Wir befinden uns nun im kleinsten Land Mittelamerikas. El Salvador wird von seinen Bewohnern auch Land der halben Stunde genannt. Von der Hauptstadt San Salvador aus kann sei alles in nur 30 Minuten zu erreichen.
Ganze 61 Vulkane sind hier beheimatet. Viele von ihnen sind aktiv. Erdbeben gibt es des öfteren. Auf der fruchtbaren Erde der Lavaböden gedeiht und wächst alles, es ist satt grün.
Morgens, als uns in Ciudad Pedro de Alvarado der Wecker aus dem Schlaf holt, regnet es. Es gießt in Strömen. Wir beschließen uns noch ein Wenig in die Federn zu kuscheln und warten ab. Wir haben gar keine Lust auf einen weiteren Regentag und noch weniger auf die auf einen Grenzübergang folgenden aufdringlichen Schlepper und Geldwechsler.
Aber wir werden positiv überrascht. Die Aus- bzw. Einreise (Nicaragua-El Salvador) verlauft völlig stressfrei. Niemand drängelt sich uns auf. Mit dem wirklich freundlichen Grenzbeamten halte ich erst ein Schwätzchen, dann werden alle Einreiseformalitäten erledigt. Ich bin ein Wenig irritiert und erfahre, einen Stempel bekommt man hier nicht in den Pass. Wir sind immer noch im CA-4-Staatenbund.
Die Leute hier sind nett. Unsere altbekannten Freunde, die Gringo-Rufe, werden durch ein „Hello“ abgelöst. Die Menschen hier sind zurückhaltender als ihre Nachbarn und rücken uns nicht so nah auf die Pelle. Uns fällt auf, das die Leute hier alle so furchtbar schick angezogen sind. Modisch und adrett, eng am Körper anliegend, sitzt die bunte, saubere Kleidung. Auch Plastikschuhe werden hier nicht getragen. Richtiges Schuhwerk gibt es.
Und wir finden unsere Leidenschaft, die aguas wieder! Die hatten wir seit Mexiko so arg vermisst. Aguas (Erfrischungsgetränke auf Fruchtbasis mit Eiswasser versetzt) in allen Farben und Geschmacksrichtungen sind erhältlich. Wir genießen ein agua de tamarindo, super erfrischend bei dieser Hitze!
Seitdem wir neulich in Belize beide gleichzeitig unsere Mäntel wechseln mussten, fahren wir ohne Ersatzreifen. Das rächt sich nun. Hardys wirklich nicht alter Continental TravelContact Mantel reißt auf. Er ist nicht mehr zu gebrauchen. Wir sehen, dass der innere Layer völlig aufgeribbelt ist. So ein Scheiß! Da werden wir uns bei Continental melden.
Ich bleibe auf dem Seitenstreifen bei den Rädern zurück. Hardy holt den Daumen raus und versucht per Anhalter ins letzte Dorf zu trampen. Es gelingt recht schnell. Zurück kommt er mit dem Bus, im Arm einen salvadoreanischen Billigreifen. Mal sehen, wie der sich im Gegensatz zum sogenannten Profireifen macht. Erst mal läuft es wieder rund.
Nationalpark El Imposible
Kurz nach der Grenze biegen wir nach Norden ab in Richtung Nationalpark El Imposible. Der Imposible trägt seinen Namen, da in der Vergangenheit viele Bauern mit ihren Lasttieren in den Tod stürzten, als sie über das schwierige Gelände Kaffee zum Pazifik befördern wollten.
Steil, steiler, am Steilsten, kann ich nur sagen. Die Schotterpiste windet sich die Berge empor. An den besonders schönen (steilsten) Steigungen wurde handtellergroßes Kopfsteinpflaster verlegt. Da wird das bereits anstrengende Schieben zur reinsten Qual. Das beladene Hinterrad rutscht über einen Stein und beleibt sogleich in der Lücke zum Nächsten hängen. Es bedarf einiges an Kraftaufwand, um es da heraus, hin zum nächsten Stein zu befördern.
Stunden verbringen wir mit Schieben. Ein paar Meter fahren wir, um dann wieder zu schieben. Es ist schon später Nachmittag, als wir uns entschließen rund fünf Kilometer vor dem Parkeingang ein Auto anzuhalten. Unsere Räder werden zu den drei Mitfahrerinnen auf die Ladefläche des Pick Ups gehievt. Wir springen hinter her und los geht die ruckelige Fahrt. Welch ein Glück, ohne diese Hilfe hätten wir es heute vielleicht nicht mehr zum Nationalpark geschafft!
