Von Cajamarca bis nach Caraz (Peru/ Mai 2013)

Tollster Asphalt begleitet uns fast drei Tage lang, als wir Cajamarca in Richtung Süden verlassen. Es rollt und rollt! Wie immer ist es kompliziert, den richtigen Weg aus der Stadt hinaus zu finden. Da hilft nur oft anhalten und nachfragen.

Endlich haben wir den hektischen Verkehr der vielen Mototaxis, Motorräder und Lastwagen hinter uns gelassen uns befinden uns auf ruhiger Straße, die uns durch wunderschönes, grünes, hügeliges Bergland mit viel Landwirtschaft nach Cajabamba bringen wird.

Am Straßenrand läuft eine alte Frau, in indigene bunte Trachten gehüllt. Es ist lustig, denn sie trägt auf dem Rücken einen knatsch orangen Rucksack. Das allein ist schon ein seltener Anblick, denn normalerweise transportieren die Frauen hier alles in einem Bündel. Aber nein, diese señora trägt einen Rucksack und bei genauerem Hinsehen erkennen wir, dass sie ihn falsch herum aufhat. Der Reißverschluss schaut nach unten.

Im Minidorf Chancay auf dem Bergrücken nach der Steigung ab San Marcos, dürfen wir an diesem Spätnachmittag unser Nachtlager im Saal des Gemeindehauses aufschlagen. Unwissenderweise bin ich gleich an den Bürgermeister geraten, „kein Problem“, sagt dieser. Es gibt sogar eine Dusche mit heißem Wasser!

Am folgenden Morgen erwartet uns im sanften Licht des anbrechenden Morgens eine sagenhafte Abfahrt ins heiße Tal, um einen Flusslauf zu queren. Wir befinden uns wieder auf Höhe des Bananen- und Zuckerrohranbaus und schwitzen. Alles ist trocken und staubig. Hier wirken die Dörfer ärmlicher und heruntergekommener.

Ein ewiges Auf und Ab befördert uns in angenehmere Höhen. Die Menschen grüßen. Uns passiert es aber auch, dass Kinder Angst vor uns haben und von der Piste herunter gehen, wenn wir an ihnen vorbeiradeln. Auch sehen wir, dass sie Steine in die Hand nehmen als sie uns sehen.

Ein leckeres Mittagessen beschert uns ein Lokal in Cajabamba und weiter geht’s.

In dieser Gegend wird sehr viel Eukalyptus angepflanzt. Ganze Plantagen gibt es. Wir brauchen ein Wenig, kommen aber darauf, wofür es verwendet wird. Der schnell nachwachsende Rohstoff wird für den Brand der hier überall hergestellten Lehmziegel verwendet. Neben den Häusern sehen wir Becken im Boden, die wir zuerst als Hahnenkampfarenas deklarieren. In ihnen wird jedoch die Erde mit Wasser gemischt. Ein Junge steht mit Gummistiefeln im Matsch und mischt ihn schwerfällig indem er darin herumtrampelt. Die fertig geformten Ziegel trocknen in der Sonne und werden anschließend in großen Öfen gebrannt.

Auch werden hier viele Schafe gehalten. Deren Wolle spinnen die alten indigenen Frauen auch beim Laufen am Straßenrand auf einer Spindel zu einem dünnen Faden. Kunstvoll werden damit später Teppiche oder Taschen angefertigt. Wir halten vor einem Haus an, vor dem uns 20m lange gespannte bunte Fäden in die Augen fallen. Drei Frauen sitzen mit ihren Kindern davor, schwatzen und weben vergnügt dabei. Hardy ist überwältigt, er fragt, ob er näher kommen darf und gerät per Späßchen mit den Frauen ins Gespräch.

Am frühen Abend erreichen wir das trostlose Chaquilbamba. Ein paar Häuser ziehen sich an der Hauptstraße entlang. Der Ladenbesitzer gegenüber der Schule hat glücklicherweise den Schlüssel und so landen wir schließlich im Direktorat der großen Anlage. Zu ihrer Unterhaltung hätten diese uns lieber in ihr mini Gästezimmer gesteckt, aber nach diesem anstrengenden Tag benötigen wir Privatsphäre.

Das Direktorat ist ein kleines Häuschen, indem nur ein schmales Pult mit einem Buch, in dem die Lehrer ihre Anwesenheit einschreiben und eine große Glocke an seine Funktion erinnern. Ansonsten ist der Raum per Plastikplanen in zwei Schlafzimmer mit Betten eingeteilt. Die Stromkonstruktion ist sehr abenteuerlich. Auf den drei freien Quadratmetern richten wir uns so gut es geht ein. Die Klassenräume erschrecken uns. In einer Klasse sollen 40-50 Schüler sein, hören wir. Ein Pult ist ans andere in die kleinen Räume gequetscht worden. Es gibt keinen Platz zum Laufen.

Am Morgen erreichen wir die Laguna Sausacocha und legen ein zweites Frühstück ein. Am Ufer des Sees gibt es sogar Bänke. Am Wochenende scheint das hier wohl ein Ausflugsziel zu sein, es werden bestimmt Forellen am Laufenden Band verkauft. Nun ist nichts los. Es nieselt leicht, ist jedoch mild.

Huamachuco

Im nicht weit entfernten netten Ort Huamachuco mit seiner schnuckeligen plaza, die Heckenschnitte in lustigen Tierformen schmücken. Es gibt ein Känguru und ein Alpaka mit Reiter. Als Hardy auf dem Markt einkauft und ich die Räder im Auge habe, kommt von sich aus ein altes Muttchen mit Strohhut und Röckchen zu mir und setzt sich neben mich. Zusammen studieren wir die Perukarte und sprechen über die hier hergestellten Hüte. Ich erfahre, dass diese nicht wie angenommen ewig halten und nach maximal vier Jahren ausgetauscht werden müssen. Ich bin erstaunt, da diese doch recht stolze Preise haben.

Wir füllen die Vorräte auf, denn bald wollen wir den Asphalt verlassen, um auf einer Abkürzung durch die Berge so einige Kilometer zu sparen. Zudem stresst der Fernverkehr, der sich hier in Richtung Küste dahinarbeitet und wir sind scharf darauf an dem Minen der vielen Goldgräber vorbeizufahren.

Noch 15km rasen wir mit den Lastwagen dahin, bevor wir nach Südosten die Straße verlassen. Gringo-Rufe verfolgen uns, wir werden abfotografiert. Ich bin etwas genervt. Da schreien uns Schulkinder vor einem Haus „money, money, money“ hinter her. Ich schleudere ihnen darauf nur „dinero, dinero, dinero“ entgegen – pädagogisch bestimmt nicht sehr wertvoll, aber es gibt solche Momente, da reicht es einfach. Bloß weg von dieser touristisch viel befahrenen Straße, hinein in abgelegene Gebiete.

Anstrengende Abkürzung

Die sogenannte unbekannte Abkürzung ab der Mine Arena stellt sich als harte Tour auf Sand, Schotter und Matsch heraus. Wir erwischen keine der beiden in google maps zu finden kleinen Wege. Hier gibt es jede Menge Pfade und nur mit Hilfe der wirklich netten und hilfsbereiten Menschen kommen wir in Richtung Mollepata voran.

So beschreibt uns beispielsweise Orlando, der Betriebswirt einer kanadischen Firma, die hier Gold sowie Kupfer im hardrock mining Verfahren abbaut sehr genau die verschiedenen Abzweigungen und Distanzen. Er ist froh für eine ausländische und keine peruanische Firma zu arbeiten, da diese einen höheren Lohn zahlen würden, auch habe er alle Sozialversicherungen. „Momentan liegt der Goldpreis für ein Gramm bei 180 soles“, erklärt er.

Nach einer deftigen Steigung mit Schiebeeinlagen auf loser Erde, erreichen wir den ruhigen Ort Santo Domingo. Ich frage zwei Kinder, ob ich bei ihnen Wasser auffüllen kann und lerne dabei den Vater kennen, der cuys essend in der angrenzenden Küchenhütte sitzt, auf dem Boden umringt von einer zahlreichen Schar quiekender, noch lebender Meerschweinchen.

Mit Hilfe der kecken zehnjährigen Tochter können wir in der ungenutzten Abstellhütte des Nachbarn schlafen. Sie ist sehr an unserem Kocher interessiert und fragt mich, wie ich Suppe zubereite. Sie hätte sich gern länger mit uns unterhalten, hat aber die kleine Schwester im Bündel auf dem Rücken und den kleinen Bruder am Rockzipfel, sie muss geschwind Abendbrot zubereiten.

Am folgenden, sehr anstrengenden Tag, brechen wir unseren Rekord in Sachen Langzeit- radeln. Auf dem Sattel, also reine Radelzeit, verbringen wir heute 8:28h.

Nach einer Pissstrasse, treffen wir im Örtchen Santa Clara auf eine breit gefahrene Schotterpiste, die vor allem von dem vielen Minenarbeitern genutzt wird. Es geht in den ersten drei Stunden über diverse Pässe bis auf 3850m hinauf. Wir keuchen. Erschöpft schlingen wir im kalten Wind Brötchen, Kekse und heißen Kaffee hinunter. Die Landschaft ist karg und total zerfurcht. Überall sind Minenhalden auszumachen, die sich durch die Natur fressen. Riesige Berge bestehen oberflächlich nur noch aus losem Geröll, durch welches sich Wege ziehen. Wachmänner mit Gewehren bewachen die Zufahrten. In Einzäunungen befinden sich Vicuña-Herden. Wir passieren ein Nest mit Hütten aus Planen.

Endlich erreichen wir die gigantische Mina Comarsa, nach der wir seit gestern nach dem Weg fragen. Auf und in diesem riesigen Berg wird Gold in extremen Ausmaßen abgebaut.

Und endlich geht es auch bergab. Aufgrund des unebenen Untergrund jedoch im Schneckentempo. Ein entgegenkommendes Ambulanzfahrzeug hält an. Der nette Fahrer schenkt uns zwei, noch warme gesalzene Maiskolben, die wir raz-faz verputzen.

Durch Eukalyptuswald führt uns die Straße hinunter zum Fluss, den wir auf einer sehr abenteuerlichen Brücke überqueren. Wir müssen jetzt nur noch wieder hinauf, denn das auf dem Gipfel liegende Dorf Tulpo ist Ziel unserer Träume. Die Piste ist verdammt steil. Schieben ist mal wieder angesagt, insbesondere in den engen Kehren. Langsam arbeiten wir uns voran und erreichen nach einer weiteren Stunde gegen halb sechs Uhr abends endlich das Bergdorf. Werden aber schnell ernüchtert, denn hier ist auch der Hund begraben, es gibt kein Restaurant und kein Hotel. Der nette Direktor der Schule kommt extra herbeigelaufen, um uns einen Klassenraum aufzuschließen. Es ist warm hier und zieht auch nicht. Dankbar schieben wir mit müden Knochen die Räder hinter ihm her. Wir befinden uns nun in einem anderen Distrikt und sind positiv von dieser Schule überrascht. Eine Küche wird gerade gebaut, die Waschräume sind sauber und neu. Es gibt sogar Internet und Computer. Derweil ich flink den Kocher anschmeiße und Nudeln koche, kauft Hardy eine Sprite und kehrt stolz mit zwei Fleischspießen zurück. Fuß und Hals eines Huhns sind mit einem Schuss Mayo aufgespießt. Nach einem Biss mit Heißhunger entscheide ich jedoch, das dies echt ekelhaft schmeckt. Hardy verdrückt also auch meine Portion. Es bekommt ihm nicht allzu gut.

Mollepata

Die lange Abfahrt über Mollebamba nach Mollepata lassen wir in der wunderschönen, kalten Morgenstimmung langsam angehen, denn in Mollepata (2677m) wollen wir bleiben und uns ein kleines Hotel leisten.

Schon während der Fahrt können wir in den Canyon herunter schauen und die vielen Kehren der an der sich gegenüberliegenden Wand befindenden Piste erkennen. Hardy zählt 24 an der Zahl. Wir überlegen ernsthaft diese Herausforderung nicht anzunehmen und die Steigung mit einem Bus zu überwinden, kommen aber von dem Plan ab, da erst wieder in vier Tagen einer fährt. Privater Verkehr passiert diese Strecke so gut wie nicht.

So verbringen wir einen gemütlichen Nachmittag im verschlafenen Ort, sprechen mit den Kindern und den Erwachsenen auf der plaza. Alle wissen inzwischen, dass wir aus Deutschland kommen.

Anbei versuchen wir per Besuch der verschiedensten (wenigen) Läden unsere Vorräte wieder aufzustocken. „No hay pan! (Es gibt kein Brot!)“, hören wir immer wieder. Wir schlendern gerade durch eine Gasse, fotografieren die Lehmhäuser im schönen Licht, da kann Hardy an zwei lustige Frauen doch endlich eine Frage stellen, die ihm schon lange auf der Seele brennt. „Was bedeuten denn die kleinen weißen Fahnen, die an den Hauseingängen hängen?“- „Hay pan!“, erfahren wir. Hier also können wir das begehrte Brot erstehen! Es ist von gestern, aber immerhin.

Pallasca

Wir fahren extra kurz nach sechs Uhr am Morgen los, um die lange Steigung noch in der Kühle abarbeiten zu können. Für die 10km hinunter bis zur Brücke über den Fluss auf 2130m benötigen wir über eine Stunde. Danach folgen 20 weitere bergauf bis nach Pallasca. Aber was ist denn das? Das konnten wir ja von Mollepata aus gar nicht erkennen. Bis auf in den steilen Kurven ist die Strecke asphaltiert! So stellt sie sich als gar nicht so schlimm wie erwartet heraus und wir rollen von einer Kehre in die folgende, begleitet von Hardys lautem Mitzählen.

Zum Mittagessen sind wir schon im gemütlichen Ort Pallasca. Wir haben einen reichlichen Kohldampf, denn die letzten zehn steilen Kilometer zehrten an unseren Kräften.

Kargste Landschaften

Laut Dorfbewohner soll es nur runter gehen und auch nur asphaltiert sein. Beide Aussagen stimmen nicht so ganz, ebenso wenig die Kilometerangaben zu den folgenden Orten. Kurze deftige Steigungen, Sand und loser Schotter lassen uns langsam voran kommen. Dafür radeln wir durch schönsten Eukalyptuswald mit Bächlein durchsetzt. Wenn es die richtige Tageszeit wäre, ließe sich hier sicher ein schnieker Zeltplatz finden.

Wir rollen weiter, die Straße wird wieder besser. Zwei, drei kleine Dörfer passieren wir noch.

In ewigen, sich windenden Serpentinen geht es im Affentempo hinab in die Schlucht des Río Santa auf 700 Höhenmeter. Allein schon die Abfahrt ist gigantisch. Peru ist gewaltig in all seinen Facetten! Karge, Terrakotta-farbene Felswände türmen sich in den verschiedensten Verwerfungen auf. Dazwischen frisst sich der brodelnde Strom den Weg durchs Tal. Neben der Straße, die sich irgendwann natürlich wieder in Schotter verwandelt, geht es steil Meter tief hinab.

Es wird wärmer und karger. Agaven und Kakteen bestimmen das Bild an den Felswänden. Wir entdecken einen für uns ganz neuen Kaktus, der Ähnlichkeit mit einer Torte hat. Wie gut, dass wir bereits bei der Abfahrt in einem Bergbach für den Notfall unsere Wasserflaschen aufgefüllt hatten, denn es ist super trocken hier.

Unten am Fluss angekommen passieren wir ein ärmlich aussehendes Camp von Goldsuchern, die hier mit Sieben im Schlamm des Flusses ihr Glück suchen. Immer wieder sehen wir Hütten aus Plastikplanen oder Ästen auf der anderen Seite des Flusses, in denen tatsächlich Leute leben. Per wackeligen Seilbahnen queren sie ihn wohl.

Auf sehr alten Brücken passieren auch wir dann und wann Zuflüsse. Lose, wackelige Bohlen bewegen sich unter uns, als wir lieber darüber schieben. Es klaffen große Löcher, durch die man das Wasser beobachten kann.

Wir radeln weiter und weiter und realisieren, dass wir heute wohl weder die in der Karte angegebenen Orte Estación Quiroz (welcher sich nur als Kreuzung darstellt) noch den Ort Estación Chuquicara erreichen werden. Bei den Hütten wollen wir lieber nicht schlafen. Und so kommt uns mal wieder das Glück zur Hilfe, denn nach 30km nach Pallasca schlängelt sich eine Piste den Hang hinauf auf der sich auch noch in der Dunkelheit fette Lastwagen hinauf wuchten. Auf der finden wir wieder einen Abzweig und dann einen versteckten Platz hinter großen Felsbrocken. Das wird unser erster wilder Zeltplatz in Peru! Die Sonne schaut kurz bevor sie verschwindet noch einmal goldgelb hervor, wir befinden uns in Marslandschaft. Es ist unbeschreiblich schön!

Auf rütteliger Piste werden unsere Räder an nächsten Tag voll beansprucht, bis dann im Nichts tollster Asphalt einsetzt. Es gibt sogar Fahrbahnmarkierungen. Nun kommen wir geschwind voran. Mal weitet sich das Tal und am Flussufer wachsen Orangen- und Limonenbäume. Welch tolle Erfrischung!

In verstaubten Orten wird oder wurde hier Kohle angebaut. Verfallene Fabriken kündigen von einstig besseren Zeiten. Jetzt rollt nur noch wenig Kohle aus Plastikrohren den Hang hinab in bereit stehende LKW-Anhänger. Mit dem Wetterphänomen El Niño sei hier vieles zusammengebrochen, hören wir.

Chuquicara

IMG_4870Nach insgesamt 78km von Pallasca bis nach Chuquicara, erreichen wir die Kreuzung und lernen, trostloser geht es immer. An der Hauptstraße reihen sich eine Hand voll staubiger, heruntergekommener Restaurant-Bretterbuden aneinander, die Mehrheit von ihnen geschlossen. Die Polizeistation ist das bei weitem modernste Gebäude hier. Wasser in Flaschen ist unheimlich teuer, ansonsten gibt es nur das dreckige vom Fluss. Wir kaufen dennoch, denn die heiße Mittagszeit steht an. Wir werden mit „hola gringos“ begrüßt, zum Nachbar höre ich sie sagen: “Viene la plata! (Es kommt das Geld!)“ Wie soll man denn da reagieren? Ich kann die Leute ja verstehen, wenn ich ihre Lebensumstände sehe, aber es hinterlässt ein unangenehmes Gefühl im Bauch.

Nach vielen Wochen treffen wir hier auf einen anderen Reiseradler. Es ist Lucas aus Süddeutschland. Gemeinsam verbringen wir den Nachmittag und Abend.

Auf den 40 folgenden Kilometern sind wir recht langsam unterwegs, was nicht nur am Schotter liegt. Denn es setzen die tollsten Gesteinsformationen ein. Die hohen Felswände fallen tausende von Metern steil ab. Es gibt krasse Verwerfungen und Stauchungen im Gestein. Die Farben reichen von beige, ocker, terrakotta bis hin zu grau, sogar schwarz. Unter uns rauscht wieder der Río Santa dahin. In all den Jahren hat er sich tief in den Berg gefressen. Auch hunderte Meter über uns finden wir Auswaschungen. Auf der schmalen Piste, auf der nur ein Auto Platz findet, fühlen wir drei uns super klein.

In den Fels sind diverse Tunnel gehauen, bestimmt 40 an der Zahl. Sie reichen von kleinen Bögen über der Piste bis hin zu langen Gängen, in denen es stockdunkel wird. In manchen Tunneln spenden Fenster im Gestein Lichtkegel. Im Dustern ist es trotz Stirnlampe komisch zu radeln. Bevor ein Auto hinein fährt hupen sie zum Glück immer, so wissen wir Bescheid uns warten zuvor. Einmal, wir sind mitten im Dunkeln, muss natürlich ein Fahrer, obwohl er unsererLichtkegel und Winken sieht auch hineinfahren und quetscht sich nah an uns vorbei. Wer bremst der verliert.

Wie so manch‘ andere Radler zuvor finden auch wir ein Nachtlager nach einer Brücke neben der sich ein Restaurant befindet. Der freundliche Besitzer zeigt uns einen Platz auf dem Schotterhang auf dem auch diverse Baumaschinen und Busse parken. Mit Gequatsche und Gitarrengeklimper klingt unser Abend aus.

Cañón del Pato

Früh am Morgen arbeiten wir uns in Richtung der beiden Orte Yuramarca und schließlich Huallanca. Die Straße schraubt sich nach oben, lässt sich aber einigermaßen fahren. In Huallanca wird es während wir essen richtig heiß, dennoch machen wir uns auf den Weg, denn wir möchten gern heute noch im 39km entfernten Caraz ankommen.

Vor uns liegt zum greifen nah der Cañón del Pato, ein Bonbon auf das wir uns bereits lange freuen. In der Entenschlucht stoßen die Cordillera Blanca und Cordillera Negra bis auf wenige Meter aufeinander. In der Mitte wieder der nun türkisblaue Fluss, den Wasserfälle speisen. Man meint, die gegenüber liegende Wand sei zum greifen nah. Gewaltig hoch türmen sich die kargen Felsen auf. Tunnel folgt auf Tunnel. Es ist super spannend hier zu radeln!

Ganz langsam öffnet sich die schmale Schlucht, die Wände verlieren an Steigungswinkel und ziehen sich sanft durch die Landschaft. In der Ferne können wir nun die richtig hohen Bergspitzen mit ihren schneebedeckten Gipfeln beobachten.

Aus Schotter wird Asphalt. Es wird Grün. Stauseen setzen ein. Landwirtschaft wird betrieben. Häuser nehmen zu. Aus einem rennen zwei Kinder wie verrückt in unsere Richtung zur Straße, eines fällt dabei über seine Füße, rappelt sich auf und schreit: „Gringo! Gringo, schenk mir ein Spielzeug! Gringo, schenk mir deinen Helm!“ Wieder macht sich ein doofes Gefühl und Ernüchterung bei mir breit. Wir sind schon durch so viele Gegenden gekommen, in denen die Leute auch arm waren, in denen aber nicht diese Erwartungshaltung an den Tag gelegt wurde. So bekomme ich doch beim besten Willen keine Lust ihnen was zu schenken oder geschweige denn anzuhalten. Ich denke mir lieber, schnell weg hier.

Caraz

So treten wir in die Pedalen und erreichen am Nachmittag den sehr netten, ruhigen, kleinen Ort Caraz. Wir sind fertig. Die Glieder sind müde, wohl eine Folge des Durchrockens seit Cajamarca in einer Woche. Eigentlich hatten wir geplant in der Nachbarstadt Huaraz eine Pause einzulegen, bleiben aber hier, denn uns gefällt es sehr gut. Im sauberen Hotel San Marcos mit seinen schönen Innenhöfen quartieren wir uns ein. Nach einer Dusche geht’s ins Restaurant. Beide verschlingen wir ¼ Huhn mit Pommes und großem Salat. Heute gibt’s auch mal ein Bier.

Wir schlendern über den Markt und schlemmen die örtliche, super leckere Eiscreme. Dabei machen wir bereits Pläne für unser nächstes Abenteuer. Auf dem berühmten Huayhuash-Treck wollen wir 10-12 Tage durch’s Hochgebirge wandern. Es erwarten uns Höhen über 5000m, Lagunen, wilde Zeltplätze und hoffentlich auch der Andenkondor.

In der Galerie sind weitere Fotos zu diesem Abschnitt zu sehen.

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Info – Reisedauer

Liebe Freunde und Familie!

Mittlerweile haeufen sich in unseren Postfaechern Emails mit der Bitte uns doch mal zu unserer Reisedauer zu aeussern. Und das zu Recht.

Im Unklaren wie unsere Reise im Einzelnen verlaufen wird, hatten wir vor unserer Abfahrt aufs Blaue hinaus 730 Tage fuer die Durchquerung zweier Kontinente veranschlagt. Nun, ca. zwei Wochen vor Ablauf dieser Frist hier im Norden Perus faellt uns auf, dass wir fuer die ausstehenden ca. 8000 km bis nach Ushuaia bei unserer laut Statistik derzeitigen Tages-Durchschnitts-Radelzeit von 4 Stunden und 20 Minuten eine Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 90 km/h hinlegen muessten. Das koennten wir schon tun, nur bleibt dann keine Zeit mehr sich mit Landschaft und Leuten auseinanderzusetzen. Geht also leider nicht. Da haben wir uns wohl anfangs verkalkuliert!

Das kommt davon, wenn man die Route vorher nicht plant und mal schaut was sich so ergibt. In unserem Fall bedeutete dies nach Erreichens Guatemalas eine drastische Verschiebung des Verhaeltnisses zwischen Radeltagen und Nicht-Radeltagen. Wir haetten damals nicht gedacht nach einem weiteren Jahr „erst“ in Peru zu sein. Aber das ist gut so und anders koennten wir uns unser Vorankommen auch nicht mehr vorstellen. Gerade die Zeit, die wir nicht auf dem Sattel verbringen macht unsere Reise fuer uns so wertvoll.

Wir haben uns also mal wieder mit dem Taschenrechner und den Karten beschaeftigt und ein wenig extrapoliert. Fuer die verbleibenden rund 8000 km bis nach Feuerland brauchen wir laut Statistik wohl rund 125 Radeltage, also vier volle Radel-Monate. Mit Pausen, Wandern, Fotografieren, Quatschen und Lachen, Essen und Essenzubereitung, Reparieren, Warten, Blogschreiben, Fotossortieren, Ruhen, Spielen, Naehen, Emails Verfassen und und und kommen wir dann auf ein Ankunfts-Datum, welches sich innerhalb des ersten Quartals 2014 befinden wird.  Ausserdem, und das ist fuer uns ein Riesenargument, waere es Quatsch und kein Genuss, im argentinischen Winter (also europaeischen Sommer) in Feuerland anzukommen…

Puh, jetzt ist es raus…

Fuer uns kommt dieser Erkenntnis natuerlich nicht ploetzlich, doch bedeutet diese Verlaengerung auch fuer Alena und mich ein laengeres Fernbleiben von Familie und Freunden, mit denen wir uns ein Wiedersehen nicht gerade selten ausmalen. Das wird schoen und das wird. Es ist ja nicht mehr weit und irgendwann wird auch der letzte Pass vor Ushuaia ueberwunden sein.

