Tollster Asphalt begleitet uns fast drei Tage lang, als wir Cajamarca in Richtung Süden verlassen. Es rollt und rollt! Wie immer ist es kompliziert, den richtigen Weg aus der Stadt hinaus zu finden. Da hilft nur oft anhalten und nachfragen.
Endlich haben wir den hektischen Verkehr der vielen Mototaxis, Motorräder und Lastwagen hinter uns gelassen uns befinden uns auf ruhiger Straße, die uns durch wunderschönes, grünes, hügeliges Bergland mit viel Landwirtschaft nach Cajabamba bringen wird.
Am Straßenrand läuft eine alte Frau, in indigene bunte Trachten gehüllt. Es ist lustig, denn sie trägt auf dem Rücken einen knatsch orangen Rucksack. Das allein ist schon ein seltener Anblick, denn normalerweise transportieren die Frauen hier alles in einem Bündel. Aber nein, diese señora trägt einen Rucksack und bei genauerem Hinsehen erkennen wir, dass sie ihn falsch herum aufhat. Der Reißverschluss schaut nach unten.
Im Minidorf Chancay auf dem Bergrücken nach der Steigung ab San Marcos, dürfen wir an diesem Spätnachmittag unser Nachtlager im Saal des Gemeindehauses aufschlagen. Unwissenderweise bin ich gleich an den Bürgermeister geraten, „kein Problem“, sagt dieser. Es gibt sogar eine Dusche mit heißem Wasser!
Am folgenden Morgen erwartet uns im sanften Licht des anbrechenden Morgens eine sagenhafte Abfahrt ins heiße Tal, um einen Flusslauf zu queren. Wir befinden uns wieder auf Höhe des Bananen- und Zuckerrohranbaus und schwitzen. Alles ist trocken und staubig. Hier wirken die Dörfer ärmlicher und heruntergekommener.
Ein ewiges Auf und Ab befördert uns in angenehmere Höhen. Die Menschen grüßen. Uns passiert es aber auch, dass Kinder Angst vor uns haben und von der Piste herunter gehen, wenn wir an ihnen vorbeiradeln. Auch sehen wir, dass sie Steine in die Hand nehmen als sie uns sehen.
Ein leckeres Mittagessen beschert uns ein Lokal in Cajabamba und weiter geht’s.
In dieser Gegend wird sehr viel Eukalyptus angepflanzt. Ganze Plantagen gibt es. Wir brauchen ein Wenig, kommen aber darauf, wofür es verwendet wird. Der schnell nachwachsende Rohstoff wird für den Brand der hier überall hergestellten Lehmziegel verwendet. Neben den Häusern sehen wir Becken im Boden, die wir zuerst als Hahnenkampfarenas deklarieren. In ihnen wird jedoch die Erde mit Wasser gemischt. Ein Junge steht mit Gummistiefeln im Matsch und mischt ihn schwerfällig indem er darin herumtrampelt. Die fertig geformten Ziegel trocknen in der Sonne und werden anschließend in großen Öfen gebrannt.
Auch werden hier viele Schafe gehalten. Deren Wolle spinnen die alten indigenen Frauen auch beim Laufen am Straßenrand auf einer Spindel zu einem dünnen Faden. Kunstvoll werden damit später Teppiche oder Taschen angefertigt. Wir halten vor einem Haus an, vor dem uns 20m lange gespannte bunte Fäden in die Augen fallen. Drei Frauen sitzen mit ihren Kindern davor, schwatzen und weben vergnügt dabei. Hardy ist überwältigt, er fragt, ob er näher kommen darf und gerät per Späßchen mit den Frauen ins Gespräch.
Am frühen Abend erreichen wir das trostlose Chaquilbamba. Ein paar Häuser ziehen sich an der Hauptstraße entlang. Der Ladenbesitzer gegenüber der Schule hat glücklicherweise den Schlüssel und so landen wir schließlich im Direktorat der großen Anlage. Zu ihrer Unterhaltung hätten diese uns lieber in ihr mini Gästezimmer gesteckt, aber nach diesem anstrengenden Tag benötigen wir Privatsphäre.