Wir sind die einzigen Gäste auf ganzen drei Campingplätzen! Toll, ein Lichtung mitten im Urwald. Es gibt saubere Klos, Quellwasser und Pavillons, die auf Plattformen stehen. Unter einem von ihnen bauen wir unser Zelt auf. Nebel zieht auf. Es fängt ganz fein an zu regnen. Wir sitzen unter unserem Dach, genießen die Stille und die blickenden Glühwürmchen und finden es super endlich mal wieder im Wald zelten zu können.
Mit einen guía, denn ohne einen Führer ist es nicht erlaubt, unternehmen wir eine Wanderung durch Nebel- und Primärwald über viel kleine gurgelnde Flüsse hinauf auf einen Gipfel. Nur der Nebel fehlt heute.
Als unser guía dann nix mehr zur Vegetation zu berichten hat, klärt ihn Hardy über Kontinente, Länder und Plattentektonik auf. Hardy erfreut sich daran seine Spanischkenntnisse ausreizen zu koenn und unser guia fragt wissensdurstig nach.
Am frühen Morgen um sechs wählen wir diesmal lieber den Bus, um zur Hauptstraße zurückzukehren. Obwohl dieser geschlagene zwei Stunden benötigt, ist das auf diese Weise wesentlich schneller, als wenn wir vorsichtig hinabrollen, bzw. schieben würden. Zudem wollen wir unsere Bikes schonen und nicht mit ihnen über dieses sehr unebene Kopfsteinpflaster krachen.
Ruta de las Flores
Die Blumenroute ist eine kurvenreiche, steile Strecke, die durch schönste Landschaft sowie kleine Kolonialstädtchen führt. Zu beiden Seiten des Weges blühen, wie der Name schon sagt, die buntesten Blumen. Obwohl es heute mal bewölkt ist, kommen wir auch so ordentlich ins Schwitzen. Mensch, wieder steil ist es hier! Dafür entschädigt bester Asphalt, teilweise sogar mit Seitenstreifen. Teilweise fehlen die Gullydeckel, höchste Konzentration ist gefragt. Aber auch in diesem Land können oder wollen die Busfahrer einfach nicht abbremsen oder Abstand halten.
Als der kleine Hunger kommt, probieren wir das Nationalgericht El Salvadors, die pupusas. Dicke, fette Maistortillafladen, in deren Teig Bohnen und Käse mit eingearbeitet wird. Diese werden in viel Öl frittiert. Dazu gibt’s Krautsalat und scharfe Soße. Verdammt lecker und sehr gehaltvoll.
Weiter geht’s, frisch gestärkt der Steigung entgegen, ganze 40 km erwarten uns von der kuestennahen Panamerikana bis nach Apaneca in den Bergen. Später fahren wir einen Kilometer und machen schnaufend eine Bonbonpause. Dann folgen weitere ein bis zwei Kilometer und so weiter. Die ersten 500 m gehen immer ganz gut, dann fangen wir an zu prusten und können die Augen nicht vom Tacho lösen, wann den „endlich“ der nächste Stopp dran ist.
Am späten Nachmittag haben wir es ins kleine verschlafene Bergdorf Apaneca auf 1450 Metern Höhe geschafft. Es ist kühl hier oben und beginnt zu regnen. Wir genießen einen kleinen Snack sowie einen Kaffee und zum Dessert ein süßes Teilchen in einer kleinen Bäckerei.
Dann machen wir uns auf zu unserem Gastgeber Angél, der gleich neben der alten Kirche zusammen mit seinen Eltern wohnt. Abends kochen wir gemütlich und genießen Kartoffeln mit Blumenkohl, während Angél lange Klavier spielt. Seine Mutter kreiert die tollsten Bilder. Mit Hilfe von bunten Fäden werden Straßenszenen aus dem Dorf nachgestellt. Dann ein Erdbeben, der Boden hat leicht gewackelt. Angél und sein Vater haben es gespürt, wir leider nicht. Wie schade, ein Erdbeben bewusst mitzuerleben, dass wünscht sich Hardy doch schon so lange.