Wir hoffen auf Euer Verstaendnis und denken voller Vorfreude auf die kommenden Monate durch Sued-Suedamerika und auf unser Wiedersehen an Euch!

Machts gut!

Alena und Hardy

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Nordperu, vom Grenzübergang La Balsa bis nach Cajamarca (Peru/ April-Mai 2013)

Peru begrüßt uns mit einer frisch asphaltierten Straße, die wir mit Verzücken nach den letzten harten 100km des steilen ecuadorianischen Schotters wahrnehmen. Auch der rundliche, freundliche Chef der Zollbehörde La Balsas, der uns mit Händedruck in seinem Land willkommen heißt, weißt mit Stolz daraufhin. Er zeigt uns den Weg zur Migration. Das Verhandeln über unsere Aufenthaltsdauer mit der Dame im Holzhäuschen gleicht dann einem Tauziehen auf dem Markt. Sie will uns einen halbjährigen Aufenthalt nicht bewilligen, da wir ja in diesem Jahr bereits kurz in Peru gewesen waren. Sie bietet eine Zahl an, ich sage eine höhere. Es geht hin und her. Schließlich einigen wir uns auf 160 Tage. Damit können wir alle leben.

Es ist warm hier. Alles in diesem Nest wirkt furchtbar verschlafen. Keine aufdringlichen Geldwechsler, es ist kaum Verkehr unterwegs. Ein paar Bauarbeiter pfeifen mir hinter her. Ein Verhalten, an das ich mich wohl von nun an leider wieder gewöhnen muss

Erste Peru-Eindrücke

Peru scheint eine andere Nummer zu sein, als Kolumbien und Ecuador. Vieles erinnert und stark an Zentralamerika, insbesondere an Honduras und Nicaragua. Es wird gehupt wie bekloppt und dementsprechend auch gefahren. Der allgemeine Lärmpegel ist enorm. Mir wird nun permanent nachgepfiffen und hinterhergerufen. Machismo lässt grüßen. Aufgrund ihrer Sozialisation können viele Männer gar nicht anders. Auch das „starring“ nimmt zu. Mit offenen Augen und Mündern wird in der Bewegung inne gehalten und uns lange angestarrt.

Alles geht hier lauter und hektischer zu. Die Menschen behandeln sich untereinander sehr ruppig, sogar gewaltvoll. Abgemagerte Kühe und Hunde laufen am Straßenrand. Verwesungsgeruch verfaulter Tiere begleitet uns. Plastikmüll am Straßenrand sowie große Müllkippen schmücken die Landschaft. Die Häuser sind verfallen, wirken heruntergekommen und nicht gepflegt. An Fenster und Türen finden wir wieder Gitter vor. In den kleinen, ungeordneten Läden gibt es nicht alles. Uns begegnet vermehrt offene Kinderarbeit.

Immense Reisfelder, sowie Hitze und der strahlend blaue Himmel ohne jegliches Wölkchen erinnern uns ebenso stark an das heiße Klima Mittelamerikas

Aber Unterschiede gibt es natürlich auch. Die Leute hier wirken sehr selbstbewusst und selbstsicher, sogar die Kinder. Es wird von sich aus gegrüßt und es werden Witzchen gerissen. Das Land scheint voll von Menschen zu sein, überall wimmelt es. Unsere verhassten Gringo-Rufe nehmen wahnsinnig zu. Aber hier sind sie irgendwie anders. Es ist kein aggressives Geschreie mehr. Es scheint Interesse und auch Nettigkeit in den Rufen zu liegen. Kinder ab etwa sechs Jahren sind hier in der Lage die männliche von der weiblichen Form zu unterscheiden und nennen mich gringa oder gringita. Da macht es doch mehr Freude zurück zu grüßen, auf das bald ein Lachen folgt.

Auf nach Cajamarca

Cajamarca heißt das Ziel unserer ersten 650 peruanischen Kilometer. Mit einem Zwischenstopp in Chachapoyas wollen wir es erreichen.

In den ersten Tagen radeln wir in heißen Tiefebenen am Ufer der Flüsse Chinchipe und Utcubamba entlang.

Der anfängliche Asphalt wandelt sich in eine ewige Schotterpiste. Von den vorbeibretternden Autos werden wir eifrig eingestaubt. Der Himmel ist strahlend blau. Das Thermometer zeigt Rekorde. Wir schwitzen wie bekloppt und haben einen sehr hohen Konsum an Erfrischungsgetränken. Hier gibt es Peru Cola in großen 3 Liter Flaschen zu kaufen. Die Sprite-Variante wird unser neuer Renner.

Gerade ist Papaya- und Ananassaison. Kalter jugo de piña (Ananassaft) spendet uns neue Energie.

Die Peruaner mit denen wir reden, scheinen sehr kommunikativ zu sein und an uns interessiert. Hier fahren des öfteren Fahrradfahrer vorbei. Anekdoten von Begegnungen mit denen werden uns zum Besten gegeben. Wir bekommen Obst geschenkt und werden auch zum Übernachten eingeladen.

Wir sind baff, bisher sind unsere Eindrücke des neuen Landes ausschließlich positiv. Im Vorfeld hatten wir vermehrt von Überfällen auf Reiseradler gehört und waren deshalb alarmiert. Auch empfanden wir Peru auf unserer Busreise an der Küstenregion eher als ungemütlich. Doch wieder erwartend – es ist schön hier, die Leute sind nett. Uns gefällt das neue Land.

Vor der Stadt Jaén werden wir von verschiedenen Seiten gewarnt. Dort soll es gefährlich sein. So fahren wir ins Dorf Bellavista und kreuzen den Fluss Marañon per wackeligem Boot fuer zwei Soles, um auf einer Schotterpiste auf die Schnellstraße nach Bagua Grande zu stoßen. Den Haken über Jaén können wir so auslassen.

Als wir am Ende der Schotterstraße unseren Durst in einem Laden aus Bretterbuden stillen wollen, gibt es nur Saft aus kleinen Trinkpäckchen. Die Verkäuferin fragt uns woher wir kommen. „Aus Alemania?“ – „Aha, das liegt doch bei Lima.“, sagt sie. Zur Frage, ob sie denn einen Mülleimer habe, weißt sie mich an die Trinkpäckchen zum bereits herumliegenden Müll hinter die Bude zu werfen. Wir fahren ihn lieber noch einige Kilometer mit uns herum.

Eine merkwürdige Situation, in der wir nicht recht wissen, wie wir uns am Besten verhalten sollen, erleben wir dann doch. Im Nirgendwo auf einer Schotterpiste stehen Männer auf der Straße, T-Shirts mit dem Aufdruck Security tragend. Sie sagen, sie würden hier für die Sicherheit sorgen und wollen Geld dafür haben. Vor uns hatte ein Reisebus angehalten, aus dem ein Mann mit der Hand voller Münzen aussteigt. Für uns ist es eine offensichtliche Geldmacherei und völliger Schwachsinn, dass die Leute hier für die Sicherheit sorgen würden. Hardy will offizielle Papiere sehen und würde dann zahlen, sagt er. Es wird ein karierter Block Papier hergebracht. Ein ankommender Laster hält gar nicht erst an. Wir sehen uns beide kurz an und fahren einfach weiter. Das aber mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Haben wir jetzt Frust in den Typen aufkommen lassen und hätten wir einfach hingegen unserer Überzeugung etwas Kleingeld geben sollen? Steigt jetzt das Risiko, das die uns überfallen? Nichts passiert, alles geht gut, aber ein Patentrezept haben wir immer noch nicht.

Chachapoyas

Chachapoyas gefällt uns richtig gut. Die kleine Stadt ist ruhig und hat Charme. Um die plaza, in deren Mitte natürlich ein Brunnen thront reihen sich Bänke und Palmen. Dahinter befindet sich die einfache Kirche und rund herum alte, einst weiße, koloniale Gebäude. Der Markt befindet sich ein paar Ecken weiter. So weit wir das beurteilen können, werden uns normale Preise gemacht. Aber bisher befinden wir uns auch noch nicht in touristischen Gebieten. Ricardo, der Besitzer des neuen, gemütlichen Hostals Aventura Backpacker Lodge, indem wir ein paar Tage pausieren, berichtet, dass der Tourismus in dem Städtchen noch in den Kinderschuhen steckt.

Ruinen von Kuélap

Bis nach Tingo Nuevo sind es nur 40km. Die schaffen wir bis zum Mittag, lassen die Räder in einer heruntergekommenen hospedaje (kleines Hotel) und machen uns auf eine Wanderung zu den auf der Bergspitze auf 3000m Höhe liegenden Ruinen von Kuélap. Zum Glück ist es heute bewölkt, denn auf dem 9km langen Wanderweg überwinden wir in 2 1/2h viele Serpentinen und 800 Hm. Schön ist es hier, wir durchlaufen karge Natur. Uns entgegen kommt ein Bauer, seine Eseln mit Brennholz beladen. Wo findet er es nur? Hier ist doch bereits alles abgeholzt worden. Er kaut Coca-Blätter. Das fällt uns nun vermehrt auf.

Majestätisch umgibt die ehemalige Festung eine 20m hohe Steinmauer. Die gewaltige Anlage wurde vom Volk der Chachapoya lange vor den Incas gebaut, die die Chachapoya nie richtig unterwerfen konnten.

Uns gefällt dieser Ort sehr gut. Von den einstigen runden oder ovalen Häusern sind nur noch einige Mauern oder Grundrisse zu erkennen. Alles ist vom Dschungel überwuchert.

Alpakas grasen gemächlich. Hier soll es verschiedene Stadtviertel mit bis zu 400 Gebäuden gegeben haben. Bis auf ein weiteres Paar sind wir die einzigen Gäste. Gespenstisch zieht sich der Himmel zu. Eine tolle Stimmung ist das. Dann fallen die ersten dicken Tropfen. Liebenswürdigerweise bieten uns die beiden Peruaner eine Mitfahrgelegenheit bis zum Ort unseres Hotels an. So werden wir nicht nass beim Runterwandern. Die Autopiste ist im Gegensatz zum Wanderweg jedoch sehr lang. Über eine Stunde brauchen wir bis nach unten im sportlichen Fahrstil unseres neuen amigos. Lange genug, um miteinander ins Gespräch zu kommen.

Letztendlich setzen wir uns noch mit Micheal und Leidi lachend zum einen oder anderen Bierchen in unserem Hotelgarten zusammen.

Endspurt nach Cajamarca

Einen weiteren kulturellen Leckerbissen bietet uns am folgenden Tag das Museum Centro Mallqui 5km hinter dem netten Ort Leymebamba. Neben dargestellten Keramikarbeiten und Textilien der Inca-Chachapoya-Mischkultur sind auch sehr interessante Mumienbündel zu bewundern, die an der nahen Laguna de los Cóndores gefunden wurden. Sowas haben wir noch nie gesehen!

Von Cajamarca trennt uns noch eine Bergkette, die Cordillera Central, die es zu überwinden gilt. Vier Tage schrubben wir uns auf schlechtesten Pisten meist bergauf. Wir arbeiten uns bis auf über 3500m zum Pass Calla Calla hinauf, um sogleich hinab ins tiefe Balsas (800Hm) zu rasen. Natürlich ist es nur auf der enormen 45 km langen Abfahrt asphaltiert.

Unten ist es super trocken und wüstenartig. Kakteen wachsen an kargen Hängen. Im krassen Gegensatz zu der beigen Bergwelt stehen die saftig grünen Täler, in denen es aus künstlichen Kanälen nur so sprudelt. Alles ist voller Mangobäume, die gerade in ihrer Blüte stehen. Es riecht fantastisch. Das kann man sich nicht vorstellen!

Als wir dann zum 2. Mal den Fluss Marañon überqueren, erwartet uns in der trockenen Hitze feinster Schotter, in den steilen Kurven mit Sand durchsetzt. Wieder staubt es sehr. Wir schwitzen und machen Pausen im wenig zu findenden Schatten der Büsche.

Mit zunehmender Höhe wird es wieder grün. Bächlein fließen, Lehmhäuser stehen am Wegesrand. Landwirtschaft wird betrieben.

Der trockene ansteigende Schotter verwandelt sich am Morgen nach einer regenreichen Nacht in zähen, klebrigen Matsch, der unsere Räder zum Blockieren und Wegrutschen bringt. Insgesamt 45 km geht es nach dem Fluss wieder steil bergauf.

Endlich sind wir wieder auf der Ausgangshöhe von 3000m angekommen. Die Bergwelt hier ist die Mühen wert. Die Anden sind bereits hier gewaltiger und schroffer als ihre nördlichen Nachbarn. Viel mehr Fels kommt zum Vorschein.


Peruanische Berge halten auf, das ist schon mal klar. Die Steigungen sind lang, aber im Gegensatz zu Ecuador haben sie ein moderates Gefälle und können „gut“ beradelt werden. Es braucht halt nur Zeit. Im Höhenprofil (links Leymbebamba, rechts Cajamarca) sieht man was uns wohl in Zukunft noch öfter bevorstehen wird.

 

Oftmals haben wir mittags so einen Kohldampf, dass wir für ein Mittagessen, ein almuerzo, in ein günstiges Lokal einkehren und ein sogenanntes menu essen. Zur Suppe gibt es ein Getränk und einen deftigen Teller mit Reis, Kartoffeln und insbesondere in den Bergen sehr leckerer gegrillter Forelle oder dem üblichen gegrillten Huhn.

Die Menschen hier sind freundlich und hilfsbereit. Es gibt schon immer einen Weg. So wird uns beispielsweise bei einem kaltem Regenschauer von der Tochter Sara die Küche eines Lehmhauses in Los Achupos ihrer Familie angeboten. Hier gibt es keinen Strom. Auf dem Lehmherd wird mit Holz gekocht. Zwei cuys (Meerschweinchen) laufen frei in dem Raum herum, werden gefüttert und bald gegessen. In der Schule haben sie auch einen Globus sagt Sara, als wir den unsrigen herausholen. Die Mutter und der Vater können die Länder und Kontinente nicht so richtig verorten. Der Mutter rutsch ein: „Ist ja rund!“, heraus.

Als die Familie ins Bett geht, können wir die Isomatten neben dem Tisch auf dem Boden ausbreiten. Zu meiner persönlichen Freude schlafen wir heute mit Meerschweingequieke ein. Es scheint eine sehr arme Familie zu sein. Ein großes Lachen unsererseits bereitet uns dann die auffordernde Bitte der Tochter an Hardy, der ihr doch helfen soll den Film in ihrem DVD Player zum Laufen zu bringen. Hardy folgt ihr in ein angrenzendes Haus. Im kargen Raum, ein Laden und Schlafzimmer, abgetrennt mit einer Decke, hinter der die drei sitzen, steht doch glatt ein fetter Flachbildfernseher! Alles ist auf englisch eingestellt, die Familie hat keine Ahnung ihn zu bedienen.

Ein anderes Mal dürfen wir im Abstellraum eines Restaurants auf der langen Steigung zwischen Balsas und Celendín schlafen, indem nur das Motorrad des Besitzers steht. Wir hören von einem Radler, der erst vor zwei Tagen hier entlang kam. Lachend berichten uns die waschenden Frauen vor dem Restaurant, dass alle Fahrradfahrer hier anhielten und begierig eine Cola in sich reinschütten würden. Kein Wunder, es ist ja auch die erste Möglichkeit nach heißen, trockenen, schotternen 20km nach Balsas unten am Fluss.

Oder auch ein leeres Zimmer eines abwesenden Bauarbeiters wird uns zum Nächtigen angeboten. Nach langer Baustellenfahrerei kommen wir etwa 13km hinter Celendín nicht weiter. Kein Gequatsche hilft, denn Aufgrund von Sprengungen des Hanges und anschließenden Aufräumarbeiten ist einfach kein Weiterkommen möglich. Wir geraten an Gustavo aus Lima. Er ist der Sicherheitschef vor Ort. Vor 18h kann er uns nicht durchlassen, organisiert uns aber tatkräftig ein freies Zimmer eines abwesenden Bauarbeiters im Dorf Frailecocha neben dem riesigen Bauarbeitercamp indem 450 Leute untergebracht sind. Der lange Abschnitt von Leymebamba bis nach Cajamarca befindet sich im Bau und soll in neun Monaten fertig asphaltiert sein.

Als wir um 18h weiter radeln können ist es bereits fast dunkel. Wir ziehen die Warnwesten und Licht an und brausen noch 7km durch die ungemütliche Dunkelheit. Im Camp angekommen begleiten uns Gustavo und seine Chefin Erica zum Maler des Dorfes, welcher die Schlüssel für unser Zimmer haben soll. Der will erst nicht so recht, aber Gustavo quatscht ihn platt. Aha, also auch er scheint das drauf zu haben. Schließlich landen wir in einem großen Raum eines dieser typischen Häuser der Gegend aus Lehmbauweise. Es ist ranzig und stinkt, dennoch sind wir froh für heute Schluss machen zu können.

Es sind Frauen, die hier in orangefarbener Kluft eingemummelt dastehen, den Verkehr regeln und das Stoppschild halten. Meistens kann Hardys grandiose Überzeugungskunst jegliches Hindernis wegdiskutieren und sie lassen uns bald passieren. Vorsichtig fahren wir um die Bagger und Lastwagen herum. Trotz Ankündigung gibt es in Celendín natürlich noch keinen Asphalt. Der tritt erst etwa auf den letzten 25km ein. Bei schönstem Bergambiente muss natürlich ein kalter Starkregen einsetzten, der uns bis nach Cajamarca begleitet.

Cajamarca

Erschöpft kommen wir am Nachmittag auf der plaza an. Toll ist es an einen Ort zurück zu kehren, den wir schon kennen. Denn zur Karnevalszeit hatten wir uns mit Hardys Schwester und deren Familie hier getroffen. Auch ins selbe Hotel kehren wir zurück. Glücklicherweise ist nun in der hospedaje Marañon ein Zimmer im ersten Stock frei. Die verschlammten Räder werden im Minihof gesäubert und gepflegt. Wir durchstreifen lange die Markthalle, kaufen Joghurt, manjar (eine Creme aus Milch, Zucker und Vanille), „schweizer“ Käse, Brot, Salat, Oliven und ein Bier für ein reichhaltiges Abendbrot ein und machen Pause.

Hardy kommt endlich dazu seinen langersehntes Vorhaben cuy zu probieren in die Tat umzusetzen. Er beschreibt das Erlebnis, nach dem sich hier wie wild gerissen wird, als „einmal reicht.“ „Am Meerschweinchen ist auf jeden Fall nicht viel dran, man sieht die Sehnen und Muskeln und kaut an den kleinen Knochen alles ab. Das Fleisch ist sehr weich und schmeckt wie Hühnchen. Das Meiste was man isst, ist Haut. Das nächste Mal nehme ich auf jeden Fall wieder Forelle.“, kommentiert er.

Hoffentlich bekommt es ihm gut, denn Morgen geht’s weiter – weiter Richtung Süden in die richtig hohen Berge der Cordillera Blanca.

In der Galerie findet ihr die Fotos zu diesem Artikel sowie zum letzten aus Südecuador.

Übrigens, zum ersten Mal auf unserer Reise haben wir es geschafft in den Blogartikeln aktuell zu sein, denn wir verweilen zur Zeit wirklich in Cajamarca 🙂

Posted in Peru

Von Guamote bis zur peruanischen Grenze (Ecuador/ April 2013)

Down into the jungle

Das kleine Ecuador spiegelt auf seiner im Vergleich zu den anderen südamerikanischen Ländern recht überschaubaren Landmasse alle Vegetationszonen des großen Kontinents wieder. Es gibt die heiße Küstenregion mit tollen Stränden, die Bergketten mit ihren atemberaubenden Ausblicken und Bewohnern in buntesten Trachten und den feucht heißen Dschungel des sich ausbreitenden Amazonasbeckens. Letzteren haben wir noch nicht erlebt. Wir sind neugierig und beschließen all die hart erarbeiteten Höhenmeter in schneller Fahrt in den Oriente hinunter zu brausen.

Um hinab zu gelangen geht es natürlich erst einmal auf der tollen, neu asphaltieren, kaum befahrenen Straße bergauf. Von Guamote, gelegen auf ca. 2700m,kurbeln wir auf 3500m hoch. Wir durchradeln kleine Bergdörfer. Uns fallen die märchenhaften Häuser mit ihren Baumstammwänden und dem kunstvoll geflochtenen Dächern auf. Die Leute sind freundlich, die nun zunehmend auftauchenden Terrorstressköter weniger. Zähnefletschend schießen sie aus den Grundstücken uns verfolgend auf die Straße. Manche beißen sogar in unsere Packtaschen, zum Glück nicht in die Beine. Der plötzliche Widerstand bremst die Fahrt. Einem tritt Hardy, Schlangenlinien fahrend, gegen den Kopf, was das Tier nicht besonders zu stören scheint. Von nun an postiert er sein für den Notfall immer noch mitführendes baerspray aus Alaska am Lenker. Bisher hilft ein ruckartiges Anhalten und lautes Anschreien der Hunde gegen die Attacken. Manche erschrecken und verziehen sich winselnd, dann erringen wir grinsend einen Erfolg. Mistviecher!

Wenigstens die kuscheligen Alpakas sind uns freundlich gesonnen. Neugierig begutachten wir uns gegenseitig.

An Kanadas Weite erinnert uns die frühe Morgenstimmung, als wir an den Lagunen bei Atillo im Nationalpark Sangay vorbeikurven. Das schlechte Wetter mit seinen tief hängenden Wolken verbreitet eine mystische Stimmung. Das dunkle Wasser der Seen liegt ruhig vor uns ausgebreitet. In Fetzen zieht der Nebel von der Wasseroberfläche hinauf auf die kargen Bergwände. Praktisch, die Straße windet sich genau durch das Seenmeer hindurch. Wir brauchen gar keine Wanderungen einlegen, machen Pause am Wegesrand und genießen den Ausblick.

Endlich haben wir den Pass erreicht.Wir überqueren eine Wasserscheide. Heißt das, das wir nun einmal die Anden überquert haben?!

Erleben wir auf der westlichen Seite karge Natur oberhalb der Baumgrenze, so stößt hier im Osten der Regenwald bis an die „Kante“ heran. Kühl und feucht ist es. Laut zwitschern die Vögel. Überall wuchern Pflanzen in groß und klein. Auch hier lichtet sich gerade der Nebel. Es tropft von den Blättern. Von einem Aussichtsturm können wir den sich unter uns langwindenden Fluss ausmachen.

In vielen Kurven geht es bergab. Es regnet sich ein. Teilweise ist die Fahrbahn von herunterfallenden Steinen der Steilwand bestückt. Die Situation erinnert uns stark an unsere erste geplante Abfahrt in den Dschungel. Damals brach sich Hardy bei einem Sturz auf nasser Fahrbahn den Arm. Um dies sich nicht wiederholen zu lassen, rollen wir ganz langsam hinab. Zu schade um die lange Abfahrt. Unter einem Vordach hüllen wir uns in Regenklamotten. Regen in Kombination mit Fahrtwind kühlt aus. Im Gegensatz zu den Steinhäusern mit ihren geflochtenen Dächern auf der anderen Seite, sind die Gebäude hier aus Holzbrettern gebaut. Die Menschen sehen auch anders aus. Als wir einem Mann erzählen, wir hätten oberhalb bei den Lagunen geschlafen, meint dieser: „Habt ihr nicht Angst gehabt, dass sie euch fressen?“ Wir stutzen, müssen kurz darüber nachdenken ob wir gerade richtig gehört haben. Aber er meint es ernst. „Wahrscheinlich haben wir Glück gehabt“, antwortet Hardy. Im Weiterfahren müssen wir über diesen Aberglauben schmunzeln.

Mit zunehmender Tiefe nimmt die feuchte Wärme zu. Wir ziehen uns wieder aus. Auf den letzten 20km entpuppt sich die nagelneue Straße als echter Reinfall. Denn sie ist natürlich noch nicht fertiggestellt! Auf einer sich hinziehenden, schlammigen Baustelle arbeiten wir uns vorsichtig an den riesigen Baufahrzeugen vorbei. Der Regen hat lose Erde und Schotter in eine Rutschpartie verwandelt. Die Räder sind bald total verschlammt.

Macas

Etwas irritiert, aber froh hier zu sein, bin ich vom lebendigen, geschäftigen Macas. Der Reiseführer hat doch von einem verschlafenen Nest berichtet. Denn Macas war lange Zeit durch die Steigungen und den Dschungel von den umgebenen Städten abgeschirmt. Nur ein schmaler Pfad, welcher heute zur Straße wurde, verband es mit Riobamba. Damals benötigte es noch eine drei tägige Wanderung mit dem Esel, um in Riobamba einzukaufen. Tja, aber das war einmal. Heute ist Macas mit 30.000 Einwohnern eine Kleinstadt.

Als wir einen Spaziergang zum Aussichtspunkt über dem Fluss unternehmen, lernen wir durch Zufall die liebenswürdige Schweizerin Margit kennen. Spontan werden wir zu einem richtigen Kaffee aus ihrer deutschen, die Bohnen mahlenden Kaffeemaschine eingeladen. Hanspeter, ein Freund von Margit, der gerade am anderen Ende des Ortes eine Villa hütet, schaut auch vorbei. So vergehen bestimmt zwei Stunden mit vielem Erzählen und Kaffeeschlürfen. Am Ende läd uns Margit ein bei ihr einzuziehen. In ihrem Haus sei es doch allemal besser, als in den kleinen, teuren Hotelzimmerbuchten ohne Fenster, meint sie. Wir nehmen mit Begeisterung an.

So verbringen wir ein paar Tage in diesem wunderschönen Holzhaus oberhalb des Flusses. Die quirlige und lebhafte Rentnerin lässt nie Langeweile aufkommen. Es stellt sich heraus, dass wir bereits in Nordecuador auf dem Campingplatz nahe Ibarras von ihr gehört hatten. Und auch unsere Radelfreunde Jan und Karina waren neulich bei Margit zu Besuch. Zusammen machen wir morgens Yoga. Während Hardy den veralteten Computer auf den neusten Stand bringt, erfahre ich Neues über Numerologie undJin Shin Jyutsu. Sie berichtet uns auch über ihre Reisen auf die Galapagos, die Margit mit als erste dort 30 Jahre lang angeboten hat. Wir lauschen über alte Geschichten erster Inselbewohner. Auch über die auf der anderen Seite des Flusses lebenden Shuar-Indianer erfahren wir so einige gruselige Geschichten.

