zeit, denn um acht Uhr fahren wir bereits weiter, diesmal in einem kleinen Minibus. In Chiquian kann noch gut eingekauft werden, später bestimmt die abgeschiedene Lage den Preis.
Nun ist die Straße nicht mehr asphaltiert. Es geht auf einer miesen, holperigen und mitunter auch sehr schmalen Piste in die Berge. Es ist schön diese mal nicht aus der Radlerperspektive zu erleben. Andauernd wird angehalten, um Leute einzusammeln oder Esel aus dem Weg zu scheuchen. Heute ist Sonntag und so wandern auch bald Bierflaschen auf den Beifahrersitz. Schnell gesellen sich alle Männer in den vorderen Teil des Wagens. Die Flaschen machen die Runden. Auch der junge Fahrer trinkt mit, was mich aufgrund der steilen Abhänge an denen wir vorbeischrammen mit einem etwas unangenehmen Gefühl erfüllt.
Nach zehn Uhr fahren wir schließlich im kleinen, heruntergekommenen Ort Llamac ein. Noch in der Dorfeinfahrt kommt eine Frau in den Wagen. Ausländer müssen für den Eintritt in den Distrikt 20 Soles zahlen. In dieser Gegend ist das Land vollständig den verschiedenen Gemeinden zugeordnet. Diese haben seit einigen Jahren für die Wanderer eine Eintrittsgebühr erhoben. Offiziell zahlt man so für seine „eigene Sicherheit“, die Wartung der Campingplätze, bzw. die Müllbeseitigung. Inoffiziell hören wir, dass das Geld in diverse Taschen wandert und in Bier umgesetzt wird…
Wir beschließen heute im Ort zu bleiben, da gleich Anfang ein anstrengender Pass mit 1000 Höhenmetern Anstieg anstehen würde und suchen uns eine preisgünstige hospedaje. Hardy fragt im Ort ein paar Menschen und bald können wir im ehemaligen Kinderzimmer einer Familie ganz preiswert übernachten. Es gibt auch einen Campingplatz, nur ist es erst Mittag und wir wollen noch ein wenig schlendern und unser Zelt nicht unbewacht stehen lassen.
Tag 1: Laguna Yahuacocha (4050m)
Wir sind ganz aufgeregt, endlich geht es los! Mit schweren, prall gefüllten Rucksäcken mit Essensvorräten für 12 Tage machen wir uns auf den Weg. Gleich hinterm Dorf beginnt auf einem wackeligem Weg mit losem Geröll die Steigung. Wir schnaufen und schwitzen. Ich komme nur langsam voran. Hardy schreitet vorne weg. Vorbei geht es an Agaven und bunten Blumen. Steinbrocken wurden zusammengetragen und zu Umzäunungen aufgeschichtet, in denen Esel grasen. Erstere hören auf, je höher wir gelangen. Schließlich ist es karg.
Vier Stunden später erreichen wir endlich den Pass auf 4300m. Freudig fallen wir uns in die Arme. Zugig und kalt ist es hier, aber eine Wahnsinns-Aussicht auf die vor uns liegenden schneebedeckten Riesen Rondoy (5870m), Jirishanca (6094m), Yerupajá Chico und den noch größeren Yerupajá (6617m) entschädigt für jegliche Mühen.
Nun geht es meist nur noch herunter und das auf einem angenehmen Pfad aus festgetretener Erde. Unter lustig ausschauenden Bäumen, den quenuas, neben einem gurgelnden Bach machen wir Mittag. Der Kocher burnt gut, schnell gibt es einen Tee aus Coka-Blättern, was gut sein soll gegen Höhenbeschwerden und eine Chinanudeln-Tütensuppe für jeden. Das bringt neue Energie. Eine Eselskarawane kommt vorbei, beladen mit leeren Bierflaschen. Die Treiber sind freundlich und halten zu einem Schwätzchen an. Sie fragen: „Habt ihr keinen guide und keine Esel?“ Das scheint sie zu erstaunen.