Wir haben Glück, denn gerade gibt es Wasser. Seit Wochen ist irgendetwas im öffentlichen Wassernetz defekt, so dass es sehr unregelmäßig fließendes Wasser gibt. In den folgenden Tagen gibt es es dann gar nicht mehr. Wenigsten eine Dusche ist für uns noch drin!
Im Nachbarort Juayua soll es am Wochenende die feria gastronómica stattfinden. Rund um den Platz werden Köstlichkeiten der Region angeboten, dazu gibt es Livemusik. Wir fahren mit dem Bus hin und sind dann etwas enttäuscht. Es erinnert eher an eine Aneinanderreihung verschiedener Fressbuden mit gesalzenen Preisen. Ein älterer, geleckter Typ schmettert romantische Trauerballaden in sein Mikrofon. Es trieft nur so. Neben ihm liegt ein heruntergekommener, total besoffener Bursche auf dem Boden. Keiner kümmert sich um ihn.
Wir versuchen das salvadorensische Treiben ganz nachzufühlen. So leisten wir uns einen Teller verschiedener Fleischsorten mit Kochbanane und Gemüse. Dazu trinkt Hardy ein quietsche süßes Zuckerwassergetränk mit kleinen Obststücken. Ich wähle eine eben so süße horchata (gemahlener Reis mit gesüßtem Wasser).
Spater besuchen wir die Chorros de la Calera am Rand des Ortes. Wasserfälle, die über die Klippen in ein künstlich angelegtes Becken hinabstürzen – erst weniger spannend. Doch dann wandelt sich das Blatt, denn ein nicht aufhörender stärkster Starkregen setzt ein. Trotz verbogener Regenschirme unserer lieben Gastgeber, sind wir pitsche Nass. Die Sandstraße verwandelt sich in einen Fluss. Endlich passiert mal etwas Spannendes! In der nahen Bäckerei wärmen wir uns mit einem Kaffee wieder auf.
Mit Angél wollen wir am nächsten Tag den Dorfberg Apaneca besteigen, am morgen, ganz früh, um eine gute Sicht zu haben. Über Finca-Gelände und kleinste Pfade, die dann ganz verschwinden und hohem Gras und Gestrüpp Platz machen, erklimmen wir den Berg. Es ist seltene klare Sicht bei Sonnenschein. Wir können auf der einen Seite bis rüber nach Guatemala und auf der anderen viele Vulkane El Salvadors sehen! Den so nah wirkenden Santa Ana wollen wir als nächstes besteigen.
Santa Ana
Oft werden wir von den Autofahrer gegrüßt, viele strecken den Daumen raus. Aber auch negatives erfährt uns. Hardy wird ein wütendes „Yankee“ entgegen geschleudert. In Santa Ana werden wir von betrunkenen Herumtreibern angebettelt und dann beschimpft. Wir ignorieren es und wenden uns ab, wissen nicht so recht, wie wir am allerbesten reagieren sollen. Die herumstehenden Leute halten sich vornehm zurück. Dann holt der Typ aus und bespuckt uns im hohen Bogen. Echt ätzend! Zum Glück kommt auch gleich der Bus, auf den wir warten und wir können uns verkrümeln. Eine Frau entschuldigt sich bei uns für dieses Benehmen und meint, er hätte getrunken.
Die Universitätsstadt Santa Ana ist auch ohne diese Begegnung nicht so die unsrige. Hektisch ist es hier, viel Verkehr, komische Leute. Auf der plaza sehen wir eine große Gruppe jugendlicher Christen, die mit Jesus-T-Shirts zu lauter Popmusik herumspringen und tanzen, um den wenigen anwesenden Kindern lautstark Jesus-Songs vorzusingen. Tja, Leute gibt’s…
Wir quartieren uns im super gemütlichen Hostal Casa Floraz am Rande der Stadt ein. Im 3er-Dormitory sind wir die einzigen Gäste. Schön ist es hier, viele Bilder schmücken die Wände. Die beiden Brüder, die das Hostal betreiben sind super nett. Wir dürfen die Küche des schicken Restaurants benutzen, kaum Gäste sind da.