Das Direktorat ist ein kleines Häuschen, indem nur ein schmales Pult mit einem Buch, in dem die Lehrer ihre Anwesenheit einschreiben und eine große Glocke an seine Funktion erinnern. Ansonsten ist der Raum per Plastikplanen in zwei Schlafzimmer mit Betten eingeteilt. Die Stromkonstruktion ist sehr abenteuerlich. Auf den drei freien Quadratmetern richten wir uns so gut es geht ein. Die Klassenräume erschrecken uns. In einer Klasse sollen 40-50 Schüler sein, hören wir. Ein Pult ist ans andere in die kleinen Räume gequetscht worden. Es gibt keinen Platz zum Laufen.
Am Morgen erreichen wir die Laguna Sausacocha und legen ein zweites Frühstück ein. Am Ufer des Sees gibt es sogar Bänke. Am Wochenende scheint das hier wohl ein Ausflugsziel zu sein, es werden bestimmt Forellen am Laufenden Band verkauft. Nun ist nichts los. Es nieselt leicht, ist jedoch mild.
Huamachuco
Im nicht weit entfernten netten Ort Huamachuco mit seiner schnuckeligen plaza, die Heckenschnitte in lustigen Tierformen schmücken. Es gibt ein Känguru und ein Alpaka mit Reiter. Als Hardy auf dem Markt einkauft und ich die Räder im Auge habe, kommt von sich aus ein altes Muttchen mit Strohhut und Röckchen zu mir und setzt sich neben mich. Zusammen studieren wir die Perukarte und sprechen über die hier hergestellten Hüte. Ich erfahre, dass diese nicht wie angenommen ewig halten und nach maximal vier Jahren ausgetauscht werden müssen. Ich bin erstaunt, da diese doch recht stolze Preise haben.
Wir füllen die Vorräte auf, denn bald wollen wir den Asphalt verlassen, um auf einer Abkürzung durch die Berge so einige Kilometer zu sparen. Zudem stresst der Fernverkehr, der sich hier in Richtung Küste dahinarbeitet und wir sind scharf darauf an dem Minen der vielen Goldgräber vorbeizufahren.
Noch 15km rasen wir mit den Lastwagen dahin, bevor wir nach Südosten die Straße verlassen. Gringo-Rufe verfolgen uns, wir werden abfotografiert. Ich bin etwas genervt. Da schreien uns Schulkinder vor einem Haus „money, money, money“ hinter her. Ich schleudere ihnen darauf nur „dinero, dinero, dinero“ entgegen – pädagogisch bestimmt nicht sehr wertvoll, aber es gibt solche Momente, da reicht es einfach. Bloß weg von dieser touristisch viel befahrenen Straße, hinein in abgelegene Gebiete.
Anstrengende Abkürzung
Die sogenannte unbekannte Abkürzung ab der Mine Arena stellt sich als harte Tour auf Sand, Schotter und Matsch heraus. Wir erwischen keine der beiden in google maps zu finden kleinen Wege. Hier gibt es jede Menge Pfade und nur mit Hilfe der wirklich netten und hilfsbereiten Menschen kommen wir in Richtung Mollepata voran.
So beschreibt uns beispielsweise Orlando, der Betriebswirt einer kanadischen Firma, die hier Gold sowie Kupfer im hardrock mining Verfahren abbaut sehr genau die verschiedenen Abzweigungen und Distanzen. Er ist froh für eine ausländische und keine peruanische Firma zu arbeiten, da diese einen höheren Lohn zahlen würden, auch habe er alle Sozialversicherungen. „Momentan liegt der Goldpreis für ein Gramm bei 180 soles“, erklärt er.
Nach einer deftigen Steigung mit Schiebeeinlagen auf loser Erde, erreichen wir den ruhigen Ort Santo Domingo. Ich frage zwei Kinder, ob ich bei ihnen Wasser auffüllen kann und lerne dabei den Vater kennen, der cuys essend in der angrenzenden Küchenhütte sitzt, auf dem Boden umringt von einer zahlreichen Schar quiekender, noch lebender Meerschweinchen.