Über eine Hochebene, entlang eines Baches und kleinen Hütten mit Steinumzäunungen laufen wir unserem heutigen Ziel entgegen, der Lagune Yahuacocha. Gefühlt zieht es sich ewig hin, wir sind müde und der Rücken schmerzt sehr.
Eine Moräne muss noch überwunden werden und dann liegt sie vor uns, die Lagune. Auf dem kleinen, trockenen Platz am wunderschönen See begutachten wir bereits ordentlich aufgereihte Zelte einer organisierten Tour. Dies ist eine Gruppe deutscher Wanderer. Eingequetscht wie in einer Sardinenbüchse packen wir uns geschafft daneben. Es windet, wir setzen auch die Sturmleinen des Zeltes. Es ist voll und laut hier, irgendwie merkwürdig. Dafür ist die Aussicht um so besser, hinter der Lagune erhebt sich imposant ein karger Berg in die Höhe, dessen graue Flanken auf der Spitze bedeckt mit Schnee leuchten. Ein Gletscher bahnt sich seinen Weg hinab. Dazu gibt’s einen zarten, rosanen Sonnenuntergang. Wie schön!
Es wird schnell kalt. Wir ziehen die Daunenjacken an und kochen im Vorzelt. Es gibt für jeden 100g Grieß mit Gewürzen und 25g Tomatenmark. Das wird uns nun jeden Abend erheitern.
Tag 2: Quartelhain (4170m)
Noch im Dunkeln in der Früh um Fünf zündet Hardy den Kocher an. Je höher wir kommen, desto mehr muckt er, macht merkwürdige Geräusche und burnt nicht richtig. Es dauert lange, bis das Wasser heiß wird. Es gibt noch verschlafen im warmen Schlafsack den morgendlichen Kaffee, dann Haferflockenschleim (170g pro Person…) und einen Coka-Tee zum Herunterspülen. Nun wird sich überwunden, angezogen und der Tag in der Kälte beginnt mit Rucksack packen und Zelt abbauen. Das macht keinen Spaß, da uns das mit Raureif überzogene Zelt die Finger eiskalt werden lässt.
Die Sonne kraucht über die Hänge, wir laufen gemütlich an der Lagune entlang. Spektakuläre Aussichten auf die angestrahlten Gipfel erfreuen uns. Nachdem wir ein Wenig bergauf gegangen sind und uns um umblicken, können wir auf die blau-grüne Lagune Solteracocha (4122m) herunter schauen. Die Gipfel spiegeln sich im Wasser.
Die Steigung hat es in sich. Mir macht die Höhe zu schaffen und ich muss zum Atem schöpfen immer wieder anhalten.
Um den Pass zu erreichen müssen wir ein steil abfallendes Schuttfeld queren. Das ist für mich ganz schön abenteuerlich.
Dann sind wir endlich oben. Es ist windig am Punta Sambuya (4740m). Hinter einem Stein essen wir Schoko-Kekse (46g). Der nächste Pass folgt sogleich. Der Punta Rondoy (4750m) ist aber wesentlich unspektakulärer als sein Nachbar.
An der Westseite der Quebrada Rondoy laufen wir lange leicht bergab und queren dann auf Eselspfaden im Zickzack den steilen Hang zwischen blühenden Büschen hindurch.In der Sonne im Tal unten am Fluss machen wir eine Mittagspause.
Dem Tal folgend geht es an grasenden Kühen auf einer nassen Wiese voran. Zwei nette Muttchen weisen uns den Weg.