Vor allem aber teilen wir eine gemeinsame Leidenschaft: gutes Essen. So wird über Raqulette, gefüllte Paprikaschoten und Pizza alles gezaubert. Das Schöne ist, das in diesem Haushalt vieles aus Europa zu finden ist. So bin ich begeistert nach so vielen Monaten den Salat mit Olivenöl und Balsamico-Essig kredenzen zu können.

Ich benötige unbedingt mal einen Tag ganz für mich allein und so machen sich Margit, Hanspeter und Hardy samt Hund Jeffrey und guide für einen Tagesausflug auf den Weg in den Dschungel. Begeistert berichtet Hardy später von diesem Trip der sich durch den Genuss daumengrosser, ganz schwabbliger, engerlingartiger, lebendiger und etwas suessschmeckender Totholzbewohner auszeichnete. Welch‘ ein Gaumenschmaus!

Am letzten Tag lichtet sich für einen kurzen Augenblick die Wolkenfront am Vulkan Sangay und gibt einen atemberaubenden Anblick frei.

Back to the highlands

Margit würde uns am Liebsten gar nicht gehen lassen, aber nach den erholsamen Tagen zieht es uns weiter. Zudem läuft unser drei-monätiges Ecuadorvisum bald ab.

Leicht hügelig wellt sich das Gelände dahin. Bananen, Yucca, Papaya, Jamaica und Kakao werden hier angebaut. Wir sind aufgrund der hohen Luftfeuchte bald nassgeschwitzt. Wie in Zentralamerika ist es hier im Dschungel wieder ein normaler Anblick, dass die am Strassenrand laufenden Menschen eine Machete in der Hand zu baumeln haben.

Immer dem Fluss nach Süden folgend befinden wir uns bald auf der plaza in Méndez. Kalter-Coca-Cola-Durst wird gestillt und weiter geht’s.

Nun wird es anstrengend, die Straße biegt ins Hinterland nach Westen ab. Die Steigung, die uns bis nach Cuenca begleiten wird, nimmt rasant zu. Es ist so heiß, ich schwitze und glühe, komme kaum von der Stelle. Hardy setzt das alles wie immer nicht so zu. Er fährt voran und knipst Fotos von den abgefahrenen, riesengroßen Farnen.

Am Nachmittag zieht sich ein Unwetter zusammen. Dunkle Wolken beziehen Position. Das Licht verdunkelt sich. Und dann prasselt es los. Kein Unterstand weit und breit ist in Sicht. „Naja, wenigstens ist es jetzt nicht mehr so heiß“, sage ich und fahre weiter, Tritt für Tritt. Innerhalb von drei Sekunden sind wir bis auf die Unterhosen durchnässt. Nach zehn Minuten hält ein Pick Up vor uns. Drinne sitzen zwei nette Männer, die uns einen Lift anbieten. Während Hardy beim Festzurren der Räder auf der Ladefläche sich fragt, warum wir das eigentlich tun, bin ich heilfroh, es ist mein Lichtblick des Tages. Während wir ihnen das Auto voll tropfen, erzählen uns die beiden Männer, dass sie hier für den Staat an den hiessigen Wasserkraftwerken arbeiten. Im eine Autostunde entfernten Dorf Amaluza setzen sie uns vor der kleinen Kirche ab. Ein gewaltiger Damm staut hinter dem Ort den Fluss an. „Uiui, wenn der mal bricht…“, sage ich. (Das tut er natürlich nicht.)

Toll, wir sind 35km voran gekommen und haben so den steilsten Abschnitt, der uns mindesten einen weiteren Tag harte Arbeit benötigt hätte, erspart. Inzwischen völlig durchgefroren, mache ich mich auf den Weg eine Übernachtungsmöglichkeit zu organisieren und erfahre sogleich mein zweites Tageshighlight.

Die nette señora gegenüber der Schule hat die Schlüssel für die Kirche. Neben dem Turmzimmer mit zwei Betten, bekommen wir gleich die gesamten Schlüssel für den Sakralbau in die Hand gedrückt. Später können wir noch bei ihr heiß duschen kommen, bietet sie uns an. Das ist super nett!

Hardy freut sich ungemein, sogleich schiebt er sein Rad vor den Altar und probiert ein neues Motiv aus. So kann auch sein geliebtes bike einmal eine Kirche besuchen.

Frisch geduscht und in trockenen Klamotten klingt der Tag angenehm aus. Als wir bereits liegen, wackeln plötzlich die Wände. Die Bewegung übertragt sich auf’s Bett. Dann hört es auch schon wieder auf. Wir schauen uns an, wir haben soeben unser erstes Erdbeben gespürt.

Zwei weitere Tage schleichen wir die Berge hinauf, bis wir schließlich Cuenca erreichen. Kurz nach Amaluza beginnt auch hier eine lange Baustelle. Teilweise gibt es nur eine Spur. Schotter folgt auf Betonabschnitte. Von den vorbeifahrenden Lastwagen werden wir eingestaubt. Auch hier belästigen uns Hundebestien.

Cuenca

Geschafft sitzen wir schließlich um 16 Uhr im Zentrum der Altstadt im Parque Abdón Calderón. Eigentlich wollen wir nach den heutigen 73km nur etwas trinken und unsere Ruhe haben, da kommen auch schon gleich zwei kolumbianische Touristen an und wollen ein Foto von uns machen.

Noch zwei Stunden pausieren wir, bis wir uns mit Checo, unserem netten couchsurfing- Gastgeber, treffen. Zusammen brausen wir zum Haus seiner Familie im Süden der Stadt. Für heute machen wir erst mal nichts mehr. Die vorangegangene Dauersteigung merken wir, unser Körper brauchen Ruhe.

Zusammen mit Checo erkunden wir am Folgetag die Altstadt. Heute ist Gründungstag und eine Menge los. Es ist ungewohnt sauber und aufgeräumt. Eine Menge junger Leute sowie Touristen laufen herum. Ein sauberer Fluss durchfließt die Stadt. Das Wasser sowie die Flussufer sind wie schon gesagt, sauber. Unvorstellbar, das in Lateinamerika! Die an den grünen Ufern und auf der Promenade herumhängenden jungen Leute erinnern uns stark an Berlin. Wir tun es ihnen gleich und sind begeistert. Nur ein Bierchen wird hier nicht getrunken, da dies in der Öffentlichkeit verboten ist. Schade, darauf hätten wir Lust gehabt.

Insgesamt fühlen wir uns sehr wohl in Cuenca. Nach San Cristobal de las Casas im Süden Mexikos ist dies eine Stadt, die uns wirklich sehr gut gefällt. Es ist eine für uns sehr angenehme Mischung aus europäischer und südamerikanischer Kultur.

Zudem gibt es viele Museen, Galerien und auch Streetart zu entdecken. Das Museum der Banco Central sowie das Strohhutmuseum gefällt uns gut. Anschaulich werden im ersteren die verschiedenen Kulturen der Bewohner des kleinen Landes dargestellt. Mit Schaudern betrachten wir die Faust großen Schrumpfköpfe der Feinde der Shuar-Indianer. Dieser Brauch ist heute verboten, wird aber dennoch vereinzelt ausgeführt.

In der Markthalle lassen wir uns das erstaunlich gute und günstige Essen schmecken und kehren immer wieder zu „unserer“ jugo-Verkäuferin zurück, die einen leckeren Kokossaft verkauft.

Im Antiquariat Sumaglla sind wir insbesondere von der alten Lady des Hauses, die einen gegen eine Gebühr von zwei Dollar auch ihre Privatgemächer zeigt, angetan. Sie ist ein lebendes Fossil, ein Nachkomme einer spanischen Familie, die einst der Oberschicht Cuencas angehörte und zur Zeit der Kolonialherrschaft herkam. Die betagte Dame scheint noch immer in dieser Welt zu leben und auch an ihrem Haus nichts verändert zu haben. Stolz zeigt sie uns welches Besteck, Möbelteil oder Wandgemälde aus Frankreich oder Spanien hergeschifft wurde und wie antik die feinen Wandarbeiten sind. Nur in manchen Räumen dürfen Fotos gemacht werden und dann auch nur eines pro Person und Zimmer. Etwas wirklich unglaubliches entdecken wir, als uns ein Schlafzimmer gezeigt wird. In der Türschwelle stehend, blicken wir auf ein antikes Bett. „Unter der über dem Kopf hochgezogenen Decke muss doch Jemand liegen?!“, fragt Checo. Die Hausherrin bejaht dieses. So klein wie der Abdruck ist, muss die Person doch noch älter sein als unsere Gastgeberin. Schnell verziehen wir uns völlig perplex aus diesem Raum. Noch immer lachend stehen wir wieder vor dem Haus draußen auf der Straße. In was für eine Welt durften wir da eben reinschauen?

Während ich es mir mit viel schwarzem Tee in der Küche gemütlich mache, mich lange mit Checos Mutter unterhalte und schreibe, brechen Checo und Hardy auf in den stadtnahen Nationalpark Las Cajas. Sie wollen eine kurze Wanderung unternehmen und angeln gehen. Leider haben sie bei letzterem keinen Erfolg und die erhofften Forellen zum Abendessen bleiben aus. Dafür haben sie mehr Glück in der Liebe, wie ein ecuadorianisches Sprichwort besagt.

In diesem Haus erfahren wir erstmals kritische und negative Stimmen gegenüber des sonst so bejubelten Präsidenten Rafael Correa. Wir hören, dass die Leute aus Angst um ihren sowie den Arbeitsplatz ihrer Familienangehörigen in staatlichen Stellen keine Kritik äußern würden. Correa habe Macht, sei sehr strikt, auch diktatorisch und hätte überall seine Leute, die dann unter einem Vorwand den Arbeitsvertrag kündigen und ihn mit jemand aus ihrer Partei besetzen würden. Aufgrund von hoher Geldstrafen der Verleumdung schreibe keine Zeitung negatives über Correa. Mit Druck, sie solle doch an den Arbeitsplatz ihrer Kinder denken, wurde die Mutter vor der Wahl zum Eintritt in die Partei gedrängt. Auch wenn das Gegenteil gesagt würde, währen heute viele arbeitslos. Zudem seien die Abgaben für die Reichen und den Mittelstand so gestiegen, dass sich unsere Familie heute beispielsweise keine Putzkraft mehr leisten könne…

Über die Berge nach Vilcabamba

Herzlich verabschieden wir uns von Checo und seinen Eltern und nehmen einen anstrengenden Abschnitt in Angriff. Die 250km bis nach Vilcabamba sind ein reines Auf und Ab. Die Panamericana, hier bis nach Loja sehr angenehm ruhig verlaufend, wählen wir. Nach dem Abzweig in Richtung Machala gibt es wenig Verkehr, denn dieser bewegt sich an der Küstenroute entlang.

Der Straßenbelag aus Betonplatten mit aufeinander folgenden Rillen und Nähten erinnert sehr an ostdeutsche Autobahnen, auch das Geräusch ist das gleiche. Es macht flopp, flopp, flopp.

Pro Tag machen wir bestimmt um die 1000 Höhenmeter, denn auf einen 3000der Pass folgt die Abfahrt in eine steile Schlucht, kaum den Fluss gequert, geht es in Serpentinen wieder hinauf – Helm auf, Helm ab, Windjacke aus, Windjacke an. Anstrengend ist das. Auf dem MP3 Player hören wir Hörbücher im Dauereinsatz. Die Aussichten in die wunderschöne Berglandschaft sowie tolle wilde Zeltplätze entschädigen uns. Diese Gegend ist kaum besiedelt, so schlafen wir auf einem Hochplateau neben skurrilen Pflanzen und einem Strommast und gut versteckt in einem Nadelwald. Das haben wir vermisst!

Vilcabamba

Nach 3 ½ Tagen erreichen wir das kleine Örtchen Vilcabamba. Berühmt ist es für sein hier produziertes Wässerchen und seine vielen alten Leute. So wird es das Dorf der 100- jährigen genannt. Aber auch als Gringolandia steht es in unserem Reiseführer. Und letzteres fällt uns sofort auf, als wir die Räder auf die plaza unter einen Baum schieben. Es wimmelt hier nur so von Touristen, die meist hippieresk angehaucht sind. Vor allen Dingen bemerken wir Mittdreißiger, die hier mit ihren erstaunlich vielen Kindern herumhängen. Wo sind wir denn hier gelandet? Hardy kriegt schon mal die Krise, ich grinse breit. Wenigstens auf dieser plaza wird in der Öffentlichkeit Bier getrunken, ein Pluspunkt.

Unsere Körper fordern eine Pause, wir arbeiten unsere fortwährende bestehende to-do-Liste ab und bleiben zwei Tage hier im charmanten, leicht herunter gekommenen Hostal Valle Sagrado. Hardy bekommt dann auch gleich kribbeln in den Beinen uns muss unbedingt den Berg Mandango (2040hm) westlich von Vilcabamba besteigen.

Endspurt zur peruanischen Grenze

Nach Süden zum Grenzort La Balsa windet sich die Straße am Fluss Catamayo und später am Río Mayo dahin. Flach ist sie nicht, erinnert eher an Achterbahn mit steilen Aufs und Abs. Wie in vielen anderen Parten Ecuadors befindet sich die Piste im Bau. Sie soll Ende 2014 fertig sein.

Über die ersten 47km freuen wir uns, denn die sind bereits betoniert. Wenn auch steil und arbeitsintensiv, geht es hier doch verhältnismäßig flott voran. Danach folgen 100km Schotter in Kombination mit etwas Matsch. Zum Glück ist bleibt trocken, in der Regenzeit ist es bestimmt keine Freude sich hier lang zu arbeiten. Wir sehen die Berge sich vor uns auftun, da müssen wir rüber.

Fast zwei Stunden suchen wir nach einem Schlafplatz. „Hier gibt es ja gar nichts!“, ruft Hardy immer wieder aus. Er hat recht. Zu unserer Linken erhebt sich der Berg, zu unserer rechten fällt er steil nach unten ab. Dazwischen wir, rutschend auf der roten, schmierigen Lehmpiste. Dichter Dschungelbewuchs auf dem schmalen Vegetationsstreifen macht kein hineinschleichen möglich. Es ist bereits 18h, als wir kurz über dem Ort Valladolid eine Wiese mit einem alten, verlassenen Kuhstall vorfinden. Darin bauen wir erschöpft unser Moskitozelt auf, kochen geschwind und fallen in die Betten.

Die beiden folgenden Tage bringen pure Schotterpiste mit sich. Es ist verdammt heiß. Wir stauben total ein, denn vorbeifahrende Autos bremsen natürlich nicht ab. Manche Kurven sind zu steil da schiebt sogar Hardy.

Ein Mann schenkt uns von seinem Bananenhain zwei Früchte. Er warnt uns vor den Peruanern und meint, wir sollen aufpassen, dort sei es gefährlicher als in Ecuador. Auch schimpft er über das Nachbarland, welches im Krieg von 1941 nach und nach ecuadorianisches Land geklaut habe. So leben viele seiner Familienangehörigen heute auf peruanischer Seite.

Zwei Mal passieren wir auf diesem Abschnitt Kontrollposten des Militärs mit Schranke. Das hatten wir vorher nicht. Auch müssen wir unsere Pässe zücken und unsere Daten werden peinlich genau in eine Tabelle aufgenommen.

In den Dörfern werden auf Plastikplanen Kaffeebohnen in der Sonne getrocknet und mit einer Art Schneeschieber gewendet. Die Erntesaison hat gerade begonnen. Auch sie werden vom Verkehr eingestaubt. Es sind kleine, verschlafene Dörfer, in denen wir kalte Cola unsere trockenen Kehlen herunterrinnen lassen. Die Leute sind freundlich und Fahrradfahrer bereits gewohnt. So wird uns in Isimanchi von sich aus die Casa Comunal (Gemeindehaus) zum schlafen angeboten und kurz vor der Grenze im Miniort Pucapamba von der Ladenbesitzerin der Fußballplatz. Wir trinken erstmal einen Saft. Gerade ist eine Frau vom Gesundheitsamt da und erhebt in Leggins, schlabberigen Shirt und ihre Dokumente in einer Plastiktüte mitbringend in einer schiefen, mit der Hand gezogenen Tabelle Daten über die Bewohner Pucapambas. Da geht es um Namen, Geburtsdaten, Blutgruppe, ernste Erkrankungen, Schwangerschaften und Versicherungen. Die Ladenbesitzerin gibt bereitwillig über sich und all ihre Nachbarn Auskunft. Man stelle sich das mal in Deutschland vor!

Nachdem die Jungs des nahen Militärstützpunktes mit dem Fußballspielen fertig sind, bauen wir neben jenem das Zelt auf und Hardy kocht. Wasser gibt es auch. Einer von ihnen fragt uns, ob wir nicht Gras dabei hätten. Wir verneinen es lachend. Wir fühlen uns hier sicher und genießen die schöne Abendstimmung mit Blick auf die kleine Kirche und die vor uns liegenden Berge. Das ist bereits Peru. Wir verbringen heute unsere letzte Nacht in Ecuador.

Schnell sind wir am nächsten Morgen um 8h in La Balsa. Schlafen noch alle?! Niemand ist zu sehen. Ein freundlicher Zollbeamte zieht gerade die ecuadorianische Flagge am Mast nach oben. Den jungen Typen in der Migration muss ich erst herbeirufen. Eifrig prüft er unserer Pässe und haut dann problemlos den Ausreisestempel hinein. Hardy tauscht noch Dollarnoten in peruanische Soles, da wir erst in einiger Entfernung einen Geldautomaten erwarten. Und dann kann’s losgehen, Land Nummer 13 erwartet uns!

Fazit Ecuador

Mehr als zwei Monate sind wir in diesem kleinen Land Kurven geradelt und haben uns sehr wohl und sicher gefühlt. Wir haben keine negative Situation erlebt. Die Menschen hier sind nett und freundlich, wenn auch distanzierter und zurückhaltender als ihre kolumbianischen Nachbarn.

Ganz besonders hat uns die Vielfalt Ecuadors auf engstem Raum gefallen. Recht schnell ist man auch per Rad von der Küste in die Berge oder in den Dschungel unterwegs. Jede dieser Regionen bietet ihren ganz eigenen Charakter. Ein besonderes und noch lang anhaltendes Highlight ist für uns der Besuch der Galapagos Inseln gewesen!

Unter der Präsidentschaft Correas scheint sich so einiges zu ändern, auch wenn nicht alles Gold ist was glänzt. Diese rasche Entwicklung ist interessant zu beobachten. Es wird beispielsweise viel Geld in Bildung und ins Gesundheitswesen gesteckt sowie in den Straßenbau. Letzteren haben wir genossen, aber auch jede Menge anstrengendes Kopfsteinpflaster auf kleinen Nebenrouten erlebt. Die Steigungen sind wirklich derbe. Auch nimmt die Aggressivität der Hunde zu. Zähnefletschend, laut bellend und in die Radtaschen beißend müssen wir uns nun sehr vor ihnen in Acht nehmen.

Polizei und Militär haben wir vereinzelt und als nicht aufdringlich wahrgenommen. Letzteres erst in Grenznähe.

Negativ überrascht sind wir über die unerwartet hohen Preise der Unterkünfte und allem anderen außer Lebensmitteln gewesen.

Sobald das Internet es zulaesst laden wir auch die entsprechenden Bilder fuer die Galerie hoch.

Posted in Ecuador

Chimborazo, Markt in Guamote und Wanderung auf dem Camino del Inca (Ecuador/ März 2013)

In Ambato nutzen wir unsere Tage in der casa de ciclistas, um Kräfte zu tanken und Vorräte aufzustocken. Vielleicht übertreibe ich beim Einkaufen ein Wenig, denn wir fahren mit prall gefüllten Essenstaschen los. Das wiegt.

Chimborazo

Kurz vorm Stadtende Ambatos biegen wir Richtung Osten auf die alte Straße rund um den Chimborazo ab. Diese ist zwar länger, als die neue Version, soll aber laut unserem Gastgeber Leonardo landschaftlich abwechslungsreicher und weniger befahren sein. Der Asphalt ist gut, wir rollen über hügeliges Gelände auf zunehmender Steigung hinauf. Es geht am Fluss entlang, dessen Seiten von Eukalyptusbäumen gerahmt werden. Birnen, Äpfel und Tomate de Árbol werden in den kühlen Hochlagen angebaut. Bienenkästen entdeckt Hardy auch.

Die Häuser sehen ärmlich aus. Sie sind aus Lehm in Verbindung mit Stöcken, Holzbrettern oder nackten Betonsteinen gebaut.

Ging es gestern auch mal bergab, geht es heute stetig bergauf. Auf die Dauer schlaucht das. Bereits um 11h machen wir eine Essenspause. “Ich bin völlig fertig.”, sagt Hardy. Wir nähern uns dem Ende der 3000 Meter, wir spüren die Höhe. Luft und Energie bleiben weg. Wir beneiden die unbepackten Wochenendradler, die wie Pfeile an uns vorzischen. Wir arbeiten uns weiter hinauf, dem Chimborazo entgegen, der sich immer noch nicht hat blicken lassen. Die Landschaft wird karg. Kaum Bäume oder Sträucher wachsen hier, nur Krautgewächse.

Beim einsetzenden Nieselregen wird uns ein langersehnter Wunsch erfüllt. Nicht weit entfernt der Piste grasen wilde Vicuñas! Die Tiere sind wesentlich kleiner und schmächtiger als ihre Gattungsgenossen, die wir bereits in Gefangenschaft gesehen haben.

Ab dem Abzweig nach Riobamba sind des nur noch 11km bis zum Eingang des Nationalparks Chimborazo. Wir sehen den Berg immer noch nicht. Es hat sich zugezogen, ist windig und kalt. Eine Regenfront ist im Anmarsch. Schnell schieben wir die Räder unter den einzigen Unterschlupf der sich weit und breit anbietet, eine alte, verlassene Ruine. Regen setzt ein. Wir warten und bauen heute tatsächlich mittags den Kocher auf, um uns einen heißen Tee zu kochen. Der tut in Kombination mit in paar Keksen richtig gut.

Uns fehlen “nur noch” 400 Höhenmeter bis zum Pass. Arschkalt ist es. Die Höhe ist zu spüren, wir kommen prustend fast nicht von der Stelle. Dazu regnet es wieder. Eiskalt prasseln die dicken Tropfen auf uns hinab. Rasant verwandeln sich diese in erbsengrosse Hagelkörner. Ich kann gar nicht so schnell die Plane über uns ausbreiten, schon sind wir durchnässt. Bestimmt eine halbe Stunde verbringen wir frierend und völlig durchnässt unter unserem Plastikdach. Es ist so nebelig, dass wir das nahe Steintor zum Eingang des Chimborazo Nationalparks nicht wahrnehmen. Erst als wir etwas weiter fahren, den höchsten Punkt überqueren (4400m), fällt es uns auf. Da sind wir nun angekommen, uns ist kalt. Den erhofften heißen Café gibt es nicht. Eigentlich gibt es hier gar nichts, bis auf ein paar ebenso frierende indígenas, die sehr teure Schals und Mützen aus Alpakawolle verkaufen. Ich denke, mit Heißgetränken würden sie bei weitem mehr Umsatz machen. Ein reger Betrieb fällt uns auf, vor allem sind hier Tagesausflügler, die ein Foto von sich vor dem mit tiefen Wolken verhangenem Berg schießen und dann wieder abfahren. Aber auch der Ausgangspunkt für Bergbesteigungen und Ausflüge zu den beiden Schutzhütten befindet sich hier.

Wir wechseln die nassen Klamotten und beschließen heute nicht mehr weiter zu fahren, auf der nassen Straße ist es zu gefährlich. Das sagen wir den freundlichen Rangern und bekommen angeboten in der Eingangshalle des sich im Rohbaus befindenden Museums unser Zelt aufzuschlagen. Es ist leicht wärmer, vor allem jedoch windstiller als draußen. Dennoch ziehen wir uns dick an, die Daunenjacken werden herausgeholt. Wir befinden uns auf 4350m, der höchste Schlafplatz der Reise. Wie sich die Höhe wohl heute Nacht auf unseren Schlafkomfort auswirken wird?

Als im Abendrot bereits die Kette vor die Einfahrt gelegt ist, Stille herrscht und alle Touristen gegangen sind, lukt der Vulkan ein bisschen aus der Wolkenwand hervor. Gewaltig schaut er aus.

Erstaunlicherweise hatten wir in der Nacht keine Probleme mit der Höhe. Inzwischen sind wir gut akklimatisiert. Ich habe zum ersten Mal seit Utah im geschlossenen Schlafsack geschlafen, während Hardy ihn immer noch wie eine Decke über sich ausgebreitet.


Morgens um 6h überzieht Raureif den Boden. Es ist frisch. Aber im Licht des hereinbrechenden Tages steht der Chimborazo mit seinen 6310m wolkenfrei da. Ein unglaublicher Anblick ist das.

Gemächlich machen wir uns auf den Weg hinunter nach Riobamba. Wir sind dick angezogen, den der Fahrtwind kühlt aus. Mit vielen Pausen ziehen sich die rund 40km ganz schön hin, aber es ist einfach zu schön hier um nur durch zu brettern! Die kühle Morgenluft, der wenige Verkehr und vor allem die Steinsschichten und Farben aber auch die Weite erinnern uns an unsere Zeit in Utah und Arizona.

Über 2000 Höhenmeter rollen wir hinab, die Vegetation verändert sich rasant. Schwups, sind wir schon wieder von saftigem Grün umgeben. Schicht für Schicht pellen wir uns aus den Klamotten. Kurze Hosen und Sonnencreme sind schon wieder angesagt.

Riobamba

Als erstes rollen wir über Kopfsteinpflaster auf den Platz in der geschäftigen Stadt. Der Verkehr wuselt an uns vorbei. Heiss ist es hier auf nur 2750 m. Palmen ragen in den blauen Himmel. Da kommen Maxime und sein Vater auf uns zu. Die beiden Kanadier hatten wir vor kurzem in der casa de ciclistas in Ambato kennengelernt. Morgen wollen sie weiter. Da Maxime im Herbst in Kanada anfangen will zu studieren, stehen sie ziemlich unter Zeitdruck. Cuzco und Machu Picchu haben sie sich als Endziel festgesetzt. Beneiden tun wir sie nicht. Wenigstens für einen gemeinsamen Kaffee haben sie noch Zeit.