Mit Hilfe der kecken zehnjährigen Tochter können wir in der ungenutzten Abstellhütte des Nachbarn schlafen. Sie ist sehr an unserem Kocher interessiert und fragt mich, wie ich Suppe zubereite. Sie hätte sich gern länger mit uns unterhalten, hat aber die kleine Schwester im Bündel auf dem Rücken und den kleinen Bruder am Rockzipfel, sie muss geschwind Abendbrot zubereiten.
Am folgenden, sehr anstrengenden Tag, brechen wir unseren Rekord in Sachen Langzeit- radeln. Auf dem Sattel, also reine Radelzeit, verbringen wir heute 8:28h.
Nach einer Pissstrasse, treffen wir im Örtchen Santa Clara auf eine breit gefahrene Schotterpiste, die vor allem von dem vielen Minenarbeitern genutzt wird. Es geht in den ersten drei Stunden über diverse Pässe bis auf 3850m hinauf. Wir keuchen. Erschöpft schlingen wir im kalten Wind Brötchen, Kekse und heißen Kaffee hinunter. Die Landschaft ist karg und total zerfurcht. Überall sind Minenhalden auszumachen, die sich durch die Natur fressen. Riesige Berge bestehen oberflächlich nur noch aus losem Geröll, durch welches sich Wege ziehen. Wachmänner mit Gewehren bewachen die Zufahrten. In Einzäunungen befinden sich Vicuña-Herden. Wir passieren ein Nest mit Hütten aus Planen.
Endlich erreichen wir die gigantische Mina Comarsa, nach der wir seit gestern nach dem Weg fragen. Auf und in diesem riesigen Berg wird Gold in extremen Ausmaßen abgebaut.
Und endlich geht es auch bergab. Aufgrund des unebenen Untergrund jedoch im Schneckentempo. Ein entgegenkommendes Ambulanzfahrzeug hält an. Der nette Fahrer schenkt uns zwei, noch warme gesalzene Maiskolben, die wir raz-faz verputzen.
Durch Eukalyptuswald führt uns die Straße hinunter zum Fluss, den wir auf einer sehr abenteuerlichen Brücke überqueren. Wir müssen jetzt nur noch wieder hinauf, denn das auf dem Gipfel liegende Dorf Tulpo ist Ziel unserer Träume. Die Piste ist verdammt steil. Schieben ist mal wieder angesagt, insbesondere in den engen Kehren. Langsam arbeiten wir uns voran und erreichen nach einer weiteren Stunde gegen halb sechs Uhr abends endlich das Bergdorf. Werden aber schnell ernüchtert, denn hier ist auch der Hund begraben, es gibt kein Restaurant und kein Hotel. Der nette Direktor der Schule kommt extra herbeigelaufen, um uns einen Klassenraum aufzuschließen. Es ist warm hier und zieht auch nicht. Dankbar schieben wir mit müden Knochen die Räder hinter ihm her. Wir befinden uns nun in einem anderen Distrikt und sind positiv von dieser Schule überrascht. Eine Küche wird gerade gebaut, die Waschräume sind sauber und neu. Es gibt sogar Internet und Computer. Derweil ich flink den Kocher anschmeiße und Nudeln koche, kauft Hardy eine Sprite und kehrt stolz mit zwei Fleischspießen zurück. Fuß und Hals eines Huhns sind mit einem Schuss Mayo aufgespießt. Nach einem Biss mit Heißhunger entscheide ich jedoch, das dies echt ekelhaft schmeckt. Hardy verdrückt also auch meine Portion. Es bekommt ihm nicht allzu gut.
Mollepata
Die lange Abfahrt über Mollebamba nach Mollepata lassen wir in der wunderschönen, kalten Morgenstimmung langsam angehen, denn in Mollepata (2677m) wollen wir bleiben und uns ein kleines Hotel leisten.