Unter uns befindet sich eine Schotterpiste, die wir bei km 37 erreichen. Die Klohäuschen des Campingplatzes sind schon von weitem zu erkennen Heute sind wir die Einzigen hier. Es liegt viel Müll herum, den ein Mann beiseite räumt. Er schimpft über die vielen jungen israelischen Touristen, die wohl in Massen nach ihrem Militärdienst hier her kämen und sich daneben benähmen, die Klos nicht benutzten und ihren Müll liegen lassen würden. In dieser Gegend hören wir das häufiger, sie scheinen hier nicht den besten Ruf zu haben.
Tag 3: Laguna Mitucocha (4270m)
In dieser Nacht ist es sehr kalt geworden. In den Wasserflaschen befinden sich Eisstückchen. Ich muss die Zeltstangen mit warmen Atem anpusten, um sie auseinander zu bekommen. Als wir um Viertel vor Sieben loslaufen haben wir null Grad. Ein Mann kommt aus seiner strohbedeckten Hütte heraus und fragt aus welchem Land wir kommen und wie viele Kinder hätten. Als wir unser Nicht-Elterntum erklären, meint er, wir sollten doch wenigstens ein bambino in Peru machen.
Wir stöhnen vor Kälte und Anstrengung, denn sogleich geht es zur Sache dem Kliff entgegen. Die Sonne arbeitet sich langsam über die Berge ins Tal hinein. Der Schnee auf dem Rondoy leuchtet bereits golden. Wir haben Glück und sehen den Anden-Kondor majestätisch über uns seine Kreise ziehen. Ein wirklich großes Tier.
Nach zwei Stunden harter Arbeit erreichen wir den Pass Cacananpunta auf 4690m. Auf der anderen Seite breitet sich die Laguna Pucacocha in Kupferfarben unter uns aus. Ein weiteres Tal öffnet sich. Mit ein paar Erdnüssen im Bauch als Stärkung machen wir uns auf hinab zu den grasenden Eseln und Kühen.
Wir wählen eine Alternativtour zur Standartroute und bewältigen einen weiteren kleinen Pass auf einem grün bewachsenen Berghain. Hier soll es Fossilien geben, aber Hardy findet keine. An einem Berghang queren wir durch losen Schutt entlang, um nicht ins Tal hinab zu müssen. Danach geht es über huckeliges Gelände zum Fluss, unserem Platz zum Mittag essen. Als ich gerade die übliche Tütensuppe(86g pro Person…) koche, springt Hardy, plötzlich splitternackt, in den eiskalten Bergbach und wäscht sich sogar die Haare. Wow! Ich Weichei dagegen ziehe es vor dreckig zu bleiben.
Die Lagune Mitucocha erreichen wir am frühen Nachmittag. Hinter ihr türmt sich der Jirishanca auf. Neben dem Schilf führt ein Bächlein aus der Lagune heraus. Esel grasen. Es ist wunderschön!
Tag 4: Laguna Siula 4290m
Aufgrund der Bewölkung ist es in dieser Nacht gar nicht so kalt gewesen. Am Morgen haben wir sieben Grad im Zelt. Aber die tief hängenden Wolken betrüben uns, als wir flott auf der Grasebene vorankommen. Wir müssen nur aufpassen keine nassen Füße zu bekommen, denn unter unseren Wanderstiefeln macht es verräterisch schmatzende Geräusche.
Nachdem wir einen Bach übersprungen haben, beginnt mal wieder die Steigung zum Pass. Eselpfade führen auf den kargen Bergrücken hinauf. Den Pass Carhuac (4630m) erreichen wir schnell, ein karger, sandiger Sattel. Das Wetter wird ungemütlich, kalter Regen setzt ein, der in Hagel mündet. Schnell ziehen wir die Regenklamotten über. Wir sind im Nebel, die Aussicht ist gleich Null. Zum Glück dauert es nicht ewig an.
Wir erreichen einen See, an dem eine Schafherde grast, unter ihm befindet sich die große Laguna Carhuacocha (4138m) mit dem unbeschreiblichen Bergmassiv des Jirishanca, Yerupaja Chico und Yerupaja an ihrem Ende. Leider verwehren uns die Wolken den Blick auf die völligen Ausmaße dieser gigantischen Berg-Riesen.