Riobamba ist weder besonders schön, noch besonders hässlich. Es gibt einige Parks anzusehen, viele kleine Läden säumen die belebten Straßen. Hier beginnt die berühmte Zugfahrt zur Teufelsnase, in der in vielen Queren den steilen Berg hinaufgefahren wird. Wir sparen uns dieses touristische, aber bestimmt auch interessante Ereignis und machen uns auf den Weg nach Guamote.

Über eine ruhige, hügelige Hinterlandstraße brauchen wir für die 50km recht lange. Die stressige Panamericana umfahren wo es nur geht, heißt die Devise. Landwirtschaftliche Nutzflächen umgeben uns, das Klima ist mild. Bohnen, Mais, Getreide, Lauch, Kohl, Salat und Erdbeeren werden angebaut. Große Gewächshäuser sind mit Planen überspannt. Auf Ladeflächen von Pick Ups werden Mähmaschinen umhergefahren. Es scheint gerade Erntesaison zu sein.

An einem schönen Flüsslein entlang folgen wir schwitzend einer steilen Schotterpiste. Bald entpuppt sie sich jedoch als sich im Bau befindend. Auf einer Baustelle zu radeln ist wirklich nicht das Feinste. Diese ist 11km lang. Mit Obacht kurven wir um Bagger herum und fahren an großen Lastern vorbei, die mit abgetragenen Sand und Geröll beladen sind. Schön voll gestaubt werden wir dabei. Es will und will kein Ende nehmen.

Markt in Guamote

Am späten Nachmittag sind wir endlich im kleinen Ort Guamote angekommen. Die Hotelsuche stellt sich als langwierig heraus, denn ich finde einfach keines. Da tauchen zwei andere Touristen auf, ich kralle sie mir und frage sie, wo sie eingekehrt sind. Das französisch-brasilianische Paar führt mich zum Kulturzentrum Inti Sisa (Sonnenblume), welches auch ein Hotel beherbergt, das gerade umgebaut wird.

Das Inti Sisa ist eine nonprofit Organisation, die im Ort sowie in den umliegenden Gemeinden arbeitet. Neben Hausaufgabenhilfe werden Spanisch-, Englisch-, Computer-, Näh- und Schwimmkurse angeboten. Für 25 Kinder gibt es einen Kindergarten.

Der Aufenthaltsraum ist noch von Bauplanen zugehangen, aber oben gibt es ein Zimmer mit sehr komfortabler Dusche für uns. Richtige Bettwäsche und eine liebevolle Einrichtung erfreut besonders mich. Auch gibt es Lampenschirme! Die nicht vorhandene Lampenschirmkultur ist für uns zu einem runing gag geworden, denn auch in den tollsten Häusern wird darauf keinen Wert gelegt. Die nackten Sparglühbirnen hängen an einem Kabel von der Decke.

Heute ist Markttag in Guamote und deshalb sind wir hier. Indígenas aus der weiten Umgebung strömen in überfüllten Bussen, zu Fuß oder auf der Ladefläche von Kleinlastern in den aus allen Nähten überquellenden Ort. Die plaza, gestern noch verschlafen leer, ist heute knacke voll. Ein Durchkommen fast unmöglich.

Wir wollen frühstücken und kaufen ein paar empanadas (frittierte Teigfladen mit einem Hauch von Käse). Ich trinke eine heiße Reismilch und Hardy probiert eine schleimige, aber wohl sehr gesunde Flüssigkeit namens bebida de salvia (Aloe-Vera-Getränk) aus. Im Gegensatz zu seinem Trunk schmeckt mein flüssiger Milchreis richtig gut.

Der Markt füllt sich. Eindrücke und Gerüche jeglicher Art prasseln auf uns ein. Vor allem kaufen und verkaufen hier indígenas in verschiedensten Trachten, Touristen sind nur sehr wenige auszumachen. Die Waren werden in Ständen, Bauchläden oder auf dem Boden liegend angeboten. Durch die schmalen Gänge wird geschoben und gedrückt, laut wird die Ware angepriesen. Es gibt Gemüse und Obst, neben gesalzenen Fischen und Haushaltsartikeln. In der nächsten Sektion befinden sich Gummistiefel und Schuhe auf Tischen, dann Anziehsachen und Socken. Hardy greift bei warmen Socken aus Alpakawolle zu. Bei den knatschbunt gekleideten Frauen mit ihren langen, schwarzen Zöpfen und den Filzmelonen auf dem Kopf, in ihren knielangen, weit abstehenden Röcken erfreuen sich ganz bestimmte bunte, dicke Socken großer Beliebtheit. In fetten Lettern ist auf ihnen USA zu lesen. Ein sehr komisches Bild gibt das ab.

Etwas abseits befindet sich der Viehmarkt. Schweine, Schafe, Hühner, Kühe und Vicuñas sind auf verschiedenen Flächen voneinander getrennt und werden separat verkauft. Da möchte ich kein Tier sein. Denn diese werden brutal und unbarmherzig an Stricken missmutig rufend und sich widerstrebend hinter sich her gezogen, vorangeschoben oder einfach getragen. Potentielle Kunden legen Schafe mit einem flinken Griff auf den Rücken, um an der Brust zu fühlen, ob diese auch gut genährt sind. Dann wird lautstark verhandelt und oft gestritten, bis ein Preis ausgemacht ist. Ein enges Gewirr ist das mit einem unheimlichen Lautstärkepegel.

Am Rand der Verkaufsflächen sind kleine Stände aufgebaut, auf denen Frauen eine Spezialität verkaufen, chancho horneado. Das auf dem Ofen gegart Schwein finde ich nicht besonders appetitlich. Entweder liegt ein ganzes, plattes Schwein köcheln auf dem Blech oder ein Haufen Schweinefleisch, samt Innereien und den Gliedmaßen sowie Kopf daneben. Die Verkäuferin greift beherzt mit der nackten Hand in den Hinterkopf und kramt alles an verwertbarem Fleisch heraus. Und das ist hier fast alles. Dann wird ein Ohr abgeschnitten und auch da Fleisch heraus geholt und mit dem Rest vermixt. Es folgen die kleinen Beine.

Wir gehen lieber woanders Mittag essen. Danach stürzen auch wir uns in den Kaufrausch, denn Vorräte für unsere anstehende Wanderung auf dem Camino del Inca wollen gekauft werden.

Als sich die Straßen am späten Nachmittag leeren, bzw. sich die abfahrenden Busse füllen, erleben wir etwas für uns neues. Da werden doch wirklich die gekauften, blökenden Schafe auf das Dach des Busses gehoben und festgebunden, um da oben mitzufahren.

Camino del Inca

Unsere Räder im Hotel Inti Sisa lassend, machen wir uns am nächsten Tag um 5 h morgens mit schweren Rucksäcken voller Proviant auf den Weg. An der Kreuzung zur Panamericana warten wir auf eine Bus nach Alausí. Der kommt auch recht flink. Dort steigen wir auf die Ladefläche eines Kleinlasters um, der uns in zugiger und sehr holpriger Fahrt ins sehr verschlafene Achapullas bringt.

Hier ist so früh morgens der Hund begraben. Vor der Kirche essen wir unser Frühstück und beobachten sehr alte, wackelige Leute, die für die anstehende Osterprozession ihre kleinen Heiligenfiguren aus den Häusern tragen, um sie auf Tischen mit weißten Decken zu drapieren. Dann wird ein Kabel und eine Glühbirne geholt, um jene zu beleuchten.

Auf Schotterwegen, an alten Häusern vorbei beginnt unsere Wanderung auf dem alten Inca trail, ein noch erhaltener Abschnitt des Weges, der einst Cuzco mit Quito verband. Ein unscheinbarer Pfad biegt nach links ab, wir fragen lieber 2x nach, ob wir hier auch richtig sind und bekommen dies von Schäferinnen bejaht.

Wir folgen erst auf Matsch, dann auf steinernen Pfaden, welche von Gras überwuchert werden, dem Fluss. Manchmal sind die alten Steinreihen, die Umrandungen der Wege der Incas noch zu erkennen. Zwei Jungs wollen in einer uns unangenehmen Erwartungshaltung regalos oder caramelos haben (Geschenke oder Bonbons). Wir hatten schon gelesen, dass manche Reisende Süßigkeiten verteilen, bedienen diese Erwartungen aber nicht.

Von einem netten Reiter hören wir, dass die alte Brücke vor wenigen Tagen aufgrund des vielen Regens eingestürzt ist. Die Reste sind noch auszumachen. Ein wenig oberhalb finden wir Steine, um den sprudelnden Bach zu queren. Dann geht’s es bergauf, hoch zu einem begangenen Pfad. Drei junge Männer kommen uns mit einem wilden, rennenden, an Stricken zerrenden Stier entgegen. Sie rufen uns zu, wir sollen vom Weg runter gehen. Und das machen wir auch lieber. Schnell saust das Vieh an uns vorbei, die Männer rennen hinterdrein.

Dann ist es wieder still und einsam. Noch hält sich das Wetter, aber wir sehen eine Wolkenfront nahen. Krautgewächse gibt es hier, bunte Blumen und Büschelgras. Bald kommen wir an den Ruinen Cuchicorral an. Man kann rechteckige Steinreihen erkennen. Nun fängt es an zu regnen. Wir machen uns wieder auf die Socken. Da sehen wir drei andere junge Wanderer nahen, es sind deutsche, die in Ecuador als Freiwillige arbeiten. Und wir dachten, wir wären hier in der Regenzeit allein unterwegs…

Im kalten Nieselregen stapfen wir auf sehr schlammigen Wegen den Hang hinauf. Meine Hose sieht bald aus wie Sau. Wir versuchen von Büschelgras zum nächsten Büschel zu steigen, denn drum herum schwimmt die Wiese. Dennoch halten unserer Wanderschuhe nicht mehr lange durch. Kühle, nasse Füße sind die Folge. Wir sind Lasten auf dem Rücken nicht gewohnt und empfinden die schweren Rucksäcke und das Wandern in dieser Höhe als anstrengend. Ich muss immer wieder anhalten, um zu verschnaufen.

Gegen 16h erreichen wir endlich unseren heutigen angepeilten Schlafplatz an der Laguna de Tres Cruces auf 3265 Metern Hoehe. Neben einem gurgelnden Rinnsal bauen wir schnell im immer noch anhaltenden Regen das Zelt auf. Dann wird sich umgezogen und in den Schlafsäcken aufgewärmt. Kochen tun wir vom Vorzelt aus, draußen bleibt es kalt, aber kurz lukt die Sonne hervor.

Ein Bauer stapft grüssend mit seiner Kuh vorbei. Der Vollmond scheint. Um 19h dösen wir bereits ein. Wir sind fertig.

Am folgenden Morgen geht es weiter bergauf, bis wir einen schmalen Grad erreichen. Es windet stark. Der Erdboden ist ockerfarben bis rötlich. Felsbrocken liegen herum. Der Ausblick ist grandios.

Wir folgen dem Grad eine halbe Stunde, bis wir ins nächste Tal hinabsteigen. Dem Flusslauf müssen wir zum See folgen. Ein matschiger, schmaler, sich tief in den Abhang gefressene Pfad windet sich dahin. Wieder sind die Füße nass.

Unten angekommen, auf einer großen Grass, Huckel- und Buckelebene, müssen wir zwei Flüsse kreuzen. Beim größeren fehlt einmal wieder die Brücke. Hardy nimmt Anlauf und ist in einem Schwung drüber. Mir ist das zu breit. Auf Hardys Aufforderung hin, werfe ich ihm meinen Rucksack herüber. Ich hätte besser auf mein Gefühl hören und dies nicht tun sollen. Wie ein schlaffer Mehlsack landet dieser im Wasser und schwimmt. Hardy stapft hinter her. Dank des wasserdichten Sackes im Inneren sind schlimme Folgen ausgeschlossen, Hardys Stiefel sind jedoch durchnässt, seine Laune im Keller. Tut mir wahnsinnig leid. Ich ziehe die Schuhe aus und wate durch den Bach, hätte ich gleich tun sollen…

Zum Glück dauert es nur noch eine Stunde bis zu den Ruinas de Paredones. Hier sind Überreste eines Hauses wirklich noch zu erkennen. Die anderen Wanderer haben bereits im Innern geschützt ihr Zelt aufgebaut, bekommen dann aber noch Besuch von einer lauten Großfamilie. Wir packen uns etwas Abseits hin. Verstreute Inca-Steine umgeben uns. Die Sonne lässt sich blicken, so dass wir die Sachen trocknen können.

Auch am letzten Tag unserer Wanderung brechen wir bei bedecktem Himmel auf. Nachdem wir eine weitere Lagune passiert haben, wandern wir durch ein tiefes Becken. Das Wasser steht, unter unseren Füssen entstehen Schmatzgeräusche. Die heutigen zwei Flussüberquerungen verlaufen glimpflich und bald erreichen wir das Dorf San José. Auch hier sagen die Kinder: „Gib mir ein Bonbon!“

Zwei Stunden auf langweiliger Schotterstraße folgen. Die Sonnen brät uns, als wir den Schlusspunkt, Inca Pirca erreichen.

Hier befinden sich die größten und bedeutendsten Ruinen Ecuadors, die jedoch recht beschaulich sind. Während unseres Besuches schließen wir uns einer Gruppe älterer Deutscher an, um den Erklärungen ihres guides zu lauschen. Dabei können wir live und in Farbe mitansehen woher die Bonbon-Erwartungshaltung der Kinder herrührt. Ein kleines, süss aussehendes Mädchen steht mit einer Sense in der Hand neben ihrer Mutter im Grass. Sie wird wahnsinnig aufdringlich abfotografiert, dabei werden Späße auf deutsch mit ihr gemacht. Dann bekommt die Kleine alles mögliche an Süßigkeiten zugesteckt, von Gummibärchen über Fisherman’s Friends. Bei letzteren wird die kleine wohl in die Luft gehen. An dieser Stelle müssen wir uns ein Wenig fremdschämen und aufpassen, das uns kein Kommentar herausrutscht.

Per Bus fahren wir ins nahe Tambo und warten dort an der Panamericana lange auf den nächsten. Sie sind alle knacke voll, denn nach Ostern fahren alle Leute wieder nach Hause. Lange hält kein Bus an. Als wir schon aufgeben und unsere Weiterfahrt auf Morgen verschieben wollen, haben wir doch noch Glück, es gibt sogar zwei freie Sitzplätze. Müde und schmutzig fahren wir im warmen, überfüllten Bus nach Guamote zu den Fahrrädern zurück. Endlich, spät abends versinken wir geduscht im warmen, weichen Bett.

Die Fotos von Ambato bis nach Guamote findet ihr separat von den Bildern zum Inka-Trail in der Galerie.

Posted in Ecuador

In Schlängellinien von Quito nach Ambato (Ecuador/ März 2013)

Bei Santiago und seiner netten Familie verbringen wir in Tumbaco nach dem Besuch der Galápagos Inseln ein paar geruhsame Tage. Natürlich müssen wir von unserem Kurzurlaub und all den Begegnungen mit den Tieren berichten.

Wir bringen die Bikes auf Vordermann und organisieren uns. Hardy putzt emsig, angesteckt von Santiagos Arbeitsweise in seinem Bikeshop, sein Fahrrad, bis es überall glänzt. Ich spare mir das. Wird ja eh wieder dreckig.

An einem Samstagmorgen kann Hardy einem befreundeten Imkers Santiagos bei seiner Arbeit zusehen. Kopfschüttelnd kommt er zurück. Ach wenn er nur Zeit hätte und keine Allergie, man könnte den hiesigen Imkern soviel beibringen und dabei selbst viel über die Arbeitsweise mit den Bienen in den Tropen lernen.

Sightseen in Quito

Im Instituto Geografico Militar in der Neustadt Quitos erstehen wir topografische Karten für kommende Wanderungen. In der Casa de Cultura besuchen wir eine tolle Ausstellung über vergangene Kulturen des Landes und bewundern die gut erhaltenen, sehr filigranen, wunderschönen Keramiken. Wenn ich das sehe, juckt es mich sehnsüchtig in den Fingern.

Hardy freut sich wie ein kleiner Junge, als er sich sein langersehntes neues Spielzeug kauft: einen Höhenmesser. Kichernd und mit seinem breitesten Grinsen holt er ihn von nun an immerzu hervor und verkündet stolz auf welcher Höhe wir uns gerade befinden und wie viel Grad Celsius es ist. Leider funktioniert die Wetterprognose nicht so prächtig, denn sie zeigt beständigen Sonnenschein an, auch wenn wir miesestes Regenwetter haben.

Auch schaffen wir es endlich uns die Altstadt der 2,5 Millionen Metropole anzusehen. Leider ist es kühl und regnerisch an diesem Tag. Dennoch besteigen wir den steilen Turm der Basilika del Voto Nacional. Von dort haben wir einen guten Überblick über die sich großflächig ausbreitende Stadt. Wir laufen fröstelnd durch die kolonialen Gassen und lassen uns bei einer Führung die prunkvolle Kirchenkunst des großen, alten Franziskaner Klosters Monasterio de San Fancisco erläutern. In der berühmten Escuela Quiteña spielt vor allem die Erleuchtung aber auch schwere Symbolik eine große Rolle. Hardys Interesse weckt eine besonders blutige Jesusfigur, natürlich an einem Kreuz hängend. Hinter den Rippen klafft dort ein Loch. Schaltet der guide das Licht in der Vitrine an und wackelt an dieser, kann ein sich bewegendes, „schlagendes“ Herz im Inneren Jesus beobachtet werden.

Die casa de ciclistas ist gut besucht. Immer wieder kehren Radler ein. James und Sarah aus England sind im hohen Norden zu einer ähnlichen Zeit gestartet wie wir. Und dann rollen rasend Glen und Ali ein. Nun ist es soweit, wir haben ja schon damit gerechnet, dass es irgendwann passieren würde, dennoch trifft es uns unvorbereitet. Das kanadische Radlerpaar ist ein Jahr nach uns in Anchorage gestartet. Wir sind Tatsache von der nächsten Generation überholt worden.

An einem gemütlichen Sonntagnachmittag, nachdem Santiagos Familie sowie einige Freunde geschafft von ihrer Fahrradtour heimgekehrt sind, lassen wir unsere gemeinsame Zeit bei einem Bierchen und Radlergeschichten ausklingen. Denn morgen früh werden wir uns verabschieden, um endlich wieder loszurollen.

Nationalpark Cotopaxi

Endlich sind wir wieder on tour! Wir freuen uns sehr. Durch den Cotopaxi Nationalpark haben uns gleich zu Beginn eine anstrengende Route ausgesucht. Zunächst einmal müssen wir hinkommen. Auf unseren so heiß geliebten Kopfsteinpflaster ab Sangolqui, welches hier aus großen Steinen mit noch größeren Rillen dazwischen besteht, geht es kilometerlang steil bergauf direkt von Norden auf den Vulkan zu. Wir bewegen uns im Schneckentempo. Schiebeeinlagen folgen.

Am Nachmittag zieht es sich zu, Wind kommt auf. Den nahenden Regen können wir bereits fühlen. Im Miniort Rumipamba fragen wir in einem kleinen Laden nach einer Möglichkeit unser Zelt irgendwo aufzubauen. Nach längerem Beratschlagen bringt uns die nette Familie zwei Ecken weiter auf ihre Kuhwiese, auf der gleichzeitig auch das Versammlungshaus der Gemeinde platziert ist. Prima, wir haben einen tollen Ausblick und noch lange fröhliche Unterhaltungen mit den Vieren.

Am folgenden Tag zeigt sich in der Morgensonne das verschneite Haupt des majestätisch aussehenden Cotopaxis in der Ferne. Uns zieht es wie magisch an, wir machen los. Am Mittag haben wir nach mühsamer Arbeit endlich das Kopfsteinpflaster hinter uns gelassen. Es folgt eine sandige Schotterpiste. Das ist allemal besser. Wir legen an Höhe zu und verlassen Felder und Wald. Auf der eine baumlosen, kargen Hochebene weht ein kühler Wind. Weite umgibt uns. Neben dem Cotopaxi sehen wir den Pasocha (4200m), Sincholagua (4893m) und den Rumiñahui (4712m) in dem Himmel ragen. Mit seinen 5897m und seiner fantastischen Kegelform übertrifft der Cotopaxi bei weitem alle.

Mittags haben wir es geschafft. Angekommen am nördlichen Eingang des Nationalparks sind wir jedoch etwas irritiert. Der wortkarge und unwissende Ranger kann uns Null Auskunft über Wanderwege geben. Es gibt noch nicht einmal eine Karte. Wasser müssen wir am nahen Bach auffüllen. Zur Sicherheit machen wir alle Flaschen voll.

Eine Herde wilder Pferde mit sehr langen Mähnen läuft vor davon, als wir uns mühsam durch die sandige Piste voran arbeiten. Auf diesem weichen Untergrund kommen wir in Schlängellinien nur langsam voran. Es ist anstrengend. Immer wieder bricht das Rad aus. Zudem spüren wir die Höhe. Uns bleibt nun auf fast 4000m die Luft weg.

Der Cotopaxi steht wolkenverhangen wegweisend schräg links vor uns. Manchmal lichten sich die Fetzen und wir können felsige Berghänge erblicken. Ein Gewitter tut sich auf, es stürmt bereits. Wir sind fertig, haben keine Lust mehr auf diese Schinderei. Der offizielle Campingplatz soll sich in 5-10km befinden. Das ist zu weit. Klammheimlich wählen wir einen Nebenpfad und bauen unser Zelt lieber versteckt genau gegenüber des gigantischen Berges auf. Heute schlafen wir auf 3842m – ein Rekord mit Zelt und Bike. Ein wahnsinniger Platz ist das! Schnell wird es mit Einbruch der Dunkelheit bitterkalt. Die Daunenjacken müssen her. Wir wissen in diesem Moment den Luxus unseres heißen Tees des surrenden Kochers besonders zu schätzen. Die Wolken reißen auf, wir haben einen Blick auf den Gipfel. Wahnsinn! Das Gewitter zieht vorbei, der Wind lässt nach. Die Sturmleinen am Zelt haben wir umsonst aufgespannt.

Mit einem sanftem Licht beginnt der neue Tag. Morgens um 6 Uhr ist der Gipfel völlig wolkenfrei. Der funkelnde, strahlend weiße Schnee vor blauem Himmel tut in den Augen weh. Man ist das schön!

Mit dem Besuch der Lagune (wohl eher einem Tümpel) radeln wir dem Ende des Nationalparks entgegen. Der Sand geht in Schotter und dann in funkelnagelneuen Asphalt mit Fahrradspur über. Wir sausen wie schon lange nicht mehr hinab nach Lasso.

Besteigung des Iliniza Norte

Nachmittags arbeiten wir uns im Regen auf der ungewohnt stark befahrenen Panamericana kurz nach Norden. Auf dem Seitenstreifen fühlen wir uns nach den kleinen Wegen nicht wohl und wollen so bald es geht wieder von der Schnellstraße abbiegen und diese so wenig wie möglich nutzen.

Um den nahen Berg Iliniza Norte zu besteigen, wollen wir den kleinen Ort Chaupi als Basispunkt nehmen. Nachdem wir durchnässt auf Schotter- und Lehmpisten dahin geschlittert sind, landen wir im netten, familiären Hotel La Lluvizna. Entgegen unserer sonstigen Art zu reisen, buchen wir ein Paket bestehend aus Übernachtung, Verpflegung, Equipment und guide. Ein neues Gesetz in Ecuador verlangt, dass alle Wanderungen über 5000 Meter Höhe nur mit Führer begangen werden dürfen. Erst vor fünf Monaten starb hier eine Wanderin, die sich allein aufmachte und in Nebelschwaden in den Abgrund geriet. Zudem habe ich Null Klettererfahrung. Wir haben gehört, das bei unserem Unterfangen der Fels des öfteren angefasst werden muss. Sicher ist sicher.

Wir lernen Jaime, unseren guide kennen und auch Jeff, einen jungen Amerikaner, mit dem wir Morgen früh zusammen wandern werden. Es werden Sitzgurte und Helme ausgesucht. Jaime wird ein Seil mitbringen sowie die Lunchbox für jeden.

Früh am Morgen um 4 Uhr soll es losgehen. Zu Jaimes großer Freude bestehen wir darauf eine Stunde früher als normalerweise loszugehen, denn wir wollen auf dem Gipfel nicht bei dichtesten Wolken ankommen.

Es ist feucht kalt und stockdunkel, als wir auf einer halbstündigen Fahrt bis hoch auf 3900 Meter zum Parkplatz gebracht werden. Am liebsten würde ich im warmen kuscheligen Auto bleiben und nicht auf dem Berg steigen. Auf was habe ich mich da bloß eingelassen? Und warum besteigt man eigentlich Berge? Diese Gedanken kreisen mir durch den Kopf, während wir im Gänsemarsch hinter unseren guide im Schein der Kopflampen her marschieren. Im Nachhinein erfahre ich, dass es sowohl Hardy, als auch Jeff in dieser ersten Stunde nicht gut ging. Sie schnauften ganz schön mit der Höhe kämpfend und fragten sich, warum sie nicht im warmen Hotelbett geblieben wären…

Die Morgen-Dämmerung bricht herein, schemenhaft werden Umrisse von Pflanzen und Felsen sichtbar. Nach jedem begangenen Kilometer hält Jaime an und fragt uns wie wir mit der Höhe klarkommen. Es ist alles in Ordnung. Er hält uns an viel zu trinken.

Nach bereits zwei Stunden Wanderung treffen wir um 6:30h beim Refugio auf 4700m ein. Es ist eine kleine Hütte mit Klo und Kochnische, in der etwa zwölf Betten stehen. In Schlafsäcken eingemummelt liegen da noch einige Kletterer rum. Jaime bereitet uns einen warmen Tee zu und wir essen Kekse.

In den folgenden zwei Stunden bis zum Gipfel geht es richtig los. Es ist kalt und zugig, dennoch ziehen wir die Handschuhe aus, Sitzgurte und Helme an, denn nun steigen wir über Felsen und schmale Grade und müssen uns am eisigen Fels festhalten und hochziehen. Beim Überqueren des Paso del Muerto geht es zu beiden Seiten steil bergab. Er ist mit Fixseilen gesichert. Teilweise geht es ganz schön abenteuerlich zu. Die Sicht klärt auf. Wir können den schneebedeckten Nachbargipfel des Iliniza Sur bestaunen. Dieser ist etwas höher als der unsrige und ist mit einem Gletscher und Schnee bedeckt und technisch anspruchsvoll zu begehen. In der Ferne sehen wir die Gipfel von Cotopaxi, Corazón und Chimborazo aufragen. Die Aussichten hier oben sind gewaltig und unbeschreiblich. Wild ziehen sich dünne Wolkenfetzen am kargen Fels und Schotterwänden entlang. Die Stimmung ist atemberaubend.