Per Bus fahren wir hinauf am darauf folgenden Tag in den Parque Nacional los Volcanes. Von dort fehlen uns nur noch 500 Höhenmeter zum Gipfel des Vulkans Santa Ana. Es wird heute also eine sehr leichte Wanderung. Zusammen mit sieben anderen Touristen, einem guide und begleitet von zwei Polizisten, für die Sicherheit, versteht sich, wagen wir dann die Wanderung. Es gibt gut markierte Pfade, verirren kann man sich also nicht. Auf Banditen oder furchterregende Gestalten stoßen wir auch nicht. Naja, soll’n ’se eben mitkommen. Der eine Polizist erzählt, dass er 10 Mal im Monat den Gipfel besteige. Kein schlechter Job, für Wanderungen bezahlt zu werden.
Im Jahre 2005 brach der immer noch aktive Santa Ana zum letzten Mal aus. Leider begruben folgende Erdrutsche einige Kaffeepflücker sowie Teile des nahen Ortes San Blas. Die Ruinen einer alten Schule passieren wir bei Beginn des Aufstiegs. Der Wald lichtet sich, viele Blumen und Agaven kommen zum Vorschein. Wir passieren Felder, auf denen Pferde grasen.
Dann wird die Vegetation karger, Krautgewächse, vom Winde zerzauste Sträucher und Flechten nehmen zu. Das Grün hat sich in einen tollen blau-grau Ton verwandelt. Das krasse Gelb der blühenden Agaven sticht hervor. Wolken ziehen auf. Es wird heute wohl nichts mit der Aussicht. Den nahen Lago de Coatepeque können wir nur erahnen. Macht nichts, gespenstisch wirkt es mit den tief hängenden Wolkenfetzen. Ich find’s klasse. Bald finden nur noch Agaven Halt im steinernen Boden. Nun zeigt sich auch, wer aus unserer Wandergruppe sportlich aktiv ist. Eine junge Asiatin kackt leider ab und wird vom guide hochgezogen. „It’s to much!“, meint sie und braucht immer öfter eine Verschnaufpause.
Einer nach dem Anderen verschwinden wir im dichten Nebel. Spannend! Nur wage Umrisse der Gestalten sind auszumachen. Und dann sind wir da. Ich bin völlig begeistert, denn vor mir im steil abfallenden Krater befindet sich ein See. Und nicht nur das, er ist auch noch grün! Genauer gesagt Mintgrün und blubbert sanft vor sich hin. Wenn man genau hinsieht, verändert er hier und da leicht seine Farbe. Als dann auch die junge Asiatin ankommt und in den wabernden Kratersee blickt sagt sie freudestrahlend:“It was worth it!“
Suchitoto
Nach einen tollen, anstrengenden Tag hinweg über viele Hügel mit schönen Aussichten, erreichen wir das beschauliche Städtlein Suchitoto, welches oberhalb des Sees Suchitlán gelegen ist. Ein bisschen wirkt es, als wäre hier die Zeit stehen geblieben. Suchitoto scheint der bewegten Vergangenheit des Landes während des Bürgerkrieges stand gehalten zu haben. Danach wurde hier wenig Neues erbaut. Charmant fallen uns die vielen, kleinen, alten und schiefen Gebäude auf. Ein große, etwas heruntergekommene Kirche schmückt den Platz. Um sie herum befinden sich Laubengänge mit gemütlichen Cafés und Restaurants rund um die plaza. Suchitoto ist berühmt für sein Kunstszene. In vielen kleinen Galerien kann man Werke bestaunen. Auch schmücken unzählige Gemälde die Wände in den Restaurants. Die Leute sind freundlich, es ist ruhig hier. Dazu finden wir in einem Hotel, das eins eine Diskothek war, die aber gerade renoviert werden muss ein super tolles Zimmer für uns und die Bikes. Im wörtlichen Sinne, eines für uns beide und in den angeschlossenen Raum kommen die Räder. Gleich nebenan können wir die Küche und die Dachterrasse benutzen. Toll, zum Sonnenuntergang essen wir oben zu Abend, dabei können wir über die Dächer des Ortes bis auf den See schauen!
Am Morgen verquatschen wir uns beim Kaffee trinken und Internetten mit El Gringo, dem Betreiber eines anderen Hostels und Restaurants. Es ist schon früher Nachmittag. Wir beschließen es heute ruhig angehen zu lassen und eine weitere Nacht zu bleiben.