Ein Mann kommt aus einer Hütte. Es ist Wenseslau Simeon Flores. Er lebt hier mit seiner Frau, hat 500 Schafe und vermietet Esel an schlappmachende Touristen. Wir unterhalten uns eine Weile. Er fragt nach Tabletten gegen Husten und einer Uhr. Mit beidem können wir nicht dienen. Am Ende empfiehlt er uns eine Abkürzung, um auf direktem Wege zur Lagune Siula zu gelangen. Dort sei kein Campingplatz, aber er meint, wir können dort ruhig zelten, dann hätten wir es morgen nicht so weit zum anstrengenden Aufstieg hinauf auf den folgenden Pass.
Nachdem wir einen Abhang im Zickzack herunter gelaufen sind, kommt uns ein wütend bellender Hund entgegen. Ein altes Muttchen mit langen Zöpfen, schiefen Zähnen und einem dicken Rock hinterher, ein gekonnter Steinwurf folgt und Ruhe ist. Die lustige, alte Dame will sich unterhalten. Sie ist 70 und hat zwölf Kinder in den Hütten großgezogen. Nun lebt sie mit ihrem Mann allein hier. Sie haben Kühe und Schafe. Produzieren Milch, Käse und Wolle. Ihr Mann ist gerade nach Baños gereist, um den einmonatigen Einkauf zu tätigen. Auch sie fragt uns nach Tabletten. Wir wissen nicht so recht, ob wir ihr unsere wenigen Schmerztabletten geben sollen und entscheiden uns lieber ihr einen halben Käse abzukaufen. Auch darüber freut sie sich sehr und zeigt uns sogleich ihr Küchenhaus. Mit 700g mehr Gewicht, aber dafür einer Bereicherung unseres Speiseplanes, laufen wir dann gefolgt von einem anderen Terrorstressköter über die feuchte Ebene.
Noch einmal hart wir es am Nachmittag, denn erst queren wir zahlreiche Bäche, um dann in einem trockenen, steinernen Flussbett bergauf zu stapfen. Einem kleinen See folgt endlich die Laguna Siula (4290m). Still liegt sie in die Berge eingefasst. Büsche wachsen an ihrem Ufer. Ein Bach gurgelt. Auch hinter ihr türmen sich schnee- und eisbedeckte Gipfel auf.
Wir werfen die Rucksäcke ab und erklimmen eine Moräne. Hinter ihr befindet sich die hellere Lagune Quesillococha (4392m). Gerade als wir den Rand der Moräne erreicht haben, löst sich hoch oben ein Lawine. Poltern fallen Schneemassen hinab, bishin das Schnee in die Lagune rieselt. Eisstücken schwimmen im Wasser. Ein beeindruckendes und gigantisches Schauspiel der Kräfte!
Wir beeilen uns mit dem Zeltaufbau, denn es wird schon wieder kalt. Leider ist unser Schlafkomfort durch die Schräglage des Hanges sehr geschmälert. Trotzdem ist dies der für mich schönste Schlafplatz auf unserer Wanderung. In der Nacht gehen immer wieder donnert Lawinen ab. Ein schauriges Geräusch im Hintergrund.
Tag 5: Lagunas Mitococha (4485m)
Leider ist es nach wie vor bewölkt, als wir am Morgen aufbrechen. Wir laufen an unserer Lagune vorbei und finden einen schmalen Trampelpfad, der uns bisher verborgen geblieben war. Er ist zugewuchert und leicht rutschig. Zur einen Seite geht es steil bergab. Vorsicht ist geboten, lieber auf den Boden schauen, als die tolle Aussicht zu genießen. In Serpentinen geht es hinauf, bis eine Hochebene folgt. Hinter ihr erstreckt sich ein Schuttfeld, welches wir auch erklimmen müssen.