Schon während der Fahrt können wir in den Canyon herunter schauen und die vielen Kehren der an der sich gegenüberliegenden Wand befindenden Piste erkennen. Hardy zählt 24 an der Zahl. Wir überlegen ernsthaft diese Herausforderung nicht anzunehmen und die Steigung mit einem Bus zu überwinden, kommen aber von dem Plan ab, da erst wieder in vier Tagen einer fährt. Privater Verkehr passiert diese Strecke so gut wie nicht.
So verbringen wir einen gemütlichen Nachmittag im verschlafenen Ort, sprechen mit den Kindern und den Erwachsenen auf der plaza. Alle wissen inzwischen, dass wir aus Deutschland kommen.
Anbei versuchen wir per Besuch der verschiedensten (wenigen) Läden unsere Vorräte wieder aufzustocken. „No hay pan! (Es gibt kein Brot!)“, hören wir immer wieder. Wir schlendern gerade durch eine Gasse, fotografieren die Lehmhäuser im schönen Licht, da kann Hardy an zwei lustige Frauen doch endlich eine Frage stellen, die ihm schon lange auf der Seele brennt. „Was bedeuten denn die kleinen weißen Fahnen, die an den Hauseingängen hängen?“- „Hay pan!“, erfahren wir. Hier also können wir das begehrte Brot erstehen! Es ist von gestern, aber immerhin.
Pallasca
Wir fahren extra kurz nach sechs Uhr am Morgen los, um die lange Steigung noch in der Kühle abarbeiten zu können. Für die 10km hinunter bis zur Brücke über den Fluss auf 2130m benötigen wir über eine Stunde. Danach folgen 20 weitere bergauf bis nach Pallasca. Aber was ist denn das? Das konnten wir ja von Mollepata aus gar nicht erkennen. Bis auf in den steilen Kurven ist die Strecke asphaltiert! So stellt sie sich als gar nicht so schlimm wie erwartet heraus und wir rollen von einer Kehre in die folgende, begleitet von Hardys lautem Mitzählen.
Zum Mittagessen sind wir schon im gemütlichen Ort Pallasca. Wir haben einen reichlichen Kohldampf, denn die letzten zehn steilen Kilometer zehrten an unseren Kräften.
Kargste Landschaften
Laut Dorfbewohner soll es nur runter gehen und auch nur asphaltiert sein. Beide Aussagen stimmen nicht so ganz, ebenso wenig die Kilometerangaben zu den folgenden Orten. Kurze deftige Steigungen, Sand und loser Schotter lassen uns langsam voran kommen. Dafür radeln wir durch schönsten Eukalyptuswald mit Bächlein durchsetzt. Wenn es die richtige Tageszeit wäre, ließe sich hier sicher ein schnieker Zeltplatz finden.
Wir rollen weiter, die Straße wird wieder besser. Zwei, drei kleine Dörfer passieren wir noch.
In ewigen, sich windenden Serpentinen geht es im Affentempo hinab in die Schlucht des Río Santa auf 700 Höhenmeter. Allein schon die Abfahrt ist gigantisch. Peru ist gewaltig in all seinen Facetten! Karge, Terrakotta-farbene Felswände türmen sich in den verschiedensten Verwerfungen auf. Dazwischen frisst sich der brodelnde Strom den Weg durchs Tal. Neben der Straße, die sich irgendwann natürlich wieder in Schotter verwandelt, geht es steil Meter tief hinab.
Es wird wärmer und karger. Agaven und Kakteen bestimmen das Bild an den Felswänden. Wir entdecken einen für uns ganz neuen Kaktus, der Ähnlichkeit mit einer Torte hat. Wie gut, dass wir bereits bei der Abfahrt in einem Bergbach für den Notfall unsere Wasserflaschen aufgefüllt hatten, denn es ist super trocken hier.
Unten am Fluss angekommen passieren wir ein ärmlich aussehendes Camp von Goldsuchern, die hier mit Sieben im Schlamm des Flusses ihr Glück suchen. Immer wieder sehen wir Hütten aus Plastikplanen oder Ästen auf der anderen Seite des Flusses, in denen tatsächlich Leute leben. Per wackeligen Seilbahnen queren sie ihn wohl.