Langsam, mit einigen Pausen setzen wir unseren beschwerlichen Weg fort. Noch eine Stunde trennt uns vom Gipfel. Ich merke die Höhe und bekomme leichte Kopfschmerzen im Hinterkopf. Den anderen geht es gut. An einer steilen und bröckelnden Wand bedeutet Jaime uns anzuseilen. Er und Jeff gehen voran. Jetzt macht sich meine absolute Kletterunerfahrenheit bemerkbar. Ich bin langsam, unsicher und habe Mühe den beiden hinterher zu kommen. Es ist mehr, als nur den Fels anfassen, richtiges Klettern. Trotz unserer Recherchen haben wir diese Stufe nicht erwartet. Nach sächsischen Klettermaßstäben entspräche dies etwa einer 3, sagt Hardy. Zum Glück habe ich gar keine Zeit mir Gedanken zu machen oder Angst zu bekommen, so sehr muss ich mich konzentrieren über meine nächsten Handgriffe und Schritte. Zum Glück Hilft mir Hardy mit seiner Erfahrung. Der Berg bröckelt. Viele Steine sind lose.

Endlich erreichen wir um 9h dann den Gipfel mitsamt seinem Gipfelkreuz auf 5126m. Geschafft! Mein Kopf pocht, ich bin froh zu sitzen, und eine Pause zu machen. Ist ganz schön hoch und steil hier oben. Krasse Ausblicke! Leider sitzen wir in den Wolken. Nur manchmal öffnen sich Sichtfenster.

Zur Freude es geschafft zu haben gesellt sich nun die Angst, ich frage mich, wie ich hier denn nu‘ wieder runter kommen soll. Hardy beruhigt mich, er wird beim Abstieg dicht vor mir gehen.

Langsam und vorsichtig seilen wir uns ab. An einer Stelle warnt Hardy, dass alle Steine locker seien. Er wählt einen anderen Weg. Jaime, der Depp, turnt fröhlich darauf herum. Die Steine kommen ins rutschen und rollen krachen den Hang hinunter. Nun bedeutet uns unser guide uns zu entsichern und zur Seite zu gehen. Er will den Hang „aufräumen“, damit nicht nachfolgende Wanderer hier wegrutschen. Das ist ja nett, jedoch kann er sich nicht ganz sicher sein, ob uns andere Menschen von unten folgen. Denn unter uns verläuft die Route, auf der wir aufgestiegen sind. Viele große und kleine Steine kullern mit viel Kraft den Hang hinab. Hardy und ich schauen uns nur an.

Dann geht es ungesichert weiter, auf rutschendem Untergrund im Zickzack nach unten. Ich falle ein paar Mal hin, es ist in den Knien so anstrengend und meine Kräfte lassen nach. Ich plumpse manchmal wie ein Sack auf den Boden.

Endlich ist es nicht mehr so steil. Bizarr aussehende Pflanzen gesellen sich dem steinigen Untergrund hinzu. Es ist wunderschön. Agaven wachsen neben bunten Blumen im hohen Gras. Leider fängt es an zu regnen. Durchnässt stapfen wir zum Parkplatz und sind froh heute Morgen eine Stunde früher aufgebrochen zu sein. Unser Fahrer wartet bereits und um 11h haben wir es geschafft und steigen ins warme Auto. Inzwischen habe ich wahnsinnige Kopfschmerzen. Mir ist schlecht. Es wird Zeit nach unten zu kommen.

Den Nachmittag lassen wir gemeinsam mit Jeff ausklingen. Wir sind fertig und glücklich unsere erste gemeinsame Bergbesteigung geschafft zu haben.

Quilotoa Loop

Und weil’s so schön ist, streben wir am nächsten Morgen sogleich den nächsten Schmankerl an. Auf Kopfsteinpflaster, Sandpfaden und Waldwegen, die zwar auf unserer Karte eingezeichnet sind, aber so nicht in der Wirklichkeit existieren peilen wir die Richtung des Ortes Toacazo an. Für schlappe 30km benötigen wir heute fast vier Stunden. Dabei wird des öfteren bei Bauern nach dem Weg gefragt und verfahren tun wir uns auch mal. Leider hat ein Großgrundbesitzer einen Weg, der sein Grundstück kreuzt mit zwei recht gut gebauten Gattern versperrt. Wir müssen da aber lang, denken wir uns und zwirbel die Holz-Stachel-Drahtkonstruktion behutsam auf, wuchten die Räder dreist hindurch und schließen sie anschließen wieder. Hoffentlich kommt jetzt niemand vorbei. Die Daumen gedrückt kreuzen wir im Sand versinkend die schöne Hochebene. Es geht alles gut.

Der Sand wird zu einem erdigen Weg, der auch von alten, runzeligen Schäferinnen genutzt wird, die ihre Herden bergab treiben. Am Nachmittag, endlich, erreichen wir auch das Örtchen Toacazo. Es sieht stark nach Regen aus. Nach einigem Fragen landen wir bei Marina, unter dem Vordach der Begegnungsstätte Casa de Simón. Wir werden hereingebeten und bekommen eine Führung des gewaltigen, riesigen Holzhauses und dürfen später auf der Terrasse zelten.

Die folgenden 50km bis nach Sigchos sind netterweise fast vollkommen asphaltiert. Trotz endlosen auf und ab geht es bedeutend schneller voran als gestern. An Kühen, Schafen und vielen Feldern fahren wir vorbei. Hier ist die Kartoffelanbauregion. Die Pflanzen blühen gerade. Wir nehmen uns den Nachmittag frei, stellen alles in einem Hotelzimmer ab und bummeln durch den Bergort. Die Leute sind nett hier. Sie haben lustige rote Wangen. Das kommt von der Höhe, bzw. den vielen roten Blutkörperchen, die diese erzeugen lässt und dem ständigen Ausgesetztsein dieser exponierten Stelle in der Witterung.

Im urigen Örtchen Chugchilán will ich bereits Schluss machen, ich habe keine Lust mehr und der Mittagsnebel zieht schon wieder auf. Hier ist viel los. Auf der Dorfstraße wimmelt es von Menschen und Hunden. Busse schlängeln sich hupend durch die Menge. Die Frauen, auf dem Kopf einen dunklen Filzhut, haben schwarze Röcke an. Farblich passt ihre Strumpfhose zur Strickjacke oder dem Wickeltuch auf dem Rücken, indem meist ein Baby getragen wird. Auch sehr junge Mädels haben bereits Kinder. Sie grüßen und fragen wo wir hinfahren.

Nach einer Pause setzt sich Hardy durch und wir rocken weiter. Natürlich bergauf. Die Lehmpiste bekommt Pfützen, es regnet los. Immer wieder stellen wir uns unter Hauseingängen oder Bäumen unter, radeln ein Stück und machen wieder Pause. Nebel kommt auf, wir sehen fast nichts mehr. Kühl ist es, aber wir fahren in Kurzehnhosen, denn es ist sauanstrengend und wir schwitzen. Das Tolle ist, das bei diesem Klima der Duft der sich uns umgebenen Eukalyptusbäume so richtig intensiv ausbreitet. Ein Jeep kommt vorbei, auf der Ladefläche unter der Plane in dicken Klamotten gemummelt sitzen zwei Franzosen. Die sagen: „Oh my Good“, als sie uns erblicken und wünschen uns „bon voyage!“

Eigentlich wollten wir es heute bis nach Quilotoa schaffen, aber 10km davor sind wir fix und alle. In Vorbereitung auf’s Asphaltieren der Straße wurde grober, sich unter den Rädern wegbewegender Schotter auf der steilen Piste aufgetragen. Wir schieben mal wieder. In einem Ort, bestehend aus fünf Häusern fragen wir nach Wasser und einer Schlafmöglichkeit. Vom freundlichen Ladenbesitzer bekommen wir die Küche des Kindergartens angeboten. Hier hatte er vor Wochen bereits einen anderen Fahrradfahrer einquartiert. Super, es ist trocken und windstill. Sein 10-jähriger Sohn steht lange stumm neben uns. Hardy zeigt ihm unsere Räder und die Länder auf der Weltkugel. Dann zeigt uns der Junge etwas. Er holt doch tatsächlich einen kleinen Vogel aus seiner Jackentasche. Nun sind wir überrascht. Das mit den Flügeln gestutzte Tier ist sein Maskottchen, dass er überall mit hinnimmt. Nur nicht in die Schule, dann wartet der Vogel in einer Schachtel. Auf die Frage wie denn das Tier heiße, antwortet der wortkarge Junge: „Vogel“. Später überlegen wir, wie wir unseren permanenten Gast wieder loswerden könnten. Auf Anspielungen, das wir müde seien, reagiert er nicht. Dann gehen wir einfach mit ihm vor die Tür und sagen: „tschüss bis morgen“, das hilft. Andere Kinder haben inzwischen Wind von uns bekommen, aber wir wollen kochen und allein sein. Eine Weile lassen wir sie durchs dreckige Fenster hineinschauen, als es uns zu bunt wird, hängt wir Hardy Jacke davor. Irgendwann bei Einbruch der Dunkelheit trollen sie sich von dannen.

Dachte ich gestern schlimmer geht der Straßenbelag nicht, lag ich wohl falsch, denn schlimmer geht es immer. Heute haben wir mal Erde, die sich nach dem Regen in klebrigen Schlamm verwandelt hat unter uns. Viel Kraft muss angewendet werden, um im kleinsten Gang überhaupt vorwärts zu kommen. Permanent begleiten uns große Lastwagen, die auf der Straßenbaustelle Erde hin und her transportieren. Überholen sie uns in der Enge, fahren wir lieber an den Rand und halten an. In den Kurven ist von deren dicken Rädern die Erde völlig aufgeraut und locker. Schieben ist notwendig. Wir brauchen 2 ½ Stunden bis ins zehn Kilometer entfernte Quilotoa.

Der touristische, sehr heruntergekommene Ort an der gleichnamigen Lagune macht im frühen Nebel und in dieser Affenkälte einen sehr trostlosen Eindruck. Wir sind auf 3800 Metern. Auf dem gepflasterten Platz trinken wir einen heißen Kaffee und ziehen uns wärmer an. Dabei beobachten wir zwei junge Frauen, die in schwarzen Stöckelschuhen, weißen Strumpfhosen, knielangen schwarzen Röcken, dünnem Pullover und Tuch mit Baby auf dem Rücken den selbigen fegen. Man, die müssen doch auch frieren, denken wir uns.

Lang längerer Hotelrecherche meinerseits in den verschiedenen kalten, trostlosen Löchern, in denen für diesen Nicht-Komfort horrende Preise verlangt werden, landen wir schließlich nach guter Verhandlungstaktik im besten Hotel des Ortes (8$ pro Nase). Den großen Saal heizen zwei gusseiserne Kamine, auf denen ein großer Kessel mit heißem Wasser für Tee oder Café warm gemacht wird. In unserem wirklich großen Zimmer gibt es zwei Betten mit lustig gefalteten Handtuchblumen und weißer, richtiger, dicker Bettwäsche. Zur Krönung hat jedes Zimmer seinen eigenen Kamin mit Holzscheiten nebenbei. Den machen wir später an. Es lebe der Luxus (ab und an jedenfalls)!

Wir stürzen auf den Sofas neben dem warmen Kamin sitzend tassenweise heißen Tee in uns hinein und trocken die nassen Klamotten. Dann stellen wir fest, dass es im ganzen Ort keinen Strom sowie kein Wasser gibt. Aha, soviel zur angepriesenen heißen Dusche. Wir machen es den beiden jungen Hotelangestellten nach und fangen in großen Töpfen das Regenwasser von der Dachrinne auf, um es auf dem Kamin für eine Dusche zu erwärmen. Im Gegensatz zur Schweizer Touristin Marion nehmen wir damit ein heißes Bad.

Als es am Nachmittag leicht aufklärt unternehmen wir in Regenjacken zu dritt eine 10km lange Wanderung auf dem Kraterrand um die Krater-Lagune herum.

Abends wird wieder Tee getrunken und unser privater Kamin angeheizt. Voll gemütlich, ich will gar nicht mehr aus unserem Bett raus.

Eigentlich geht’s bis nach Latacunga nur noch runter, hatte die Schweizerin gesagt. Aber sie war ja auch im Bus hergekommen. Bis ins 12km entfernte Zumbahua hat sie recht, danach nicht mehr. Lange Anstiege sowie lange Abfahrten bespaßen uns diesen Tag. Nach Zumbahua hält uns eine Baustelle über eine Stunde auf. Die Straße ist gesperrt, denn oberhalb im felsigen Steilhang wird dieser durch einen Bagger abgetragen. Wahrscheinlich um die Piste zu verbreitern. So prasseln Steinbrocken nur so herunter, die von einer zweiten Maschine auf Lastwagen verteilt und weggefahren werden. Hardy unterhält sich mit Alex, der ist 18 Jahre alt und hat mit seiner 23-jährigen Freundin eine Tochter. Da die Freundin bei der Geburt fast gestorben wäre, wird er wohl nur eines anstatt zehn Kinder haben. Bis vor sechs Jahren besuchte er die Schule und kann leider gar nichts mit dem aufgeblasenen Globus anfangen, den Hardy ihn zeigt. Das das die Welt ist auf der wir leben, kann er sich nicht vorstellen. Hardy klärt ihn auf. Alex hört interessiert zu. So vergeht die Wartezeit schnell.

Irgendwann, es heißt immer „media hora“, wird alles platt gefahren und der Verkehr, inzwischen eine lange Schlange auf beiden Seiten, darf passieren. Wir kämpfen uns Steigungen empor. Regen setzt ein, der in Hagel mündet. Was sind wir auch zur Regenzeit in den Bergen unterwegs?

Nachmittags um drei sind wir auf einer wunderschönen Hochebene, Schlafplätze gibt es zu Hauf. Aber wir haben noch kein Wasser. Natürlich wohnt hier niemand. Wir suchen lange, bis wir ein für uns zum Filtern akzeptables Rinnsal gefunden haben. Danach suchen wir dann lange nach einem versteckten Platz. Inzwischen geht die Straße bereits hinab, unter uns sehen wir das sich ausbreitende Ballungsgebiet von Latacunga, da wollen wir aber heute noch nicht hin. Es dämmert bereits, als wir einfach ein Gatter öffnen und im feinsten Hagelsturm die Räder hinauf auf eine kleine Anhöhe neben ein verlassenes Haus schieben. So, es ist spät, kalt und zu rutschig zum Weiterfahren, hier wenigstens etwas vorm Wind geschützt bleiben wir einfach. Wir kochen und liegen bereits gegen 21h beim Vorlesen in den warmen Schlafsäcken, als wir sich ein Auto nähern hören. „Oh nein!“, denke ich. Es ist nicht nur ein Auto sondern zwei, insgesamt acht Erwachsene, plus zwei Kinder, inklusive zwei Polizisten steigen aus. Anscheinend waren wir mit unseren Taschenlampen nicht vorsichtig genug. Man hatte uns gesehen und uns für Viehdiebe gehalten, die hier in der Gegen ihr Unwesen treiben. Hardy begrüßt alle Anwesenden mit freundlichen Händedruck. Als alle beruhigt feststellen, dass wir nicht die befürchteten Banditen sind und auch gar kein Interesse an irgendwelchen Tieren haben, entspannt sich die Lage deutlich. „Wir wollten auch gar keine Probleme machen und niemanden stören“, versichern wir immer wieder. Aber wir dürfen hier nicht campen, denn aufgrund der Stiere und Pferde auf der Weide sei es viel zu gefährlich, hören wir. Uns wird angeboten im Auto mit auf die nahe Polizeistelle zu fahren und da zu campen. Auf so einen großen Umzug haben wir so spät am Abend jetzt im Dunkeln echt keinen Bock mehr. Hardy kommt auf die glorreiche Idee, dass wir doch in der leerstehenden Hütte schlafen könnten. Die Besitzer inspizieren das Haus und fragen dann doch glatt die Polizei, ob das ginge. „Na wenn die Besitzer damit einverstanden sind, ginge das in Ordnung…“ So tragen wir all unser Hab und Gut in den Schuppen und bauen das Zelt ab. Endlich ziehen sie ab und wir werden wieder allein gelassen. Was für‘ n Schrecken zur der späten Stunde. Jetzt haben wir es auf jeden Fall windstill und noch wärmer.

Am Morgen sehen wir nur ein paar Pferde, die neugierig näher kommen. Von den gefährlichen Stieren keine Spur. Zwei, drei Kilometer weiter bergab wären zaunlose versteckte Zeltplätze gewesen, aber das ist ja immer so. Der beste Zeltplatz ist 100m weiter…

Casa de ciclistas, Ambato

Im netten Örtchen Pijilí schauen wir uns die plaza an und radeln dann zu Hardys bedauern sowie unter seinem lauten und andauernden Protest den Rest des Tages auf dem Seitenstreifen der Panamericana durch Latacunga und Salcedo nach Ambato. Unterwegs schlecken wir das köstliche Eis dieser Gegend, jeder gleich zwei.

In der casa de ciclistas von Leonardo und seiner Familie gibt es dann am Nachmittag ein großes Hallo. Wir treffen ganz unerwartet auf Jan und Karina. Mit den beiden hatten wir Silvester in der casa de ciclistas in Medellín verbracht. Und dann sind da noch zwei Kanadier, Vater und Sohn. Die beiden sind vor neuen Monaten gestartet und haben bereits 18000 km auf dem Buckel. So kann es also auch gehen. Es wird wild erzählt und natürlich groß gekocht, Kartoffeln müssen her und abends speisen wir alle zusammen. Leonardo ist ein sehr interessanter und sehr liebenswuerdiger Gastgeber. Fünf Jahre lang war er der Rad-Champion Ecuadors. Nach der Geburt seiner kleinen Tochter hat er damit aufgehört und einen Fahrradladen aufgemacht. Momentan trainiert er, um am kommenden Wochenende wieder an einem Rennen teilzunehmen.

Bilder zu diesem Artikel gibt es in der Galerie.

Posted in Ecuador

Galápagos (Ecuador/ Februar-März 2013)

Drei Tage nachdem wir von unserem Kurz-Peru-Trip in die casa de ciclistas in Tumbaco (bei Quito) zurückgekehrt sind, lassen wir die Räder schon wieder alleine und schultern die Rucksäcke erneut. Diesmal landen wir im Flieger mit Kurs auf die Galápagos Inseln.

Gestern erst ist der neue Großflughafen bei Quito eingeweiht worden, den nutzen wir nun. Alles blitzt und ist neu. Freundliche Menschen in glänzender Uniform weisen einem den Weg. Das erwartete Chaos bleibt aus.
Gemütlich sitzen wir in einem modernen Flugzeug, trinken Cola und Saft und freuen uns wie die kleinen Kinder auf unsere bevorstehende Tour. Die Galápagos Inseln, welch‘ magischer Name. Schon vor dem Beginn unserer Reise haben wir davon geträumt, mit uns gehadert und abgewogen, ob wir uns das leisten wollen und können. Nun wird es Wirklichkeit. Jetzt sind wir schon mal in Ecuador und jetzt machen wir das, lautet die Devise. Noch letzte Nacht hatten wir unsere Finanzen und Finanzprognosen durchgecheckt. Santiago, unser Gastgeber in der casa de ciclistas in Tumbaco, der bereits mehrere Male auf den Inseln war, gibt uns mit auf den Weg: „Ihr werdet viel Geld ausgeben, es wird mehr als ihr denkt, aber es ist jeden Cent wert!“

Nach einem Zwischenstopp in Guayaquil landen wir auf dem kleinen Flughafen auf der Insel Baltra. Schon vom Flieger aus können wir erst die Gipfel des Cotopaxis und Chimborazos und später die 1000 Kilometer vom Festland entfernten Inseln ausmachen.
Wir sind überrascht, hatten laut Darwins Beschreibungen karge und trostlose Natur erwartet, doch alles ist grün und steht im vollen Saft. Wir haben Glück, denn wir sind in der Regenzeit hier und können die kurze Vegetationssperiode miterleben.
Am Schalter im Flughafengebäude sind dann die 100$ Nationalparkgebühr zu blechen. Ecuadoreaner zahlen deutlich weniger Eintritt. Das Gepäck wird wiederholt kontrolliert, damit ja keine fremden Organismen eingeführt werden, die Schaden im fragilen Ökosystem anrichten könnten. Erst danach dürfen wir offiziell unsere Füße auf den super heißen vulkanischen galápagoischen Boden setzen.

Puerto Ayora, Isla Santa Cruz
Zwei Busse und eine Fähre bringen uns zum Hauptort Puerto Ayora auf der Nachbarinsel Santa Cruz. Er ist größer als erwartet. 15000 Menschen leben hier, vornehmlich vom Tourismus. Ein Hotel reiht sich ans andere. Teure Boutiquen säumen die Wege. Die Promenade wird gerade für die kommende Saison fußgängerfreundlich neugestaltet. Alle laufen kreuz und quer über die Baustelle. Abgesperrt wird nicht.
Wir finden eine bezahlbare Bleibe im familiären Hotel Los Amigos, in welchem wir die Küche mitbenutzen dürfen. Trinkwasser gibt es auch. Aus den Hähnen kommt allerdings gefiltertes Salzwasser, nicht angenehm. Unsere Hotelfamilie besitzt doch tatsächlich zwei Huskys. Wir fragen uns ernsthaft wie man das in dieser unglaublichen Hitze direkt am Äquator mit gutem Gewissen den Tieren antun kann. Tagsüber verkriechen sie sich in schattige Plätze und des Nachts tollen sie herum.
In der Agentur Joybe lassen wir uns über eine mehrtägige Bootstour beraten. Die Lastminute-Angebote hier sind um so einige hundert Dollar günstiger, als buchte man sie von Quito oder aus dem Ausland. Dennoch schmerzt die für uns horrende Summe sehr. Insbesondere der grübelnde Hardy hat arge Schwierigkeiten mit einer Zusage. Ich nehme diese in die Hand und beschließe, wir machen diese fünf-tägige Bootstour auf dem Motorboot Yolita. Denn nur so kommen wir an Stellen des sehr reglementierten Nationalparks, die wir sonst nie sehen würden. So’ne Cruisetour machen wir nur einmal im Leben.
Nachdem der Schritt gegangen, unterschrieben und bezahlt ist, machen wir uns bei einem Spaziergang über die Mole ganz andere Gedanken. Was ist, wenn die anderen 14 Gäste nur alte Rentner sind? Was ist, wenn das nur alte, dicke, weißhäutige Amerikaner mit Sonnenbrand und Riesenkameras sind? Wie bekommen wir die Crew dazu uns noch einen Nachschlag des erwarteten nicht Radler-freundlichen Essens zu geben? Was gibt es wohl auf einer Yacht, die in die Luxusklasse fällt, tolles zu speissen? Und wie arbeiten wir uns durch die Besteckberge? Werden wir in unseren zerschrammten, täglich immer gleichen Klamotten negativ auffallen?

Dann gehen wir auf Entdeckungstour, einmal die Promenade hoch und wieder runter. Neben einem in der Abendbrise gut besuchten Spielplatz spielen auf einem Volleyballfeld Einheimische voller Elan. Eine jubelnde Menschentraube umringt sie. Neben den Tatsache vielen vorhandenen weißhäutigen Touristen, schwer bewaffnet mit größten Kameras, treffen wir auf eine schlafende Robbe, die es sich auf einer Parkbank gemütlich gemacht hat. Über uns kreisen große Fregattenvögel und auf den Steinen können wir rote Riesenkrabben beobachten. Erste Eindrücke von dieser fremden Welt haben wir bekommen. Wir sind sehr gespannt auf die folgenden Tage.

Die wenigen eigenständigen Ausflüge, für die man keinen guide benötigt unternehmen wir. Die Mehrheit der Landmasse auf den Galápagos Inseln ist heutzutage Nationalpark. Das sehr labile Ökosystem soll so geschützt werden. Man darf nur eine Stippvisite in die Natur unternehmen. Und das ist auch gut so. Denn aufgrund von Massenabschlachtungen beispielsweise der Schildkröten oder Iguane sowie anhand des Einschleppens nicht einheimischer Lebewesen wie Ratten, Schweine, Ameisen oder Hunde sind einige Arten bereits ausgestorben oder schwer bedroht.

Darwin Research Center
Im Darwin Research Center am Ende des Ortes bestaunen wir baff unsere ersten Riesen Schildkröten, die Galápagos. Wahnsinnig groß sind sie! Erstaunlich wie diese schweren Tiere ihre Massen wuchten können. Bis zu einen Kilometer pro Stunde können sie sich vorwärtsbewegen. Im Center werden die Eier der Schildkröten ausgebrütet. Je nach Temperaturunterschied wird aus einem Ei ein Weibchen oder Männchen (die Weibchen brauchen es wärmer). Nach zwei bis drei Jahren in geschützter Umgebung, bzw. sobald ihr Panzer einen gewissen Umfang erreicht hat, werden sie auf ihrer Ursprungsinsel wieder ausgesetzt.
Wir sehen eine Schildkröte, die einst einmal das Haustier eines Polizisten war. Als er Nachts betrunken nach Hause kam, schoss er auf das Tier. Die Patronenlöcher sind gut im Panzer auszumachen. Ein solcher ist wohl kugelsicher.
Leider verpassen wir den Lonesome George. Einen berühmten männlichen Schildkröterich, den letzten seiner Art. Es war nicht möglich ihn zum Fortpflanzen zu bewegen. Er starb im letzten Jahr.