Hinter uns liegen ruhig die Lagunen, dahinter die hohen Berge. Ganz toll ist es hier, leider immer noch tief bewölkt.
Als wir den kleinen Pfad durch das Schuttfeld folgen, beginnt es zu schneien. Ganz zur Freude Hardys, hatte der doch seit dem Winter 2010/2011 keinen Schneefall mehr erlebt.
Eine Wahnsinns-Rundumsicht eröffnet sich uns auf dem Pass (Siula Punta 4830m). Kaum sind wir oben, als von der anderen Seite ein Junge mit seinem kleinen Hund ankommt. In der Hand trägt er zwei Eimer mit Coca-Cola-Flaschen. Diese verkauft er hier für einen rasanten Preis an Touristen. Er fragt uns auch sogleich wie viele Gruppen denn noch kommen würden und ist erstaunt, dass wir allein unterwegs sind. Wir bleiben noch eine Weile auf diesem kalten Punkt, bis schließlich auch Hardy einsieht, dass die Wolken sich sobald nicht verziehen werden und wir mit der gigantischen Aussicht einfach Pech gehabt haben…
Der Abstieg beginnt, in der Ferne sehen wir schon die Laguna Carnicero (4430m), über der wir eine Keks-Pause einlegen. Der alte Inca Trail auf welchem wir gehen, ist teilweise noch richtig gepflastert und gut erkennbar.
Kurz vor dem Campingplatz Huayhuash überholt uns eine Gruppe schwer beladener Esel samt Treiber. Die armen Tiere sehen nicht gut aus und sind mit Kisten und Taschen beladen, sogar eine Gaspulle wird mitgeschleppt. Die Touristen dieser Gruppe kommen aus Israel, eine deutsche Frau hat sich ihnen angeschlossen. Es ist erst früher Mittag, wir stapfen durch den Campingplatz und setzen unseren Weg fort. Zudem haben wir gar keine Lust auf lautes Gruppencamping.
Zu den beiden Lagunen Mitococha geht es sanft bergauf. Bald liegen sie unter uns. Wir gehen vom Weg ab und suchen uns an ihren Enden ein trockenes Plätzchen für unser Zelt.
Tag 6: Thermalquellen bei Laguna Viconga (4380m)
Heute Morgen ist es mal wieder besonders kalt. Minus 0,5 Grad zeigt das Thermometer, als wir loslaufen. Zum Glück wird uns durch die Bewegung bald warm. Es geht leicht bergauf. Nach einer Stunde erreichen wir den Pass (Portachuelo de Huayhuash 4780m). Auf den großen Felsbrocken springen lustige, Chinchilla-ähnliche Tierchen herum (viscachas).
Unsere Blicke schweifen auf die schneebedeckte Cordillera Raura. Schön ist es hier. Unter uns breitet sich die große Lagune Viconga aus. Tiefblau liegt sie vor uns, sie scheint ein Stausee zu sein.
Die nahen Thermalquellen können wir nach einer schmackhaften Steigung schon erkennen. Neben einem Haus befinden sich zwei Betonpools. Wir sind allein hier und schwingen uns sogleich ins heiße Wasser. Endlich waschen! Leider ist das Wasser unangenehm super-heiß. Wir kommen kaum rein und können uns auch nicht bewegen. Unsere Kreisläufe fahren runter, wir werden schrecklich müde und träge. Schnell sind wir wieder draußen und waschen nur noch die Haare. Da sehen wir schon eine Gruppe Touristen nahen. Da haben wir keine Lust drauf und verziehen uns zu einem nahen Feld wilder Thermalquellen, die Hardy bei einem Rundgang entdeckt hat.