Als wir einen Aussichtspunkt auf den See suchen, hält neben uns ein Auto. Wir werden eingeladen mit runter ans Wasser zu kommen. Drinnen sitzen die Österreicherin Petra und der Salvadoreaner René. Petra kellnert gerade im nahen Juayua. Sie ist mit ihrem Freund im Wohnmobil nach Argentinien unterwegs. Die beiden haben eine fahrbares Strassenkino. Hier in Suchitoto bietet sie im Centro Arte de la Paz einen Workshop des Theater der Unterdrückten an.
René führt seinen Einmannladen Suchitoto Adventure Outfitters anscheinend recht gut. Begeistert erzählt er uns von diversen Touren. Er bietet maßgeschneiderte Ausflüge in El Salvador an. Auch abenteuerliche Kajak- oder Wandertouren stehen auf seinem Programm. Die Beiden wollen auf ein paar Bierchen an den See fahren, wir schließen uns ihnen an. Bier folgt auf Bier…
In den wirklich schmuck aussehenden See Suchitlán werden laut René alle Abwässer aus San Salvador sowie der Dünger aus der Umgebung geleitet. Von einem Bad darin sei dringlichst abzuraten. Fische oder Enten aus der Umgebung sollten auch nicht verzehrt werden. Die Leute in den umliegenden Dörfern tun es dennoch. Wir sehen sie im dreckigen See baden. René meint, in dieser Gegend gäbe es die höchste Rate an Geburtsfehler in ganz El Salvador.
Er erzählt auch, dass die Bewohner sehr stolz auf ihr Land wären. Nach dem bewegten, brutalen Bürgerkrieg, der bis 1992 andauerte, habe sie schnell vieles wieder aufgebaut. Hier gäbe es den höchsten Mindestlohn in ganz Zentralamerika: 150 US$ pro Woche. Gefährlich sei jedoch, dass sich die Wirtschaft sehr auf Überweisungen der im Ausland lebenden Salvadoreaner stützt. Diese machen etwa ein Fünftel der gesamten Volkswirtschaft aus.
Wir verquatschen uns und verbringen mit Petra und René den ganzen Abend. Im Gegenteil zu ihm werden wir beide schnell ziemlich besoffen, sind‘ s ja überhaupt nicht mehr gewöhnt. René meint, das gehöre zu seinem Job, wenn er mit amerikanischen College-Studenten auf Tour sei, muss er mithalten können. Wir lachen viel, es wird ein so ungeplanter echt schöner feucht-froehlicher Abend.
Über die Berge in Richtung La Palma
Über das Örtchen La Palma wollen wir El Salvador in Richtung Honduras verlassen. Aber erst mal müssen wir den nahen See überqueren. Leichter gesagt, als getan. Ein Fähre gibt es, das ist gar kein Problem, wird uns gesagt. Wir haben gestern bereits alles recherchiert. Pünktlich stehen wir morgens um halb acht am Ufer bereit und warten und warten. Die Fähre fährt erst, wenn mindestens ein Auto den See kreuzen will, heißt es nun. Ansonsten würde der Preis für uns als alleinige Fahrgäste extrem hoch sein. Aber kein Auto erscheint. Irgendwann sind wir es leid und heuern ein kleines Holzboot an, dass uns und die Räder ans andere Ufer bringt.
Es folgen anstrengende Kilometer über die Berge. Die Mittagspause verbringen wir im hektischen Chalatenango im Park direkt neben der gigantischen Festung des Militärs, die während des Krieges hier gebaut wurde, um gegen die revolutionären Aktivitäten der FMLN-Hochburg in dieser Gegend anzugehen. Natürlich gibt es mal wieder köstliche pupusas!
The Tamarindo
Kurz nachdem wir losgerollt sind, kommt uns ein Reiseradler entgegen. Es ist John Gulliano, der für seine baldige Charity-Tour hoch im Norden, in den Vereinten Staaten, trainiert. Prompt lädt er uns zum zweiten Mittag ein. Euphorisch berichtet er uns von seiner Geschichte und neuen Vision. Vor etlichen Jahren kam der Amerikaner ins Land und blieb. Kurz nach dem Ende des Bürgerkrieges stieß der Sozialarbeiter auf viele Kinder ohne Eltern. „Es waren viele, viele Kinder, die nur rumhingen und nichts zu tun hatten.“, berichtet er uns. Er schnappte sie sich und verbrachte Zeit mit ihnen. Mit seinem Fahrrad fing er an mit ihnen zu arbeiten. Er brachte ihnen das Radfahren bei. Über den Sport werkelte er an Gemeinschaft, Disziplin und Bildung. Das erste Zentrum Tamanrindo wurde zu einem sicheren Platz für Kinder. Es war ein Reparaturshop für Fahrräder. „We fixed a few bikes but dedicated ourselves to fixing kids.“, sagt er. Darauf folgte in einem Hühnerstall das Gemeinschaftszentrum Tamarindo. Es war eine Schule, Sportzentrum, aber vor allem ein sicherer Platz zum Treffen und Beisammensein. In den letzten 20 Jahren wuchs das Zentrum Tamarindo, bzw. seine Nutzer wuchsen heran. Weitere Kinder kamen hinzu.