Fischmarkt
Als wir vom Darwin Center vorbei an all den Touriboutiken schlendern, stoßen wir zufällig auf den kleinen Fischmarkt. Eigentlich ist es nur ein Stand, an dem die Fischer ihren frischen Fang verkaufen. Neben Kunden umlagern so einige Pelikane, Möwen und auch zwei Seelöwen den Stand und versuchen ihn zu erobern. Gierig wird von den Tieren jeder Abfall erbeutet und auch gern der Fisch, passen die Verkäufer mal nicht arglistig auf. Dabei kommen sie sehr nah an die Menschen heran. Eine Robbe hat sich direkt neben einen Mann platziert, der von ihr während des Fischzerteilens immer wieder grob angestubst wird, damit er ihr Stücken zusteckt.
Lange verweilen wir vor dieser uns so bizarren Szenerie. Ich sehe es in Hardys Augen leuchten. Er freut sich einen Kullerkeks und kauft fast ein Kilo Thunfisch. Das wird ein königliches Abendbrot!

Las Grietas
Eine kleine Wanderung über karge Lavafelder, stinkende Tümpel und Kakteenhaine führt uns zu den Grietas. Das ist eine lange, schmale Schlucht hoher Felsen. Im sehr kalten Meerwasser, das zusätzlich durch unterirdische Quellen gespeist wird, kann gebadet werden. Leider sind viele laute Jugendliche da, die auf die höchsten Felsen klettern und kreischend ins Wasser springen.

Tortuga Bay
Der lange, weiße Sandstarnd des Tortuga Bay beeindruckt uns sehr. Meeresiguane sonnen sich gemütlich auf einer Mauer aus Lavabrocken. Nach ihrem Aufenthalt im Meer tanken sie die Wärme der Sonne. Durch das Fressen von Algen nehmen sie Salz auf, das sie nun begleitet von lauten pffff-Lauten und einem Strahl Wasser aus ihren Nasenlöchern wieder ausscheiden. Sieht sehr witzig aus. Auf ihnen landen Darwinfinken, um Parasiten zu essen. Im Sand können wir die Nester der vergrabenen Iguaneier ausmachen.

Darwinfinken landen dicht neben uns und sogar auf Hardys Hut, um Krumen unserer Brötchen zu stibitzen.
In einer ruhigen Bucht, umgeben von Mangroven und steiler Felsküste, die mit Kakteen bewachsen ist, tauchen wir ins Wasser ein. Toll! Das Wasser ist ein bisschen kaelter als Badewannentemperatur und tut bei der Hitze richtig gut. Wir schauen uns um und denken uns „Yeah, wir sind richtig hier“.

Diesen ereignisreichen und schönen Tag lassen wir mit gebratenem Thunfisch und Rum aus dem Faltbecher ausklingen.

El Chato
In den Highlands der Insel liegt das Reservat El Chato. Hier leben die Galápagosschildkröten in ihrem ursprünglichen Lebensraum. Auf einer mehrstündigen Wanderung durch heiß feuchten Dschungel kommen wir ihnen sehr nah. Aufgrund des vielen Niederschlags ist der schmale Weg in einem sehr schlechtem Zustand, voller Matsch und Wasserlöcher. Sich durch den dichten Wildwuchs zu wuchten ist jedoch für die schweren Tiere anscheinend sehr anstrengend. So benutzen sie wie wir den Weg oder liegen genüsslich im Schlamm. Um sie nicht zu stören, versuchen wir mit Abstand um sie herum zu gehen. Dabei ziehen sie sich meist in ihren Panzer zurück und geben einen chchch-Laut von sich. Das sowie das Stöhnen des Männchens bei der Paarung (hhhnnn) sind die einzigen beiden Töne die die Schildkröten von sich geben.

Lavatunnel
Als wir zurück laufen, sehen wir zufällig einen Jeep voller Touris in einen Feldweg einbiegen. Wir wissen, dass es hier in der Gegend sogenannte Lavatunnel geben soll und folgen ihnen. Glück gehabt. Die große Höhle, in der einst ein Strom von Lava floss ist sogar mit Glühbirnen beleuchtet. Begeistert durchwandern wir den langen unterirdischen Lava-Gang.

Puerto Villamil, Isla Isabela
Mit einem Schnellboot düsen wir am nächsten Morgen in zwei Stunden zur größten Insel der Galápagos und verbringen die folgenden Tage dort. Die Insel wurde aus den Vulkanen Cerro Azúl, Sierra Negra, Alcedo, Darwin, Wolf und Ecuador gebildet, die durch ihre vulkanische Aktivität im Laufe der Zeit miteinander verschmolzen sind. Alle außer dem Vulkan Ecuador sind noch heute aktiv.
Puerto Villamil selbst ist nicht besonders schön. Das verschlafene Nest mit ausschließlich Sandstraßen wird nur von 2000 Menschen bewohnt. Am weißen Sandstrand brutzeln ein paar Touristen vor sich hin. Die Hitze ist hier schier unerträglich. Sie wird von den schwarzen Lavaströmen, auf denen die Häuser gebaut wurden und die sich durch den Ort ziehen gespeichert und reflektiert. Es gibt höchstens Krautbewuchs und keinen Schatten. Wir landen in der Posada del Caminante und werden vom freundlichen, dicklichen Besitzer Lauro empfangen. Unser großes Zimmer liegt im ersten Stock des neuen Gebäudes. Das ist gut, denn so weht eine kühlende Brise durchs Eckzimmer. Wir duschen (hier ist das Wasser richtig salzig) und machen uns auf den Weg zum Concha y Perla.

Concha y Perla
Diese kleine Mangrovenbucht, in der bei Ebbe herrlich geschnorchelt werden kann, besuchen wir noch des öfteren. Ein Holzpfad durchs Dickicht endet auf einer Plattform mit Bänken, die gern von Seelöwen belagert wird. Vor den großen, sich empört in ihrer Ruhe gestört fühlenden Männchen muss man sich in Acht nehmen. Den kleineren Seelöwen kann man sehr nahe kommen. Was sich ja in dieser Enge auch schlecht vermeiden lässt.
Bei ersten Schnorchelgängen können wir bereits bunte Fischis, Schildkröten sowie einen sehr großen Stachelrochen ausmachen. Plötzlich schwimmen Seelöwen ganz nah vor uns vorbei. Wir haben Augenkontakt. Welch‘ Schreck und Faszination zugleich.

Der Abend klingt in den Hängematten unseres Hotels liegend mit einer interessanten Diskussion zwischen Hardy und dem Freund unseres Besitzers aus. Er ist Nationalparkwächter. Der neusten von Hardys gelesener Theorien über die Entstehung und das Herkommen der Tiere auf die Inseln kann er nicht zustimmen. Hardy las neulich, dass es einst zwischen dem Festland und den heutigen Inseln bereits eine Art Prä-Galápagos existiert haben muss. Inseln, die nun im Meer verschwunden sind. Das die Tierwelt von dieser Inselgruppe auf die heutige gewandert ist, erklärt wie sie die lange Distanz von 1000km zum Festland überwinden konnten. Der Nationalparkmitarbeiter denkt eher im kreationistischen Sinne. Aber er respektiert andere Meinungen. Schade, dass auch er nicht viel Bildung genossen hat und nur kurz zur Schule ging. Sein Wissen über die Entstehung der Galápagos hat er sich selbst angelesen. Aber man kann mit ihm diskutieren und Meinungen austauschen. Das fällt uns beiden positiv auf, kommt leider nicht allzu oft vor seitdem wir uns in Lateinamerika bewegen.

Muro de las Lágrimas
Am Nachmittag wandern wir am Strand und später auf sandigen Wegen in Richtung Mauer der Tränen. Diese ist leider aufgrund von Bauarbeiten gesperrt. Wir dürfen den Weg nur einen Kilometer lang laufen. Schade. Die rund 150m lange und ca. 10m dicke Mauer wurde von Sträflingen der Strafkolonie “Porvenir”, der berüchtigsten von drei in den 40er Jahren auf der Insel eingerichteten Strafkolonien, unter grausamsten Bedingungen errichtet. Sie wurde nach einer Massenrevolte im Jahr 1959 geschlossen. Die Mauer bleibt bis heute als Mahnmal erhalten.

Wir verbringen Stunden auf diesem kurzen Abschnitt mit dem Beobachten von vielen Meeresiguanen. Es ist so entzückend wie diese Dinosaurier mit ihren dicken Bäuchen relaxt im Sand liegen, alle Gliedmaßen von sich gestreckt und ab und ab nur ein pfff-Geräusch von sich geben.

Nachdem wir einem schmalen Pfad unter Manzanillabäumen hindurch gegangen sind, finden wir eine kleine Lagune. Nur ein Seelöwe leistet uns Gesellschaft, der in den Mangroven herum schwimmt. Die äpfelartigen Früchte der Manzanillas sowie deren Holz soll nicht angefasst werden. Die Früchte sind hochgiftig. Sie können nur von Schildkröten verdaut werden. Auch die Tropfen der Bäume können allergische Reaktionen hervorrufen. Wir nehmen uns in Acht.

Ein Besuch der Flamingo-Lagune im Abendrot lässt den Tag ausklingen. Lange sitzen wir an deren Rand und beobachten die elf Jungtiere beim Fressen. Auf der Stelle tretend wirbeln die noch nicht ganz pinken Vögel den schlammigen Grund auf und schlingen sich dann den Bauch mit Algen voll. Lustig sieht es aus, wenn ihr Kopf im Wasser verschwindet.

Yolita
An einem frühen Morgen um 6h Uhr stehen wir am kleinen Pier, sowie es uns von unserer Reiseagentur eingebläut wurde. Bloß nicht zu spät kommen. So sind wir eine halbe Stunde zu früh da. Aber von der Yolita oder Leuten, die uns abholen könnten keine Spur. Na das fängt ja gut an. Mit Hilfe des freundlichen Hafenmeisters wird das Schiff angefunkt, es hatte unweit für die Nacht vor Anker gelegen. Die Crew weiß von nichts und meinen wir könnten uns ja in drei Stunden vor Ort treffen und das Tagesangebot gemeinsam unternehmen. Nichts da. Wir haben für den ganzen Tag bezahlt und bestehen darauf für’s Frühstück bereits an Board zu kommen. Schließlich kommt Darío, unser guide, in einem Beiboot angetuckert. Da keine Kommunikation mit unsere Agentur stattfand, hatte man uns erst heute Abend erwartet. Wir können nicht mit im Speisesaal frühstücken, da das Boot noch voll besetzt ist. Erst später werden es vier Passagiere verlassen. Für uns gibt es auch keinen Saft. Um Brot, Butter und Marmelade müssen wir uns selber kümmern. Wir sind enttäuscht und angepisst. Der erste Eindruck von unserer so toll vorgestellten Luxusyacht ist negativ behaftet.

Die Yolita II, eine 35m lange Motoryacht kann neun Knoten schnell Fahren. Eine siebenköpfige Crew hält das Boot am Laufen und der englischsprachige, einheimische guide Darío kümmert sich um die Gäste. Leider kann ich sein Englisch aufgrund des starken Akzentes schwer verstehen. Wir einigen uns darauf in Spanisch miteinander zu kommunizieren.
Von unseren Mitbewohnern für die fünf kommenden Tage sind wir positiv überrascht. Wir sind noch nicht einmal die Jüngsten. Und es sind auch keine alten Rentner. Jeder unserer Mitreisenden war mit dieser Befürchtung an Board gekommen. Es ist ein buntgemischter Haufen von Langzeitrucksackreisenden, deren Alter sich zwischen Ende zwanzig und Ende fünfzig bewegt. Die Themen kreisen sich um Reiseanekdoten und Erfahrungen. Viel wird gelacht.
Schnell fallen uns jedoch auch große Unterschiede im Radreisen und Backpackertum auf. Reisen letztere von sight zu sight, sehen sie nicht so viel vom Weg dazwischen und kommen nicht viel mit den Einheimischen in Kontakt. James, der amerikanische Tauchlehrer und Bootsendwerfer erzählt beispielsweise von seinem Belizeaufenthalt, der für ihn teuer war und mit welchem er tauchen auf den Inseln vor der Ostküste assoziiert. Unsere Belizeerfahrungen hängen ganz deutlich mit den Begegnungen der Menschen in den mennonitischen Gemeinden zusammen.
Ein immer wiederkehrendes Thema ist das Geld und das Budget der Reisekassen. Liegt das der Rucksackreisenden oft bei 40$ pro Mensch und Tag, können sie es gar nicht glauben, wie wir mit unserem momentanen Durchschnitt von 15$ pro Nase und Tag hinkommen. Ein englisches Paar hat in ihren neuen Monaten Reise bereits über 25 000$ ausgegeben. Unsere Münder stehen offen. Aber als Rucksackreisender benutzt man Busse, Hotels und zahlt viel für organisierte Tagesausflüge. Die machen wir selber.
Die lustige, liebenswürdige, sehr direkte Engländerin fragt mich wie wir denn duschen und wo wir unsere Wäsche waschen. Das wir ab und an gar nicht duschen können und die Klamotten tagelang anhaben, findet sie echt krass. Und ich muss zugeben, dass es nach einiger Zeit wirklich awful ist. Wir beide lachen.

Zu zweit wird sich eine Kabine geteilt. Unser Zimmer mit breiten Betten sowie eigenem Bad ist so groß, dass auch gut die Räder ihren Platz gefunden hätten. Im recht großen Speisesaal und Wohnzimmer oder auf den drei Sonnendecks kann sich die Zeit vertrieben werden. Drei Mal täglich gibt es Essen, meist in Form von kleinen Buffets. Nach Ausflügen steht ein Saft und Snack bereit. Den ganzen Tag gibt es Wasser, Tee und Café.

Die Yolita, als Luxusyacht geplant, würde ich nach unseren Erwartungen nicht als solche bezeichnen. Am Innenausbau wurde eindeutig gespart, billigste Materialien verbaut und dann auf die nicht Acht gegeben.

Den das letzte mal im Jahr 2005 aktiven Vulkan Sierra Negra besuchen wir nach dem Frühstück. Der ca. 10x9km breite Krater ist nach dem Toba in Indonesien der zweitgrößte der Welt. Der Ausblick über diesen schier endlosen Vulkan ist gewaltig! Noch warme Lava breitet sich in dessen Inneren aus. Wenn diese endgültig erkaltet und Vegetation darüber gewachsen ist, würden auch Schildkröten hier her wandern, erfahren wir.

Mit Schwimmwesten im Dingi wieder an Board gebracht, klingt der Tag gemütlich aus. Momentan ist Wellengang, das fühlt sich merkwürdig an und bekommt unseren Mägen nicht so gut. Wir verziehen uns bald nach dem Abendbrot in die gemütlichen Betten, denn in der Waagerechten geht’s viel besser.

Und dann springt der Motor an. Es geht los auf große Fahrt. In den folgenden Tagen umrunden wir im Uhrzeigersinn die Hauptinsel Isabela und besuchen die kleineren Inseln Fernandina, Santiago und Rábida.

Per Dingi unternehmen wir einen Ausflug in den großen Mangrovenhain in der Bahía Elizabeth. An jeder Pflanze ist ein gelbes Blatt auszumachen. Darío fragt uns warum das so wäre. Aber alle abenteuerlichsten Antworten sind nicht korrekt. Jede Mangrove lässt das aufgenommene Salz des Meereswassers in ein Blatt wandern, um die ganze Pflanze nicht in Gefahr zu bringen. Dies eine Blatt stirbt dann ab. Darío pflückt es und gibt es uns, schmeckt sehr salzig. Wir sehen schwarze, flugunfähige Kormorane mit ihren blauen Augen, Meeresschildkröten, die auftauchen um Luft zu holen und sogar einen Pinguin.

Auf Wanderungen an verschieden Punkten der Inseln erleben wir die heiße, trockene Landschaft.
Obwohl alles grün ist und Kakteen blühen, wirkt es sehr karg. Wie mag es wohl in der Trockenperiode hier aussehen? Wir spazieren über gigantische Lavafelder und besuchen Seen auf den Inseln, beobachten Schildkröten und müssen uns vorsichtig durch eine Gruppe faulenzender Iguane durchschlängeln. Die machen einfach keinen Platz und belegen den Weg.

Ein besonderes Highlight stellt für uns der Besuch von Punta Espinoza auf der Insel Fernandina dar. In kleinen Buchten, durch Lavafelsen abgetrennt und auf hellem, sehr groben Sand tummeln sich ewig viele Meeresiguane und Seelöwen. Letztere spielen im flachen Wasser und tollen lautstark herum. Auf dem groben Sand wälzen sie sich und lassen sich genüsslich fallen.

Die täglichen Schnorchelausflüge hatte ich im Vorfeld mit großer Skepsis beäugt. Hatte ich doch so einige Panik davor. Aber ich kann sie nach und nach ablegen und fange an es zu genießen und neugierig die reich vorhandene Tierwelt zu beobachten. An uns vorbei schwimmt wahnsinnig schnell eine Gruppe Pinguine. Ein Pelikan fliegt zum greifen nah über unseren Köpfen hinweg. Wir sehen Rochen, einen Kugelfisch, Robben ganz nah und langsam in der Strömung gleitende Schildkröten neben ganz vielen anderen bunten Fischen.

An einem Abend, kurz bevor wir die Äquatorlinie überqueren, findet bei schönstem Sonnenuntergang und Delphinschwarm in der Ferne die Hochzeit von einem kanadischen Paar auf dem großen Sonnendeck statt. Rosalyn im süßen weißen Leinenkleid und Glen im hellen Hemd glänzen mit dem in weißer Uniform herausgeputzten Kapitän um die Wette. Drei unserer Mitreisenden werden zu Trauzeugen und wir Restlichen drücken wie verrückt auf die Auslöser der vielen Kameras. Zum Anstoßen gibt’s Sangría und danach dürfen wir auf die Brücke, um die Instrumente zu beobachten, als wir den Nullmeridian überfahren. Sie stehen tatsächlich auf cero.

Die Umrundung der Miniinsel Daphne Mayor stellt eines morgens bei Sonnenaufgang den Abschluss unserer Bootstour dar. Eine große Verabschiedung folgt.
Hat es sich nun gelohnt solch eine horrend teure mehrtägige Tour zu machen? Wir sind da geteilter Meinung. Für Hardy ist der extreme große Batzen Kohle für die paar Tage immer noch schwer zu verkraften. Für das Geld hätte er mehr erwartet. Da stimme ich ihm zu. Wir hatten mehr Erklärungen vom guide, wirklich exquisites Essen und längere Ausflüge erwartet. Hardy nennt es mehr Umfang. Ich nenne es einfach hohe Erwartungen. Ich bin jedoch froh das alles gesehen, insbesondere all die Naherfahrungen mit den Tieren erlebt zu haben. Ich würde wiederkommen, da ich gern auch die restlichen Inseln kennenlernen möchte, um mehr Vögel zu beobachten.

Wir verbringen noch zwei Tage in unserem ersten Hotel in Puerto Ayora, genießen es allein zu sein und selbst über unser Tagesprogramm bestimmen zu können. Wieder wird auf dem Fischmarkt frischer Fisch gekauft und köstlichst von Hardy mit schwingendem Kochlöffel zubereitet. Der Rum wird geleert und schnell sitzen wir im Flieger in Richtung Quito. Unsere Räder erwarten uns bereits. Nach fast fünf Wochen Auszeit freuen wir uns wieder in die Pedalen treten zu können und selbstständig unterwegs zu sein.

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Gastbeitrag: Stippvisite in Nord-Peru (Peru/ Februar 2013)

Juhu, endlich sehen wir sie wieder!
Dass es doch noch zu diesem Treffen kommen sollte, daran hatten wir alle kaum noch geglaubt. Um so größer war die Freude, als Hardys Anruf kam: „Wir wissen zwar noch nicht wie und wann, aber wir kommen!“
Unser Treffpunkt hieß Cajamarca, die Karnevalshauptstadt Perus. Mein Freund Kerry, Peruaner, und ich Lisa, die Schwester von Hardy, hatten uns von 7 Jahren dort kennen gelernt und nun zieht es uns immer wieder zu dieser Stadt, gelegen in den nördlichen Anden, um zu Feiern, uns mit Farbe und Wasser beschmeißen zu lassen und in Erinnerungen zu schwelgen. Mittlerweile haben wir zwei Kinder und das mit dem Feiern überlassen wir doch eher wehmütig den anderen Karnevalsbesuchern. Dafür trug Kerry seinen Teil dazu bei, die Menschen zu unterhalten. Als Straßenkünstler und Clown gab er jeden Abend seine Jonglagetricks zum Besten und brachte die Leute zum Lachen. Die Shows kamen gut an, das Publikum war jedes Mal riesig und der Hut am Ende gut gefüllt.
Wir hatten schon die Gelegenheit, meinen Eltern Cajamarca zu zeigen und es freute mich sehr, dass auch Hardy und Alena hierher kommen würden.

Karneval
Dieses Jahr war die Stadt so voll wie noch nie zuvor. Am Samstag, dem Karnevalsauftakt war von der Plaza vor lauter Menschen nichts mehr zu sehen. Vor allem die Jugend Cajamarcas versammelte sich in Gruppen, musizierte mit Trommeln und Trompeten und sang dazu die berühmten coplas, nicht ganz jugendfreie sich wiederholende Zweizeiler. Nicht zu vergessen natürlich der Alkohol, der gegen die Kälte helfen und die gute Laune heben soll. Einheimische Frauen verkauften die traditionellen calientitos, warmer Schnaps mit Maracuyasaft, die sie für sehr wenig Geld in Plasteflaschen an die Leute verteilten. Es war nachts ziemlich kalt und das Trinken und Tanzen war ein gutes Mittel dagegen.

Der Tag des Karnevalauftaktes ist der Tag, an dem keiner, der einmal den Fuß vor die Tür gesetzt hat, trocken und sauber nach Hause kommt. Hinter jeder Ecke und jedem Auto, auf den Balkonen und sogar auf den Dächern lauert die Gefahr mit Wasserpistolen, Wasserbomben oder einfach durch Eimer komplett nass gemacht zu werden. Anstatt Wasser spritzen die Pistolen auch mit Farbe und die ganz Gemeinen beschmieren Einen auch mal gerne mit Schuhcreme oder ähnlichem. Die beliebtesten Opfer sind natürlich die weißhäutigen, blonden Touristen. Aber auch die Autos und Mototaxis müssen dran glauben. Kaum eines kam an diesem Tag ohne Farbe davon. Ganz zu Schweigen von der Plaza. Vorsichtshalber wurde der Springbrunnen in dessen Mitte vorher eingezäunt.

Leider bekamen Hardy und Alena von dem ganzen Spektakel nichts mit, da sie zu dieser Zeit noch immer im Bus auf dem Weg zu uns waren. Knapp zwei Tage dauerte die Reise von Quito bis nach Cajamarca. Dementsprechend fertig kamen sie auch an, noch dazu geschwächt von Magenproblemen. Leider konnten wir ihnen auch kein schönes Hotelzimmer reservieren, da die Stadt fast komplett ausgebucht war. Während des nur einwöchigen Aufenthaltes haben wir so einige Hotelzimmer von innen gesehen, um das schönste der muchtigen herauszufinden.

Die Freude des Wiedersehens war groß, obwohl es uns aber auch nicht so vorkam, als ob wir uns über 2 Jahre nicht gesehen hatten. Ich fand, Hardy sah aus wie so ein typischer europäischer Weltenbummler, mit seinem Strohhut und einem mehr als Drei-Tage-Bart. Er weiß das auch zu schätzen und unterstreicht seine Erscheinung noch gerne mit einer feschen Sonnenbrille. Gringo, sei willkommen! Die Peruaner benutzen dieses Wort zu Hardys Leiden nur zu gerne und werfen es ihm, neben den Wasserbomben, fröhlich an den Kopf…

Unseren ersten gemeinsamen Tag verbrachten wir fast ausschließlich auf der Plaza. Wir nutzten den Rasen zum Frühstücken und währenddessen wurden die Straßen ringsherum komplett gesperrt, da nun der Karnevalsumzug hier vorbeiführte.
Hardy und mein Sohn Pacha schien dieser sehr zu gefallen, denn sie beobachteten stundenlang die vorbeitanzende und bunt geschmückte Menge. Ich war nun schon das dritte Mal hier und bevorzugte lieber das Sonnentanken auf der Wiese. Kerry dagegen zerbrach sich eher den Kopf, wo er die nächsten Luftballons kaufen und mit Wasser füllen kann, um sie dann wie wild herumzuschmeißen. Es zerbrach jedoch nicht nur der Kopf, sondern auch eine Fensterscheibe. Das war dann auch das Signal zum Aufbruch oder besser gesagt: Bloß schnell weg hier!
Auch der nächste Tag stand noch ganz unter dem Stern Karneval. Wir wollten den großen Umzug mit den geschmückten Fahrzeugen sehen, aber vor lauter Menschen war das fast unmöglich. Durch etwas Glück fanden wir doch noch ein Loch. Mehr als vom Umzug bekamen wir aber von den betrunkenen Zuschauern mit, die ja nun mittlerweile seit drei Tagen nur am Feiern waren und sich teilweise sehr aggressiv benahmen. Wir hatten langsam genug vom Karneval und wollten raus aus der Stadt.

Fossilien
Ganz in der Nähe von Cajamarca kann man an einem Berghang nach Fossilien suchen. Wir haben in den letzten Jahren schon interessante Funde gemacht, wie zum Beispiel einen Seestern, aber diesmal waren uns nur Schnecken und Muscheln in allen Größen und Formen vergönnt. Wenn man Hardy fragt, dann war da auch ein Dinoknochen und ein Dinoei, aber ich wage das zu bezweifeln.

Für den Rückweg entschieden wir uns, an einem kleinen Kanal am Berghang zu wandern. Da zeigten sich dann auch schon die ersten Schwächeerscheinungen, die ich so wirklich nicht von zwei Reiseradlern erwartet hätte. Immer auf der Suche nach dem kürzesten Weg kamen wir ausgedurstet an einem kleinen Laden an, wo wir uns erstmal mit einer großen Cola stärken mussten. Morgen wird nicht gleich wieder gewandert sondern relaxt, das stand sofort fest.

Die drei- bis vierstündige Hotelsuche am nächsten Tag versaute leider etwas diesen Relaxtag. Da blieb nur noch Zeit zum Spiele spielen auf dem Aussichtsberg der Stadt.

Bosque de Piedras
Einen Höhepunkt hatten wir uns noch ausgedacht für Hardy und Alena und zwar der Besuch einer urigen Felsenlandschaft. Ach wenn man da doch nur nicht so viel laufen müsste… Für den Hinweg nahmen wir noch ein Taxi, aber zurück ging es wieder zu Fuß. Die Felsen waren, vor allem für Klettereraugen, wirklich schön anzusehen und boten interessante Motive zum Fotografieren. Im Tal kann man einen Kanal besichtigen, der noch von den Inkas in die Steine gehauen wurde.