Hier dampft und brutzelt es aus der Erde, auch einen kleinen natürlichen Pool gibt es. Wir bauen hier unser Zelt auf. Leider zieht es sich zu. Was natürlich keine Hinderung für Hardy darstellt sogleich noch einmal ins warme Wasser zu hüpfen. Es beginnt zu hageln. Während ich im Zelt im warmen Schlafsack sitze, vergnügt er sich eine Stunde lang heiter draußen im dampfenden Wasser und spielt mit den Hagelkörnern.
Tag 7: kurz vor Huayllapa (3850m)
Morgens passieren wir schnell den offiziellen Campground, auf dem das Gruppenleben gerade beginnt, und beginnen den Hang hinaufzusteigen. Heute erwartet uns der höchste Pass dieser Runde, der Punta Cuyoc mit fast 5000m. Es geht durch hohes Gras, vorbei an kleinen Seen. Große Steinbrocken liegen herum, die Hänge sind karg. Der Pass selbst ist dominiert von grauem Sand und großen Steinmännchen. Die Freude währt kurz, denn es ist sehr kalt und windig.
Nicht nur der Aufstieg, auch der Abstieg ist anstrengend. Denn es geht eine gefühlte Ewigkeit steil auf losem Geröll in engen Serpentinen bergab. Endlich haben wir wieder Gras und Erde unter den Füssen. Kekse müssen her. Da kommen auch schon die Packtiere von gestern vorbei. Wir sind bereits die amigos der Treiber, freundlich wird sich gegrüßt.
Auf einer offenen, windigen Ebene befindet sich zwischen Steinbrocken neben vielen Schafen schon der offizielle Campingplatz. Wir ziehen weiter. Das Tal verengt sich, es geht wieder bergauf. Auf einem wunderschönen Platz weit über dem Fluss zwischen Felsbrocken und Blümchen grasen zwei Esel. Wir machen eine Pause. Nachdem sich die Tier an uns gewöhnt haben, kommen sie näher und riechen an uns. Der eine lässt sich sogar streicheln und sucht den Kontakt. Ansonsten sind die Tiere eher menschenscheu. Schade, dass es hier kein Wasser gibt, zu gern wären wir hier geblieben. So wandern wir wieder bergab, um das Zelt auf einer kleinen Ebene nur kurz über dem Fluss aufzubauen.
Tag 8: Quebrada Gashpampa (4600m)
Am frühen Morgen laufen wir eine Stunde neben dem gurgelnden Gebirgsbach bis wir den Ort Huayllapa erreichen. In den Ort hinein müssen wir nicht, haben wir noch genügend Lebensmittel und biegen sogleich auf eine lose Steinpiste ab, den Hang hinauf. Nun beginnt der spaßige Teil des Tages, die Steigung, die nicht mehr aufhören wird. Denn 1250 Höhenmeter sind zu überwinden. Ziemlich steil beginnt der Aufstieg, immer am Bach entlang. Wir kommen ins Schwitzen. Heute muss mal Musik her, damit geht es dann ganz gut.
Endlich lässt auf einer Ebene die Steigung etwas nach. Wir befinden uns nun im ganz kargen Hochland. Bäche münden in eine kleine Lagune. Es ist still hier. Wir machen eine lange Mittagspause. Noch einmal eine halbe Stunde geht es hinauf zum Pass Punta Tapush (4770m). Unter uns breitet sich wunderschön die Laguna Susucocha (4740m) aus. Wir sind so verzückt, dass wir nicht auf den richtigen Weg achten und einfach dem breiten anstatt dem schmalen Pfad folgen. Diese dämliche Aktion kostet uns 45 Minuten und lässt uns umkehren, als wir den Fehler bemerken. Wieder am Pass angekommen laufen nun im Dauermarsch an der Lagune vorbei. Wir sind bereits müde und wollen Schluss machen. Hinter dem See geht es bergab in den folgenden Distrikt. Wir sehen bereits worauf wir gewartet hatten. Neben einem Bach befindet sich ein weiterer Campingplatz und auch alte Steinmauern. Hinter denen bauen wir vom Wind geschützt das Zelt auf und kochen fix. Auf 4600m ist dies unser höchster Campingplatz bisher. Wir haben eine sternenklare Strahlungs-Nacht.