Auf sehr alten Brücken passieren auch wir dann und wann Zuflüsse. Lose, wackelige Bohlen bewegen sich unter uns, als wir lieber darüber schieben. Es klaffen große Löcher, durch die man das Wasser beobachten kann.
Wir radeln weiter und weiter und realisieren, dass wir heute wohl weder die in der Karte angegebenen Orte Estación Quiroz (welcher sich nur als Kreuzung darstellt) noch den Ort Estación Chuquicara erreichen werden. Bei den Hütten wollen wir lieber nicht schlafen. Und so kommt uns mal wieder das Glück zur Hilfe, denn nach 30km nach Pallasca schlängelt sich eine Piste den Hang hinauf auf der sich auch noch in der Dunkelheit fette Lastwagen hinauf wuchten. Auf der finden wir wieder einen Abzweig und dann einen versteckten Platz hinter großen Felsbrocken. Das wird unser erster wilder Zeltplatz in Peru! Die Sonne schaut kurz bevor sie verschwindet noch einmal goldgelb hervor, wir befinden uns in Marslandschaft. Es ist unbeschreiblich schön!
Auf rütteliger Piste werden unsere Räder an nächsten Tag voll beansprucht, bis dann im Nichts tollster Asphalt einsetzt. Es gibt sogar Fahrbahnmarkierungen. Nun kommen wir geschwind voran. Mal weitet sich das Tal und am Flussufer wachsen Orangen- und Limonenbäume. Welch tolle Erfrischung!
In verstaubten Orten wird oder wurde hier Kohle angebaut. Verfallene Fabriken kündigen von einstig besseren Zeiten. Jetzt rollt nur noch wenig Kohle aus Plastikrohren den Hang hinab in bereit stehende LKW-Anhänger. Mit dem Wetterphänomen El Niño sei hier vieles zusammengebrochen, hören wir.
Chuquicara
Nach insgesamt 78km von Pallasca bis nach Chuquicara, erreichen wir die Kreuzung und lernen, trostloser geht es immer. An der Hauptstraße reihen sich eine Hand voll staubiger, heruntergekommener Restaurant-Bretterbuden aneinander, die Mehrheit von ihnen geschlossen. Die Polizeistation ist das bei weitem modernste Gebäude hier. Wasser in Flaschen ist unheimlich teuer, ansonsten gibt es nur das dreckige vom Fluss. Wir kaufen dennoch, denn die heiße Mittagszeit steht an. Wir werden mit „hola gringos“ begrüßt, zum Nachbar höre ich sie sagen: “Viene la plata! (Es kommt das Geld!)“ Wie soll man denn da reagieren? Ich kann die Leute ja verstehen, wenn ich ihre Lebensumstände sehe, aber es hinterlässt ein unangenehmes Gefühl im Bauch.
Nach vielen Wochen treffen wir hier auf einen anderen Reiseradler. Es ist Lucas aus Süddeutschland. Gemeinsam verbringen wir den Nachmittag und Abend.
Auf den 40 folgenden Kilometern sind wir recht langsam unterwegs, was nicht nur am Schotter liegt. Denn es setzen die tollsten Gesteinsformationen ein. Die hohen Felswände fallen tausende von Metern steil ab. Es gibt krasse Verwerfungen und Stauchungen im Gestein. Die Farben reichen von beige, ocker, terrakotta bis hin zu grau, sogar schwarz. Unter uns rauscht wieder der Río Santa dahin. In all den Jahren hat er sich tief in den Berg gefressen. Auch hunderte Meter über uns finden wir Auswaschungen. Auf der schmalen Piste, auf der nur ein Auto Platz findet, fühlen wir drei uns super klein.