Sonst ist nicht viel von den Inkas zu sehen, dafür sitzen an jeder Ecke einheimische Frauen mit ihren typischen großen Hüten und wollen sich gegen Geld fotografieren lassen oder Kunsthandwerk verkaufen. Es verlockt natürlich, so eine typische Frau mit so einem schönen Hintergrund aufzunehmen. Ums Bezahlen kam auch Hardy nicht herum.
Der Rückweg führte quer über Wiesen und Felder immer bergab. Er schien für unsere Radlerfreunde jedoch ein wenig zu beschwerlich zu sein. Wo fährt denn nur der nächste Bus? Ich begann mich wirklich zu fragen, was denn mit den Andenpässe erklimmenden Radsportlern los ist. Aber die Antwort ist ganz einfach: Laufen ist halt was ganz anderes als Fahrrad fahren und überhaupt sind Rucksackreisen, bei dem man immer auf einem Bus warten und sich mit dreckigen Hotelzimmern abgeben muss, einfach nicht ihr Stil. Ich fühlte, wie sie sich nach ihren Fahrrädern zurücksehnten.

Trotz der „Strapazen“, denke ich, dass ihnen der Ausflug nach Cajamarca gefallen und schon mal einen guten Einblick in das Leben in Peru gegeben hat und sie jetzt wissen, worauf sie sich gefasst machen müssen. Da wäre zum Beispiel das wohl wieder gehäuft auftretende Gringo-Gerufe, eine etwas weniger aufgeräumte Umgebung aber auch die Hülle und Fülle von süßen Leckereien, die an jeder Ecke darauf warten, gekauft zu werden und langsam aber sicher, den Geldbeutel schmälern.
Die Eindrücke beschreiben sie aber am besten selbst.

Monsefu – Küste

Die letzten zwei Tage verbrachten wir an der Küste. Dort wohnen die Eltern von Kerry, welche schon darauf brannten, endlich mal Hardy und Alena kennenzulernen. Viel zu bieten hat die Küste außer Meer und Strand nicht und leider ist das auch nicht gerade der Fall von den beiden, aber da mussten sie nun durch. Zeit für kulturelle Ausflüge zu den Inkaruinen oder Museen war leider nicht.
Wir machten Bekanntschaft mit kleinen Krabbeltieren namens Mormuyes (keine Ahnung wie man die richtig schreibt) und buddelten Krabben aus ihren Verstecken aus. Die können ganz schön zwicken, wenn man nicht aufpasst. Pachas Finger bekam das nur zu gut zu spüren.

Zum Abschied wollten wir endlich mal so richtig gut Essen gehen, weil das vorher irgendwie immer nicht geklappt hatte, aber auch diesmal war es wieder ein Reinfall. Es hat einfach nicht sollen sein. Egal. Die Hauptsache war, dass wir zusammen waren und etwas Zeit, wenn auch nur sehr wenig, gemeinsam verbracht haben. Und das ist uns gelungen und ich bin sehr froh, dass unser Treffen schlussendlich geglückt ist und ich den beiden ein bisschen von meiner zweiten Heimat zeigen konnte. In ein paar Wochen werden sie wieder hier sein und ich hoffe sie werden viele schöne Erfahrungen machen und auch mal richtig lecker Essen!

Ich wünsche Hardy und Alena noch ganz viel tolle Erlebnisse und Abenteuer auf ihrer Reise und freue mich auf ein erneutes Wiedersehen, irgendwo, irgendwann…

Lisa

In der Galerie findet ihr Fotos zu diesem Bericht.

Posted in Peru

Nord-Ecuador – Tulcán bis Quito (Januar-Februar 2013)

Die Grenze von Kolumbien nach Ecuador überqueren wir an einem späten Januarmorgen. Es ist kühl, grau und nieselig, als ich die Ausreise- bzw. Einreiseformalitäten vor und hinter der Grenzbrücke erledige. Mit einer lustigen Stempelmaschine bekommen wir 90 Tage für Ecuador problemlos in den Pass gedruckt. Es kann losgehen, Land Nummer zwölf erwartet uns.

Tulcán

Im nahen Tulcán stürme ich als erstes den Supermarkt, der nun Gran Akí heißt. Ich möchte ein Gefühl für die hiesigen Preise bekommen. Die Landeswährung ist der Dollar. Damit ist Ecuador das einzige Land in Südamerika, welches diesen vertritt. Ich staune nicht schlecht, groß ist die Auswahl bis auf Obst und Gemüse. Alles gibt es auch gleich in mehrfacher Ausführung. Endlich gibt es wieder Käseprodukte und auch das Joghurtangebot ist nicht schlecht. Lebensmittel scheinen mir hier günstiger zu sein als in Kolumbien. Oder täuscht es mich, denn nun stehen nicht mehr Tausender auf den Preisschildern, sondern Dollar oder auch nur Centangaben.

Wir haben Hunger und testen ein Mittagessen. Für zwei Dollar pro Person bekommen wir ein sehr leckeres almuerzo, das hier anscheinend auch merienda genannt wird, mit Suppe, Hauptgang und einem Saft.

In den Hauseingängen hängen Schweine zum Ausbluten herum. Auch interessant. Sonst sind die Häuser eher trist anzusehen, an Farbe wird gespart. Kein Wunder, denn wir hören, dass bis auf Nahrungsmittel alles importiert wird und hohe Importsteuern erhoben werden.

Die Leute hier sind freundlich und grüßen zurück. Aber sie scheinen uns distanzierter zu sein und nicht so offen wie ihre kolumbianischen Nachbarn.

Bevor wir das sonst nicht weiter spannende Tulcán verlassen, machen wir einen Schlenker zum Friedhof und bestaunen die kunstvoll geschnittenen Hecken. Große, dicklich runde Figuren schmücken die Gräber.

Nationalpark El Ángel

Für unsere ersten Tage im neuen Land haben wir uns eine tolle Route überlegt. Nach dem wir seit Manizales meistens auf der vielbefahrenen Panamericana dahin gesaust sind, haben wir ein Bedürfnis nach Ruhe und Einsamkeit. So nehmen wir die Löcherpana in Richtung El Ángel. Sie wird auch die alte Schmugglerroute genannt und wurde als solche lange genutzt.

Natürlich müssen wir erst einmal wieder richtig in die Pedalen treten, um Höhe zu gewinnen. Die ersten 10km sind für mich besonders anstrengend. Es geht auf trockener Sandpiste, die mit vielen Steinen durchsetzt ist in vielen Kurven den Berg hinauf. Löcherpana trifft es genau. Uns umgeben Kartoffelfelder, aber auch Mais und Bohnen werden angebaut. Auf den steilen Feldern am Berghang sehen wir Männer umgraben, Frauen ernten in gebückter Haltung Kartoffeln. Da sich der Weg des öfteren teilt, nutzen wir „GPS-losen“ unser „PPS“ – „parar, preguntar, seguir“ („anhalten, fragen, weiterfahren“), es klappt super.

Wir passieren schiefe, alte Bauernhäuser. Große Schäferhunde rennen entweder vor uns weg oder bellen uns zornig an. Bleiben wir abrupt stehen, laufen sie verschreckt weg, ein neuer Trick.

Die Straße wird einsamer, die Distanz zwischen den Häusern nimmt zu. Wir begegnen kaum noch Menschen. Da tauchen auch schon die ersten frailejones auf, manche blühen gelb. Es sind die typischen Pflanzen des páramo, der baumlosen Hochebene, in die wir uns sofort verlieben. Es ist so schön hier, da sind doch jegliche Anstrengungen sogleich vergessen! Die Wolken hängen gespenstisch tief und dunkel am Himmel, als könnte es bald losregnen. Uns umgeben weite Senken und weich geschwungene Berge. Wie im Märchenland bewuchern gelbe Blumen, Büsche und vor allem frailejones die Hänge. Stille umgibt uns. Niemand ist hier. Wir hören kein Motorengeräusch und kein Hundegebell. Es ist so ruhig, dass ich sogar den Flügelschlag des nahe vorbeifliegenden Vogels höre.

Hardy findet einen schmalen Pfad, folgt ihm und kommt mit einem Grinsen zurück. „So einen abgefahrenen Zeltplatz hatten wir lange nicht mehr!“, meint er. Tatsache, wir bauen das Zelt auf einer kleinen Hochebene auf, hinunter führt der Pfad in einen Frailejoneswald. Dort findet Hardy sogar eine Quelle. Wie gerufen lukt noch einmal die Sonne hervor und taucht alles in ein warmes Licht. Die Wolken brechen auf und blauer Himmel kommt zum Vorschein. Wir nutzen die Chance und kochen fix, denn als die Dunkelheit hereinbricht, wird es bitter kalt. Wir sind nun auf etwa 3000 Meter Höhe.

Auf losem Schotter arbeiten wir uns im Schneckentempo voran. Es ist ganz schön steil. Es ist so abgefahren, so weit unser Auge reicht, ist alles voller frailesjones. Ich kann das gar nicht fassen und sage immer wieder: „Hardy guck mal, alles ist voll!“, der ganz abgeklärt gibt sich cool, kennt er doch dieses Landschaftsbild bereits von seiner Wanderung in den Nationalpark El Cocuy.


Auf 3700 Metern erreichen wir mittags die Rangerstation. Wir merken die Höhe, uns geht bei der Anstrengung schnell die Puste aus und im Kopf wird uns schwindelig.

Beim netten Nationalparkwächter lassen wir die Räder und unternehmen eine kleine Wanderung auf dem Rundweg zum Aussichtspunkt und einer Lagune. Vom mirador aus genießen wir den Ausblick auf den See.


Die 18km Abfahrt auf losem Schotter sowie auf feinstem Kopfsteinpflaster sind fast anstrengender als der Aufstieg. Auf einer Kuhwiese finden wir einen Schlafplatz mit tollem Weitblick.

Nach den kleinen Örtchen El Ángel und Mira sausen wir auf einer 28km langen Abfahrt dahin. Uns umgibt eine karge, trockene, sehr windige Landschaft. Kakteen wachsen hier. Wir müssen kräftig reintreten, denn uns weht ein zäher Wind entgegen. Dann kommen wir wieder auf die Panamericana zurück. Ätzend ist das, ein nicht abnehmender Verkehrsstrom und laute motorisierte Geräuschquellen nervt uns.

Am späten Nachmittag richtig zur Sache. Die „wenigen“ 28km bis ins nahe Ibarra gehen nämlich steil bergauf. Die „Warnung“, dass die ecuadorianischen Straßen durchaus mal eine 10% Steigung aufweisen, bewahrheitet sich leider. Serpentine folgt auf Serpentine. Oben angekommen, haben wir dafür einen tollen Ausblick auf die sich unter uns befindenden Felder. Hier wird vor allem Zuckerrohr angebaut. Die trockenen Boden sind von Bewässerungsgräben durchsetzt.

Ibarra und Lago Yamacocha

Kurz bevor wir ins Stadtzentrum Ibarras einkehren, fängt uns Hans ab. Der deutsche Aussteiger zog vor wenigen Jahren mit seiner Lebensgefährtin Patricia und deren Tochter her. Am nahen See, dem Lago Yamacocha, rodeten sie ein großes Grundstück und sind dabei dort den Campingplatz „Sommerwind“ aufzubauen.

Hans lädt uns ein dort ein paar Tage in seiner sehr ruhigen, gemütlichen Idylle zu bleiben. Nur die Rennbahn (Formel 3), die sich genau zwischen dem Grundstück und dem See befindet, stört ein Wenig. Das laute Getöse der Renn-Wagen ist ein andauerndes Dröhnen im Hintergrund. Der alte Bauer, der auf Hans Grundstück seine Pferde weiden lässt, sitzt fasziniert am Gartenzaun, für ihn ist das besser als Fernsehen.

So bauen wir unser Zelt neben dem Wohnwagen des alten Argentiniers Che auf, der den Platz betreut. Dieser ist ein sehr interessanter Mensch, der uns viele seiner abenteuerlichen Lebensgeschichten erzählt. Zehn Jahre lang fuhr er mit seiner Yacht um die Welt und schaufelte, besonders in Europa, unter anderem als Golflehrer und Immobilienmakler sehr viel Geld an. Letzteres Aspekt sowie den Luxus seiner vielen Villen wiederholt er immer wieder, was uns ein ganz klein wenig nervt. Leider wurde Che an der Küste Ecuadors mit vorgehaltener Pistole 85.000$ beraubt, als er damit ein großes Stück Land kaufen wollte. Nun hat er mit Hans Hilfe das Kapital wieder zusammen. Beide wollen dort Balsa-Bäume anbauen, um sie nach Europa zu exportieren und in drei Jahren ein hübsches Sümmchen zu machen. Auch Hardy versucht Che in den Vertrieb der Hölzer in Deutschland mit einzubeziehen. Der antwortet, er wolle erst mal seine Reise zu Ende führen und würde dann mal schauen ober ins große Holzgeschäft einsteigen möchte.

Wir verbringen zwei sehr ruhige und schöne Tage am Lago Yamacocha und sehen uns Ibarra an. Wohl die fünft größte Stadt des Landes. Zwei schöne Plätze gibt es hier sowie ein altes Ford. Wir probieren das leckere Eis einer berühmten Eisdiele und das hier hergestellte Nougat. Es schmeckt quietsche süß, geht so.

Wir lernen Che sowie die zwei Gärtner, Oswaldo und seinen Bruder sowie ihre niedliche Kinder besser kennen. So laden sie uns am letzten Abend laden zu einem argentinischen asado ein. Großspurig erläutert Che den langwierigen Garvorgang. Das Huhn, welches Oswaldo aus seiner eigenen Hühnerfarm mitgebracht hat, wird 2 ¼ Stunden lang nur über Glut gelagert und mit Pappe abgedeckt. Dazu wird auch chuleta gegrillt. Ihre kleinen, rundlichen, dauernd kichernden Frauen bereiten einen Salat zu.

Der lustige Abend vergeht ganz ohne den Konsum von Alkohol. Che berichtet, dass die beiden Arbeiter einige der wenigen Männer hier im Land seien, die keinen Alkohol trinken würden. Viele versaufen den freitäglichen Wochenlohn sofort und kämen erst samstagmorgens total blau nach Hause, ohne Geld für die folgende Woche. Unsere Gesprächspartner sind die einzigen der acht Angestellten von Hans und Patricia, die das Geld aufbringen können, um sich ein Auto zu leisten.

Am 17. Februar finden Präsidentschafts- sowie Abgeordnetenwahlen in Ecuador statt. Wild wurde in den letzten Wochen Werbung für die verschiedenen Parteien gemacht. Die Parteien hier haben Nummern, so gibt es die 3, die 65 und so weiter. Rafael Correa der Regierungspartei 35 wird zum zweiten Mal wieder gewählt. Er hat 72% der Stimmen inne, im Parlament hat seine Partei die Mehrheit errungen. Correa ist im Vergleich zu seinen Anfangsjahren noch beliebter geworden. Er gewinnt mit 10% mehr als zuvor.

Von vielen Ecuadorianern erfahren wir, dass sie sehr zufrieden mit diesem Präsidenten seien. Er wäre der erste, der nicht Geld in seine eigene Tasche schaufelte und sich dann ins Ausland absetzte, sowie viele zuvor, sondern etwas für Ecuador tue. Den Menschen hier ginge es anscheinend so gut wie nie zuvor. So ist es kein Wunder, dass Rafael in allen Varianten an Wänden abgebildet ist. Ein Slogan lautet: „ Ya tenemos presidente, tenemos a Rafael“ („Wir haben schon einen Präsidenten, wir haben Rafael“). An vielen Häuserwänden sehen wir große Plakate hängen. Die Leute hier machen dies von sich aus, kostenlos und werden nicht von den Parteien dafür bezahlt. Sie sind auch nicht Mitglieder in der jeweiligen Partei. Sie möchten freiwillig ihren Favoriten unterstützen.

La Esperanza

Nur 15km fahren wir auf steiler, total ätzender Kopfsteinstraße ins kleine, verschlafene La Esperanza und zelten im Garten des netten Hostals Aida. Die alte Besitzerin gleichen Namens zeigt uns stolz ihr dickes Gästebuch des bereits 40 Jahre alten Hostals. Vor Jahren, als die magic-mushrum-Welle ihren Höhepunkt hatte, kamen Ströme an Hippies und Filmschauspielern her. Nun scheint das Hotel in die Jahre gekommen zu sein.

In der Nacht hören wir Getöse, nahe läuft irgendjemand mit Taschenlampe und Brechstange an unserem Zelt vorbei. Dann kommt jemand vom Hotel und meint, wir sollten schnell die Räder in eines ihrer Privatzimmer stellen, damit sie, trotz zweifacher Schlösser, nicht geklaut werden. Auf dem Schuppendach hinter uns wurden Schritte gehört. Vom Hotelboy werden, per Taschenlampe, alle Schlösser der angrenzenden Zimmer gecheckt. Die Polizei kommt, schaltet Sirenen an und schießt zur Warnung in die Luft. Was für eine Aktion, danach ist an Schlaf nicht mehr zu denken.

Am Morgen erfahren wir, dass der gefährliche Bösewicht mit Sicherheit nur ein Opossum war, das auf dem Schuppendach herumturnte.

Eigentlich wollen wir heute den nahen 4609m hohen Vulkan Imbabura besteigen. Aber das Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung. Es ist total bewölkt, regnet viel und klart erst zu Nachmittag auf. Eine deutsche Backpackerin taucht im Hostal auf, mit ihr zusammen verbringen wir quatschend den Tag. Es ist sehr interessant zu beobachten, wie sehr sich doch das Verhalten des jungen Hotelguides in ihrer Anwesenheit verändert. Er ist plötzlich an unserer Gruppe interessiert, sucht das Gespräch und schawänzelt andauernd um sie herum.

Richtung Quito

Trotz immer noch anhaltenden Regens, machen wir uns am späten Vormittag des folgenden Tages auf den Weg in Richtung Quito. Eine 20km lange Kopfsteinpflaster-Etappe erwartet uns. Zum Glück sind die Steigungen eher sanft. Aber lange dauert es dennoch.

Schade, dass es so wolkenverhangen ist, von der Bergwelt um uns herum nehmen wir nur wenig wahr. Es werden Getreide, Mais und Kartoffeln angebaut, Eukalyptusbäume stehen am Wegesrand.

Kühe, Schweine und Schafe werden gehalten, letzteres ist neu. Zwischen den Häusern, aus Lehm gebaut, luken Kinder in Trachten hervor.

Die Mädchen und Frauen hier tragen viele Lagen an Röcken übereinander, darüber einen Wollpullover und meistens schmückt ein buntes Tuch ihren Rücken, welches als Bündel zusammengebunden ist. Tolle Hüte schmücken ihren Kopf, darunter hüpft ein geflochtener Zopf hin und her.

Am Nachmittag fängt es wieder furchtbar an zu regnen. Wir sind durchnässt. Es ist kalt. Die Häuser sehen alle nicht so aus, als wollten wir hier nach einem Übernachtungsplatz fragen, eh ist kein Mensch in Sicht. So fahren wir weiter, ganz langsam und hoffen nicht zu stürzen. Im kleinen Ort Ayora gibt es kein Hotel, die Kirche muss her. Und nach kurzem Zögern bekommen wir von den netten Nonnen sogar ein eigenen Zimmer mit Auslegeware. Mensch, wann hatten wir denn zuletzt Teppich?! Wir versuchen nichts schmutzig zu machen und ziehen uns erst mal um. Dann werden wir von den Nonnen noch zur Suppe und zum Tee eingeladen und erfahren, das eine von ihnen aus Italien stammt. Sie ist einst den Jakobsweg gepilgert und schreibt uns einen Pilgergruß zum Abschied auf unsere Strand-Nudeln.

Nur noch 80km trennen uns von Tumbaco und der casa de ciclistas. Aber erst mal möchten wir unbedingt einen Stopp an der Äquatorlinie einlegen. Auf diesen Meilenstein freuen wir uns schon besonders lang. Und dann ist sie plötzlich da, die Linie. Sie verläuft als eine kopfsteingepflasterte Linie über einen großen, runden Platz, der eine Sonnenuhr darstellt. In der Mitte steht eine große, gelbe Säule mit den Koordinaten. Obwohl es früh am Morgen ist, sind bereits andere Touristen hier. Wir werden angesprochen und fotografiert, eigentlich hätten wir diesen Moment gern für uns allein gehabt. So werfen auch wir uns in diverse Fotopositionen, mal auf, mal neben der Äquatorlinie. Als der Trubel verebbt ist, lassen wir uns nieder und trinken einen Kaffee. Toll, das wollte ich schon immer mal machen, mit einer Po-Hälfte auf der Nord- und der anderen auf der Südhalbkugel sitzend.

Die restlichen Kilometer treten wie danach fleißig herunter und treffen uns am Nachmittag im Park von Tumbaco mit Santiago. Santiago betreibt hier im kleinen Ort, 15km östlich von Quito gelegen, schon seit über 20 Jahren die casa de ciclistas. Er und seine Familie wohnen in einem großen, alten kolonialen Haus. Im Hof schraubt er an high end Fahrrädern herum und verkauft diese. Entsetzt zeigt er uns seine neue Ortliebtasche, eine Sonderedition, auf der die südamerikanische Landkarte abgebildet ist. Auch wir stellen mit Schrecken fest, dass neben geographischen Fehlern in Bezug auf Inseln und Panama, Ecuador so ganz fehlt. Da reicht Peru bis an Kolumbien heran. Santiago kann es nicht fassen, wir ebenso wenig und übersetzen Santiagos empörten Brief an Ortlieb.

Wir bekommen ein Zimmerchen für uns und fühlen uns wohl bei der netten Familie. Auch unserer Räder hier zu lassen, das ist keine Problem, denn wir haben große Pläne. Als Backpacker wollen wir in den nächsten Tagen nach Nordperu fahren, um in Cajamarca Hardys Schwester und ihre Familie wiederzusehen. Wir freuen uns schon, denn ein Treffen fand zuletzt vor über zwei Jahren statt!

In der Galerie findet ihr die Fotos zu diesem Artikel (Nord-Ecuador) sowie zum letzten Artikel (Kolumbien: Medellin bis Ipiales)!

Posted in Ecuador

Von Medellín nach Ipiales (Kolumbien/Januar 2013)

Auf Abwegen nach Manizales

Am 1. Januar machen wir uns zusammen mit den beiden Radlern Matt und Susi auf den Weg ins Hinterland südlich von Medellín.

Zunächst geht’s nur bis nach San Antonio de Prado hinauf, um uns vor’m Radladen CicloCampeón von Manuel und Martha von allen zu verabschieden. Viele Leute sind da, denn heute fahren auch Alex und Luís auf ihre große Reise. Sie wollen zum Flughafen radeln, nach Feuerland fliegen und dann bis nach Peru hinauffahren.

Zusammen mit ihnen und ein paar weiteren Rennradlern werden wir den heutigen Tag verbringen. In einer Meute mit viel Gejubel geht es voran. Wir müssen erst einmal Medellín kreuzen, um uns dann in 15 sehr anstrengenden Kilometern auf der Ostseite der Stadt den Berg hinaufzuarbeiten. Es ist heiß. Ich krieche nur so voran.

An einem Aussichtspunkt warten die Frauen und Kinder Luís und Alex seit geschlagenen drei Stunden auf uns. Wir werden zu einer Cola und einer arepa mit Käse (arepa con choclo) eingeladen. Super!

Dann trennen sich unsere Wege, denn wir vier wollen nach einen Schlafplatz Ausschau halten. Wir landen auf dem Acker einer netten Familie, die uns heißen Kakao anbietet. Endlich ist auch Zeit für Hardys Geburtstagskuchen und seine Geschenke. Er bekommt Schokolade, einen neuen Kompass, sowie zwei Spiele und freut sich.

Zusammen mit Matt und Susi fahren wir über Hinterstraßen durch schönste Landschaft und kleine, urige Dörfer. Die Abendsonne wirft weiche Strahlen auf schräge Erdhänge. Die magische Stunde hat begonnen. Im schönsten Licht erstrahlen Kartoffeläcker mit ihren ordentlich gezogenen Furchen. Auch riesige Erdbeerfelder gibt es. An einem kleinen Haus kaufen wir für den Abend gleich drei Kilo und füllen den Wassersack auf. Kurz darauf finden wir vor Mesopotamia einen sehr schönen Schlafplatz auf einem Hochplateau. Ich frage vorbeigehende Bäuerinnen, ob es in Ordnung sei, wenn wir hier zelteten. „Natürlich, das macht das Militär auch immer wenn es kommt, aber die fragen nie!“, ist die prompte Antwort.

Der folgende Tag geht gehörig in die Hose. Eigentlich wollen wir in Mesopotamia abbiegen, um auf einem kleinen Weg nach Abejorral zu gelangen. Auf unserer Karte ist er als eine gestrichelte Linie eingezeichnet.

Anscheinend nehmen wir die falsche Lehmpiste, wie wir nach Stunden feststellen. Zuvor geht es hoch und runter und wieder hoch und so weiter. Die Straße besteht aus Schotter, Lehm oder losen Felsbrocken und ist eigentlich als solche gar nicht zu benennen. An vielen Stellen müssen wir schieben. Teilweise ist sie so steil, dass Hardy und ich mit unseren schwer beladenen Rädern nur sehr sehr schwer vorankommen. Susi und Matt helfen uns mit schieben, ziehen oder zerren.

Irgendwann treffen wir auf zwei Männer, die am Wegesrand auf ein Ersatzteil ihres kaputten, schwer mit Kartoffeln beladenen Traktors warten. Sie bescheinigen uns dann die bittere Wahrheit: dies sei die falsche Straße. Sie führe bald zu einem Fluss und gehe dann über in einen sehr schmalen nicht zu befahrenen Weg, der nach Sonsón gelangen soll. Letzteres wollten wir eigentlich umfahren. Niedergeschlagen machen wir erst mal eine Pause und beratschlagen uns. Umkehren und alles noch einmal fahren? Darauf hat keiner von uns Lust, dann doch lieber den unbekannten Weg einschlagen.