Tag 9: Laguna Yahuacocha (4050m)
Nun hat mich auch einmal die Höhe erwischt. Am Morgen habe ich Kopfschmerzen und fühle mich matschig. Etwas verspätet brechen wir auf. Ich kämpfe mich matt voran und muss dauernd anhalten. Nach einer Pause und Süßkram als Stärkung geht es etwas besser. Nach der Überquerung eines Geröllfeldes komme auch ich irgendwann am Pass (Llaucha Punta 4850m) an und bin darüber heilfroh. Ich verziehe mich in den Windschatten eines Steines und mache die Augen zu. Hardy besteigt einen nahen Gipfel und genießt eine Nahbegegnung mit einem Kondor. In der Ferne bestaunt er den Yerupata und die Cordillera Blanca.
In Serpentinen geht es bergab. Hier grasen Bullen mit spitzen Hörnern, um die wir lieber einen Bogen laufen, als einer eine Drohgebärde macht. Heute pausieren wir oft. Beide merken wir die Anstrengungen der vergangenen Tage. Zum Glück ist es nicht mehr weit bis zu unserem Campingplatz des ersten Tages an der Laguna Yahuacocha. Wunderbar breitet sie sich vor den schneebedeckten Bergen unter uns aus. Bereits von oben können wir aufgereihte Zelte erkennen.
Als wir unten ankommen gesellt sich erst der señor, der hier Bier verkauft zu uns, dann die guía einer französischen Gruppe. Wir leisten uns heute auch mal eine überteuerte Coca Cola, denn wir wollen anstoßen auf die bestandene Wanderung und unser 2-jähriges Reisejubiläum. Auch haben wir neulich erst die 25.000km geknackt. Das süße Gesöff schmeckt fantastisch gut! Wir fühlen uns wie die Könige, als wir neben unserem Zelt am Hang etwas über den anderen Gruppen, deren Teilnehmer mit ihren schlaffen Tagesrucksäcken nach und nach fertig eintrudeln, die Szenerie beobachten, alles kommentieren und Revue passieren lassen. Das ist besser als Fernsehen!
Tag 10: zurück in Huaraz
Im Dunkel laufen wir kurz vor Fünf los, denn wir wollen spätestens um zehn Uhr in Llamac sein, um Tickets für den Bus zu kaufen. Diesmal wählen wir den Kanalweg, auf und neben einem alten Aquädukt. Er windet sich in vielen Kurven um den Berg herum und zieht sich ganz schön hin. Straff laufen wir voran und machen kaum Pausen.
Um neun Uhr sehen wir das Dörflein unter uns. Wir haben noch Zeit bis der Bus abfährt und hauen uns mit einer 3l Flasche Peru Cola Limón, Äpfeln und Brot auf die plaza. Man, schmeckt das gut!
Im Bus treffen wir auf die israelische Gruppe und die deutsche Frau und unterhalten uns über unsere verschiedenen Erfahrungen.
Die Busfahrt zieht sich ewig hin. Am späten Nachmittag erreichen wir gerädert Huaraz. Es ist eine hektische und wirklich nicht schöne Stadt. Aber interessant ist es durchaus sich in diesem Ameisenhaufen zu bewegen. Im Hostal treffen wir auf zwei niederländische Radler mit denen wir uns lange unterhalten.
Freudig können wir uns lange unter eine heiße Dusche schwingen, dann geht’s ins City Center, um unser 2-jähriges gebührend mit zwei Familienpizzen und Bier zu feiern. Was für ein Gaumenschmaus! Wir sind so fertig, dass wir unser Bier nicht einmal aufkriegen und schließlich mit einem Taxi ins Hostal zurückfahren.