Nun gibt es zwei alte Huehnerstaelle, in denen die vielen Kinder und Jugendlichen fast keinen Platz mehr finden. Wir erfahren, einstigen Kinder sind nun erwachsen, einige gehen sogar auf die Universität. Etwas neues, grösseres muss her. Der Traum von John Gulliano und den Nutzern des Tamarindo ist es ein neues, gigantisches Zentrum zu erschaffen, indem riesige sportliche Events stattfinden können, mit Hotel, Restaurants, Fitnessstudio und und und. Der Abend und die Nacht, in denen denen kriminelle Taten ausgeführt werden, sollen zum Tage werden. Die einstigen Kinder sollen es selbst managen, so ihre eigenen Arbeitsplätze schaffen und dafür verantwortlich sein. Einen Wahnsinns-Entwurf gibt es bereits. Der wird uns ausführlich gezeigt. John will nun in den Staaten mit Hilfe eines Charity-Rides Geld sammeln. Er wird viele Unterstützer brauchen, denn der Traum soll 3 Millionen Dollar kosten. Interesse geweckt, neugierig?! Hier könnt Ihr Euch das Projekt Tamarindo mal ansehen.
La Palma
Um den Kleinen Ort La Palma in den Bergen zu erreichen, müssen wir schwitzend einen langen Anstieg hinter uns bringen. Im Park trinken wir erst mal etwas Kühles. Hier bestimmt Straßenkunst das Bild.
Der Maler Fernando Llort begründete einst die Naive Kunst. Den Einheimischen brachte er in einer Kunstschule bei Werke in der selben Art herzustellen. Schätzungsweise verdienen sich heutzutage dreiviertel der Gemeinde mit dem Verkauf dieser Kunst ihren Lebensunterhalt. Bunte, oft „primitive“ Bilder von Heiligenfiguren, insbesondere von Jesus, Straßenszenen oder Bauern sind auf Bildern, Schlüsselanhängern, Lampen, Ohrringen, Bilderrahmen oder Tellern zu finden. Der ganze Ort scheint kollektiv diese für uns eher kitschige Kunst zu produzieren. Auch wurden das ganze Dorf im naivem Stil dekoriert. In unzähligen Läden und Ständen werden die Werke an die Touristen angeboten. Das andauernde „Komm rein, hab keine Scheu. Sehr billig hier.“ geht mir so was von auf die Nerven, dass es mich von jeglichem Bummeln abhält. Wir halten uns nicht lang hier auf und schwingen uns wieder auf die Drahtesel.
In wenigen Kilometern Entfernung liegt der Grenzübergang nach Honduras, den werden wir heute noch übertreten.
Eigentlich hatte Hardy gedacht, dass El Salvador das gefährlichstes Land auf unserer Reise werden würde. „El Salvador… ‚Salvador‘, schon der Name klingt scharf und gefährlich.“, sagt er. „Die ‚Salvadors‘ sind immer die bösen, ungemütlichsten Gangsterbosse mit Schnauzer und fiesester Fresse.“ Sozialisation lässt gruessen!
Wir haben zwar nur eine kurze Zeit hier verbracht, aber El Salvador bis auf den Zwischenfall in Santa Ana als ein wirklich tolles Land erlebt. Wir haben sehr nette Menschen kennengelernt und wurden überall mit Freundlichkeit, Aufgeschlossenheit und Respekt empfangen. Einmal hörten wir, die Salvadoreaner wollten, dass den Touristen ihr Land gefalle, so dass sie länger hier blieben und Geld ins Land bringen. Sogar die Polizisten sollen höflichst zu Touristen seien und die kriminellen Banden würden eher sich gegenseitig, als Touristen ausrauben. Ob das wohl stimmt?!
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