Dieser ist noch härter und anstrengender als der vorherige Abschnitt. Als erstes erwartet uns eine deftige, sehr lange Steigung. Wieder schieben Hardy und ich unsere Räder mit vereinten Kräften und vielen Pausen den Hang Zentimeter für Zentimeter hinauf. Die Belohnung ist ein wunderschöner Ausblick auf die andere Seite der Berge. Wir sehen bereits die asphaltierte Straße nach Sonsón auf die wir wollen. Sie liegt allerdings ein gutes Stück entfernt und auf der anderen Seite des Tales. Das müssen wir erst mal kreuzen.

Dann wird der Weg wirklich zum matschigen Pfad. Auf diesem wäre Wandern schon anstrengend gewesen. Denn über Huckel und Buckel geht auf auf und ab. Teilweise ist der Pfad gar nicht vorhanden. Einer geht voran und lotet den besten Weg für die Räder aus. Viel schieben wir, eigentlich nur. Es geht über Privatgelände. Wir öffnen und schließen diverse Gatter. Dann schlängeln wir uns durch ausgewaschene Rillen, die so eng sind, dass Hardy und ich dauernd mit unseren Vordertaschen hängenbleiben und anscheuern. Zuguterletzt bauen wir sie ab und wuchten sie hinten auf unser restliches Gepäck. Nun passen wir vorne durch die Enge, haben dafür hinten ein enormes Gewicht, dass zu schieben und zerren ziemlich schwierig ist. Manchmal, wenn es bergauf geht, setzen sich unsere Räder auf ihr Hinterteil und strecken Lenker sowie Vorderrad in die Lüfte. Dann brauchen wir Hilfe, denn jeweils allein kriegen wir sie nicht auf die zwei Räder zurück. Einmal fällt Hardy fast einen steilen Hang hinunter. Zum Glück kann er sich sowie sein Rad gerade noch halten, bis ich ihm zu Hilfe eilen kann.

Es gibt so viele Abzweigungen. Wir nehmen mal wieder die Falsche und verlaufen uns. Matt ist schneller als wir und brettert die engen Lehmwege voraus, auf denen wir nur mühsam mit Susis Hilfe voran kommen. Wir sehen ein Haus vor uns und hören eine Frau schreien. Oh, Matt hat wohl Probleme bekommen, denken wir, nichts Gutes ahnend. Doch dann beginnt auch er zu schreien und macht uns mit Gesten deutlich wir sollen doch hinüberkommen.

So landen wir auf dem kleinen Hof vom alten Ehepaar Cecilia und Luís. Cecilia bringt uns immer noch schreiend einen heißen Kaffee herbei. Wir erfahren, dass sie hier alleine leben. Der Hof ist sehr abgeschieden, er kann nicht mit einem Auto erreicht werden. Cecilia unterhält sich anscheinend immer schreiend mit allen Personen, die sie auf den anderen Hängen zu Gesicht bekommt. In normaler Lautstärke reden kann sie gar nicht mehr. Luís wandert einmal im Monat zur geteerten Straße hinab, um per Bus in den nächsten Ort zu fahren, um Käse zu verkaufen und Lebensmittel einzukaufen. Diese werden dann mit Pferdeskraft zum Haus hinaufbefördert. Cecilia verlässt nur alle drei Monate das Anwesen. Ab und an kommt einer der Enkel vorbei, um Gesellschaft zu leisten. Sie ist erfreut über unseren unerwarteten Besuch. Wir werden mit weiterem Kaffee und panela (heißem Rohrzuckerwasser) überhäuft. Uns wird sogar Mittagessen gekocht. Auf unsere Frage, ob wir hier heute Nacht campen dürften, bezieht Cecilia gleich die alten Betten ihrer nun erwachsenen Kinder für uns. Hardy, Matt und Susi gehen im Abendrot mit auf den Hang die Kühe melken. Das kann Cecilia sehr gut. Mit geübten, muskulösem Händedruck quetscht sie an den Eutern der sich zu wehren versuchenden Kühe herum. Bei Hardy und Matt klappt es dagegen kläglich. Abends sitzen wir in der vom Herdfeuer geheizten Küche und werden wieder bekocht. Rund und gefüllt schwanken wir dann früh sehr geschafft in die Betten. Ein harter Tag war das.

Nicht ohne ein deftiges Frühstück mit Suppe, Reis, Kartoffeln, Spiegelei und chicharón (sehr eklige, fettige Schweinehaut) dürfen wir am Morgen das Haus verlassen.

Es geht weiter zur Sache auf schlechtesten Pfaden, aber zum Glück meistens bergab Richtung Fluss. Susi und Matt gehen baden, während Hardy versucht sich von seinen bereits beginnenden Verdauungsschwierigkeiten zu erholten. Er schiebt es auf das chicharón. Es kommt aus allen Öffnungen wieder heraus.

Leider geht es bei sengender Sonne weitere zähe Kilometer auf losem Schotter den Hang hinauf. Endlich auf der langersehnten asphaltierten carretera braucht Hardy eine Pause. Hier trennen wir uns von Matt und Susi, denn mit Hardys Magenbeschwerden sind wir sehr langsam unterwegs. Tatsache kommen wir heute auch nicht mehr weit, denn dauernd muss Hardy hinter Bäumen oder Häusern verschwinden. Ihm geht es wirklich schlecht. Neben einer Schule können wir für heute bleiben. Einen funktionierenden Wasserhahn finden wir auch. Vor dem Gebäude gibt es ein Fußballfeld. Es ist schön hier, Blumen schmücken das saubere Gelände. Kinder kommen und spielen, wir verziehen uns hinter die Schule. Zum Glück kommen sie nicht zu uns und lassen uns in Ruhe. Denn so können wir stundenlang herumliegen. Mir geht es inzwischen auch schlecht. Auch ich habe die Kotzerei bekommen, aber im hohen Bogen. Müde und mit schwacher Kraft baue ich kurz vorm Sonnenuntergang das Zelt auf, wir schleppen uns hinein, mehr geht heute nicht.

Am Morgen geht es Hardy besser, aber ich habe keine Energie. Für die 12km nach Sonsón brauchen wir zwei Stunden. Ein Hotel muss heute her. Ich bin fertig und will nur liegen. Auf dem Platz treffen wir Susi und Matt wieder und verabschieden uns von ihnen. Sie wollen weiter. Hardy findet bald ein Hotel und ich verschlafe den Rest des Tages.

Sehr anstrengend geht’s es auch am folgenden Tag zur Sache. Eine tiefe Schlucht trennt uns vom nächsten Örtchen, Aguadas. Um dorthin zu gelangen geht es lange auf Schotter steil bergab. Zuerst durchfahren wir Höhen, in denen Kaffee- und Bananenpflanzen angebaut werden. Je tiefer wir schlittern, desto wärmer wird es. Bald sind wir im Zuckerrohranbaugebiet. Hier ist es unerträglich heiß. Auf Schotter hinabzurollen, ist kein Vergnügen, insbesondere, wenn die Steinchen unter den Reifen wegrutschen. So einige Male verliere ich fast die Kontrolle über mein Rad und entscheide mich lieber zu schieben.

Unsere Handgelenke schmerzen, die Nackenmuskeln sind angespannt, als wir endlich das Ende der Abfahrt, den Fluss, erreichen. Im Schatten machen wir eine Pause und stärken uns mit Brot, Tomate, Käse und Bananen. 

Denn nun geht es bergauf. Zwei Stunden lang quälen wir uns super langsam die Serpentinen wieder hoch. Irgendwann soll ein Wendeplatz kommen. Ab diesem Punkt fahren wohl Busse die schmale Piste den Berg hinauf. Matt hatte uns eine Email geschrieben und uns sehr empfohlen diesen Bus zu nehmen.

Wir warten gut eine halbe Stunde auf die Ankunft einer escalera, eines alten, offenen, buntbemalten Busses, der neben den Fahrgästen auch alles mögliche transportiert. Die Räder kommen aufs Dach, das ist kein Problem, das Gepäck in die Sitzreihen. Wir müssen nichts extra bezahlen. Und sodann beginnt die zweistündige, sehr abenteuerliche Fahrt. Langsam kämpft sich der starke Motor auf der steilen, holprigen Piste hinauf. Er nimmt die volle Breite des Weges ein. Es staubt total, wir ziehen uns Tücher vor den Mund und die Nase. Zum Glück sitzen wir in der Mitte der Sitzreihen, so dass ich nicht sehen muss, wie nah die Räder an der steilen Abbruchkante der Piste entlang schrammen. An der anderen Seite nimmt der Bus immer wieder Pflanzen mit, deren Teile dann in den Innenraum fliegen. Ich denke, hoffentlich passiert den Fahrrädern nichts und hoffentlich stürzen wir nicht den Abhang hinab.

Der junge Busfahrer scheint recht geübt in seiner Tätigkeit, heil erreichen wir am Abend Aguadas. Von der Anstrengung und dem Durchgeschüttelt-Werden sind wir völlig fertig. Noch ein Hotel muss her. Auch ist es schon so spät, dass Hardy essen gehen möchte. Im Minihotelzimmerchen wäre das Kochen zudem kein Vergnügen. Mit Blick über den kleinen, bunt beleuchteten Platz des Örtchens lassen wir es uns von der Terrasse des Restaurants schmecken. Es gibt eine Suppe, frisch gepressten Saft und einen großen Teller mit Reis, Bohnenmatsche, Fleisch und frittierter Kochbanane.

Auf unserem weiteren beschwerlichen Weg passieren wir weitere kleine, wunderschöne Berg-Dörfer wie Salamina und Neira. Immerhin ist die Straße nun meistens asphaltiert. Die deftigen Steigungen lassen uns weiterhin ins schwitzen kommen und des Abends todmüde ins Bett fallen.

Auf einer dieser Steigungen hält plötzlich ein Auto neben uns. Zwei Gatorade-Flaschen werden uns durchs Fenster gereicht. Drinnen sitzt Mauricio mit seinem Sohn. Er lädt uns nach Manizales ein. Wir könnten bei einem Freund von ihm wohnen, der auch Fahrradfahrer sei, sagt er. Auf einem Zettel erhalten wir Telefonnummern. Wir freuen uns sehr und versprechen uns zu melden.

Manizales

So landen wir schließlich am Ende dieser anstrengenden einwöchigen Etappe im Hause von Vacho, am Rande Manizales. Der große, rundliche Vacho fuhr vor einigen Jahren mit den Fahrrad hinunter bis nach Argentinien und wieder hinauf bis nach Brasilien. Nun schraubt der Mechaniker an seinen Motorcrossrädern ‚rum und liebt es mit seinen Freunden damit durch die Kante zu düsen.

Wir bekommen im Wohnzimmer eine Matratze auf den Boden gelegt und finden diese urgemütlich. Dennoch erheben wir uns, um uns die Stadt anzusehen. Auf dem Kamm von zwei Bergen zieht sich die Stadt Manizales entlang, die ärmeren Stadtbezirke kleben an den Hängen. In diesen Tagen ist feria, Volksfest. Erstmals finden diverse sportliche Wettkämpfe wie zum Beispiel ein Seifenkistenrennen statt. Zuvor soll es laut unseres Gastgebers nur den von den Spaniern hergebrachten, brutalen Stierkampf gegeben haben. Von Kindern werden in bunten Trachten Folklore dargeboten.

Salento

Nach Salento gelangen wir recht fix auf der Panamericana voran, denn eine sagenhafte Abfahrt auf einem breiten Seitenstreifen lässt uns fliegen. Wir sind nun froh zuvor den harten Schlenker gemacht zu haben, denn so erfuhren wir viel mehr von der berühmten Kaffeeregion, der zona cafetera, als nur von der Schnellstraße aus.

Im kleinen, aber sehr touristischen Ort Salento wimmelt es nur so von Menschen, denn es ist Wochenende. Wir schlagen unser Zelt im Garten eines Hotels auf und begeben uns zusammen mit anderen Touristen per Jeepfahrt ins nahe Valle de Cocora, dort gibt es die Wachspalmen zu bestaunen, das Wahrzeichen Kolumbiens.

In den zarten Strahlen der aufgehenden Sonne erscheinen die dünnen, langen Palmen magisch. Sie wachsen zahlreich an den offenen Berghängen.

Armenia

In Armenia besuchen wir unsere Freundin Diana. Bei ihr lebte Hardy lange Zeit in Bogotá, als er sich von den Folgen seines Sturzes erholte. Genau in dieser Zeit hatte Diana ebenfalls einen Unfall, allerdings mit ihrer Vespa. Nun wohnt sie für einige Wochen bei ihren Eltern und macht Physiotherapie. Auf Krücken kann sie schon wieder laufen. Diese versteckt sie aber auf jedem Foto hinter ihrem Rücken.

Mit einem Taxi fahren wir ins Zentrum, dort zeigt uns Diana alles was es zu sehen gibt. Vor einigen Jahren war Armenia während eines Erdbebens fast völlig zerstört worden. Jegliche Gebäude wurden in Rekordzeit wieder aufgebaut, nicht besonders schön, aber alles steht wieder. Daher kommt auch der Beiname Stadt der Wunder. In einer Eisdiele lassen wir uns einen Fruchtsalat schmecken und quatschen über die vergangenen Wochen.

Buga

Von Armenia geht es hinab ins Valle de Cauca, das Tal, in dem sich der gewaltige Fluss Cuaca entlang windet. Wir kommen gut voran und schaffen über 100km. Bereits als wir den Ort Tulúa durchfahren fällt uns auf, dass hier wieder wie in Zentralamerika die Läden sowie die Fenster mit dicken Metallgittern verrammelt sind. Verkauft wird durch das geschlossene Gitter, man kann den Laden selbst nicht betreten. Auch später in Buga ist dies so. Eine Nonne in der Kirche erklärt uns, dass es insbesondere in Tulúa gefährlich sei.

Heute wollen wir bei der Feuerwehr schlafen. Das geht wohl gut, haben wir in einem Blog einer anderen Radlerin gelesen, die hier vor etwa zwei Jahren entlangfuhr. Doch der freundliche Rezeptionist sagt dies sei nun verboten, es gäbe einen neuen Kommandant. Aber er weiß Rat und ruft einen bekannten Radler an. Jonathan erscheint eine Viertelstunde später auf seinem Fahrrad. Lustig, auch er war einst in der casa de ciclistas in Medellín zu Besuch. Ich hatte im Gästebuch ein Foto von ihm gesehen. Jonathan quartiert uns bei seinem Freund Walter ein. Zusammen gehen wir Abends eine sehr leckere Pizza essen.

Auch den folgenden Vormittag verbringen wir mit Jonathan. Er arbeitet als Rettungsschwimmer in einem Erholungspark und läd uns ein. Es ist fast nichts los und so hängen wir gemeinsam im Pool unter der warmen Sonne ab oder probieren die gewaltige Wasserrutsche aus. Der Blick wandert auf die uns umgebenden Zuckerrohrfelder und die dahinter liegende Bergkette.


Bolo

Mittags raffen wir uns auf und treten noch rund 50km in die Pedalen. Obwohl es unerträglich heiß ist, bin ich froh die Zuckerrohranbauregion zu sehen. Auf immensen Feldern wird dieses hier angebaut. Kleine Flugzeuge kreisen über ihnen, um Insektizide zu versprühen. Aus den Feldern rollen gigantische Lastwagen mit vier Anhängern bis unter die Unterkante beladen mit Zuckerrohr auf die Panamericana in die nahe Fabrik. Sie werden als trenes, als Züge benannt.

Im Miniort Bolo, indem es nicht einmal ein Hotel gibt, fragen wir in der kleinen Kirche nach Unterkunft und werden von der freundlichen Schwester in die nahe Ecoaldea Nashira geführt. Das ist ein Projekt, geleitet von Frauen, indem rund 260 Menschen leben, zumeist Frauen mit ihren Kindern. Es wird Obst und Gemüse angebaut. Es gibt eine Wasserfilteranlage, ein Kompostklo, Hühnerhaltung und eine Recyclinganlage. In kleinen Reihenhäusern leben die Familien. Wir zelten in einem Bananenhain und unterhalten uns noch lange mit ein paar Frauen.

Popayán

Auf unserem Weg nach Popayán verlassen wir die heiße Tiefebene. Der Zuckerohranbau nimmt ab, Reis kommt hinzu. Auf einem abgelegenen Stück Einöde halten zwei Polizisten auf einem Motorrad neben uns an. Sie wollen uns eskortieren, damit uns nichts passiere, denn hier sei es gefährlich. Sie fahren etwa 5km hinter uns her, bis wir das nächste Dorf, bzw. Leben erreicht haben, dann drehen sie ab. Das ist das erste Mal, dass uns so etwas passiert.

In Santander de Quilichao schlafen wir bei John Javier (warmshowers) und seiner Familie. Er räumt extra für uns sein Zimmer. Wir finden diese Familie sehr interessant, besonders die kleinen Eltern. Seit Guatemala erleben wir zum ersten Mal, dass sich nicht in Spanisch, sondern in einer indigenen Sprache unterhalten wird. Wir verbringen den Abend zusammen und bieten unseren Nudelsalat an, so etwas kennen sie noch nicht.

Danach nimmt die Steigung zu. Die folgenden 80km sind harte Arbeit, dafür ist es angenehm kühl. Am Spätnachmittag erreichen wir müde Popayán. Wir sind an der Plaza de Torros mit unserem Gastgeber verabredet. Die beiden Brüder David und Fernando (warmshowers) leben in einem ärmlichen Randbezirk der Stadt. Bereits als wir zur Plaza fahren, sagt man uns, wir sollen bloß nicht weiter radeln, es sei zu gefährlich. Und auch als wir mit Fernando zu seinem Haus gehen, kommt uns ein Mann hinterher und sagt das selbe. Fernando meint, die Leute kennen ihn und David hier, wenn wir mit ihnen gingen sei das okay. Hier im Bezirk sei es recht ruhig, noch weiter oberhalb, da sei es gefährlich, da ginge auch er nicht hin. Wir sehen wieder mit Gittern verrammelte Läden. Ein paar Polizisten fahren auf Motorrädern in den barrio, die Hand an der Waffe.

Wir wohnen bei den beiden wirklich liebenswerten Brüdern, die in einem dieser typischen Häuser, die nur zur Straße hin einen Lichteinfall haben und sich sonst wie ein dunkler, stickiger Schlauch entlangziehen. In diesem Haus lebt auch noch Fernandos Sohn. Zwei Zimmer sind voll mit Sperrmüll. Ein Zimmer wird sich geteilt von einer Mutter mit ihrem pubertierendem Sohn. Dauernd laufen Leute hin und her, wir blicken nicht so ganz durch. Auch nicht, wo wir denn schlafen sollen. Denn es gibt keinen Platz für uns im ramschigen Künstlerhaus. Wir müssen bis spät nachts warten, bis das stickige Computer-Filmguckzimmer frei wird und wir die Isomatten dort ausbreiten können. Das ist nicht ganz unsere Zeit. Sonst gibt es auch nichts, wo man abhängen könnte. Alles ist dreckig, insbesondere die Küche und vom Bad will ich gar nicht reden. Schade für uns, denn die Bewohner scheinen sich ja hier wohl zu fühlen und sind auch sonst sehr sehr nett. Nachdem uns die Freundin von David in einer sehr ausführlichen Stadtführung alles gezeigt hat, beschließen wir, dass wir so unausgeruht sind, dass wir nicht weiterfahren wollen und ziehen in ein Hotel um. Das saubere und gemütliche Bett und Bad lässt große Freude aufkommen. Hier können wir endlich ausspannen.

Auf dem Weg nach Ipiales

Ganze sechs Tage benötigen wir, um uns über die Berge nach Ipiales zu arbeiten. Die Landschaft ist toll, endlich sind wir in den richtigen Anden. Die Berge werden schroffer und gewaltiger, sind aber immer noch mit grün überzogen. Toll ist es, wir genießen die Ausblicke.

Das Militär patrouilliert besonders viel auf diesem Abschnitt der Panamericana. Wir sehen Soldaten auf Motorrädern schwer bewaffnet an uns vorbei fahren. Am Straßenrand werden Autos und Lastwagen kontrolliert. Plakate werben für den Frieden, Guerilleros werden aufgefordert an ihre Kinder zu denken und ihre Waffen abzugeben.

Oft stehen auch sehr junge Soldaten am Straßenrand, das Maschinengewehr im Arm. Sie lächeln uns und den Autofahrer zu und heben den Daumen hoch. Das ist ein komisches Bild. Es heißt soviel wie „alles in Ordnung, ihr könnt weiterfahren“. Wir erfahren, dass einst das Militär ein sehr schlechtes Image hatte, da es im Kampf gegen die Farc unter anderem Zivilisten tötete, diese als Guerilleros verkleidete, um Erfolge aufzuweisen. Nun wird an einem Imagewechsel gearbeitet. Tatsache, so freundliche Soldaten haben wir selten erlebt. Uns scheint, dass das Militär im Gegensatz zur Farc heute ein positives Ansehen genießt. Oft wird uns erzählt, das es hier nur sicher sei, da so viele Soldaten vor Ort wären. Von den Leuten mit denen wir sprechen erfahren wir, dass die Farc in ihrem brutalem Kampf sowie ihren Drogengeschäften bei der Mehrheit der kolumbianischen Bevölkerung verspielt zu haben scheint.

Des öfteren sehen wir Jeeps der Ärzte ohne Grenzen an uns vorbeifahren. Weiße Flaggen wehen aus ihren Fenstern auf denen auch Abbildungen mit durchgestrichenen Waffen zu sehen sind.

Uns fällt die Vielzahl der Motorradreisenden auf der Panamericana auf. Dauernd kommen uns welche entgegen oder überholen uns. Nur wenige grüßen.

Auf die beiden Reiseradler Erec und Candice aus den USA treffen wir, als sie ’nen Platten haben. Die beiden wollen nachdem sie Argentinien erreicht haben auch Afrika, Europa und Asien beradeln. Hardy wird mal wieder neidisch, als er das hört. Seine Augen flimmern und er macht die wildesten Routenpläne um unsere Rückreise zu verschieben.

An meinem Hinterreifen macht es plopp, plopp, plopp. Wir sehen nach und sind von der Qualität dieses Continental-Mantel enttäuscht. Am Felgenansatz hat sich der oberste Layer aufgeribbelt. Der Reifen ist doch noch nicht alt, wir hatten ihn in San José/Costa Rica erst aufgezogen. Abgefahren ist er auch noch nicht. Schade, aber er kommt in die Tonne und einer unserer beiden Ersatzmäntel muss her.

Auf einem sehr kargen Abschnitt wird es trotz der Höhe über 40 Grad heiß. Alles ist trocken. Hier wachsen wieder Kakteen. Vor einem Haus werden auf schwarzen Planen Erdnüsse in der Sonne getrocknet. Hardy möchte welche kaufen und bekommt eine Tüte voll geschenkt.

Direkt am Straßenrand sitzen unter kleinsten Plastikplanenholzhäuschen alte, arm aussehende Frauen, die Gesichter von der Sonne gegerbt. Als wir sowie anderer Verkehr uns nähern, stehen sie wackelig auf ihrem Stock gestützt auf und bitten mit einem herzzerreißendem Stimmchen um Geld. Hardy gibt einer Frau Etwas. Sie hat Glück, sie ist die erste. Es folgen noch weitere. Zwei Frauen haben sogar schlaff ein Seil über die Straße gelegt und spannen es, als ein LKW naht. Dieser geht nicht vom Gas runter und sie lassen es wieder sinken.

Hier in Grenznähe sehen die Häuser verfallener und runtergekommener aus. Der Anteil der indigenen Bevölkerung nimmt zu. Wir hören die Menschen kein Spanisch reden. Unsere Freunde die Gringo-Rufe und das Angegafftwerden nehmen wieder zu.

Ipiales

Ipiales ist eine sehr hässliche Grenzstadt vor der wir gewarnt wurden. Tagsüber ist der Strom lahmgelegt, keine Ampel funktioniert. Wir hören das laute Brummen vieler Generatoren. Auf dem Platz bewacht lieber Hardy die Räder, derweil ich auf Hotelsuche gehe, zu viele komische Gestalten lungern herum. Bald wird er auch schon von drei betrunkenen Kerlen angesprochen, die sind aber nett. An Hotels gibt es nur Bruchbuden, in manche Gassen gehe ich lieber gar nicht erst rein. Ich finde eines, indem es sich aushalten lässt, wir wuchten die Räder und das Gepäck die Treppe hinauf. Dann will der Portiere doch tatsächlich mehr Geld haben, da wir die Räder mit aufs Zimmer nehmen. Wir sagen, dann gehen wir eben wieder und er gibt nach.

Schnell sputen wir uns dann, denn wir wollen uns die nahe Kirche Las Lajas ansehen. In der Schlucht soll einem taubstummen indigenen Mädchen einst die Jungfrau begegnet sein, woraufhin sie geheilt wurde. An dieser Stelle wurde dann das Sanctuario Las Lajas errichtet, eine gewaltige Kirche im gotischen Stil. Viele Dankestafeln schmücken den Weg zur Kirche. Es ist brechend voll. An einer Figur, die Wasser spuckt, wird sich heiliges Wasser in große Plastikflaschen Schlange stehend abgefüllt. Die Kirche ist ein beeindruckendes Bauwerk, sie thront auf einer Brücke über dem Fluss in der tiefen Schlucht.

Ipiales ist noch für etwas anderes berühmt. Eine Spezialität sind auf einem Spieß gebratene cuys. Ein Meerschweinchen kostet hier jedoch 30.000 Pesos, ungefähr 13 Euro. Das ist uns, bzw. Hardy zu teuer. Er wird auf Peru warten und es dort ausprobieren.

Vier Monate sind nun vergangen, seit dem wir in Kolumbien eingereist sind. Bis jetzt ist es das Land, indem wir uns am Längsten aufgehalten haben sowie eines unserer Favoriten. Besonders die Menschen hier mit ihrer offenen und herzlichen Art sind uns ans Herz gewachsen.

Wir haben selten wild gezeltet, da uns die Bevölkerungsdichte zu groß erschien und haben uns stattdessen oft bei netten Familien eingeladen und interessante Konversationen geführt. Fast immer waren die Leute an unser Wohl bedacht und stark daran interessiert, dass wir ein positives Bild von Kolumbien in die Welt tragen.

Von der Farc haben wir auf unserer Route anhand der starken Militärpräsenz nur indirekt mitbekommen. Wir haben uns von den immer noch schwelenden Konflikten nicht bedroht gefühlt.

In der Galerie findet Ihr Fotos zu diesem Artikel.

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