Nun wird erst mal ausgespannt und die weitere Route vorbereitet. Unser nächstes großes Etappenziel, Cuzco, ist rund 2000km entfernt.
Fazit:
Die Huayhuash-Runde stellt für uns beide eines der bisherigen Highlights unserer Reise dar. Es ist unglaublich sich in dieser Höhe und vor allem so nah an den Bergen und Gletschern zu bewegen. Aufgrund unserer Fitness, unserer Höhenakklimatisation und des Gewohntseins auch bei schlechtem Wetter und niedrigen Temperaturen die ganze Zeit draußen zu sein, also nicht nur der körperlichen, auch der mentalen Fitness, haben wir die Runde ganz gut geschafft und sind im Vergleich zu unbepackten Wanderern „locker“ dahin gelaufen. Auch wenn es für uns natürlich auch anstrengend war! Die körperliche Herausforderung sollte nicht unterschätzt werden.
Huayhuash ist ein beliebtes Ziel diverser Gruppen, immer neue werden in die Berge hinauf gekarrt. Mit viel „Verkehr“ muss also gerechnet werden. Leider hat dies zur Folge, dass jede Menge Müll in den Bergen herum liegt. Wenn wir uns des Weges unsicher waren, lautete der Slogan: „Folge den Klopapierfetzen!“ – die wirklich überall herumfliegen.
Die Esel und Pferde sehen schlecht aus und werden nicht gut von ihren Treibern behandelt.
Die Cordillera Huayhuash ist kein Nationalpark, Verhandlungen darüber laufen, es wird sich jedoch von den Gemeinden dagegen gewehrt. Momentan brodelt ein Konflikt zwischen beiden Parteien, der aber die Touristen nicht betrifft. Es gibt keine einmalige Eintrittsgebühr. Wie schon zu Anfang erwähnt, wird hier für die Wanderer in jedem einzelnen Distrikt eine Ticket-Gebühr fällig. Diese bewegt sich zwischen 15 und 40 Soles. Insgesamt kann mit rund 200 Soles für die gesamte Runde gerechnet werden, wobei die Preise jährlich steigen sollen.
In angenehmen Abständen gibt es offizielle Campingplätze mit Bach und Klohaus. Da wir andere Etappen als die Gruppen gelaufen sind, haben wir meistens nicht auf den Campingplätzen übernachtet (was nicht gern gesehen wird).
Thema Sicherheit: Im Vorfeld hatten wir uns mit einem guide in Huaraz unterhalten, der von den letzten Morden an Touristen vor vier Jahren berichtet hatte und meinte es sei sicher. Solange die Wanderer kooperieren, also brav die Ticketgebühr begleichen würden, sei alles in Ordnung. Wenn nicht, können sie schnell arge Probleme bekommen.
Im Nachhinein haben wir von dem guide der israelischen Gruppe nicht nur von Überfallen auf allein reisende Wanderer gehört, sondern auch gleich von Morden und Zerstückelungen, die immer wieder, also auch aktuell vorkommen sollen. Diese Information hat uns nachdenklich werden lassen und der Wanderung einen anderen Beigeschmack gegeben. Vielleicht haben wir Glück gehabt, vielleicht auch nicht, das können wir nicht so genau einschätzen.
Wir haben uns vor Ort sehr sicher gefühlt und hatten wirklich netten Kontakt mit den Menschen!
Packliste – Essen:
morgens: 2kg Haferflocken gemischt mit 1Pkg Kakao- und Milchpulver, 300g Zucker, 250g Erdnüssen
mittags: 18x86g Chinanudeln-Tütensuppe, 500g Ersatznudeln
abends: 6x80g Tomatenmark, 11x200g Grieß (semola), Gewürze, Salz
trinken: 1unze Kokablätter, 200g Zucker, 50g Instant-Kaffee
Snacks: 22x48g Schokokekse (cariño), 500g Erdnüsse, Bonbons, 2x380g manjar
(2l Benzin)
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