In den Fels sind diverse Tunnel gehauen, bestimmt 40 an der Zahl. Sie reichen von kleinen Bögen über der Piste bis hin zu langen Gängen, in denen es stockdunkel wird. In manchen Tunneln spenden Fenster im Gestein Lichtkegel. Im Dustern ist es trotz Stirnlampe komisch zu radeln. Bevor ein Auto hinein fährt hupen sie zum Glück immer, so wissen wir Bescheid uns warten zuvor. Einmal, wir sind mitten im Dunkeln, muss natürlich ein Fahrer, obwohl er unsererLichtkegel und Winken sieht auch hineinfahren und quetscht sich nah an uns vorbei. Wer bremst der verliert.
Wie so manch‘ andere Radler zuvor finden auch wir ein Nachtlager nach einer Brücke neben der sich ein Restaurant befindet. Der freundliche Besitzer zeigt uns einen Platz auf dem Schotterhang auf dem auch diverse Baumaschinen und Busse parken. Mit Gequatsche und Gitarrengeklimper klingt unser Abend aus.
Cañón del Pato
Früh am Morgen arbeiten wir uns in Richtung der beiden Orte Yuramarca und schließlich Huallanca. Die Straße schraubt sich nach oben, lässt sich aber einigermaßen fahren. In Huallanca wird es während wir essen richtig heiß, dennoch machen wir uns auf den Weg, denn wir möchten gern heute noch im 39km entfernten Caraz ankommen.
Vor uns liegt zum greifen nah der Cañón del Pato, ein Bonbon auf das wir uns bereits lange freuen. In der Entenschlucht stoßen die Cordillera Blanca und Cordillera Negra bis auf wenige Meter aufeinander. In der Mitte wieder der nun türkisblaue Fluss, den Wasserfälle speisen. Man meint, die gegenüber liegende Wand sei zum greifen nah. Gewaltig hoch türmen sich die kargen Felsen auf. Tunnel folgt auf Tunnel. Es ist super spannend hier zu radeln!
Ganz langsam öffnet sich die schmale Schlucht, die Wände verlieren an Steigungswinkel und ziehen sich sanft durch die Landschaft. In der Ferne können wir nun die richtig hohen Bergspitzen mit ihren schneebedeckten Gipfeln beobachten.
Aus Schotter wird Asphalt. Es wird Grün. Stauseen setzen ein. Landwirtschaft wird betrieben. Häuser nehmen zu. Aus einem rennen zwei Kinder wie verrückt in unsere Richtung zur Straße, eines fällt dabei über seine Füße, rappelt sich auf und schreit: „Gringo! Gringo, schenk mir ein Spielzeug! Gringo, schenk mir deinen Helm!“ Wieder macht sich ein doofes Gefühl und Ernüchterung bei mir breit. Wir sind schon durch so viele Gegenden gekommen, in denen die Leute auch arm waren, in denen aber nicht diese Erwartungshaltung an den Tag gelegt wurde. So bekomme ich doch beim besten Willen keine Lust ihnen was zu schenken oder geschweige denn anzuhalten. Ich denke mir lieber, schnell weg hier.
Caraz
So treten wir in die Pedalen und erreichen am Nachmittag den sehr netten, ruhigen, kleinen Ort Caraz. Wir sind fertig. Die Glieder sind müde, wohl eine Folge des Durchrockens seit Cajamarca in einer Woche. Eigentlich hatten wir geplant in der Nachbarstadt Huaraz eine Pause einzulegen, bleiben aber hier, denn uns gefällt es sehr gut. Im sauberen Hotel San Marcos mit seinen schönen Innenhöfen quartieren wir uns ein. Nach einer Dusche geht’s ins Restaurant. Beide verschlingen wir ¼ Huhn mit Pommes und großem Salat. Heute gibt’s auch mal ein Bier.
Wir schlendern über den Markt und schlemmen die örtliche, super leckere Eiscreme. Dabei machen wir bereits Pläne für unser nächstes Abenteuer. Auf dem berühmten Huayhuash-Treck wollen wir 10-12 Tage durch’s Hochgebirge wandern. Es erwarten uns Höhen über 5000m, Lagunen, wilde Zeltplätze und hoffentlich auch der Andenkondor.
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